Aprilherausforderung 2002 von Maike 

Kapitel Das Parfüm von Anonymous

Das Parfüm

22. April
Es war einer dieser heiter-schönen Frühlingstage. Die Sonne strahlte vom Himmel, die Vögel zwitscherten, die Blumen in den zahlreichen Gärten konkurrierten mit den schönsten Farben um die Wette und jeder Bürger von Paris hatte ein Lächeln im Gesicht.
In einer kleinen, unscheinbaren und versteckten Wohnung bequemte sich Madame de Chevreuse gerade dazu, sich in ihrem Bett aufzusetzen und den Schlaf aus den Augen zu reiben. Sie war erst letzte Nacht nach einer langen Reise in der Hauptstadt angekommen und ihr Aufenthalt hier würde nicht solange dauern, wie sie es vielleicht gewünscht hätte. Immerhin drohte ihr, der Geächteten und Verbannten, hier von allen Seiten Gefahr!
Sie würde höchstens zwei oder drei Tage bleiben, der Königin ein kleines Geschenk vom neuen Duke of Buckingham (Wir erinnern uns, der Alte wurde ermordet) übergeben und dann wieder abreisen. Aber innerhalb dieser kurzen Zeit würde es sicher auch einen Augenblick für ihre eigenen amourösen Abenteuer geben. Ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken daran und ihr Lächeln wuchs noch etwas in die Breite, dann aber stand sie endgültig auf und machte sich an ihre Morgentoilette. Während sie vor dem Spiegel saß und ihre Haare kämmte, legte sie in Gedanken bereits einen kleinen Brief zurecht, den ein gewisser Musketier heute Abend bei sich zu Hause finden würde...

23.April
Es war einer dieser nass-kalten Frühlingstage. Die Sonne versteckte sich hinter schweren Wolken, jedes Tier war in seinen Unterschlupf gekrochen, die Blumen in den zahlreichen Gärten ließen die Blätter um die Wette hängen und jeder Bürger von Paris hatte den Hut oder das Kopftuch tief ins Gesicht gezogen.
In einer kleinen, unscheinbaren und versteckten Wohnung machte sich Madame de Chevreuse gerade ausgehfertig. Zwar war es am helllichten Tage recht gefährlich für sie, sich in aller Öffentlichkeit zum Louvre zu stehlen, um dort das Geschenk zu überreichen, aber das düstere Wetter kam ihr recht gelegen, so war es nicht sonderlich auffällig, wenn sie sich bis über das Gesicht vermummte. Eigentlich hatte sie die Übergabe ja noch gestern Nacht erledigen wollen, aber sie war, nunja - sagen wir *abgelenkt* gewesen. Ein leiser Seufzer entschlüpfte ihr, als sich ihre Gedanken in diese Richtung bewegten, doch sie konnte ihnen nicht lange nachhängen, denn es gab jetzt Wichtigeres zu erledigen.
Um ihre bisherige Verkleidung noch zu perfektionieren wickelte sie sich ein weites Tuch um den Kopf und die Schultern. Als das geschehen war, wollte sie das Geschenk holen, aber als sie vor ihre Kommode trat, war das kleine Fläschchen Parfüm verschwunden!
Zunächst ließ sich Madame de Chevreuse von dieser Tatsache nicht weiter beunruhigen. Mit großer Geduld suchte sie das ganze Zimmer ab und öffnete Schubladen und Schränke. Doch als diese Suche fruchtlos blieb, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht und sie war einer Ohnmacht nahe! Das Phiolchen mit dem teuren Parfüm, das Buckingham allein für die Königin hatte kreieren lassen und das absolut einzigartig war - es war weg! Verschwunden!!
Die Chevreuse geriet nun doch in Panik. Wer konnte das Parfüm nur genommen haben? Darauf fand sie so schnell keine Antwort, gestern waren so viele Leute bei ihr gewesen, mit denen sie so viel zu besprechen gehabt hatte. Jeder konnte es gewesen sein. Zu ihrer eigenen Schande musste sich die Herzogin eingestehen, dass sie auch gestern nicht besonders darauf geachtet hatte, wie es der Phiole ging, so konnte sie also auch nicht sagen, wann sie verschwunden war.
Auf alle Fälle musste sie wieder her! Da sich das Parfüm nicht mehr im Haus befand, musste es irgendwer mitgenommen haben und da ihre Chance alleine gleich Null standen, um es wiederzufinden, brauchte Madame de Chevreuse Hilfe. Und wer war dafür wohl besser geeignet als Aramis?!
Aufgeregt stürmte die Herzogin aus der Wohnung und schlug den Weg zum Haus des Musketiers ein. Als sie es schließlich erreichte, war ihre Enttäuschung groß, denn auf ihr Klopfen hin regte sich nichts. Verzweifelt warf sie Blicke um sich, die schließlich an einem Mann in Uniform hängen blieben, der in ihre Richtung kam. Ein anderer Musketier - Moment, kannte sie den nicht irgendwo her...? Madame de Chevreuse kramte in ihrem Gedächtnis und schließlich fiel ihr der Name ein und der Zusammenhang, in dem sie in schon einmal gehört hatte: Das war Athos und ein guter Freund von Aramis!
Schnell war ihr Entschluss gefasst. Sie ging mit schnellen Schritten dem Musketier entgegen, der überrascht zu ihr sah und noch überraschter ihre Worte aufnahm. "Monsieur, gut, dass ich Euch treffe! Verzeiht mir, wenn ich Euch so überfalle, aber ich brauche dringend Eure Hilfe." - "Sprecht, Madame!" erwiderte Athos noch immer etwas überrumpelt. Eigentlich hatte er ja nur Aramis einen Besuch abstatten wollen und jetzt traf er hier auf die vollkommen aufgelöste Herzogin von Chevreuse. Wenn da nicht irgendwas im Busch war...
Madame de Chevreuse zögerte auch nicht, dem Musketier von ihren Nöten zu erzählen: Das Parfüm müsse in aller Eile wieder beschafft werden und am Besten auch gleich noch sein Dieb! Es war nur noch Zeit bis heute Abend, 22.00 Uhr, danach würde es für die Herzogin nicht mehr möglich sein, Kontakt mit dem Louvre aufzunehmen, ohne die Sicherheit der Königin oder ihre eigene zu gefährden.
Athos versprach, ganz Edelmann, der Herzogin zu helfen, allerdings wusste er noch nicht so recht, wie er das anstellen sollte... Aramis kannte sich besser mit den Menschen aus, mit denen Madame de Chevreuse bei ihren Besuchen in Paris verkehrte. Also war es wohl besser, zunächst einmal ihn zu finden. Die Herzogin ihrerseits sollte wieder zurück in ihre Wohnung gehen, damit sie nicht doch noch von irgendeinem Spion des Kardinals erkannt wurde.
Nachdem dies beschlossen war, machte sich Athos auf, seinen Freund zu finden. Gar nicht so leicht, in einer Stadt wie Paris. Auf gut Glück marschierte er los. Sein erster Weg führte ihn am Hauptquartier der Musketiere vorbei, doch dort konnte ihm niemand Auskunft erteilen.
Als nächstes klapperte er die umliegenden Straßen ab, doch da war auch keine Spur von Aramis. Allmählich verließ Athos die Zuversicht, seinen Freund rasch zu finden. Er schloß mit sich selbst einen Kompromiss: Er würde noch diese letzte Querstraße absuchen, dann würde er zur Wohnung seines Freundes zurückkehren und dort auf ihn warten, wenn dieser nicht schon längst daheim war.
Wie der Zufall nunmal so will (und die Autorin auch, sonst würde sich das hier ja ewig hinziehen), war in dieser Querstraße eine Parfümerie und aus einem unbewussten Gedanken heraus - schließlich lag der Grund für diese ganze Aufregung bei dem Verschwinden eines Duftwässerchens - warf Athos einen Blick durch das Schaufenster hinein. Und wer stand da? Natürlich Aramis, der sich gerade, nach einigen freundlich Grußworten an den Ladenbesitzer, dazu anschickte, zu gehen.
Athos erwartete seinen Freund vor der Tür und als Aramis nun heraustrat und den Wartenden erkannte, grüßte er Athos freundlich und leicht errötend bei dem Gedanken daran, dass er gerade dabei erwischt worden war, in einer Parfümerie gewesen zu sein. Athos achtete nicht weiter auf die diskreten Spiele seines Freundes, er hatte schließlich nicht die Zeit dazu, sondern kam gleich zur Sache.
"Aramis, gut, dass ich Euch hier finde! Es scheint, als würde Eure Hilfe benötigt." Überrascht sah der Angesprochene seinen Freund an.
"Meine Hilfe? Worum handelt es sich und vor allem, wer braucht meine Hilfe?"
"Ich glaube nicht, dass wir das auf offener Straße besprechen sollten."
"Gut, gehen wir in meine Wohnung, sie ist gleich um die nächste Ecke. Solange werde ich mich noch in Geduld üben können, auch wenn ich sagen muss, Eure Worte machen mich mehr als neugierig."
In der Wohnung angekommen, konnte Aramis seine Neugierde und auch Besorgnis nicht länger verbergen.
"Also mein Freund, was ist passiert?"
Athos erzählte, wie er unterwegs zu seinem Freund gewesen und vor dessen Haustüre Madame de Chevreuse begegnet war. "Die Herzogin bat mich, ihr bei der Suche nach einem verschwundenen Geschenk behilflich zu sein, dass ihr Gestern gestohlen zu worden sein scheint. Wie gesagt, war sie eigentlich auf dem Weg zu Euch, als sie mich traf. Und ich bin nun bei Euch, weil ohne Eure Hilfe kaum Chancen auf Erfolg bestehen, den Dieb und das Geschenk zu finden."
Sichtlich geschmeichelt über das große Vertrauen, dass seine Geliebte und sein Freund in ihn setzten, errötete Aramis leicht und erwiderte: "Selbstverständlich bin ich gerne bereit zu helfen, wo ich nur kann. Ich nehme an, der Dieb ist einer der vielen Kontaktmänner der Herzogin? Ja, wenn auch nur ein Spion unter ihnen war... Wir werde sie wohl alle aufsuchen müssen. Wir finden schon das Geschenk!"
Voller Eifer und Zuversicht zählte Aramis alle Männer und Frauen auf, die verdächtig waren und Athos nickte sichtlich zufrieden darüber, dass es in dieser Sache endlich vorwärts ging.
Im Verlaufe des restlichen Tages gingen die Freunde also eine Adresse nach der anderen ab, doch jedes Mal mit einem enttäuschenden Ergebnis. Nirgendwo war das Diebesgut aufzutreiben, ja, alle beteuerten ihre Unschuld und behaupteten, nicht einmal etwas von einem Geschenk gewusst zu haben.
Vom vielen Laufen kreuz und quer durch Paris müde geworden, ließen sich die beiden Musketiere schließlich erschöpft auf die Stühle in einer Wirtschaft sinken. Ihnen blieb noch knapp eine Stunde, um rechtzeitig Madame de Chevreuse das Geschenk zu bringen und mittlerweile war es stockduster draußen. Sie waren kaum mehr fähig aufzustehen, wie sollten sie dann weiterhin einen Dieb verfolgen, der vielleicht längst über alle Berge war oder bereits sein Diebesgut dem Kardinal übergeben hatte.
Aramis seufzte laut auf. "Schande über uns. Wir können unser Versprechen nicht halten. Was wird die Herzogin nur denken, was wird sie nur tun?"
"Das Einzige, was uns zu tun übrigbliebe, wäre ein Ersatzgeschenk zu beschaffen. Ihr kennt doch diese Parfümerie..."
"Parfümerie? Wieso Parfümerie?"
"Ja sicher, dort könnten wir uns einen ähnlichen Duft kreieren lassen, wie er Madame de Chevreuse abhanden gekommen ist. Ich weiß, kein sehr schöner Gedanke, aber..."
Kerzengerade saß Aramis plötzlich da und seine Stimme bebte leicht, als er nun nachfragte: "Das Geschenk... war ein Parfüm...? In einer kleinen Phiole... mit einem lieblichen Duft... dem Lieblichsten gar, der je gemischt wurde...?"
Athos ahnte bereits Böses, als er nun meinte: "Genau das. Die Herzogin erzählte, als sie heute Morgen zum Louvre aufbrechen wollte, war das Phiolchen verschwunden. Woher wisst Ihr davon?" Bleich und etwas kleinlaut antwortete Aramis. "Ich habe die Phiole entfernt..." Athos sagte erstmal gar nichts und so sah sich sein Freund dazu gezwungen, sich zu rechtfertigen.
"Nunja, ich dachte, es wäre ein ganz alltägliches Parfüm und es würde der Herzogin gehören. Ich nahm es mit, um bei dem Parfümeur einen ähnlichen Duft herstellen zu lassen, einen, der noch besser riechen sollte. Ich habe ihm die Phiole als Beispiel dagelassen und- Oh nein, es ist alles meine Schuld! Wir hätte gar nicht durch ganz Paris laufen müssen, die Lösung lag doch so nahe..."
"Ja, jetzt haben wir ein großes Problem vor uns, das zu lösen uns sicher nicht ganz einfach fallen wird, schließlich hat die Parfümerie bereits geschloßen. Es ist in der Tat Eurem unüberlegten Handeln zu verdanken, wenn die Herzogin das Parfüm vermisst. "
Etwas schockiert sah Aramis zu seinem Gegenüber und wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, als Athos beschwichtigend die Hände hob.
"Ach, mein lieber Freund, so ernst habe ich das nicht genommen... Ihr habt nun einmal - gebt es nur zu! - eine Neigung, Euch selbst in Schwierigkeiten zu bringen."
"Ihr mögt recht haben! Doch das alles wäre nicht passiert, wenn Ihr nur früher etwas gesagt hättet. Jammern nützt jetzt allerdings nichts. Was schlagt Ihr vor?"
"Das ist eine gute Frage... Ich kenne nur einen Menschen, der uns aus dieser Lage noch heraushelfen könnte, Ihr wißt, von wem ich spreche."
"Ihr meint...? Seid Ihr sicher? Ihr wisst, was beim letzten Mal passiert ist, als *dieser Mensch* uns helfen wollte!"
Athos nickte nachdenklich mit dem Kopf, dann jedoch meinte er: "Es geht nicht anders, wir brauchen hier auf der Stelle Rochefort! Er ist der Einzige der weiß, wie man ungesehen in eine Parfümerie einbrechen kann und der ebenso ein Anhänger des Kardinals ist."
"Was hat das damit zu tun, ob er zum Kardinal gehört."
"Naja, er wird sich wohl nicht selbst anklagen, nicht wahr? Außerdem schuldet er uns noch einen Gefallen dafür, dass er uns im letzten Jahr das Leben so schwer gemacht hat, obwohl er uns ja nur "helfen" wollte..."
"Ohja, diese Hilfe war wirklich einmalig. Sie hat dazu geführt, dass wir einen Monat lang nach dem Dienst Strafexerzieren mussten." ,meinte Aramis finster.
"Immerhin sind wir nicht im Gefängnis gelandet, oder? Es war zwar nur eine Lappalie, aber wenn der König schlechte Laune hat..."
"Ja, erinnert mich das nächste Mal daran, den Pferden keinen Hafer zu füttern, wenn es auf einen *geruhsamen* Jagdausflug gehen soll..."
"Dabei ist es ganz alleine Rocheforts Idee gewesen, den Pferden so ein wenig Feuer zu verpassen, um die Jagd mit guten und schnellen Reittieren zu beginnen... Wer hätte ahnen können, dass der König nur langsam reiten wollte, weil ihn seine Hämorriden wieder einmal plagten."
"Genau, seine Idee. Ich frage mich, ob der Kerl uns damit eins auswischen wollte, dafür, dass er vor dem Kardinal eingestehen musste, uns nicht gewachsen gewesen zu sein."
Athos schüttelte den Kopf, um diese leidige Thema endlich zu beenden. "Wie auch immer. Jetzt können wir seine Hilfe gut gebrauchen und wenn er seine Sache gut macht, söhnt uns dass hoffentlich ein für allemal aus."
So kam es, dass die Freunde in aller Eile zu Rochefort aufbrachen, der sich plötzlich völlig überrumpelt vor einer geschlossenen Parfümerie wiederfand und einige Sekunden später an deren Rückseite, damit beschäftigt, das Schloß des Hintereingangs zu knacken. Vorne warteten die beiden Freunde darauf, dass ihr Helfershelfer ihnen die Phiole brachte, es waren nur noch eine knappe Viertelstunde Zeit. Nervös trat Aramis von einem Bein auf das Andere, während sich Athos nicht weiter anmerken ließ, wie unwohl er sich fühlte. Als sie beide schon dachten, Rochefort hätte sich aus dem Staub gemacht, tauchte dieser unvermittelt neben ihnen auf und reichte ihnen eine kleine Phiole. "Ist sie das?"
Aramis nahm sie entgegen und roch an dem Parfüm. Zufrieden und erleichtert nickte er. "Ja, das ist sie. Danke für Eure spontane Hilfe." Rochefort lächelte etwas säuerlich und machte sich dann Grußlos davon.
Athos und Aramis jedoch hatten keine Zeit sich über diese Unverschämtheit auch noch aufzuregen, sondern machten sich gleich auf den Weg zu Madame de Chevreuse. Die Herzogin nahm ihre beiden Retter mit kaum verhohlener Freude in Empfang, entschuldigte sich gleich darauf allerdings wieder, denn sie musste nun endlich zum Louvre. Aramis ließ es sich nicht nehmen, sie zu begleiten. Athos nickte seinem Freund kurz zu und machte sich auf den Weg in seine eigene Wohnung. Nach all der Aufregung hatte er sich eine Pause gründlich verdient.

24. April
Es war einer dieser mild-duftenden Frühlingstage. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, die Pflanzen standen in voller Blüte und jeder Bürger von Paris genoss die ruhige Stimmung der Natur, die ihn umgab...