Alter schützt vor Dünkel nicht von kaloubet und Aramis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 4 BewertungenKapitel Kapitel 1
Noisy-le-sec, anno 1652
...und damit sind, aus all jenen einleuchtenden Gründen, die ich Euch, o Geliebte, soeben klar und deutlich darlegte, Stolz, Hoffart und Eitelkeit die Sünden des Teufels! Satan in eigener Person stachelt uns dazu an, ist er ihnen doch selber mit Haut und Haar verfallen, seit er es in beispielloser Hybris wagte, sich rebellisch gegen den Willen des Allmächtigen zu erheben! Nichts ist verderblicher als der freie, ungebändigte Wille, der niemanden über sich akzeptiert, keinerlei Autorität anerkennt und sich selbst über buchstäblich alles und jeden stellt! Sein hartnäckiger, starrsinniger Trotz duldet keinen fremden Befehl, nimmt ebenso keinen Rat an, sei dieser auch noch so wohlgesinnt und vernünftig, demütige Bescheidenheit ist ihm verhasst, ebenso wie frommer Gehorsam und reumütige Unterwerfung. Doch ohne diese hehren Tugenden keine Erlösung! Niemals darf ein Hoffärtiger in seiner Eitelkeit darauf hoffen, mit eigenen Augen Gottes himmlisches Reich zu schauen!
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Kapitel Kapitel 2
Raschen Schrittes begab Aramis sich wieder zurück an den Tisch, ließ sich auf seinem Stuhl nieder und langte mit bebender Hand nach seinem Weinglas. Er trank einen tiefen Schluck, stellte das Glas ab und fuhr sich mit der Rechten über Stirn und Augen. „Ja,“ erklärte er rau und mit gesenkter Stimme, „es ist etwas passiert. Damals, als wir gemeinsam für die Fronde kämpften. Madame de Longueville empfing ein Kind von mir.“
Schmerz fuhr Athos in den Magen, gemischt mit einer seltsamen Freude, war ein Kind nicht auch etwas Schönes? Es stimmte, Aramis hatte Andeutungen gemacht, damals schon, hätte er ihm ein Ohr geliehen, hätte er nachgefragt, er hätte es wohl damals schon erfahren. So hatte er diese seltsame Patenschaft hingenommen, es nicht genau wissen wollen, und sie über den alltäglichen Sorgen schließlich vergessen. „Meinen Glückwunsch“, wisperte er heiser, „es ist ein Junge, nicht wahr?“
„Ja, ein Junge.“, flüsterte Aramis, lehnte sich im Stuhl zurück und starrte gesenkten Blickes auf die Tischplatte nieder. So, nun war`s heraus. Er hatte es gebeichtet. Doch warum in aller Welt nahm Athos es so ruhig hin? Er, René, hatte mit jemand anderem geschlafen, noch dazu mit einer Frau! Dies musste seinen Geliebten doch zutiefst erschüttern, ihn im Innersten treffen! Oder hatte Olivier sich entschlossen, es ihm gleichzutun und über jenen Fehltritt, wenn nicht lauthals, so doch bei sich im Stillen zu lachen?
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Kapitel Kapitel 3
Sie waren noch am selben Tag aufgebrochen, Athos wusste nicht, wie Aramis seine plötzliche Abwesenheit vor seinen Mitbrüdern begründet hatte, doch es war ihm im Grunde seines Herzens auch gleichgültig gewesen. Das einzige, was zählte, war der Geliebte an seiner Seite, war die Aussicht auf mehrere gemeinsame Tage, vielleicht sogar Wochen, eine völlig unerwartete und darum umso erfreulichere Perspektive, die ihn in einen seltsamen Zustand heiterer, ja fast übermütiger Ausgelassenheit versetzte - er fühlte sich so jung wie lange nicht mehr und ertappte sich dabei, sich über die alltäglichsten Dinge zu freuen, wie zum Beispiel einem schönen Sonnenuntergang oder den Reflexen des Lichts auf der Oberfläche eines Wasserlaufs. Wobei er es nicht dabei beließ, sie im Stillen zu bewundern, sondern er wies seinen Freund darauf hin, ja, nahm seine Hand, als sie einmal alleine einen Weg entlangritten, den die Abendsonne in glutrotes Licht tauchte, und wunderte sich dabei selbst über diese plötzliche Ergriffenheit. Sie genossen die gemeinsame Reise, die bei aller Diskretion dennoch genügend Momente der Zweisamkeit erlaubte, fühlten sich, nebeneinander dahingaloppierend, fast wie damals als sie noch Soldaten und im Dienst waren, erlaubten sich scherzhafte Schäkereien mit den hübschen Mägden in den Gaststuben, die den beiden Reisenden bewundernde Blicke zuwarfen, und bedauerten beide beinahe, dass die Reise schon vorbei war, als die beiden Türmchen von Bragelonne nach einer Woche vor ihnen auftauchten.
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Kapitel Kapitel 4
Athos führte seinen Freund in ein kleines Zimmer, kleiner als alle anderen Räume, die Aramis bisher zu Gesicht bekommen hatte. Ein Fenster ging in den Garten hinaus, was gleichzeitig auch die einzige freie Fläche des Raumes war, an allen anderen Wänden standen Regale voller Bücher, deren abgegriffene Rücken davon zeugten, dass sie durchaus gelesen wurden und nicht nur zur Zierde dienten. Ein bequemer Sessel, ein kleiner Tisch und ein Sekretär vervollständigten die Einrichtung, auch auf dem Tischchen lagen zwei aufgeschlagene Bücher, daneben stand ein Kerzenleuchter. Athos wies auf den Sessel: „Wenn Ihr Euch setzen wollt …“, während er selbst sich über den Sekretär beugte und in dessen Fächern zu suchen begann.
Aramis trat gehorsam an den Stuhl, ließ sich auf ihm nieder und sah seinem Gefährten schweigend zu - endlich schien Athos gefunden zu haben, was er suchte, und reichte ihm einen vergilbten Bogen Pergament. Aramis nahm ihn mit sachten Fingern aus den Händen seines Freundes entgegen, vorsichtig und behutsam, um das brüchige Dokument nicht zu beschädigen. Gespannt beugte er sich darüber, ja, es schien, als wäre der Text, wie erwartet, in Latein. Doch als er beginnen wollte, die altertümlich kalligraphierten Worte zu entziffern, verschwamm plötzlich die Schrift vor seinen Augen - es überlief ihn heiß, mon Dieu, war`s ihm in Noisy nicht ebenso ergangen?! Er zog scharf die Luft ein, sprang vom Sessel hoch und trat, das Dokument in Händen, ans Fenster - sein Stuhl stand im Schatten, vielleicht herrschte hier schlicht und einfach zu wenig Licht, um diese minutiösen Schriftzeichen zu entziffern! Doch auch im hellen Tageslicht wollten diese vor seinem Blick nicht klarer werden! Sacrédieu! Er schloss kurz die Augen und holte tief Atem, dann ließ er das Pergament sinken und wandte sich, mit auffallend bleichen Wangen, zögernd und widerstrebend zu seinem Freund um: „Mon cher Athos, ich bin untröstlich! Aber ich muss Euch gestehen, ich sehe mich nicht imstande, dieses Schreiben zu lesen.“
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