Joyeux Noel von AstridB 

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Kapitel Vorbereitungen

In der Luft lag ein Hauch von Weihnachten. Seit Tagen durfte niemand mehr die große Halle im Hôtel de Tréville betreten. Bedienstete schleppten Körbeweise immergrüne Zweige, Äpfel und Nüsse in die Halle. Voller Vorfreude auf Weihnachten tobten die Kinder M. de Trévilles im Hof zwischen den Musketieren hindurch. Irgendein Spaßvogel war auf die Idee gekommen, am Portal des Hôtel de Tréville einen Mistelzweig aufzuhängen, sehr zur Freude der Töchter des Hauses. Marie, mit ihren neun Jahren bereits eine selbstbewusste junge Dame, und die erst dreijährige Juliette lauerten den ankommenden Musketieren am Portal auf, um sich den obligatorischen Kuss unterm Mistelzweig abzuholen. Die Musketiere spielten fröhlich mit. Dennoch hielten sich am Heilig Abend deutlich weniger Musketiere im Hof auf als gewöhnlich. Dies lag sicher auch an der eisigen Kälte, die alle in die warmen Häuser trieb. Aber vielleicht lag es auch daran, dass M. de Tréville seine Musketiere an einem solchen Tag zu außergewöhnlichen Einsätzen abkommandierte?

Ein fröhlicher Aufschrei Juliettes markierte die Ankunft von Porthos. Beide Mädchen rannten ihren Lieblingsmusketier beinahe über den Haufen. Marie verbeugte sich artig vor ihm und hauchte ihm einen schüchternen Kuß auf die Wange. Juliette dagegen lief fröhlich auf den Neuankömmling zu und ließ sich von Porthos auf den Arm nehmen. Als Dank bekam Porthos einen sehr feuchten Schmatz auf die Wange. M. de Tréville schien einen sechsten Sinn für Besucher zu haben, denn kaum hatte Porthos den Hof betreten, erschien Tréville, mit goldverschmierten Händen, in der Tür. Er rief Porthos zu sich und führte ihn in die Halle. In der Halle herrschte ein großes Durcheinander. Überall standen Tische und Körbe herum mit Girlanden aus Tannengrün mit Ilex und Efeu eingebunden. Neben dem Kamin stand ein riesiger Weihnachtsbaum. Die Dienerschaft befestigte gerade die Kerzen an den Zweigen. M. de Tréville führte Porthos zu einem Tisch auf dem Nüsse, Pinsel und kleine Töpfe mit Goldfarbe standen:„M. Porthos, würdet Ihr so liebenswürdig sein und beim vergolden dieser Nüsse helfen?.“ Da von d’Artagnan weit und breit nichts zu sehen war und d’Artagnans Dienst am Louvre erst in ein paar Stunden beginnen sollte, konnte Porthos schlecht ablehnen, nickte daher und nahm einen Pinsel in die Hand. Porthos große Hände waren sehr geschickt im Umgang mit dem Degen, doch diese kleinen Nüsse mit dem Pinsel zu bemalen, war eine Herausforderung ganz anderer Art. Die Farbe wollte eher seine Finger vergolden, als die Nuss.

Zur vereinbarten Stunde traf d’Artagnan in der Uniform der Garde des M. des Essarts ebenfalls am Hôtel de Tréville ein. Dem Gascogner war der Brauch mit den Mistelzweigen nicht geläufig und er hatte auch den Mistelzweig über seinem Kopf noch nicht bemerkt. Er war also ziemlich überrascht, als Marie und Juliette auf ihn zurannten um ihn zu küssen. Die wenigen anwesenden Musketiere brachen angesichts des verlegenen Gesichtsausdrucks d’Artagnans in lautes Gelächter aus. Neugierig betraten Tréville und Porthos den Hof. D’Artagnan war die Situation peinlich und er wäre am allerliebsten im Erdboden versunken. Doch Porthos winkte ihm zu. D’Artagnan folgte den beiden in die Halle. Dort drückte Porthos ohne Umstände d’Artagnan Pinsel und Nuß in die Hand und bedeutete ihm, er solle nun diese Nüsse vergolden. Keine Frage, d’Artagnan hatte geschicktere Finger, doch auch er kam um die Goldfarbe an seinen Händen nicht herum. Porthos wandte sich seinen Fähigkeiten angemesseneren Aufgaben zu und half die Girlanden aufzuhängen.
Aus der Tatsache, dass sowohl Porthos als auch d’Artagnan in ihrer vollen Uniform erschienen waren, schlussfolgerte M. de Tréville, dass die beiden, wie schon so oft, sich hier verabredet hatten, um gemeinsam den Dienst bei seinem Schwager M. des Essarts anzutreten. Doch alle waren so in ihr Tun vertieft, dass Tréville unser beiden Freunde an ihren Dienst erinnern musste. Zum säubern der Hände blieb ihnen keine Zeit mehr, wollten sie rechtzeitig im Louvre sein. Sie machten sich sofort auf den Weg zum Louvre.
In der Wachstube war es gut warm, dennoch behielten d’Artagnan und Porthos die Handschuhe an, was ihnen schiefe Blicke der übrigen Gardisten eintrug. M. des Essarts meinte die Ursache zu erraten, da er seinen Schwager gut kannte. Er konnte sich das Grinsen gerade noch verkneifen, als er daran dachte, wie es ihm mal ergangen war.
Ganz offensichtlich beabsichtigte Porthos, d’Artagnan auf der Wache Gesellschaft zu leisten. Das war nicht das erste Mal und des Essarts und die Gardisten kannten die Unzertrennlichen gut. Da M. des Essarts nun einen Mann zuviel in der Wache hatte und ja auch Weihnachte war, befreite er einen seiner Leute vom Wachdienst.

Die Nacht war bitterkalt. Jeder Atemzug zeigte sich als kleine Wolke. D’Artagnan und Porthos schlangen ihre Mäntel so fest es ging um den Körper. Ab und zu bliesen sie sich in die Hände um diese etwas zu erwärmen. Porthos, als erfahrener Soldat, riet d’Artagnan, gegen die Kälte mit den Füßen zu stampfen und die Zehen in den Stiefeln zu bewegen. Die Kälte kroch durch die Schuhsohlen am Körper hoch. Zum Ende der Mitternachts-Messe in einer nahen Kirche hin, ließ d’Artagnans Aufmerksamkeit nach. Der vormals verwaiste Platz füllte sich mit den Kirchgängern. Manche trafen sich, wünschten sich gegenseitig ein frohes Weihnachtsfest, viele strebten schnurstracks ins warme Heim. D’Artagnan war so vollkommen vom Geschehen auf dem Platz gefesselt, dass er zwei sich dem Tor nähernde Männer nicht bemerkte. Auch Porthos war einen Moment lang abgelenkt. Ehe d’Artagnan sich versah, fühlte er einen Dolch an der Kehle. Porthos hatte noch reagieren können und hielt seinen Gegner mit seinem Degen in Schach. Da senkte sich der Dolch von d’Artagnans Kehle und eine kräftige Hand drehte ihn um. „Joyeux Noël, d’Artagnan, Eure Wachsamkeit lässt heute zu wünschen übrig“ So sprach Athos und umarmte den erleichterten d’Artagnan. Aramis, denn kein anderer war Porthos Gegner, und Porthos hatten sich ebenfalls begrüßt. Da rief Aramis aus: „Ah Mousqueton, da seid Ihr ja!“ Der Angesprochene erschien mit einer dampfenden Kanne und Bechern für alle. Bevor d’Artagnan fragen konnte, wie Aramis und Athos hierher kamen, hatten alle einen dampfenden Becher mit Glühwein in der Hand. Athos und Aramis beabsichtigten nicht, d’Artagnan und Porthos von ihrer Aufgabe abzulenken, daher stellten sie sich so neben den beiden auf, dass alle vier Freunde einen ungehinderten Blick über den Platz hatten. „Sagt, wie kommt es, dass Ihr zu dieser Stunde und in dieser Kälte hierher gekommen seid?“ Aramis antwortete d’Artagnan: „Nun, als angehender Abbé ist es mir ein Bedürfnis die Weihnachtsmesse zu besuchen. Da Ihr Wachdienst hattet und Porthos Euch begleiten wollte“ hier grinste Aramis „überredete ich Athos, mich zur Messe zu begleiten.“ Athos, der nun ebenfalls grinste meinte dazu „Angesichts der Kälte kam mir die Idee, dass ein Glühwein Euch gut tun könnte. So bestellten wir Mousqueton, denn niemand kann einen besseren Glühwein kochen, nach der Messe hierher.“
Kaum hatten sie leer getrunken, verabschiedeten sich Athos und Aramis, da sie ja in der Frühe zur Matinée bei M. de Tréville eingeladen waren. D’Artagnan und Porthos dagegen würden noch bis zum Morgen im Wachdienst ausharren. Nach dieser Überraschung mit Athos ließ d’Artagnan keinen Augenblick mehr in seiner Wachsamkeit nach. Nicht einmal einer Maus wäre es gelungen an d’Artagnan und Porthos vorbeizukommen.

Kapitel Aufregung im Louvre

Die weitere Wache verlief ereignislos. Nach vier Stunden wurden die, inzwischen steif gefrorenen, Männer abgelöst und in die Wachstube zum Aufwärmen geschickt. M. des Essarts achtete darauf, dass sich jeder am Kamin aufwärmte und auch vom aufgewärmten und verdünnten Wein trank. Dankbar nahmen Porthos und d’Artagnan das dampfende Getränk entgegen. Da erreichte ein lauter Schrei die Wachstube. Verstört kam Germain hereingerannt und berichtete atemlos: „Ein Gespenst! Es spukt im Louvre!“ M. des Essarts versucht ihn zu beruhigen: „Hier kann Euch nichts passieren. Seht mal, es sind nur Gardisten da. Und jetzt berichtet: was ist passiert?“ Germain zitterte am ganzen Körper, doch nicht vor Kälte: „M. de la Porte schickte mich in den Weinkeller um Wein für den König zu holen. Normalerweise ist es ja ganz still und ich lief ja allein durch die Galerie, da hörte ich Geräusche in der Wand. Aber da ist doch gar nichts! D-die Medici schaute mir direkt in die Augen, es war furchtbar! Und ein weißer Schatten huschte durch die Galerie. Bitte helft mir.“ sprudelte Germain heraus. Germains Hände krallten sich in Porthos Musketierrock. M. des Essarts kannte diese Situation. Des Nachts, wenn der Louvre fast menschenleer war und nur noch spärlich beleuchtet, spielte ihre Phantasie den Dienern und Zofen so manchen Streich. Dann riefen sie immer die Garde zu Hilfe und die durfte dann die Gespenster suchen. Bisher hatten sich die angeblichen Gespenster immer als harmlose optische Täuschung herausgestellt. Doch Germain gehörte eigentlich nicht zu den Dienern, die an jeder Ecke Gespenster sahen. M. des Essarts musste in jedem Fall wissen, was da vor sich ging. Von seinem Schwager wusste er, dass Porthos schon einige dieser „Gespenster“ gefunden hatte und zudem einen beruhigenden Einfluss auf die Dienerschaft ausübte. So lag es Nahe, dass er Porthos und seinen Freund d’Artagnan beauftragte, Germain zu begleiten. „Also gut, Porthos, ich weiß, Ihr habt schon mehrmals Gespenster gesucht, nehmt also d’Artagnan mit und begleitet Germain in den Keller und anschließend zu den königlichen Gemächern.“

D’Artagnan und Porthos machten sich mit Germain auf, dem König Wein zu holen. Auf dem Weg in den Keller begegnete ihnen nichts Ungewöhnliches. Erst oben in der Galerie spürten sie einen kalten Luftzug. Germain zuckte zusammen und deutete zitternd auf das Ende des Ganges. D’Artagnan war es etwas mulmig geworden, doch Porthos lachte nur: „Da hat wieder jemand das Fenster nicht richtig geschlossen. Euer Gespenst ist ein Vorhang.“ Sprach’s, trat zum Fenster und schloss es. D’Artagnan und Germain lachten erleichtert.
Die Erleichterung verflog wieder, als sie das Vorzimmer betraten. Wie aufgescheuchte Hühner liefen die Zofen und Diener umher und mittendrin stand M. des Essarts und versuchte die aufgeregten Leute zu beruhigen. Diesmal war es eine Zofe, die im Ankleidezimmer der Königin ein Gespenst gesehen haben wollte. Porthos und d’Artagnan sahen M. des Essarts deutlich an, dass die Dienerschaft zu beruhigenn nicht zu seinen bevorzugten Tätigkeiten gehörte. So war es auch nicht verwunderlich, dass M. des Essarts das Auftreten von Porthos und d’Artagnan nutzte, um sich wieder in die Wachstube zurückzuziehen. D’Artagnan schaute Porthos ratlos an. Porthos bedeutete mit einem Blick d’Artagnan, er solle ruhig bleiben, dann wandte er sich Germain und der Zofe zu und ließ sich alles genau erzählen. Porthos ließ sich die „Erscheinungsorte“ der Gespenster ganz genau beschreiben. Dann erklärte er, sie sollen sich beruhigen, er wolle nun das Gespenst suchen. Porthos und d’Artagnan verließen das Vorzimmer. D’Artagnan, der wie wir wissen, über eine rege Phantasie verfügt, folgte Porthos leicht beunruhigt. Die Königin hatte noch nichts von der Aufregung mitbekommen, und Porthos wollte auch, dass es so blieb, daher beschloss er, sich erst noch mal auf der Galerie umzusehen.

Die beiden bewaffneten sich jeweils mit einem Kerzenleuchter und begaben sich zur Galerie. Das flackern der Kerzen und die wechselhaften Schatten in den halbdunklen Ecken wirkten ziemlich gruselig. D’Artagnan hielt sich daher auch dicht an Porthos. Zu d’Artagnans Überraschung inspizierte Porthos Fenster-Laibungen, Vorhänge und Wände ganz genau. Schließlich rief er d’Artagnan zu sich: „Seht, hier ist eine Tür verborgen. Wir wollen mal sehen, wie sie sich öffnen lässt.“ Da sie kein Schloß und keinen Riegel entdecken konnten, musste es einen anderen Mechanismus geben, der die Tür verschloss. D’Artagnan versuchte seinen Dolch in die schmale Rille zu stecken, die die Tür kennzeichnete. Sie hörten ein Klicken und die Tür öffnete sich. Dahinter verbarg sich ein dunkles Loch. Erst als Porthos mit einer Kerze hineinleuchtete konnten sie erkennen, dass sich hier ein schmaler, fensterloser Gang verbarg. „Woher wusstet Ihr von dieser Tür?“ fragte d’Artagnan. Porthos erwiderte: „Diese Tür war mir unbekannt, aber ich habe schon einige andere Tapeten-Türen hier im Louvre gesehen. Es überrascht mich nicht, hier eine zu finden. Doch jetzt seid leise, der Schall trägt weit, in diesen engen Gängen. Und wir wollen doch die Diener nicht weiter beunruhigen?“ Porthos reichte d’Artagnan eine zweite Kerze: „Kommt. Wir wollen sehen, wohin dieser Gang führt.“ Sie betraten den Gang. Es war so eng, dass die beiden hintereinander gehen mussten. Obwohl sie sich so leise wie möglich bewegten, ließ sich das Klirren ihrer Degen, wenn sie an die Wand stießen, nicht verhindern. In der Tat waren ihre langen Degen hier eher hinderlich. Aber, die Waffen in der Galerie unbeaufsichtigt zurückzulassen, kam auch nicht in Frage.
Zunächst bewegten sie sich entlang der Galerie, quasi parallel zu dem Weg, den sie gekommen waren. Die Wand zur Galerie hin, wies in regelmäßigen Abständen Nischen auf. D’Artagnan leuchtete mit seiner Kerze eine dieser Nischen aus und entdeckte in Augenhöhe Klappen in der Wand. Er öffnete eine dieser Klappen, die ein kleines Guckloch freigab. „Porthos, seht, hier kann ich die gesamte Galerie überblicken, war es das, was Germain im Gemälde der Medici gesehen hat? Die Augen eines Spions?“ flüsterte d’Artagnan. Porthos sah ebenfalls hindurch und nickte: „Sobald wir wieder draußen sind sehen wir uns das Gemälde näher an. Ich glaube, von diesen Gängen habe ich schon gehört, aber niemand wusste etwas genaues darüber. Kommt lasst uns weitergehen.“ Obwohl der Gang genauso lang war wie die Galerie, erschien den beiden der Weg viel länger. Am Ende (wahrscheinlich befanden sie sich auch am Ende der Galerie) gelangten sie an eine Kreuzung. Sie konnten entweder auf dieser Ebene weitergehen und hatten wieder zwei bis drei Richtungen zur Auswahl, oder über eine enge Wendeltreppe nach oben oder unten gehen. Porthos rief sich die Lage der Räumlichkeiten ins Gedächtnis und entschied sich für einen leicht ansteigenden Gang, der aber in Richtung der königl. Gemächer führte. Porthos machte d’Artagnan darauf aufmerksam: „Seht, die Wände sind plötzlich schwarz und nicht mehr so schön behauen. Ich glaube, wir gelangen in den älteren Teil des Louvre. Irgendwo hier müssten wir auf die Schlafräume der Majestäten stoßen.“ Der Weg war leicht angestiegen, doch nach einer Biegung und einer weiteren Kreuzung ging es eben weiter. Diese Gänge bildeten das reinste Labyrinth, in dem d’Artagnan schon nach mehreren Kreuzungen jegliche Orientierung verlor. Porthos schien jedoch genau zu wissen, wo er sich gerade bewegte. Auf die Frage, woher er denn wisse, wo sie sich befänden, erhielt er von Porthos eine überraschende Antwort: „Der Dienst im Louvre kann sehr lange werden. Zum Zeitvertreib habe ich die Schritte gezählt, die ich in jedem Raum gehen musste. Ich glaube, ich könnte mich blind im Louvre bewegen, ohne anzustoßen. In diesen Gängen war ich noch nie, aber ich rechne etwa einen Schritt dazu oder ab, für die Wandstärke, je nachdem, wohin wir uns bewegen.“
Gelegentlich fanden sie weitere Gucklöcher. Der Blick in die angrenzende Räumlichkeit bestätigte jedes Mal Porthos Orientierungssinn. Glücklicherweise gab es auch noch weitere in den Präsentationsräumen sehr gut verborgene Geheimtüren. Mal handelte es sich im ein Bild, mal verbarg sich die „Tür“ hinter einem Gobelin und Kamine waren auch nicht immer, was sie schienen. D’Artagnan war froh über jeden Ausweg, da er sich nicht sicher war, ob er den Weg zurück finden würde.

Ihr Weg führte sie auch an das Vorzimmer, in dem sie Germain und die übrigen Diener zurückgelassen hatten. Ausgerechnet hier schlug Porthos Degen mit einem deutlich vernehmlichen Klirren gegen die Wand. Ein lauter Aufschrei war aus dem Vorzimmer zu vernehmen. Porthos wollte schon rufen, um die Diener zu beruhigen, da hielt d’Artagnan ihm schnell den Mund zu und flüsterte: „Porthos, wenn Ihr jetzt ruft, so erschrecken wir sie noch mehr, besser, wir suchen einen Zugang zum Zimmer.“ Die nächste Geheimtür führte sie durch einen Zierkamin in das Sonnenzimmer der Königin. Hier durften sie sich nicht sehen lassen. Sie gingen so schnell und leise wie möglich in ihrem Geheimgang zurück, bis sie zu einer Tür gelangten, durch die sie ungesehen ein leeres Vorzimmer betreten konnten. Besorgt um die Reaktion der Dienerschaft begaben sie sich schweigend zu Germain und den anderen. Wie erwartet fanden diese sich in heller Aufregung. Doch das Erscheinen von Porthos und d’Artagnan beruhigte sie ein wenig. Germain berichtete atemlos von dem geheimnisvollen Klirren, das sie gehört hatten, während d’Artagnan sich fieberhaft nach einer Erklärung suchte, die die Diener beruhigen würde, ohne die Geheimgänge zu erwähnen. „Dieses Klirren ist nicht sehr geheimnisvoll, Porthos hat sich in der Dunkelheit an dieser leeren Rüstung gestoßen. In der Nacht tragen die Geräusche weiter als am Tag, das habt ihr sicherlich gehört. Gespenster sind uns nicht begegnet, aber der flackernde Kerzenschein wirft Gespensterschatten an die Wände.“ Mit dieser Erklärung d’Artagnan’s beruhigten sich die Diener und Zofen wieder.

An eine weitere Erkundung im Bereich der königl. Gemächer war nicht mehr zu denken, also begaben sie sich zurück zur Galerie. Bisher war es ihnen nicht gelungen einen Hinweis auf das „Gespenst“ zu finden. Sie betraten nochmals den Geheimgang an der Galerie. Dieses Mal suchten sie mit Ihren Kerzen aber Wände und Boden ab. „Porthos, seht, hier hat sich jemand einen Vorrat an Kerzen zurechtgelegt. Sogar Zunder liegt bereit.“ D’Artagnans Entdeckung war der Beweis! Hier hielt sich regelmäßig jemand auf! In den fensterlosen Gängen hatten Porthos und d’Artagnan die Zeit völlig vergessen. Doch nun sashen sie, dass der Morgen dämmerte und die Räume schon bald wieder dicht bevölkert sein würden. „d’Artagnan, kommt, unser Gespenst wird sich am Tage nicht zeigen, wir erstatten M. des Essarts Bericht und hauen uns aufs Ohr. Gott, wie bin ich müde!“

D’Artagnan und Porthos erstatteten M. des Essarts in der Wachstube Bericht. „Gerüchte über geheime Gänge im Louvre sind mir auch schon zu Ohren gekommen, sie wurden allerdings nie bestätigt. Was machen wir nun? Solange es keine konkreten Anzeichen einer Bedrohung gibt, sollten wir die Königin noch nicht beunruhigen. Unter Tag ist es unmöglich unauffällig die von Euch entdeckte Tür zu betreten. Es liegt also an M. de Tréville und seinen Musketieren, die die nächste Nacht die Wache haben, das Gespenst zu fangen.“ bemerkte des Essarts. „Der Dienst war lange und ihr seht beide erschöpft aus, trotzdem solltet ihr noch M. de Tréville informieren, bevor ihr schlafen geht.“

Der Weihnachtstag dämmerte schön und eisig kalt herauf. Athos kleidete sich für die Matinée bei M. de Tréville an. Athos trug keine Musketier-Uniform, sein Wams war schlicht und elegant, mit weniger Zierrat versehen, als zu der Zeit Mode war, dennoch wirkte Athos darin weit vornehmer, als es von einem einfachen Musketier erwartet wurde. Es war eine große Ehre, bei Tréville eingeladen zu werden. Umso mehr, als es nicht üblich war, dass Musketiere eingeladen waren. Die meisten Musketiere legten darauf aber auch keinen Wert. Athos und Aramis waren jedoch hochgeschätzte Musketiere und ihr Interesse für die schönen Künste war Tréville bekannt. Aramis holte Athos ab und gemeinsam begaben sie sich ins Hôtel de Tréville. Aramis hatte die Uniform durch ein mit golddurchwirkten Stickereien übersätes Wams ersetzt. Die Ankunft der Gäste war in vollem Gange, als die beiden Musketiere eintrafen. Mit Mühe war es gelungen, Marie und Juliette davon abzubringen, alle Gäste mit einem feuchten Kuss zu begrüßen. Es gelang den beiden jedoch zu Athos und Aramis zu gelangen. Sofort zogen sie die Musketiere mit sich in die große Halle um ihnen den hell erleuchteten Weihnachtsbaum und die ausgebreiteten Geschenke zu zeigen. Das Kindermädchen kam atemlos in der Halle an: „Verzeihung ihr Herren,“ wandte sie sich an Athos und Aramis, mit den Kindern schalt sie: „was fällt euch ein? Euer Herr Papa hat es euch verboten, die Gäste zu belästigen!“ Athos und Aramis fühlten sich nicht im mindesten belästigt und bestätigten dies auch dem Kindermädchen gegenüber. Nach einem opulenten Mal, das zur Feier des Tages Frühstück und Mittagessen zugleich war, begab sich die Gesellschaft in die Halle.
Die Gäste ergötzten sich soeben an Gedichten, vorgetragen von einem angehenden Abbé, als der Kammerdiener M. de Trévilles die Ankunft von Porthos und d’Artagnan meldete. Tréville lies die beiden sofort in sein Arbeitszimmer führen und schickte umgehend nach Athos und Aramis. Bis Athos und Aramis eintrafen, setzten d’Artagnan und Porthos sich auf Stühle und dösten aufgrund ihrer Erschöpfung, bis ihre Freunde eintrafen. „M. de Tréville, entschuldigt die Störung. Aber heute Nacht ist im Louvre etwas geschehen, was wir Euch unbedingt zu Gehör bringen müssen.“ Porthos und d’Artagnan berichteten gemeinsam, was sie diese Nacht entdeckt hatten. Tréville überlegte einen Moment, dann sagte er: „Nun gut, des Essarts hat recht. Am Tage können wir nicht suchen, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Da wir wissen, wohin sich der Unbekannte begeben haben könnte, müssen wir noch das woher klären. Dafür bitte ich Euch vier, obwohl ihr Dienstfrei habt, euch heute Nacht zur Verfügung zu halten. Wir wollen kein Aufsehen erregen, daher kommt Ihr vier Stunden nach dem Wachwechsel an die kleinen Pforte. Ich sorge dafür, dass ihr den Louvre ungesehen betreten könnt. Achtet darauf, dass euch keiner sieht, auch kein Musketier. D’Artagnan, Porthos, gönnt Euch eine Mütze voll Schlaf.“ Athos und Aramis begleiteten ihre erschöpften Freunde zu deren Wohnungen. Für den Abend verabredeten sie sich bei Athos.

Kapitel Conseil de guerre

Die Aufregung über den von M. de Tréville erteilten „Geheim-„Auftrag ließ d’Artagnan bereits am frühen Nachmittag wieder erwachen. Bis zum vereinbarten Treffen grübelte d’Artagnan darüber, mit welcher Taktik das Gespenst zu fassen sei.

Pünktlich trafen sich die vier Freunde bei Athos. Porthos, der sich durch die Ereignisse der vergangenen Nacht nicht bedrücken ließ, d’Artagnan, aufgeregt und auch ein bisschen Ängstlich, ob der bevorstehenden Aufgabe, Aramis, neugierig und gespannt und Athos, wie gewohnt verschlossen in sich selbst ruhend. Aramis und Porthos waren nicht wiederzuerkennen. Wo vorher ein Wettbewerb um Pomp und Prunk stattgefunden hatte, schien es nun ins Gegenteil verkehrt zu sein. Kein Tand, keine Manschetten, keine Rüschen, es sah so aus, als ob die beiden die Kleider ihrer Diener trugen. D’Artagnan hatte da weniger Probleme, er hatte die Sachen an, in denen er nach Paris gekommen war und Athos bevorzugte sowieso dunkle Kleidung. Athos forderte Porthos und d’Artagnan auf, ihre Erlebnisse der vergangenen Nacht zu erzählen. „Porthos, d’Artagnan, berichtet doch noch mal ganz genau von diesem Gang.“  Porthos, als der Ältere berichtete, wie er den geheimen Gang entdeckt hatte und wie sie ihn erkundeten, er beschrieb auch den Verlauf des Ganges, sowie die ungefähre Lage der Abzweigungen. Gerade als d’Artagnan seine Geschichte beendete, klopfte es an der Tür. Ein Musketier übergab Athos ein großes zusammengerolltes Papier. D’Artagnan und Aramis beeilten sich und deckten den Tisch ab, damit Athos das Papier ausbreiten konnte. „M. de Tréville schickt diesen Plan des Louvre. Porthos, könnt ihr den Verlauf des von Euch entdeckten Ganges hier einzeichnen?“ Porthos blickte auf den Plan „d’Artagnan, Eure Augen sind jünger, könnt ihr die kleine Schrift lesen?“ es waren dann aber doch Aramis, der die Handschrift lesen konnte und Athos der Ihnen die Zeichnungen erläuterte. Aramis zeichnete nach Porthos  Angaben den Gang ein. Es zeigte sich, dass Porthos über eine ausgezeichnete Orientierung und Gedächtnis verfügte, denn die Maße stimmten mit denen der Karte überein.

 Aramis Reaktion auf das Vorhandensein geheimer Gänge im Louvre überraschte die Freunde. Er lachte leise vor sich hin. Bis er erzählte,  dass es die Lieblingsbeschäftigung der Klosterschüler war, geheime Wege aus dem Kloster zu finden und vorzugsweise Nachts auch zu benützen. Aramis „Erfahrung“ machten sie sich für die Entwicklung eines Schlachtplans dann auch zu Nutze. Während sich Aramis und Porthos laut Gedanken darüber machten, wie sie es verhindern konnten, sich im Labyrinth des Louvre zu verirren, beugte sich Athos weiter über den Plan. Während er unverständliches murmelte, bewegte sich sein Finger durch verschiedene Räumlichkeiten des Louvre. Den Freunden erschien es allerdings seltsam, dass es nicht die Räume waren, in denen der Geist gesichtet wurde. Athos lieferte die Erklärung: „Das WOHIN unser Geist sich bewegt, haben Porthos und d’Artagnan letzte Nacht erkundet. Daher schlage ich vor, dass wir uns um das WOHER kümmern.“ Während Porthos noch unverständig schaute, äußerte sich d‘Artagnan: „Jawohl, wir müssen herausfinden, wie der Bursche in den Louvre gelangt!“ „Saint-Louis-du-Louvre“ rief Aramis und fasste sich an die Stirn. „Dort lagern auch Kerzen, für den Gebrauch in der Kirche. Die Kirche wird kaum noch genutzt, da ist nur noch ein alter Mesner da, der nach dem Rechten sieht. Wenn da Kerzen verschwinden, wird das keinem auffallen.“ Athos, über den Plan gebeugt, stimmte Aramis zu: „Seht. Saint Louis-du-Louvre grenzt beinahe an diesen Flügel an, der sich gerade im Bau befindet. Dort hält sich des Nachts niemand auf.“ D’Artagnan sah sich den Plan intensiv an: „Ich habe gehört, dass es eine Verbindung zwischen dem Louvre und der Seine gibt, Ich habe schon oft, von den Brücken und vom gegenüberliegenden Ufer danach Ausschau gehalten, aber außer dem Abwasser-Kanal, der mit einem dicken Gitter verschlossen ist, konnte ich nichts entdecken.“ Athos beugte sich zu ihm hinüber. „Hier, da liegt der Abwasser-Kanal, aber diese ganze Galerie grenzt an die Seine, bis zum Palais des Tuileries.“ „Hmm, das wäre schon möglich,“ murmelte Athos weiter, dann lauter „Es ist klar, was wir tun müssen, Aramis, ihr kennt den Mesner von Saint-Louis-du-Louvre, daher werdet ihr die nordwestlich gelegenen Bereiche erforschen, Aus den Erzählungen meiner Mutter, ist mir das Palais des Tuileries gut bekannt, ich werde die südwestlichen Galerien durchsuchen. Porthos, ihr begleitet Aramis und d’Artagnan kommt mit mir.“ Die angesprochenen nickten zum Zeichen ihrer Zustimmung. Porthos zog ein Stück Kreide aus seiner Tasche „Hier, damit können wir unseren Weg markieren.“ Und reichte Athos ein zweites Stück. D’Artagnan blickte Athos fragend an: „Habt ihr denn einen Kompass? Oder wie sollen wir unsere Richtung in den dunklen Gängen bestimmen?“ Lächelnd kramte Athos in seinem Kästchen und entnahm diesem zwei geschlossene Kästchen. Ein rundes, wie ein besonders großes Medaillon gearbeitetes entpuppte sich als Taschenuhr, das viereckige, hölzerne war sehr flach. Athos klappte es auf und zeigte den anderen einen Kompass. Aramis war ebenfalls im Besitz einer Taschenuhr wie sich herausstellte, allerdings besaß er keinen Kompass. Porthos und d’Artagnan besaßen nichts dergleichen. „Grimaud, Nadel,  Holzschälchen.“ Seine Freunde sahen Athos nun an, als zweifelten sie an seiner geistigen Gesundheit. Dieser füllte derweil in aller Seelenruhe seinen Trinkschlauch mit Wasser. Grimaud stellte das verlangte Schälchen auf den Tisch und reichte Athos die Nadel. Dieser füllte zuerst Wasser in die Schale. Er legte die Nadel auf ein dünnes Tuch und ließ sie vorsichtig auf das Wasser gleiten, dass sie schwamm. Fasziniert sahen Porthos, Aramis und d’Artagnan zu, wie sich die Nadel hin- und her- drehte, bis sie sich in eine Richtung eingependelt hatte. Nun nahm Athos seinen Kompass und zeigte ihnen, dass die Nadel exakt in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet war. Aramis nickte „So können wir es machen.“

  „Da das geklärt ist, sollten wir an unsere Ausrüstung denken. Hier sind Sturmlaternen, und zusätzliche Kerzen dafür.“ Athos drückte jedem von Ihnen eine Laterne in die Hand. Je näher der Aufbruch zu Ihrer Mission rückte, desto mehr rutschte d’Artagnan auf seinem Stuhl herum. Schließlich fasste er sich ein Herz und sagte: „Was ist mit unseren Waffen? Es wiederstrebt mir, ohne Degen herumzulaufen, aber in den Gängen stören Degen mehr als sie nützen. Es ist so eng, dass es beinahe unmöglich ist, zu verhindern, dass ein Degen gegen die Mauer schlägt.“ Man sah d’Artagnan sein Unwohlsein direkt an. „Ihr habt recht, ich möchte unsere Degen aber auch nicht einfach irgendwo liegen lassen, also lassen wir sie am Besten hier. Wir nehmen nur die Messer mit. Seid Ihr soweit?“ d’Artagnan, Porthos und Aramis nicken. „Es ist Zeit, lasst uns aufbrechen.“

 Die vier Freunde schnappten ihre Mäntel und machten sich auf den Weg zum Louvre. An der kleinen Pforte öffneten Ihnen M. de Tréville und Germain, den Tréville eingeweiht hatte. In einer kleinen Kammer erläuterten die vier M. de Tréville ihren Plan. Jede Gruppe sollte den Gängen in die vereinbarte Richtung folgen. In zwei Stunden wollten sie sich im Gang hinter der Galerie wieder treffen. Grimaud würde sich in der Nähe der Galerie aufhalten, sollte eine Gruppe vorzeitig zurückkehren könnte er dies der anderen Gruppe mitteilen, in dem er in den entsprechenden Räumlichkeiten ein zuvor vereinbartes Wort rief.