Joyeux Noel von AstridB 

  Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 7 Bewertungen

Kapitel Aufregung im Louvre

Die weitere Wache verlief ereignislos. Nach vier Stunden wurden die, inzwischen steif gefrorenen, Männer abgelöst und in die Wachstube zum Aufwärmen geschickt. M. des Essarts achtete darauf, dass sich jeder am Kamin aufwärmte und auch vom aufgewärmten und verdünnten Wein trank. Dankbar nahmen Porthos und d’Artagnan das dampfende Getränk entgegen. Da erreichte ein lauter Schrei die Wachstube. Verstört kam Germain hereingerannt und berichtete atemlos: „Ein Gespenst! Es spukt im Louvre!“ M. des Essarts versucht ihn zu beruhigen: „Hier kann Euch nichts passieren. Seht mal, es sind nur Gardisten da. Und jetzt berichtet: was ist passiert?“ Germain zitterte am ganzen Körper, doch nicht vor Kälte: „M. de la Porte schickte mich in den Weinkeller um Wein für den König zu holen. Normalerweise ist es ja ganz still und ich lief ja allein durch die Galerie, da hörte ich Geräusche in der Wand. Aber da ist doch gar nichts! D-die Medici schaute mir direkt in die Augen, es war furchtbar! Und ein weißer Schatten huschte durch die Galerie. Bitte helft mir.“ sprudelte Germain heraus. Germains Hände krallten sich in Porthos Musketierrock. M. des Essarts kannte diese Situation. Des Nachts, wenn der Louvre fast menschenleer war und nur noch spärlich beleuchtet, spielte ihre Phantasie den Dienern und Zofen so manchen Streich. Dann riefen sie immer die Garde zu Hilfe und die durfte dann die Gespenster suchen. Bisher hatten sich die angeblichen Gespenster immer als harmlose optische Täuschung herausgestellt. Doch Germain gehörte eigentlich nicht zu den Dienern, die an jeder Ecke Gespenster sahen. M. des Essarts musste in jedem Fall wissen, was da vor sich ging. Von seinem Schwager wusste er, dass Porthos schon einige dieser „Gespenster“ gefunden hatte und zudem einen beruhigenden Einfluss auf die Dienerschaft ausübte. So lag es Nahe, dass er Porthos und seinen Freund d’Artagnan beauftragte, Germain zu begleiten. „Also gut, Porthos, ich weiß, Ihr habt schon mehrmals Gespenster gesucht, nehmt also d’Artagnan mit und begleitet Germain in den Keller und anschließend zu den königlichen Gemächern.“

D’Artagnan und Porthos machten sich mit Germain auf, dem König Wein zu holen. Auf dem Weg in den Keller begegnete ihnen nichts Ungewöhnliches. Erst oben in der Galerie spürten sie einen kalten Luftzug. Germain zuckte zusammen und deutete zitternd auf das Ende des Ganges. D’Artagnan war es etwas mulmig geworden, doch Porthos lachte nur: „Da hat wieder jemand das Fenster nicht richtig geschlossen. Euer Gespenst ist ein Vorhang.“ Sprach’s, trat zum Fenster und schloss es. D’Artagnan und Germain lachten erleichtert.
Die Erleichterung verflog wieder, als sie das Vorzimmer betraten. Wie aufgescheuchte Hühner liefen die Zofen und Diener umher und mittendrin stand M. des Essarts und versuchte die aufgeregten Leute zu beruhigen. Diesmal war es eine Zofe, die im Ankleidezimmer der Königin ein Gespenst gesehen haben wollte. Porthos und d’Artagnan sahen M. des Essarts deutlich an, dass die Dienerschaft zu beruhigenn nicht zu seinen bevorzugten Tätigkeiten gehörte. So war es auch nicht verwunderlich, dass M. des Essarts das Auftreten von Porthos und d’Artagnan nutzte, um sich wieder in die Wachstube zurückzuziehen. D’Artagnan schaute Porthos ratlos an. Porthos bedeutete mit einem Blick d’Artagnan, er solle ruhig bleiben, dann wandte er sich Germain und der Zofe zu und ließ sich alles genau erzählen. Porthos ließ sich die „Erscheinungsorte“ der Gespenster ganz genau beschreiben. Dann erklärte er, sie sollen sich beruhigen, er wolle nun das Gespenst suchen. Porthos und d’Artagnan verließen das Vorzimmer. D’Artagnan, der wie wir wissen, über eine rege Phantasie verfügt, folgte Porthos leicht beunruhigt. Die Königin hatte noch nichts von der Aufregung mitbekommen, und Porthos wollte auch, dass es so blieb, daher beschloss er, sich erst noch mal auf der Galerie umzusehen.

Die beiden bewaffneten sich jeweils mit einem Kerzenleuchter und begaben sich zur Galerie. Das flackern der Kerzen und die wechselhaften Schatten in den halbdunklen Ecken wirkten ziemlich gruselig. D’Artagnan hielt sich daher auch dicht an Porthos. Zu d’Artagnans Überraschung inspizierte Porthos Fenster-Laibungen, Vorhänge und Wände ganz genau. Schließlich rief er d’Artagnan zu sich: „Seht, hier ist eine Tür verborgen. Wir wollen mal sehen, wie sie sich öffnen lässt.“ Da sie kein Schloß und keinen Riegel entdecken konnten, musste es einen anderen Mechanismus geben, der die Tür verschloss. D’Artagnan versuchte seinen Dolch in die schmale Rille zu stecken, die die Tür kennzeichnete. Sie hörten ein Klicken und die Tür öffnete sich. Dahinter verbarg sich ein dunkles Loch. Erst als Porthos mit einer Kerze hineinleuchtete konnten sie erkennen, dass sich hier ein schmaler, fensterloser Gang verbarg. „Woher wusstet Ihr von dieser Tür?“ fragte d’Artagnan. Porthos erwiderte: „Diese Tür war mir unbekannt, aber ich habe schon einige andere Tapeten-Türen hier im Louvre gesehen. Es überrascht mich nicht, hier eine zu finden. Doch jetzt seid leise, der Schall trägt weit, in diesen engen Gängen. Und wir wollen doch die Diener nicht weiter beunruhigen?“ Porthos reichte d’Artagnan eine zweite Kerze: „Kommt. Wir wollen sehen, wohin dieser Gang führt.“ Sie betraten den Gang. Es war so eng, dass die beiden hintereinander gehen mussten. Obwohl sie sich so leise wie möglich bewegten, ließ sich das Klirren ihrer Degen, wenn sie an die Wand stießen, nicht verhindern. In der Tat waren ihre langen Degen hier eher hinderlich. Aber, die Waffen in der Galerie unbeaufsichtigt zurückzulassen, kam auch nicht in Frage.
Zunächst bewegten sie sich entlang der Galerie, quasi parallel zu dem Weg, den sie gekommen waren. Die Wand zur Galerie hin, wies in regelmäßigen Abständen Nischen auf. D’Artagnan leuchtete mit seiner Kerze eine dieser Nischen aus und entdeckte in Augenhöhe Klappen in der Wand. Er öffnete eine dieser Klappen, die ein kleines Guckloch freigab. „Porthos, seht, hier kann ich die gesamte Galerie überblicken, war es das, was Germain im Gemälde der Medici gesehen hat? Die Augen eines Spions?“ flüsterte d’Artagnan. Porthos sah ebenfalls hindurch und nickte: „Sobald wir wieder draußen sind sehen wir uns das Gemälde näher an. Ich glaube, von diesen Gängen habe ich schon gehört, aber niemand wusste etwas genaues darüber. Kommt lasst uns weitergehen.“ Obwohl der Gang genauso lang war wie die Galerie, erschien den beiden der Weg viel länger. Am Ende (wahrscheinlich befanden sie sich auch am Ende der Galerie) gelangten sie an eine Kreuzung. Sie konnten entweder auf dieser Ebene weitergehen und hatten wieder zwei bis drei Richtungen zur Auswahl, oder über eine enge Wendeltreppe nach oben oder unten gehen. Porthos rief sich die Lage der Räumlichkeiten ins Gedächtnis und entschied sich für einen leicht ansteigenden Gang, der aber in Richtung der königl. Gemächer führte. Porthos machte d’Artagnan darauf aufmerksam: „Seht, die Wände sind plötzlich schwarz und nicht mehr so schön behauen. Ich glaube, wir gelangen in den älteren Teil des Louvre. Irgendwo hier müssten wir auf die Schlafräume der Majestäten stoßen.“ Der Weg war leicht angestiegen, doch nach einer Biegung und einer weiteren Kreuzung ging es eben weiter. Diese Gänge bildeten das reinste Labyrinth, in dem d’Artagnan schon nach mehreren Kreuzungen jegliche Orientierung verlor. Porthos schien jedoch genau zu wissen, wo er sich gerade bewegte. Auf die Frage, woher er denn wisse, wo sie sich befänden, erhielt er von Porthos eine überraschende Antwort: „Der Dienst im Louvre kann sehr lange werden. Zum Zeitvertreib habe ich die Schritte gezählt, die ich in jedem Raum gehen musste. Ich glaube, ich könnte mich blind im Louvre bewegen, ohne anzustoßen. In diesen Gängen war ich noch nie, aber ich rechne etwa einen Schritt dazu oder ab, für die Wandstärke, je nachdem, wohin wir uns bewegen.“
Gelegentlich fanden sie weitere Gucklöcher. Der Blick in die angrenzende Räumlichkeit bestätigte jedes Mal Porthos Orientierungssinn. Glücklicherweise gab es auch noch weitere in den Präsentationsräumen sehr gut verborgene Geheimtüren. Mal handelte es sich im ein Bild, mal verbarg sich die „Tür“ hinter einem Gobelin und Kamine waren auch nicht immer, was sie schienen. D’Artagnan war froh über jeden Ausweg, da er sich nicht sicher war, ob er den Weg zurück finden würde.

Ihr Weg führte sie auch an das Vorzimmer, in dem sie Germain und die übrigen Diener zurückgelassen hatten. Ausgerechnet hier schlug Porthos Degen mit einem deutlich vernehmlichen Klirren gegen die Wand. Ein lauter Aufschrei war aus dem Vorzimmer zu vernehmen. Porthos wollte schon rufen, um die Diener zu beruhigen, da hielt d’Artagnan ihm schnell den Mund zu und flüsterte: „Porthos, wenn Ihr jetzt ruft, so erschrecken wir sie noch mehr, besser, wir suchen einen Zugang zum Zimmer.“ Die nächste Geheimtür führte sie durch einen Zierkamin in das Sonnenzimmer der Königin. Hier durften sie sich nicht sehen lassen. Sie gingen so schnell und leise wie möglich in ihrem Geheimgang zurück, bis sie zu einer Tür gelangten, durch die sie ungesehen ein leeres Vorzimmer betreten konnten. Besorgt um die Reaktion der Dienerschaft begaben sie sich schweigend zu Germain und den anderen. Wie erwartet fanden diese sich in heller Aufregung. Doch das Erscheinen von Porthos und d’Artagnan beruhigte sie ein wenig. Germain berichtete atemlos von dem geheimnisvollen Klirren, das sie gehört hatten, während d’Artagnan sich fieberhaft nach einer Erklärung suchte, die die Diener beruhigen würde, ohne die Geheimgänge zu erwähnen. „Dieses Klirren ist nicht sehr geheimnisvoll, Porthos hat sich in der Dunkelheit an dieser leeren Rüstung gestoßen. In der Nacht tragen die Geräusche weiter als am Tag, das habt ihr sicherlich gehört. Gespenster sind uns nicht begegnet, aber der flackernde Kerzenschein wirft Gespensterschatten an die Wände.“ Mit dieser Erklärung d’Artagnan’s beruhigten sich die Diener und Zofen wieder.

An eine weitere Erkundung im Bereich der königl. Gemächer war nicht mehr zu denken, also begaben sie sich zurück zur Galerie. Bisher war es ihnen nicht gelungen einen Hinweis auf das „Gespenst“ zu finden. Sie betraten nochmals den Geheimgang an der Galerie. Dieses Mal suchten sie mit Ihren Kerzen aber Wände und Boden ab. „Porthos, seht, hier hat sich jemand einen Vorrat an Kerzen zurechtgelegt. Sogar Zunder liegt bereit.“ D’Artagnans Entdeckung war der Beweis! Hier hielt sich regelmäßig jemand auf! In den fensterlosen Gängen hatten Porthos und d’Artagnan die Zeit völlig vergessen. Doch nun sashen sie, dass der Morgen dämmerte und die Räume schon bald wieder dicht bevölkert sein würden. „d’Artagnan, kommt, unser Gespenst wird sich am Tage nicht zeigen, wir erstatten M. des Essarts Bericht und hauen uns aufs Ohr. Gott, wie bin ich müde!“

D’Artagnan und Porthos erstatteten M. des Essarts in der Wachstube Bericht. „Gerüchte über geheime Gänge im Louvre sind mir auch schon zu Ohren gekommen, sie wurden allerdings nie bestätigt. Was machen wir nun? Solange es keine konkreten Anzeichen einer Bedrohung gibt, sollten wir die Königin noch nicht beunruhigen. Unter Tag ist es unmöglich unauffällig die von Euch entdeckte Tür zu betreten. Es liegt also an M. de Tréville und seinen Musketieren, die die nächste Nacht die Wache haben, das Gespenst zu fangen.“ bemerkte des Essarts. „Der Dienst war lange und ihr seht beide erschöpft aus, trotzdem solltet ihr noch M. de Tréville informieren, bevor ihr schlafen geht.“

Der Weihnachtstag dämmerte schön und eisig kalt herauf. Athos kleidete sich für die Matinée bei M. de Tréville an. Athos trug keine Musketier-Uniform, sein Wams war schlicht und elegant, mit weniger Zierrat versehen, als zu der Zeit Mode war, dennoch wirkte Athos darin weit vornehmer, als es von einem einfachen Musketier erwartet wurde. Es war eine große Ehre, bei Tréville eingeladen zu werden. Umso mehr, als es nicht üblich war, dass Musketiere eingeladen waren. Die meisten Musketiere legten darauf aber auch keinen Wert. Athos und Aramis waren jedoch hochgeschätzte Musketiere und ihr Interesse für die schönen Künste war Tréville bekannt. Aramis holte Athos ab und gemeinsam begaben sie sich ins Hôtel de Tréville. Aramis hatte die Uniform durch ein mit golddurchwirkten Stickereien übersätes Wams ersetzt. Die Ankunft der Gäste war in vollem Gange, als die beiden Musketiere eintrafen. Mit Mühe war es gelungen, Marie und Juliette davon abzubringen, alle Gäste mit einem feuchten Kuss zu begrüßen. Es gelang den beiden jedoch zu Athos und Aramis zu gelangen. Sofort zogen sie die Musketiere mit sich in die große Halle um ihnen den hell erleuchteten Weihnachtsbaum und die ausgebreiteten Geschenke zu zeigen. Das Kindermädchen kam atemlos in der Halle an: „Verzeihung ihr Herren,“ wandte sie sich an Athos und Aramis, mit den Kindern schalt sie: „was fällt euch ein? Euer Herr Papa hat es euch verboten, die Gäste zu belästigen!“ Athos und Aramis fühlten sich nicht im mindesten belästigt und bestätigten dies auch dem Kindermädchen gegenüber. Nach einem opulenten Mal, das zur Feier des Tages Frühstück und Mittagessen zugleich war, begab sich die Gesellschaft in die Halle.
Die Gäste ergötzten sich soeben an Gedichten, vorgetragen von einem angehenden Abbé, als der Kammerdiener M. de Trévilles die Ankunft von Porthos und d’Artagnan meldete. Tréville lies die beiden sofort in sein Arbeitszimmer führen und schickte umgehend nach Athos und Aramis. Bis Athos und Aramis eintrafen, setzten d’Artagnan und Porthos sich auf Stühle und dösten aufgrund ihrer Erschöpfung, bis ihre Freunde eintrafen. „M. de Tréville, entschuldigt die Störung. Aber heute Nacht ist im Louvre etwas geschehen, was wir Euch unbedingt zu Gehör bringen müssen.“ Porthos und d’Artagnan berichteten gemeinsam, was sie diese Nacht entdeckt hatten. Tréville überlegte einen Moment, dann sagte er: „Nun gut, des Essarts hat recht. Am Tage können wir nicht suchen, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Da wir wissen, wohin sich der Unbekannte begeben haben könnte, müssen wir noch das woher klären. Dafür bitte ich Euch vier, obwohl ihr Dienstfrei habt, euch heute Nacht zur Verfügung zu halten. Wir wollen kein Aufsehen erregen, daher kommt Ihr vier Stunden nach dem Wachwechsel an die kleinen Pforte. Ich sorge dafür, dass ihr den Louvre ungesehen betreten könnt. Achtet darauf, dass euch keiner sieht, auch kein Musketier. D’Artagnan, Porthos, gönnt Euch eine Mütze voll Schlaf.“ Athos und Aramis begleiteten ihre erschöpften Freunde zu deren Wohnungen. Für den Abend verabredeten sie sich bei Athos.