Die vier Musketiere von CorinnaB
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 4 BewertungenKapitel Auf der falschen Seite
Am nächsten Morgen besuchte Aramis seine Verlobte. Doch der Arzt
konnte keine Entwarnung geben. „Das Gift war so stark, dass diese
wenigen Schlucke ausgereicht haben, den Körper zu vergiften.“ Er
schüttelte den Kopf. „Ich kann euch nicht viel Hoffnung machen,
Monsieur Aramis.“
Betrübt ging dieser in Richtung Hauptquartier. Da verstellte ihm
eine Gestallt den Weg. Es war Mylady. Hasserfüllt wollte sich unser
Musketier auf sie stürzen, doch diese verzog keine Miene, sondern
fing an zu sprechen. „Monsieur Aramis. Ihr werdet mir jetzt
zuhören, sonst werden auch eure Freunde ihr Leben verlieren.“
Mitten in seiner Bewegung hielt Aramis inne. War das schon wieder
eine Falle. „Was wollt ihr von mir?“ fragte er zornig…
Schließlich kam er zum Hauptquartier, wo seine Freunde schon auf
ihn warteten. „Und? Wie geht es ihr?“ Athos kam ihm entgegen.
Schweigend senkte Aramis den Kopf und ging an ihm vorbei.
Seine Kameraden wollten ihm folgen, doch er bedeutete ihnen zu
bleiben. Beunruhigt sahen sie sich an. Was hatte Aramis vor?
Wenige Augenblicke später kam Aramis wieder zu seinen Freunden
zurück. Als er sie ansah, wichen sie erschrocken einen Schritt
zurück. „Ihr werdet nicht verstehen, warum ich das tue, aber bitte
vertraut mir. Ich tue es für euch. Für die besten Freunde, die ich
je gehabt habe.“ Damit stieg er auf sein Pferd und galoppierte
davon.
Vor den Toren der Garde des Kardinals hielt er an.
An dessen Zimmer angekommen, klopfte er.
Eine überraschte Stimme erklang. „Herein.“ Als er die Türe öffnete,
zuckte Kardinal Richelieu zusammen. Er sah ihn das erste Mal von so
nahem. Und er war überwältigt von dem was er sah.
Der letzte Erbe der Valinar kniete vor ihm nieder.
Er war am Ziel angekommen.
Mit René d’Herblay in seinen Fängen konnte es beginnen.
„Kardinal Richelieu. Ich stehe euch zu Diensten.“
Trotz dieser großen Niederlage verlor Aramis nichts von seiner
Anmut und seinem Stolz.
Er wartete bis der Kardinal ihm erlaubte aufzustehen. Doch dieser
ließ sich Zeit. Diesen Moment kostete er aus. Denn er würde
wahrscheinlich nie wieder kommen.
Langsam reichte er Aramis seine Hand. Dieser küsste den Ring und
richtete sich kerzengerade auf. Sein Blick schien Kardinal
Richelieu ins Herz zu sehen, sofern er eines besaß. Dieser konnte
ihm nicht standhalten und kehrte Aramis den Rücken zu.
„Ihr wollt also Hauptmann meiner Garde werden.“ Aramis schwieg.
„Nun dann folgt mir.“
Seine Eminenz führte unseren Freund zum Exerzierplatz. „Männer.!“
Er klatschte in die Hände. „Es ist mir ein ganz persönliches
Vergnügen euch euren neuen Hauptmann vorzustellen. Seine Name ist
René d’Herblay.“ Sprachlos standen die Gardisten vor ihrem neuen
Vorgesetzten. „Aber, das ist doch Aramis.“ „Was macht er bei der
Garde?“ „Wie kommen wir zu solcher Ehre?“ „Ehre? Ich lasse mir doch
nichts von einem Musketier befehlen.“
Kardinal Richelieu sah seine Soldaten scharf an. „Er ist aus meinem
ausdrücklichen Wunsch und seinem Einverständnis bei den Musketieren
ausgeschieden, um diesen Posten anzunehmen. Ich befehle euch also
auf ihn zu hören. Andernfalls, wer sich ihm widersetzt, landet in
der Bastille.“ Damit waren alle Diskussionen beendet.
Die meisten Männer bewunderten Aramis und die anderen Musketiere
heimlich, so dass es für sie kein Problem war Aramis’ Befehle zu
befolgen.
Doch es gab auch einige Neider, die in Aramis nur einen Schönling
sahen, dem sie keine Fechtkunst zutrauten.
So einer war Daniel Grémoire. „Könnt ihr auch kämpfen?“ Er baute
sich vor Aramis auf. Dieser wollte nicht drauf eingehen, doch sein
Gegner hielt ihn am Arm fest. „Was? Traut ihr euch etwa nicht?“
Bevor er reagieren konnte hatte Aramis seinen Degen gezogen und
hielt ihn an Daniels Hals. „Soll das eine Herausforderung sein?“
Wütend über seine eigene Unachtsamkeit schob der Gardist Aramis’
Hand von sich und stellte sich in Position. „Zeigt mal, was ihr
könnt, Musketier.“
Athos, Portos und D’Artagnan saßen in der Kneipe. Alle waren völlig durcheinander. „Was sollte das denn vorhin?“ Portos wirkte hilflos. „Ich kann es mir nicht erklären. Vor allem, dass Treville uns nichts gesagt hat.“ Athos spielte mit seinem Messer. „Naja, Urlaub ist ja schon mal eine Aussage.“ Portos nahm seinen Krug. „Aber wir wissen alle, dass das nicht die Wahrheit war.“ Athos hatte plötzlich einen schrecklichen Verdacht. „Ich glaube, er ist ausgeschieden aus seinem Dienst.“ Seinen Freunden blieb die Spucke im Hals stecken. „Ausgeschieden? Aber weshalb denn?“ D’Artagnan glaubte das nicht. „Sharmine ist doch noch am Leben. Also kann er nicht ins Kloster wollen.“ „Das stimmt schon. Aber, was soll er denn sonst machen?“ Athos legte sein Messer zum Wiederholten mal von seinem Teller auf den Tisch. „Vor allem: er tut es für uns. Was macht er für uns?“ Portos räusperte sich. „Ich werde nicht schlau. Wir können nur abwarten, ob er wieder kommt.“
„Na toll. Gerade hier angefangen, ist schon der erste Idiot von
Gardist schwer verletzt.“ Aramis fluchte. Allerdings hatte er sich
mit diesem Kampf und vor allem mit diesem Sieg die Achtung der
Gardisten gesichert.
Gemächlich schlenderte er in sein Quartier, als auf einmal
D’Artagnan vor ihm stand. „Aramis. Was machst du hier?“ Dieser
hatte vor Schreck seinen Degen gezogen. „Ach du bist es.“ Beruhigt
steckte Aramis ihn wieder weg. Erleichtert fiel D’Artagnan auf,
dass es Aramis zu freuen schien, ihn zu sehen. Plötzlich wurde
Aramis sich bewusst, in welche Gefahr er seinen Freund gerade
brachte. Hastig sah er sich um. „Ich muss gehen. Grüß die Anderen
von mir.“ Schon war er verschwunden. Zurück blieb ein verdatterter
D’Artagnan.
In seinem Quartier saß Aramis verzweifelt am Fenster. Sollte er
seinen Freunden die Wahrheit sagen? Sie hatten so viel gemeinsam
erlebt. Aber wenn Mylady nur den kleinsten Verdacht schöpfte, würde
sie seine drei Kameraden sofort ermorden lassen.
Was hatten sie und der Kardinal nur vor mit ihm?
Während er noch so da saß und seinen Gedanken nach hing, merkte er,
dass jemand in seinem Zimmer war. Blitzschnell drehte er sich um
und richtete seine Pistole auf den Eindringling. Dieser hob
erschrocken die Hände. „Nicht so eilig mein Freund.“ Nervös sah
sich Aramis Athos gegenüber. Dieser setzte sich zu ihm. „Was ist
los mit dir?“ Aramis Atem ging schneller. „Ich kann nicht mit dir
reden. Nicht hier.“ Athos sah sich verwundert um. „Aber du wohnst
hier. Wer sollte uns hier stören?“ Aramis’ Blick irrte sichtbar
unruhig umher. Langsam wurde Athos ungeduldig. „Verdammt Aramis.
Wir machen uns sorgen. Du redest nicht mehr mit uns. Wir kriegen
nur gesagt, du hättest Urlaub genommen. Keiner weiß warum. Was
spielst du für ein Spiel?“ Aramis ließ den Kopf hängen. „Ich kann
dir nichts sagen. Es hat seine Gründe, warum ich mich von euch fern
halte. Und nun geh!“ Er sah ihn flehend an. Athos erschauerte. „Was
ist nur aus unserer Freundschaft geworden?“ Aramis vergrub den Kopf
in seine Hände. Er wollte nicht, dass Athos die Tränen, die sich in
seine Augen schlichen sehen konnte. Dieser verließ das
Zimmer.
Mylady hatte es geschafft.
Das Band, welches Aramis und Athos einst so innigst verband,
bröckelte.
Am nächsten Morgen erreichte ein Bote Aramis mit der schrecklichen
Nachricht Sharmine de Lucigne wäre in der Nacht verstorben. Sofort
eilte er zu dem Arzt. Dieser bestätigte die Befürchtung. Allerdings
war er verwundert, dass Aramis zu ihm kam, da der Leichnam seiner
Verlobten in seinem Namen bereits abgeholt wurde. Er legte unserem
verzweifelten Freund ein Schreiben vor, welches ihm ausgehändigt
worden war. Aramis gedachte keine Luft mehr zu bekommen. Dieser
Brief trug eindeutig die Handschrift Myladys. Er bezahlte den Arzt
und verließ dessen Haus.
Beim Kardinal angekommen, stürmte er in dessen Zimmer, ohne
anzuklopfen…
Und platzte mitten in ein Gespräch seinerseits mit Mylady. „Ihr …
was habt ihr mit meiner Verlobten gemacht?“ Aramis konnte sich
nicht mehr beherrschen und ging auf Mylady los. Nur mit Mühe konnte
der Kardinal seinen Hauptmann von ihr fernhalten. Wir haben die
Leiche ihrer Familie zum Begraben freigegeben.“ Antwortete Kardinal
Richelieu. Aramis beruhigte sich nicht wirklich. „Warum musstet ihr
dem Arzt dann ein gefälschtes Schreiben schicken? Es hätte auch
gereicht mir bescheid zu geben und ich hätte alles weitere
veranlasst.“ Mylady wich vor Aramis Blicken zurück, als könnten
diese ihr etwas antun. „Ich denke, es ist besser ihr geht jetzt.“
Wandte sich seine Eminenz ihr zu. Diese nickte erleichtert und
verließ fluchtartig das Zimmer. „Das hätte zuviel Zeit gekostet.“
Kardinal Richelieu setzte sich. „Es gibt für die Garde einen
Auftrag auszuführen. Und da wird ihr Hauptmann dringend
gebraucht.“
Aramis Gedanken ordneten sich langsam wieder. „Um was für einen
Auftrag handelt es sich?“
„Musketiere! Es gibt Arbeit für euch.“ Treville hatte alle
Musketiere auf dem Exerzierplatz antreten lassen. „Der König hat
eine Versammlung im Palais de Justice einberufen. Es werden Adlige
und einfaches Volk anwesend sein. Die Aufgabe der Musketiere wird
es sein, die Adligen vor den Bauern zu schützen, während die Garde
des Kardinals das einfache Volk im Zaum halten wird.“
„Eine Versammlung?“ raunte Portos Athos ins Ohr. „Die letzte war
1614.“ „Das waren die Generalstände Portos.“ Erklärte Athos seinem
Freund. „Versammlungen gibt es immer wieder. Nur warum diesmal auch
das einfache Volk anwesend sein wird, verstehe ich noch nicht.“
Monsieur Treville redete unterdessen weiter. „…so dass auch die
Bauern einmal ihre Ansichten vorbringen können.“ „Na, da hat unser
König mal eine gute Idee.“ Flüsterte Athos.
„Morgen um zwölf geht die Versammlung los. Seid entsprechend am
Vormittag da, um eure Präsens zu offenbaren. Abtreten!“
Früh am nächsten Morgen versammelte sich das Volk vor dem
Parlament. Noch waren die Tore geschlossen. „Seht mal, die Adligen
lassen sie rein, wir müssen warten.“ Die Menge wurde ungeduldig.
Die Garde des Kardinals hatte alle Hände zu tun, um für Ruhe zu
sorgen. „He! Das ist doch Aramis! Er befehligt die Garde des
Kardinals?“ „War der nicht Musketier?“ „Das ist ja ein Abstieg,
wenn er zu den Tölpeln des Kardinals wechselt.“ Die Umstehenden
lachten. Zum Glück bekam unser Hauptmann nichts davon mit. Es hätte
ihn wahrscheinlich zutiefst verletzt. Sah er sich doch dazu
gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wusste er nicht,
ob er von Mylady beobachtet wurde. Dabei wünschte er sich nichts
sehnlicher, als Musketier zu sein und bei seinen Freunden zu
verweilen.
Endlich wurden auch die Bauern in das Parlamentsgebäude gelassen.
Die beiden Stände wurden streng getrennt. Die Adligen links, die
Bauern rechts, dazwischen eine zwei Meter breite Barriere, welche
von Musketieren auf der einen und Gardisten auf der anderen Seite
bewacht wurden. Auch Athos, Portos und D’Artagnan befanden sich
dort.
Aramis hielt sich im Hintergrund, wollte er von seinen Kameraden
nicht entdeckt werden.
Im Saal herrschte große Unruhe. Plötzlich gelang es einem flinken
Bauern durch die Barriere hindurch zu springen. Verdutzt über so
viel Kühnheit, verpassten die Musketiere einzugreifen. So kam der
Mann fast bis zu den ersten Reihen der Adligen, als ein Schuss
fiel. Tödlich getroffen brach der Mann zusammen. Das Volk geriet
außer Rand und Band. Nur durch Waffeneinsatz der Garde hielten sie
sich zurück nicht auch die Barriere zu stürmen. Da stand der König,
welcher gemeinsam mit Kardinal Richelieu seinen Platz in der Mitte
des Parlaments hatte, auf. Langsam hob er die Hände. Auf einmal
herrschte Totenstille. Der Mann lag in einer Blutlache und regte
sich nicht mehr. „Dieser Mann stellte eine Gefahr für die Bewohner
von Paris dar. Die Musketiere, welche meine persönliche Leibwache
darstellen, müssen eine Entscheidung treffen, wenn sich jemand
nicht an die Regeln hält. Schließlich geht es um das Wohl ihres
Königs.“ Da wurde es Aramis zu viel. „Verdammt, habt ihr etwa auch
befohlen auf unbewaffnete Menschen zu schießen?“ Brüllte er und
rannte zur Barriere. „Man hätte den Mann auch anders aufhalten
können, als ihn feige von hinten zu erschießen!“ Das Volk stimmte
ihm lauthals zu. Die Musketiere, welche ihm am nächsten standen
drehten sich um und erstarrten. Was machte Aramis bei der Leibgarde
des Kardinals. Auch Athos und D’Artagnan waren unter diesen.
Unfähig sich zu rühren, sahen sie sich an. Entsetzten lag in ihren
Blicken. Aramis war inzwischen bei dem Mann angelangt und kniete
neben ihm nieder. Doch er konnte nichts mehr tun. Die Kugel hatte
ihn von hinten genau ins Herz getroffen. „Das war ein Angriff gegen
das gesamte französische Volk! Nicht der Adel macht die Mehrheit
aus, sondern das einfache Volk, die Bauern und Arbeiter. Er konnte
sich nicht einmal wehren. Ist das die Auffassung der oberen Schicht
Frankreichs? Darf man aus ihren Augen Leute, die nicht so handeln,
wie ihr es wünscht einfach umbringen? Wenn der Adel so weiter
macht, wird es eines Tages zu einer Revolution kommen!“ Das Volk
johlte. Endlich jemand, der auf ihrer Seite war. „Was machst du bei
der Garde des Kardinals, Aramis?“ Ohne es zu merken, war Athos vor
Aramis getreten. „Ich diene ihr.“ Antwortete dieser. „Dann seid ihr
mein Feind.“ Athos zog seinen Degen. Aramis fühlte, dass er seinen
Freund verloren hatte.
„Nein, Athos, ich kämpfe nicht gegen dich.“ Aramis ging einen
Schritt zurück, doch Athos griff ihn bereits an. Aramis hatte es
gerade so geschafft, seinen Degen zu ziehen und den Angriff zu
parieren. Athos war ein ebenso guter Fechter wie Aramis, was es für
beide schwer machte. Allerdings sah man bald, dass Athos die
treibende Kraft war und Aramis dessen Angriffe nur abfing. Er
seinerseits ging nie zum Angriff über, was Athos nur wütender
werden ließ. „Du warst…. Mein …. Bester …..Freund, Aramis.“ Wieder
entging Aramis nur haarscharf einer Verletzung. „Athos, du …bist es
….immer noch.“ Atemlos standen sich die zwei ehemaligen Kameraden
gegenüber. „Nein, bin ich nicht mehr.“ Athos griff wieder an.
„Dieser Verrat wird dir das Genick brechen.“ Athos focht wie ein
wilder. Portos und D’Artagnan konnten nicht mehr hinschauen. Sie
wollten nicht mit ansehen, wie ihre Freunde sich gegenseitig
umbrachten. Gerade als D’Artagnan dazwischen gehen wollte, geschah
es. Aramis war einen Augenblick lang unaufmerksam, als er den
Schmerz in seiner Schulter spürte. Athos hatte ihn mit voller Wucht
getroffen. Aramis’ Degen fiel zu Boden. Er hielt sich seine
Schulter. Blut sickerte durch seine Finger, er wankte. Athos wollte
ausholen, doch D’Artagnan hielt seinen Arm fest. „Bist du von
Sinnen?“ Er schlug Athos den Degen aus der Hand. „Willst du ihn
umbringen?“ Athos sah Aramis einen Herzschlag lang an. „Aramis hob
seinen Degen auf und richtete sich wieder auf. „Vielleicht werdet
ihr eines Tages verstehen, warum ich so handelte.“ Damit drehte er
sich um und verließ das Parlament, um einen Arzt aufzusuchen.
Zufrieden lächelte Kardinal Richelieu in sich hinein.
Diesmal war ihr Plan geglückt. Nun konnten sie Aramis endlich
besiegen.
Zitternd stand Athos auf seinem Platz und starrte seinem Freund
hinterher. Er konnte es nicht fassen. Hatte er gerade versucht
seinen Kameraden umzubringen?
Was hatte er getan?
Er wollte hinter Aramis herlaufen, doch Portos schüttelte den
Kopf.
„Lass ihn.“
Aramis irrte durch die Straßen von Paris.
Es war vorbei. Seinen Freunden konnte er die Wahrheit nicht mehr
sagen, sie würden nicht mit reden wollen. Seinen Dienst bei der
Garde konnte er sich wahrscheinlich nach diesem Vorfall auch
abschreiben.
Was nun?
Ihm wurde schwindlig.
Zuviel Blut hatte er schon verloren.
Langsam sank er in die Knie.
D’Artagnan, noch völlig geschockt, von den Vorkommnissen im
Palais de Justice, streifte durch Paris. Wie konnte es nur soweit
kommen?
Ausgerechnet Athos und Aramis.
Und warum war Aramis Hauptmann der Garde des Kardinals?
Er verstand das alles nicht.
Allerdings war sein Handeln vorhin im Parlament für ihn
typisch.
Nicht überlegen, sondern einschreiten, wenn unrecht geschieht. Ohne
Rücksicht auf Verluste.
Während er so grübelte, viel ihm eine Gestalt auf, welche an einer
Hauswand lehnte. Er wollte schon seine Hilfe anbieten, als er
erschrocken die Luft einzog.
Aramis.
Er war bewusstlos. Aus seiner Wunde trat immer noch Blut aus.
D’Artagnan wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Auge.
Was hatten sie nur getan, dass so etwas mit Aramis passieren
konnte?
Behutsam hob er seinen Freund aufs Pferd und lief nach Hause.
Seinen Kameraden erzählte er vorerst nichts von seinem kranken
Gast, bis Portos ihn nach einigen Tagen schließlich zur Seite nahm.
„Sag mal, hast du Damenbesuch, oder warum verschwindest du sofort
nach dem Dienst zu Hause?“ D’Artagnan wirkte zerknirscht. „Ich
pflege einen verwundeten Freund gesund.“ Portos Augen leuchteten
auf. „Aramis?“ sein Freund nickte. „Erzähl, wie geht es ihm?“ „Die
Wunde heilt, aber seine Seele leidet.“ Portos schaute nachdenklich
ins Leere. „Bitte, ich möchte ihn sehen.“
Gemeinsam gingen die zwei Musketiere zu D’Artagnan.
Aramis war bereits so weit genesen, dass er aufstehen und
herumgehen konnte. Als er gerade etwas zu Trinken geholt hatte,
flog die Tür mit lauten Poltern gegen die Wand. Vor Schreck ließ
Aramis sein Glas fallen. „Aramis! Ich bin so froh, dich wieder zu
sehen!“ Portos drückte ihn so sehr, dass er vor Schmerzen
aufstöhnte. Erschrocken ließ Portos seinen Freund los. „Oh, deine
Schulter…“ Aramis biss sich auf die Lippen. „Ich hoffe, du hegst
keinen Groll gegen mich.“ Aramis musste sich setzen. Portos winkte
ab. „Wir sind Freunde. Aber ich verstehe nicht, warum du in die
Garde des Kardinals übergetreten bist.“ Aramis seufzte. „Nun ist
sowieso alles zu spät.“ Portos und D’Artagnan warteten bis er
weiter sprach.
„Ihr müsst mir glauben, ich war nicht aus freiem Willen dort.“
Aramis schaute seine Freunde verzweifelt an. „Es war an dem Morgen,
als ich von Sharmines Arzt kam. Er konnte mir keine Hoffnungen mehr
machen, dass Gift wäre zu stark gewesen. Traurig lief ich durch die
Straßen, als Mylady vor mir stand.
‚Ihr werdet von nun an für den Kardinal arbeiten und Hauptmann
seiner Garde werden, oder eure Freunde Athos, Portos und D’Artagnan
sind des Todes.’ Sagte sie. Etwas in ihrer Stimme sagte mir, dass
dies keine Falle war, sondern bitterer ernst. Ich überlegte noch,
wie ich reagieren sollte, als Mylady fortfuhr. ‚Ich meine es ernst.
Wenn ihr nicht augenblicklich bei Musketieren ausscheidet, werden
meine Männer eure drei Freunde töten. Wollt ihr das? Wollt ihr
Schuld am Tod drei der besten Musketiere des Königs und eurer
Freunde sein?’ Ihre Augen funkelten. „Überlegt es euch gut. Ihr
habt bis heute Mittag Zeit. Seid ihr bis um zwölf nicht bei
Kardinal Richelieu erschienen…’ ich resignierte. Ohne etwas zu
erwidern ließ ich Mylady stehen. Diese konnte triumphieren. Nun
hatte sie mich in der Hand.
Ich ging sofort zu Treville und reichte meinen Urlaub ein. Kurz
darauf überbrachte man mir die Nachricht von Sharmines Tod.“ Portos
und D’Artagnan zuckten zusammen. „Sie ist also tatsächlich
gestorben.“ Auf Aramis überraschten Blick fügte Portos hinzu. „Es
wurde am Hofe gemunkelt, sie hätte den Anschlag nicht überlebt.“
Aramis Stimme zitterte als er weitersprach.
„Athos besuchte mich einmal bei mir zu Hause, aber ich schickte ihn
fort, da ich Angst hatte, von Mylady beschattet zu werden. Ich
wollte nicht euren Tod verschulden.“ Erschöpft lehnte Aramis sich
zurück. „Könnt ihr mir verzeihen?“
„Kannst du mir denn verzeihen, dass ich dich sogar um ein Haar
umgebracht hätte?“ Erstaunt schauten unsere drei Freunde in die
Richtung, aus der die Stimme kam. In der Tür stand unser fehlender
vierter Musketier. Athos blickte Aramis flehend an.
„Ich wollte zu D’Artagnan und habe alles mit angehört.“
Unsicher, wie Aramis reagieren würde, ging er auf ihn zu.
Athos war überrascht, welch eine Sanftmut in Aramis Augen zu lesen
war. „Ich habe dir bereits verziehen, als du mir deinen Degen in
die Schulter stießest.“ Verwundert hob Athos die Augenbrauen.
Aramis fuhr leise fort. „Weil du mein Freund bist, musstest du so
handeln. Deine Tat zeigte mir, wie sehr ich dich verletzt haben
muss. Es tut mir leid.“
Das Band der Freundschaft wurde in diesen Augenblicken neu
geknüpft.
Und es war fester als je zuvor.
Am nächsten Tag gingen sie zu Monsieur Treville. Nachdem die
vier Freunde Aramis Erlebnisse erzählt hatten, hatte Treville
Erbarmen und ernannte Aramis wieder zum Musketier. Überglücklich
verließen unsere vier Musketiere das Hauptquartier.
Monsieur Treville schrieb einen Brief an Kardinal Richelieu, in dem
er ihm erklärte, dass dessen Plan Aramis von den Musketieren zu
trennen fehlgeschlagen war. Gleichzeitig warnte er ihn vor weiteren
Anschlägen auf seinen Musketier, sonst würde er dem König
vorsprechen.