Der Pakt des Lucifer von sarah
Durchschnittliche Wertung: 4, basierend auf 5 BewertungenKapitel Das dritte Opfer
D’Artagnan hämmerte mit den Fäusten gegen Athos‘ Wohnungstür.
Endlich wurde sie einen Spalt breit geöffnet und Grimaud lugte
hinter ihr hervor. Als er d’Artagnan und Porthos erkannte, schwand
das Misstrauen aus seinem Blick, und er ließ die Freunde ein.
D’Artagnan stürmte in die Wohnung, wobei er den verwunderten Diener
beiseite schob und sich mit gehetztem Blick im Zimmer umsah.
„Grimaud, wo ist Athos?“
„Fort.“
Porthos warf d’Artagnan einen besorgten Blick zu und trat fast
drohend auf Grimaud zu.
„Was soll das heißen, fort? Wohin ist er gegangen?“
Der Diener zuckte mit den Schultern.
„War jemand hier?“
Auch d’Artagnan war näher an Grimaud herangetreten, der, von zwei
Seiten belagert, verwirrt an die Wand zurück wich.
„Ja.“
„Ja, und wer, zum Teufel?“ D’Artagnans Stimme überschlug sich. Grob
packte er den wortkargen Diener bei den Schultern und rüttelte ihn,
als wolle er die Worte aus ihm heraus schütteln.
„Ein... ein Fremder, ...er trug eine schwarze Kutte...“
D’Artagnan stieß einen Schrei aus und ließ von Grimaud ab. Sein
Blick fiel auf die beiden halbvollen Weingläser, die auf dem Tisch
standen.
Wenn das reiner Anjou-Wein ist, dann hol mich der
Teufel!
„Er war hier! Wir sind zu spät gekommen, Porthos!“
Die hohen düsteren Pfeiler. Ihre schwarzen Schatten auf dem
grau-kalten Mamorboden. Schatten, die uns folgen, unheilverkündende
Schatten. Das Dröhnen in unseren Köpfen, lauter als das Geräusch
unser Schritte in dem widerhallenden Raum. Seltsame Muster, die das
Mondlicht auf den Boden wirft. Formen und Farben. Sinnlos.
Verwirrend. Unser Atem weiß vor unseren Gesichtern.
Kälte.
Noch nie in seinem Leben war d’Artagnan ein Weg länger vorgekommen
als der Gang durch den Langbau der Kirche von Saint-Eustache. Seine
Beine waren schwer wie Eisen und gleichzeitig so weich, dass sie
unter seinem Gewicht nachzugeben drohten.
Dann der Altarraum.
Er schläft!
Athos‘ Gesicht schimmerte weiß-bläulich im Mondschein. Die Augen
waren geschlossen. Die Hände ruhten weiß und schön auf dem
schwarzen Untergrund. Wären die Umstände nicht so traurig gewesen,
man hätte den Anblick als schön beschreiben mögen. Friedlich. Ewig.
Unantastbar. Wie ein Gemälde.
Er schläft!
Porthos ließ sich auf die Knie sinken. Er, ein Koloss von einem
Mann, ein Titan, ein Riese, begann hemmungslos zu weinen.
D’Artagnan stand neben ihm. Unfähig sich zu rühren. Unfähig zu
begreifen. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Bilder kamen
ihm in den Sinn. Szenen aus seiner Zeit mit Athos.
Zusammenhanglos... Ihre erste Begegnung... Athos, wie er über ein
Glas Wein gebeugt in einem abgedunkelten Raum sitzt... Athos beim
Duell... Athos, wie er d’Artagnan seine Geschichte erzählt, damals
in Amiens... Athos mit der Fahne in der Hand auf der Bastei
Saint-Gervais... Athos wie ein Vater, im Kloster von Béthune, wie
er die Schultern des verzweifelten d’Artagnan umfasst...
„Wer immer das getan hat, er wird hängen!“
D’Artagnans Atem ging stoßweise. Sein Gesicht: bleicher als das des
Opfers. Seine Hände: zu Fäusten geballt. Seine Augen: rot gerändert
und sein Blick glühend. Porthos blickte zu ihm auf und
erschauerte.
Abrupt wandte der Musketier den Kopf. Aus den Augenwinkeln hatte er
eine Bewegung wahrgenommen. Gerade noch sah er eine Gestalt in
einem langen Kleid, eine Frau, die durch den Seiteneingang der
Kirche verschwand. D’Artagnan stürzte ihr nach.
Die Kutsche der Marquise stand vor der Kirche. Gerade als die Dame
keuchend den Türschlag öffnete, um darin zu verschwinden, holte
d’Artagnan sie ein.
„Diesmal entkommt Ihr mir nicht!“
Grob riss er sie zu sich herum.
„Die Marquise!“
Schwer atmend blickte Catherine de Rambouillet in das von Schmerz
und Verzweiflung gezeichnete Gesicht des Racheengels, den sie vor
sich sah. Sekundenlang gelang es ihr dem rasenden Blick d’Artagnans
standzuhalten, bevor sie den Kopf senkte.
„WARUM? Ich hielt euch für unschuldig! Ich hätte es besser wissen
müssen!“ Den Arm der Marquise fest umklammernd sprang d’Artagnan in
die Kutsche, zog die Decke von den Sitzbänken, holte das kleine
Schmuckkästchen hervor und warf es Catherine vor die Füße, sodass
der Deckel herabfiel und die kleinen Giftfläschchen
herausfielen.
„Habt Ihr damit den Wein des Grafen de la Fère versüßt? Ihr und
Euer Liebhaber! Auch ihn werde ich kriegen! Hexe! Warum! Sagt mir
warum!“
Einen Moment lang war die Marquise versucht dem verzweifelten
Musketier die Wahrheit zu sagen. Man hatte Ihr gesagt, dass er ein
Freund des Opfers war. Doch wie hätte sie diesen Schmerz, diesen
Wahnsinn vorausahnen können? Sie wollte sprechen, doch kein Wort
kam über ihre Lippen. D’Artagnans Griff um ihre Arme verstärkte
sich.
„Er hat mein Werk... vervollständigt.“
Hätte der Schmerz d’Artagnans Blick nicht verklärt, so hätte er
vielleicht die Tränen in den Augen der Marquise erkannt. Tränen des
Mitleids, die ihre Worte Lügen straften. So jedoch hielt der
Verzweifelte das Glänzen ihrer Augen für ein Zeichen ihres
Fanatismus. Sie war dem Teufel verfallen. Eine Wahnsinnige.
„Mörderin!“
Ein Faustschlag traf Catherines Wange. Es folgte ein dumpfer
Schlag, als sie mit dem Kopf gegen die Kutschenwand schlug und
lautlos in sich zusammensackte. D’Artagnan riss seinen Degen aus
der Scheide und holte aus, um auf sie einzuschlagen. Doch in diesem
Moment riss Porthos, der dem Freund hinterher geeilt war, ihn an
den Schultern zurück.
„Mach dich nicht unglücklich! Lass sie dich nicht auch zum Mörder
machen, d’Artagnan!“
D’Artagnan schluchzte auf und ließ den Degen zu Boden fallen.
Endlich gelang es ihm seinen Tränen freien Lauf zu lassen und er
verbarg sein Gesicht in Porthos Schulter.
„Oh, Porthos! Ich wusste, dass sie es war! Ich war dabei, als sie
mit ihrem Liebhaber den zweiten Mord beging! Ich wusste es! Warum
habe ich an ihre Unschuld geglaubt? Ich hätte ihn retten können! Es
ist meine Schuld, ich hätte...“
„Dummkopf!“ flüsterte Porthos kläglich und biss sich auf die
Lippen, um nicht erneut mit Weinen anzufangen. „Kleiner
Dummkopf!“