Die vier Musketiere von CorinnaB

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Kapitel Auf der falschen Seite

Am nächsten Morgen besuchte Aramis seine Verlobte. Doch der Arzt konnte keine Entwarnung geben. „Das Gift war so stark, dass diese wenigen Schlucke ausgereicht haben, den Körper zu vergiften.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann euch nicht viel Hoffnung machen, Monsieur Aramis.“
Betrübt ging dieser in Richtung Hauptquartier. Da verstellte ihm eine Gestallt den Weg. Es war Mylady. Hasserfüllt wollte sich unser Musketier auf sie stürzen, doch diese verzog keine Miene, sondern fing an zu sprechen. „Monsieur Aramis. Ihr werdet mir jetzt zuhören, sonst werden auch eure Freunde ihr Leben verlieren.“ Mitten in seiner Bewegung hielt Aramis inne. War das schon wieder eine Falle. „Was wollt ihr von mir?“ fragte er zornig…
Schließlich kam er zum Hauptquartier, wo seine Freunde schon auf ihn warteten. „Und? Wie geht es ihr?“ Athos kam ihm entgegen. Schweigend senkte Aramis den Kopf und ging an ihm vorbei.
Seine Kameraden wollten ihm folgen, doch er bedeutete ihnen zu bleiben. Beunruhigt sahen sie sich an. Was hatte Aramis vor?
Wenige Augenblicke später kam Aramis wieder zu seinen Freunden zurück. Als er sie ansah, wichen sie erschrocken einen Schritt zurück. „Ihr werdet nicht verstehen, warum ich das tue, aber bitte vertraut mir. Ich tue es für euch. Für die besten Freunde, die ich je gehabt habe.“ Damit stieg er auf sein Pferd und galoppierte davon.
Vor den Toren der Garde des Kardinals hielt er an.
An dessen Zimmer angekommen, klopfte er.
Eine überraschte Stimme erklang. „Herein.“ Als er die Türe öffnete, zuckte Kardinal Richelieu zusammen. Er sah ihn das erste Mal von so nahem. Und er war überwältigt von dem was er sah.
Der letzte Erbe der Valinar kniete vor ihm nieder.
Er war am Ziel angekommen.
Mit René d’Herblay in seinen Fängen konnte es beginnen.
„Kardinal Richelieu. Ich stehe euch zu Diensten.“
Trotz dieser großen Niederlage verlor Aramis nichts von seiner Anmut und seinem Stolz.
Er wartete bis der Kardinal ihm erlaubte aufzustehen. Doch dieser ließ sich Zeit. Diesen Moment kostete er aus. Denn er würde wahrscheinlich nie wieder kommen.
Langsam reichte er Aramis seine Hand. Dieser küsste den Ring und richtete sich kerzengerade auf. Sein Blick schien Kardinal Richelieu ins Herz zu sehen, sofern er eines besaß. Dieser konnte ihm nicht standhalten und kehrte Aramis den Rücken zu.
„Ihr wollt also Hauptmann meiner Garde werden.“ Aramis schwieg. „Nun dann folgt mir.“
Seine Eminenz führte unseren Freund zum Exerzierplatz. „Männer.!“ Er klatschte in die Hände. „Es ist mir ein ganz persönliches Vergnügen euch euren neuen Hauptmann vorzustellen. Seine Name ist René d’Herblay.“ Sprachlos standen die Gardisten vor ihrem neuen Vorgesetzten. „Aber, das ist doch Aramis.“ „Was macht er bei der Garde?“ „Wie kommen wir zu solcher Ehre?“ „Ehre? Ich lasse mir doch nichts von einem Musketier befehlen.“
Kardinal Richelieu sah seine Soldaten scharf an. „Er ist aus meinem ausdrücklichen Wunsch und seinem Einverständnis bei den Musketieren ausgeschieden, um diesen Posten anzunehmen. Ich befehle euch also auf ihn zu hören. Andernfalls, wer sich ihm widersetzt, landet in der Bastille.“ Damit waren alle Diskussionen beendet.
Die meisten Männer bewunderten Aramis und die anderen Musketiere heimlich, so dass es für sie kein Problem war Aramis’ Befehle zu befolgen.
Doch es gab auch einige Neider, die in Aramis nur einen Schönling sahen, dem sie keine Fechtkunst zutrauten.
So einer war Daniel Grémoire. „Könnt ihr auch kämpfen?“ Er baute sich vor Aramis auf. Dieser wollte nicht drauf eingehen, doch sein Gegner hielt ihn am Arm fest. „Was? Traut ihr euch etwa nicht?“ Bevor er reagieren konnte hatte Aramis seinen Degen gezogen und hielt ihn an Daniels Hals. „Soll das eine Herausforderung sein?“ Wütend über seine eigene Unachtsamkeit schob der Gardist Aramis’ Hand von sich und stellte sich in Position. „Zeigt mal, was ihr könnt, Musketier.“

Athos, Portos und D’Artagnan saßen in der Kneipe. Alle waren völlig durcheinander. „Was sollte das denn vorhin?“ Portos wirkte hilflos. „Ich kann es mir nicht erklären. Vor allem, dass Treville uns nichts gesagt hat.“ Athos spielte mit seinem Messer. „Naja, Urlaub ist ja schon mal eine Aussage.“ Portos nahm seinen Krug. „Aber wir wissen alle, dass das nicht die Wahrheit war.“ Athos hatte plötzlich einen schrecklichen Verdacht. „Ich glaube, er ist ausgeschieden aus seinem Dienst.“ Seinen Freunden blieb die Spucke im Hals stecken. „Ausgeschieden? Aber weshalb denn?“ D’Artagnan glaubte das nicht. „Sharmine ist doch noch am Leben. Also kann er nicht ins Kloster wollen.“ „Das stimmt schon. Aber, was soll er denn sonst machen?“ Athos legte sein Messer zum Wiederholten mal von seinem Teller auf den Tisch. „Vor allem: er tut es für uns. Was macht er für uns?“ Portos räusperte sich. „Ich werde nicht schlau. Wir können nur abwarten, ob er wieder kommt.“

„Na toll. Gerade hier angefangen, ist schon der erste Idiot von Gardist schwer verletzt.“ Aramis fluchte. Allerdings hatte er sich mit diesem Kampf und vor allem mit diesem Sieg die Achtung der Gardisten gesichert.
Gemächlich schlenderte er in sein Quartier, als auf einmal D’Artagnan vor ihm stand. „Aramis. Was machst du hier?“ Dieser hatte vor Schreck seinen Degen gezogen. „Ach du bist es.“ Beruhigt steckte Aramis ihn wieder weg. Erleichtert fiel D’Artagnan auf, dass es Aramis zu freuen schien, ihn zu sehen. Plötzlich wurde Aramis sich bewusst, in welche Gefahr er seinen Freund gerade brachte. Hastig sah er sich um. „Ich muss gehen. Grüß die Anderen von mir.“ Schon war er verschwunden. Zurück blieb ein verdatterter D’Artagnan.
In seinem Quartier saß Aramis verzweifelt am Fenster. Sollte er seinen Freunden die Wahrheit sagen? Sie hatten so viel gemeinsam erlebt. Aber wenn Mylady nur den kleinsten Verdacht schöpfte, würde sie seine drei Kameraden sofort ermorden lassen.
Was hatten sie und der Kardinal nur vor mit ihm?
Während er noch so da saß und seinen Gedanken nach hing, merkte er, dass jemand in seinem Zimmer war. Blitzschnell drehte er sich um und richtete seine Pistole auf den Eindringling. Dieser hob erschrocken die Hände. „Nicht so eilig mein Freund.“ Nervös sah sich Aramis Athos gegenüber. Dieser setzte sich zu ihm. „Was ist los mit dir?“ Aramis Atem ging schneller. „Ich kann nicht mit dir reden. Nicht hier.“ Athos sah sich verwundert um. „Aber du wohnst hier. Wer sollte uns hier stören?“ Aramis’ Blick irrte sichtbar unruhig umher. Langsam wurde Athos ungeduldig. „Verdammt Aramis. Wir machen uns sorgen. Du redest nicht mehr mit uns. Wir kriegen nur gesagt, du hättest Urlaub genommen. Keiner weiß warum. Was spielst du für ein Spiel?“ Aramis ließ den Kopf hängen. „Ich kann dir nichts sagen. Es hat seine Gründe, warum ich mich von euch fern halte. Und nun geh!“ Er sah ihn flehend an. Athos erschauerte. „Was ist nur aus unserer Freundschaft geworden?“ Aramis vergrub den Kopf in seine Hände. Er wollte nicht, dass Athos die Tränen, die sich in seine Augen schlichen sehen konnte. Dieser verließ das Zimmer.
Mylady hatte es geschafft.
Das Band, welches Aramis und Athos einst so innigst verband, bröckelte.
Am nächsten Morgen erreichte ein Bote Aramis mit der schrecklichen Nachricht Sharmine de Lucigne wäre in der Nacht verstorben. Sofort eilte er zu dem Arzt. Dieser bestätigte die Befürchtung. Allerdings war er verwundert, dass Aramis zu ihm kam, da der Leichnam seiner Verlobten in seinem Namen bereits abgeholt wurde. Er legte unserem verzweifelten Freund ein Schreiben vor, welches ihm ausgehändigt worden war. Aramis gedachte keine Luft mehr zu bekommen. Dieser Brief trug eindeutig die Handschrift Myladys. Er bezahlte den Arzt und verließ dessen Haus.
Beim Kardinal angekommen, stürmte er in dessen Zimmer, ohne anzuklopfen…
Und platzte mitten in ein Gespräch seinerseits mit Mylady. „Ihr … was habt ihr mit meiner Verlobten gemacht?“ Aramis konnte sich nicht mehr beherrschen und ging auf Mylady los. Nur mit Mühe konnte der Kardinal seinen Hauptmann von ihr fernhalten. Wir haben die Leiche ihrer Familie zum Begraben freigegeben.“ Antwortete Kardinal Richelieu. Aramis beruhigte sich nicht wirklich. „Warum musstet ihr dem Arzt dann ein gefälschtes Schreiben schicken? Es hätte auch gereicht mir bescheid zu geben und ich hätte alles weitere veranlasst.“ Mylady wich vor Aramis Blicken zurück, als könnten diese ihr etwas antun. „Ich denke, es ist besser ihr geht jetzt.“ Wandte sich seine Eminenz ihr zu. Diese nickte erleichtert und verließ fluchtartig das Zimmer. „Das hätte zuviel Zeit gekostet.“ Kardinal Richelieu setzte sich. „Es gibt für die Garde einen Auftrag auszuführen. Und da wird ihr Hauptmann dringend gebraucht.“
Aramis Gedanken ordneten sich langsam wieder. „Um was für einen Auftrag handelt es sich?“

„Musketiere! Es gibt Arbeit für euch.“ Treville hatte alle Musketiere auf dem Exerzierplatz antreten lassen. „Der König hat eine Versammlung im Palais de Justice einberufen. Es werden Adlige und einfaches Volk anwesend sein. Die Aufgabe der Musketiere wird es sein, die Adligen vor den Bauern zu schützen, während die Garde des Kardinals das einfache Volk im Zaum halten wird.“
„Eine Versammlung?“ raunte Portos Athos ins Ohr. „Die letzte war 1614.“ „Das waren die Generalstände Portos.“ Erklärte Athos seinem Freund. „Versammlungen gibt es immer wieder. Nur warum diesmal auch das einfache Volk anwesend sein wird, verstehe ich noch nicht.“ Monsieur Treville redete unterdessen weiter. „…so dass auch die Bauern einmal ihre Ansichten vorbringen können.“ „Na, da hat unser König mal eine gute Idee.“ Flüsterte Athos.
„Morgen um zwölf geht die Versammlung los. Seid entsprechend am Vormittag da, um eure Präsens zu offenbaren. Abtreten!“

Früh am nächsten Morgen versammelte sich das Volk vor dem Parlament. Noch waren die Tore geschlossen. „Seht mal, die Adligen lassen sie rein, wir müssen warten.“ Die Menge wurde ungeduldig. Die Garde des Kardinals hatte alle Hände zu tun, um für Ruhe zu sorgen. „He! Das ist doch Aramis! Er befehligt die Garde des Kardinals?“ „War der nicht Musketier?“ „Das ist ja ein Abstieg, wenn er zu den Tölpeln des Kardinals wechselt.“ Die Umstehenden lachten. Zum Glück bekam unser Hauptmann nichts davon mit. Es hätte ihn wahrscheinlich zutiefst verletzt. Sah er sich doch dazu gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wusste er nicht, ob er von Mylady beobachtet wurde. Dabei wünschte er sich nichts sehnlicher, als Musketier zu sein und bei seinen Freunden zu verweilen.
Endlich wurden auch die Bauern in das Parlamentsgebäude gelassen. Die beiden Stände wurden streng getrennt. Die Adligen links, die Bauern rechts, dazwischen eine zwei Meter breite Barriere, welche von Musketieren auf der einen und Gardisten auf der anderen Seite bewacht wurden. Auch Athos, Portos und D’Artagnan befanden sich dort.
Aramis hielt sich im Hintergrund, wollte er von seinen Kameraden nicht entdeckt werden.
Im Saal herrschte große Unruhe. Plötzlich gelang es einem flinken Bauern durch die Barriere hindurch zu springen. Verdutzt über so viel Kühnheit, verpassten die Musketiere einzugreifen. So kam der Mann fast bis zu den ersten Reihen der Adligen, als ein Schuss fiel. Tödlich getroffen brach der Mann zusammen. Das Volk geriet außer Rand und Band. Nur durch Waffeneinsatz der Garde hielten sie sich zurück nicht auch die Barriere zu stürmen. Da stand der König, welcher gemeinsam mit Kardinal Richelieu seinen Platz in der Mitte des Parlaments hatte, auf. Langsam hob er die Hände. Auf einmal herrschte Totenstille. Der Mann lag in einer Blutlache und regte sich nicht mehr. „Dieser Mann stellte eine Gefahr für die Bewohner von Paris dar. Die Musketiere, welche meine persönliche Leibwache darstellen, müssen eine Entscheidung treffen, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. Schließlich geht es um das Wohl ihres Königs.“ Da wurde es Aramis zu viel. „Verdammt, habt ihr etwa auch befohlen auf unbewaffnete Menschen zu schießen?“ Brüllte er und rannte zur Barriere. „Man hätte den Mann auch anders aufhalten können, als ihn feige von hinten zu erschießen!“ Das Volk stimmte ihm lauthals zu. Die Musketiere, welche ihm am nächsten standen drehten sich um und erstarrten. Was machte Aramis bei der Leibgarde des Kardinals. Auch Athos und D’Artagnan waren unter diesen. Unfähig sich zu rühren, sahen sie sich an. Entsetzten lag in ihren Blicken. Aramis war inzwischen bei dem Mann angelangt und kniete neben ihm nieder. Doch er konnte nichts mehr tun. Die Kugel hatte ihn von hinten genau ins Herz getroffen. „Das war ein Angriff gegen das gesamte französische Volk! Nicht der Adel macht die Mehrheit aus, sondern das einfache Volk, die Bauern und Arbeiter. Er konnte sich nicht einmal wehren. Ist das die Auffassung der oberen Schicht Frankreichs? Darf man aus ihren Augen Leute, die nicht so handeln, wie ihr es wünscht einfach umbringen? Wenn der Adel so weiter macht, wird es eines Tages zu einer Revolution kommen!“ Das Volk johlte. Endlich jemand, der auf ihrer Seite war. „Was machst du bei der Garde des Kardinals, Aramis?“ Ohne es zu merken, war Athos vor Aramis getreten. „Ich diene ihr.“ Antwortete dieser. „Dann seid ihr mein Feind.“ Athos zog seinen Degen. Aramis fühlte, dass er seinen Freund verloren hatte.
„Nein, Athos, ich kämpfe nicht gegen dich.“ Aramis ging einen Schritt zurück, doch Athos griff ihn bereits an. Aramis hatte es gerade so geschafft, seinen Degen zu ziehen und den Angriff zu parieren. Athos war ein ebenso guter Fechter wie Aramis, was es für beide schwer machte. Allerdings sah man bald, dass Athos die treibende Kraft war und Aramis dessen Angriffe nur abfing. Er seinerseits ging nie zum Angriff über, was Athos nur wütender werden ließ. „Du warst…. Mein …. Bester …..Freund, Aramis.“ Wieder entging Aramis nur haarscharf einer Verletzung. „Athos, du …bist es ….immer noch.“ Atemlos standen sich die zwei ehemaligen Kameraden gegenüber. „Nein, bin ich nicht mehr.“ Athos griff wieder an. „Dieser Verrat wird dir das Genick brechen.“ Athos focht wie ein wilder. Portos und D’Artagnan konnten nicht mehr hinschauen. Sie wollten nicht mit ansehen, wie ihre Freunde sich gegenseitig umbrachten. Gerade als D’Artagnan dazwischen gehen wollte, geschah es. Aramis war einen Augenblick lang unaufmerksam, als er den Schmerz in seiner Schulter spürte. Athos hatte ihn mit voller Wucht getroffen. Aramis’ Degen fiel zu Boden. Er hielt sich seine Schulter. Blut sickerte durch seine Finger, er wankte. Athos wollte ausholen, doch D’Artagnan hielt seinen Arm fest. „Bist du von Sinnen?“ Er schlug Athos den Degen aus der Hand. „Willst du ihn umbringen?“ Athos sah Aramis einen Herzschlag lang an. „Aramis hob seinen Degen auf und richtete sich wieder auf. „Vielleicht werdet ihr eines Tages verstehen, warum ich so handelte.“ Damit drehte er sich um und verließ das Parlament, um einen Arzt aufzusuchen.
Zufrieden lächelte Kardinal Richelieu in sich hinein.
Diesmal war ihr Plan geglückt. Nun konnten sie Aramis endlich besiegen.

Zitternd stand Athos auf seinem Platz und starrte seinem Freund hinterher. Er konnte es nicht fassen. Hatte er gerade versucht seinen Kameraden umzubringen?
Was hatte er getan?
Er wollte hinter Aramis herlaufen, doch Portos schüttelte den Kopf.
„Lass ihn.“
Aramis irrte durch die Straßen von Paris.
Es war vorbei. Seinen Freunden konnte er die Wahrheit nicht mehr sagen, sie würden nicht mit reden wollen. Seinen Dienst bei der Garde konnte er sich wahrscheinlich nach diesem Vorfall auch abschreiben.
Was nun?
Ihm wurde schwindlig.
Zuviel Blut hatte er schon verloren.
Langsam sank er in die Knie.

D’Artagnan, noch völlig geschockt, von den Vorkommnissen im Palais de Justice, streifte durch Paris. Wie konnte es nur soweit kommen?
Ausgerechnet Athos und Aramis.
Und warum war Aramis Hauptmann der Garde des Kardinals?
Er verstand das alles nicht.
Allerdings war sein Handeln vorhin im Parlament für ihn typisch.
Nicht überlegen, sondern einschreiten, wenn unrecht geschieht. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Während er so grübelte, viel ihm eine Gestalt auf, welche an einer Hauswand lehnte. Er wollte schon seine Hilfe anbieten, als er erschrocken die Luft einzog.
Aramis.
Er war bewusstlos. Aus seiner Wunde trat immer noch Blut aus.
D’Artagnan wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Auge.
Was hatten sie nur getan, dass so etwas mit Aramis passieren konnte?
Behutsam hob er seinen Freund aufs Pferd und lief nach Hause.
Seinen Kameraden erzählte er vorerst nichts von seinem kranken Gast, bis Portos ihn nach einigen Tagen schließlich zur Seite nahm. „Sag mal, hast du Damenbesuch, oder warum verschwindest du sofort nach dem Dienst zu Hause?“ D’Artagnan wirkte zerknirscht. „Ich pflege einen verwundeten Freund gesund.“ Portos Augen leuchteten auf. „Aramis?“ sein Freund nickte. „Erzähl, wie geht es ihm?“ „Die Wunde heilt, aber seine Seele leidet.“ Portos schaute nachdenklich ins Leere. „Bitte, ich möchte ihn sehen.“
Gemeinsam gingen die zwei Musketiere zu D’Artagnan.
Aramis war bereits so weit genesen, dass er aufstehen und herumgehen konnte. Als er gerade etwas zu Trinken geholt hatte, flog die Tür mit lauten Poltern gegen die Wand. Vor Schreck ließ Aramis sein Glas fallen. „Aramis! Ich bin so froh, dich wieder zu sehen!“ Portos drückte ihn so sehr, dass er vor Schmerzen aufstöhnte. Erschrocken ließ Portos seinen Freund los. „Oh, deine Schulter…“ Aramis biss sich auf die Lippen. „Ich hoffe, du hegst keinen Groll gegen mich.“ Aramis musste sich setzen. Portos winkte ab. „Wir sind Freunde. Aber ich verstehe nicht, warum du in die Garde des Kardinals übergetreten bist.“ Aramis seufzte. „Nun ist sowieso alles zu spät.“ Portos und D’Artagnan warteten bis er weiter sprach.
„Ihr müsst mir glauben, ich war nicht aus freiem Willen dort.“ Aramis schaute seine Freunde verzweifelt an. „Es war an dem Morgen, als ich von Sharmines Arzt kam. Er konnte mir keine Hoffnungen mehr machen, dass Gift wäre zu stark gewesen. Traurig lief ich durch die Straßen, als Mylady vor mir stand.
‚Ihr werdet von nun an für den Kardinal arbeiten und Hauptmann seiner Garde werden, oder eure Freunde Athos, Portos und D’Artagnan sind des Todes.’ Sagte sie. Etwas in ihrer Stimme sagte mir, dass dies keine Falle war, sondern bitterer ernst. Ich überlegte noch, wie ich reagieren sollte, als Mylady fortfuhr. ‚Ich meine es ernst. Wenn ihr nicht augenblicklich bei Musketieren ausscheidet, werden meine Männer eure drei Freunde töten. Wollt ihr das? Wollt ihr Schuld am Tod drei der besten Musketiere des Königs und eurer Freunde sein?’ Ihre Augen funkelten. „Überlegt es euch gut. Ihr habt bis heute Mittag Zeit. Seid ihr bis um zwölf nicht bei Kardinal Richelieu erschienen…’ ich resignierte. Ohne etwas zu erwidern ließ ich Mylady stehen. Diese konnte triumphieren. Nun hatte sie mich in der Hand.
Ich ging sofort zu Treville und reichte meinen Urlaub ein. Kurz darauf überbrachte man mir die Nachricht von Sharmines Tod.“ Portos und D’Artagnan zuckten zusammen. „Sie ist also tatsächlich gestorben.“ Auf Aramis überraschten Blick fügte Portos hinzu. „Es wurde am Hofe gemunkelt, sie hätte den Anschlag nicht überlebt.“ Aramis Stimme zitterte als er weitersprach.
„Athos besuchte mich einmal bei mir zu Hause, aber ich schickte ihn fort, da ich Angst hatte, von Mylady beschattet zu werden. Ich wollte nicht euren Tod verschulden.“ Erschöpft lehnte Aramis sich zurück. „Könnt ihr mir verzeihen?“
„Kannst du mir denn verzeihen, dass ich dich sogar um ein Haar umgebracht hätte?“ Erstaunt schauten unsere drei Freunde in die Richtung, aus der die Stimme kam. In der Tür stand unser fehlender vierter Musketier. Athos blickte Aramis flehend an.
„Ich wollte zu D’Artagnan und habe alles mit angehört.“
Unsicher, wie Aramis reagieren würde, ging er auf ihn zu.
Athos war überrascht, welch eine Sanftmut in Aramis Augen zu lesen war. „Ich habe dir bereits verziehen, als du mir deinen Degen in die Schulter stießest.“ Verwundert hob Athos die Augenbrauen. Aramis fuhr leise fort. „Weil du mein Freund bist, musstest du so handeln. Deine Tat zeigte mir, wie sehr ich dich verletzt haben muss. Es tut mir leid.“
Das Band der Freundschaft wurde in diesen Augenblicken neu geknüpft.
Und es war fester als je zuvor.

Am nächsten Tag gingen sie zu Monsieur Treville. Nachdem die vier Freunde Aramis Erlebnisse erzählt hatten, hatte Treville Erbarmen und ernannte Aramis wieder zum Musketier. Überglücklich verließen unsere vier Musketiere das Hauptquartier.
Monsieur Treville schrieb einen Brief an Kardinal Richelieu, in dem er ihm erklärte, dass dessen Plan Aramis von den Musketieren zu trennen fehlgeschlagen war. Gleichzeitig warnte er ihn vor weiteren Anschlägen auf seinen Musketier, sonst würde er dem König vorsprechen.