Joyeux Noel von AstridB
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 7 BewertungenKapitel Vorbereitungen
In der Luft lag ein Hauch von Weihnachten. Seit Tagen durfte niemand mehr die große Halle im Hôtel de Tréville betreten. Bedienstete schleppten Körbeweise immergrüne Zweige, Äpfel und Nüsse in die Halle. Voller Vorfreude auf Weihnachten tobten die Kinder M. de Trévilles im Hof zwischen den Musketieren hindurch. Irgendein Spaßvogel war auf die Idee gekommen, am Portal des Hôtel de Tréville einen Mistelzweig aufzuhängen, sehr zur Freude der Töchter des Hauses. Marie, mit ihren neun Jahren bereits eine selbstbewusste junge Dame, und die erst dreijährige Juliette lauerten den ankommenden Musketieren am Portal auf, um sich den obligatorischen Kuss unterm Mistelzweig abzuholen. Die Musketiere spielten fröhlich mit. Dennoch hielten sich am Heilig Abend deutlich weniger Musketiere im Hof auf als gewöhnlich. Dies lag sicher auch an der eisigen Kälte, die alle in die warmen Häuser trieb. Aber vielleicht lag es auch daran, dass M. de Tréville seine Musketiere an einem solchen Tag zu außergewöhnlichen Einsätzen abkommandierte?
Ein fröhlicher Aufschrei Juliettes markierte die Ankunft von Porthos. Beide Mädchen rannten ihren Lieblingsmusketier beinahe über den Haufen. Marie verbeugte sich artig vor ihm und hauchte ihm einen schüchternen Kuß auf die Wange. Juliette dagegen lief fröhlich auf den Neuankömmling zu und ließ sich von Porthos auf den Arm nehmen. Als Dank bekam Porthos einen sehr feuchten Schmatz auf die Wange. M. de Tréville schien einen sechsten Sinn für Besucher zu haben, denn kaum hatte Porthos den Hof betreten, erschien Tréville, mit goldverschmierten Händen, in der Tür. Er rief Porthos zu sich und führte ihn in die Halle. In der Halle herrschte ein großes Durcheinander. Überall standen Tische und Körbe herum mit Girlanden aus Tannengrün mit Ilex und Efeu eingebunden. Neben dem Kamin stand ein riesiger Weihnachtsbaum. Die Dienerschaft befestigte gerade die Kerzen an den Zweigen. M. de Tréville führte Porthos zu einem Tisch auf dem Nüsse, Pinsel und kleine Töpfe mit Goldfarbe standen:„M. Porthos, würdet Ihr so liebenswürdig sein und beim vergolden dieser Nüsse helfen?.“ Da von d’Artagnan weit und breit nichts zu sehen war und d’Artagnans Dienst am Louvre erst in ein paar Stunden beginnen sollte, konnte Porthos schlecht ablehnen, nickte daher und nahm einen Pinsel in die Hand. Porthos große Hände waren sehr geschickt im Umgang mit dem Degen, doch diese kleinen Nüsse mit dem Pinsel zu bemalen, war eine Herausforderung ganz anderer Art. Die Farbe wollte eher seine Finger vergolden, als die Nuss.
Zur vereinbarten Stunde traf d’Artagnan in der Uniform der Garde
des M. des Essarts ebenfalls am Hôtel de Tréville ein. Dem
Gascogner war der Brauch mit den Mistelzweigen nicht geläufig und
er hatte auch den Mistelzweig über seinem Kopf noch nicht bemerkt.
Er war also ziemlich überrascht, als Marie und Juliette auf ihn
zurannten um ihn zu küssen. Die wenigen anwesenden Musketiere
brachen angesichts des verlegenen Gesichtsausdrucks d’Artagnans in
lautes Gelächter aus. Neugierig betraten Tréville und Porthos den
Hof. D’Artagnan war die Situation peinlich und er wäre am
allerliebsten im Erdboden versunken. Doch Porthos winkte ihm zu.
D’Artagnan folgte den beiden in die Halle. Dort drückte Porthos
ohne Umstände d’Artagnan Pinsel und Nuß in die Hand und bedeutete
ihm, er solle nun diese Nüsse vergolden. Keine Frage, d’Artagnan
hatte geschicktere Finger, doch auch er kam um die Goldfarbe an
seinen Händen nicht herum. Porthos wandte sich seinen Fähigkeiten
angemesseneren Aufgaben zu und half die Girlanden
aufzuhängen.
Aus der Tatsache, dass sowohl Porthos als auch d’Artagnan in ihrer
vollen Uniform erschienen waren, schlussfolgerte M. de Tréville,
dass die beiden, wie schon so oft, sich hier verabredet hatten, um
gemeinsam den Dienst bei seinem Schwager M. des Essarts anzutreten.
Doch alle waren so in ihr Tun vertieft, dass Tréville unser beiden
Freunde an ihren Dienst erinnern musste. Zum säubern der Hände
blieb ihnen keine Zeit mehr, wollten sie rechtzeitig im Louvre
sein. Sie machten sich sofort auf den Weg zum Louvre.
In der Wachstube war es gut warm, dennoch behielten d’Artagnan und
Porthos die Handschuhe an, was ihnen schiefe Blicke der übrigen
Gardisten eintrug. M. des Essarts meinte die Ursache zu erraten, da
er seinen Schwager gut kannte. Er konnte sich das Grinsen gerade
noch verkneifen, als er daran dachte, wie es ihm mal ergangen
war.
Ganz offensichtlich beabsichtigte Porthos, d’Artagnan auf der Wache
Gesellschaft zu leisten. Das war nicht das erste Mal und des
Essarts und die Gardisten kannten die Unzertrennlichen gut. Da M.
des Essarts nun einen Mann zuviel in der Wache hatte und ja auch
Weihnachte war, befreite er einen seiner Leute vom Wachdienst.
Die Nacht war bitterkalt. Jeder Atemzug zeigte sich als kleine
Wolke. D’Artagnan und Porthos schlangen ihre Mäntel so fest es ging
um den Körper. Ab und zu bliesen sie sich in die Hände um diese
etwas zu erwärmen. Porthos, als erfahrener Soldat, riet d’Artagnan,
gegen die Kälte mit den Füßen zu stampfen und die Zehen in den
Stiefeln zu bewegen. Die Kälte kroch durch die Schuhsohlen am
Körper hoch. Zum Ende der Mitternachts-Messe in einer nahen Kirche
hin, ließ d’Artagnans Aufmerksamkeit nach. Der vormals verwaiste
Platz füllte sich mit den Kirchgängern. Manche trafen sich,
wünschten sich gegenseitig ein frohes Weihnachtsfest, viele
strebten schnurstracks ins warme Heim. D’Artagnan war so vollkommen
vom Geschehen auf dem Platz gefesselt, dass er zwei sich dem Tor
nähernde Männer nicht bemerkte. Auch Porthos war einen Moment lang
abgelenkt. Ehe d’Artagnan sich versah, fühlte er einen Dolch an der
Kehle. Porthos hatte noch reagieren können und hielt seinen Gegner
mit seinem Degen in Schach. Da senkte sich der Dolch von
d’Artagnans Kehle und eine kräftige Hand drehte ihn um. „Joyeux
Noël, d’Artagnan, Eure Wachsamkeit lässt heute zu wünschen übrig“
So sprach Athos und umarmte den erleichterten d’Artagnan. Aramis,
denn kein anderer war Porthos Gegner, und Porthos hatten sich
ebenfalls begrüßt. Da rief Aramis aus: „Ah Mousqueton, da seid Ihr
ja!“ Der Angesprochene erschien mit einer dampfenden Kanne und
Bechern für alle. Bevor d’Artagnan fragen konnte, wie Aramis und
Athos hierher kamen, hatten alle einen dampfenden Becher mit
Glühwein in der Hand. Athos und Aramis beabsichtigten nicht,
d’Artagnan und Porthos von ihrer Aufgabe abzulenken, daher stellten
sie sich so neben den beiden auf, dass alle vier Freunde einen
ungehinderten Blick über den Platz hatten. „Sagt, wie kommt es,
dass Ihr zu dieser Stunde und in dieser Kälte hierher gekommen
seid?“ Aramis antwortete d’Artagnan: „Nun, als angehender Abbé ist
es mir ein Bedürfnis die Weihnachtsmesse zu besuchen. Da Ihr
Wachdienst hattet und Porthos Euch begleiten wollte“ hier grinste
Aramis „überredete ich Athos, mich zur Messe zu begleiten.“ Athos,
der nun ebenfalls grinste meinte dazu „Angesichts der Kälte kam mir
die Idee, dass ein Glühwein Euch gut tun könnte. So bestellten wir
Mousqueton, denn niemand kann einen besseren Glühwein kochen, nach
der Messe hierher.“
Kaum hatten sie leer getrunken, verabschiedeten sich Athos und
Aramis, da sie ja in der Frühe zur Matinée bei M. de Tréville
eingeladen waren. D’Artagnan und Porthos dagegen würden noch bis
zum Morgen im Wachdienst ausharren. Nach dieser Überraschung mit
Athos ließ d’Artagnan keinen Augenblick mehr in seiner Wachsamkeit
nach. Nicht einmal einer Maus wäre es gelungen an d’Artagnan und
Porthos vorbeizukommen.