Joyeux Noel von AstridB 

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Kapitel Vorbereitungen

In der Luft lag ein Hauch von Weihnachten. Seit Tagen durfte niemand mehr die große Halle im Hôtel de Tréville betreten. Bedienstete schleppten Körbeweise immergrüne Zweige, Äpfel und Nüsse in die Halle. Voller Vorfreude auf Weihnachten tobten die Kinder M. de Trévilles im Hof zwischen den Musketieren hindurch. Irgendein Spaßvogel war auf die Idee gekommen, am Portal des Hôtel de Tréville einen Mistelzweig aufzuhängen, sehr zur Freude der Töchter des Hauses. Marie, mit ihren neun Jahren bereits eine selbstbewusste junge Dame, und die erst dreijährige Juliette lauerten den ankommenden Musketieren am Portal auf, um sich den obligatorischen Kuss unterm Mistelzweig abzuholen. Die Musketiere spielten fröhlich mit. Dennoch hielten sich am Heilig Abend deutlich weniger Musketiere im Hof auf als gewöhnlich. Dies lag sicher auch an der eisigen Kälte, die alle in die warmen Häuser trieb. Aber vielleicht lag es auch daran, dass M. de Tréville seine Musketiere an einem solchen Tag zu außergewöhnlichen Einsätzen abkommandierte?

Ein fröhlicher Aufschrei Juliettes markierte die Ankunft von Porthos. Beide Mädchen rannten ihren Lieblingsmusketier beinahe über den Haufen. Marie verbeugte sich artig vor ihm und hauchte ihm einen schüchternen Kuß auf die Wange. Juliette dagegen lief fröhlich auf den Neuankömmling zu und ließ sich von Porthos auf den Arm nehmen. Als Dank bekam Porthos einen sehr feuchten Schmatz auf die Wange. M. de Tréville schien einen sechsten Sinn für Besucher zu haben, denn kaum hatte Porthos den Hof betreten, erschien Tréville, mit goldverschmierten Händen, in der Tür. Er rief Porthos zu sich und führte ihn in die Halle. In der Halle herrschte ein großes Durcheinander. Überall standen Tische und Körbe herum mit Girlanden aus Tannengrün mit Ilex und Efeu eingebunden. Neben dem Kamin stand ein riesiger Weihnachtsbaum. Die Dienerschaft befestigte gerade die Kerzen an den Zweigen. M. de Tréville führte Porthos zu einem Tisch auf dem Nüsse, Pinsel und kleine Töpfe mit Goldfarbe standen:„M. Porthos, würdet Ihr so liebenswürdig sein und beim vergolden dieser Nüsse helfen?.“ Da von d’Artagnan weit und breit nichts zu sehen war und d’Artagnans Dienst am Louvre erst in ein paar Stunden beginnen sollte, konnte Porthos schlecht ablehnen, nickte daher und nahm einen Pinsel in die Hand. Porthos große Hände waren sehr geschickt im Umgang mit dem Degen, doch diese kleinen Nüsse mit dem Pinsel zu bemalen, war eine Herausforderung ganz anderer Art. Die Farbe wollte eher seine Finger vergolden, als die Nuss.

Zur vereinbarten Stunde traf d’Artagnan in der Uniform der Garde des M. des Essarts ebenfalls am Hôtel de Tréville ein. Dem Gascogner war der Brauch mit den Mistelzweigen nicht geläufig und er hatte auch den Mistelzweig über seinem Kopf noch nicht bemerkt. Er war also ziemlich überrascht, als Marie und Juliette auf ihn zurannten um ihn zu küssen. Die wenigen anwesenden Musketiere brachen angesichts des verlegenen Gesichtsausdrucks d’Artagnans in lautes Gelächter aus. Neugierig betraten Tréville und Porthos den Hof. D’Artagnan war die Situation peinlich und er wäre am allerliebsten im Erdboden versunken. Doch Porthos winkte ihm zu. D’Artagnan folgte den beiden in die Halle. Dort drückte Porthos ohne Umstände d’Artagnan Pinsel und Nuß in die Hand und bedeutete ihm, er solle nun diese Nüsse vergolden. Keine Frage, d’Artagnan hatte geschicktere Finger, doch auch er kam um die Goldfarbe an seinen Händen nicht herum. Porthos wandte sich seinen Fähigkeiten angemesseneren Aufgaben zu und half die Girlanden aufzuhängen.
Aus der Tatsache, dass sowohl Porthos als auch d’Artagnan in ihrer vollen Uniform erschienen waren, schlussfolgerte M. de Tréville, dass die beiden, wie schon so oft, sich hier verabredet hatten, um gemeinsam den Dienst bei seinem Schwager M. des Essarts anzutreten. Doch alle waren so in ihr Tun vertieft, dass Tréville unser beiden Freunde an ihren Dienst erinnern musste. Zum säubern der Hände blieb ihnen keine Zeit mehr, wollten sie rechtzeitig im Louvre sein. Sie machten sich sofort auf den Weg zum Louvre.
In der Wachstube war es gut warm, dennoch behielten d’Artagnan und Porthos die Handschuhe an, was ihnen schiefe Blicke der übrigen Gardisten eintrug. M. des Essarts meinte die Ursache zu erraten, da er seinen Schwager gut kannte. Er konnte sich das Grinsen gerade noch verkneifen, als er daran dachte, wie es ihm mal ergangen war.
Ganz offensichtlich beabsichtigte Porthos, d’Artagnan auf der Wache Gesellschaft zu leisten. Das war nicht das erste Mal und des Essarts und die Gardisten kannten die Unzertrennlichen gut. Da M. des Essarts nun einen Mann zuviel in der Wache hatte und ja auch Weihnachte war, befreite er einen seiner Leute vom Wachdienst.

Die Nacht war bitterkalt. Jeder Atemzug zeigte sich als kleine Wolke. D’Artagnan und Porthos schlangen ihre Mäntel so fest es ging um den Körper. Ab und zu bliesen sie sich in die Hände um diese etwas zu erwärmen. Porthos, als erfahrener Soldat, riet d’Artagnan, gegen die Kälte mit den Füßen zu stampfen und die Zehen in den Stiefeln zu bewegen. Die Kälte kroch durch die Schuhsohlen am Körper hoch. Zum Ende der Mitternachts-Messe in einer nahen Kirche hin, ließ d’Artagnans Aufmerksamkeit nach. Der vormals verwaiste Platz füllte sich mit den Kirchgängern. Manche trafen sich, wünschten sich gegenseitig ein frohes Weihnachtsfest, viele strebten schnurstracks ins warme Heim. D’Artagnan war so vollkommen vom Geschehen auf dem Platz gefesselt, dass er zwei sich dem Tor nähernde Männer nicht bemerkte. Auch Porthos war einen Moment lang abgelenkt. Ehe d’Artagnan sich versah, fühlte er einen Dolch an der Kehle. Porthos hatte noch reagieren können und hielt seinen Gegner mit seinem Degen in Schach. Da senkte sich der Dolch von d’Artagnans Kehle und eine kräftige Hand drehte ihn um. „Joyeux Noël, d’Artagnan, Eure Wachsamkeit lässt heute zu wünschen übrig“ So sprach Athos und umarmte den erleichterten d’Artagnan. Aramis, denn kein anderer war Porthos Gegner, und Porthos hatten sich ebenfalls begrüßt. Da rief Aramis aus: „Ah Mousqueton, da seid Ihr ja!“ Der Angesprochene erschien mit einer dampfenden Kanne und Bechern für alle. Bevor d’Artagnan fragen konnte, wie Aramis und Athos hierher kamen, hatten alle einen dampfenden Becher mit Glühwein in der Hand. Athos und Aramis beabsichtigten nicht, d’Artagnan und Porthos von ihrer Aufgabe abzulenken, daher stellten sie sich so neben den beiden auf, dass alle vier Freunde einen ungehinderten Blick über den Platz hatten. „Sagt, wie kommt es, dass Ihr zu dieser Stunde und in dieser Kälte hierher gekommen seid?“ Aramis antwortete d’Artagnan: „Nun, als angehender Abbé ist es mir ein Bedürfnis die Weihnachtsmesse zu besuchen. Da Ihr Wachdienst hattet und Porthos Euch begleiten wollte“ hier grinste Aramis „überredete ich Athos, mich zur Messe zu begleiten.“ Athos, der nun ebenfalls grinste meinte dazu „Angesichts der Kälte kam mir die Idee, dass ein Glühwein Euch gut tun könnte. So bestellten wir Mousqueton, denn niemand kann einen besseren Glühwein kochen, nach der Messe hierher.“
Kaum hatten sie leer getrunken, verabschiedeten sich Athos und Aramis, da sie ja in der Frühe zur Matinée bei M. de Tréville eingeladen waren. D’Artagnan und Porthos dagegen würden noch bis zum Morgen im Wachdienst ausharren. Nach dieser Überraschung mit Athos ließ d’Artagnan keinen Augenblick mehr in seiner Wachsamkeit nach. Nicht einmal einer Maus wäre es gelungen an d’Artagnan und Porthos vorbeizukommen.