Kapitel Aussprache
Drei Schritte auf vier, so groß war der Karzer der Musketierskaserne. Raue, unverputzte Wände, ein gestampfter Lehmboden, eine niedrige Tür, ein Eimer und eine hölzerne Pritsche, das war die ganze Einrichtung, aber immerhin war der kleine Raum sauber und einigermaßen hell, auch wenn das kleine Fenster vergittert und so hoch angebracht war, dass er auf die Pritsche hätte steigen müssen, um nach draußen zu sehen. Er tat es nicht, denn er wusste, was er dort zu sehen bekommen hätte: Den Boden des Innenhofs, auf den das Fenster hinausging, fast ebenerdig, denn der kleine Raum lag im Keller. Nun war er schon fünf Jahre in dieser Kompanie und noch nie war er auch nur in die Nähe des Kerkers gekommen, nicht einmal um einen Kameraden hierher zu begleiten, Tréville machte kaum von ihm Gebrauch. Dass er ihn hier hatte einsperren lassen, zeigte, wie ernst er diese Angelegenheit nahm. Athos hatte sich, kaum hatten seine Kameraden ihn hier eingesperrt, auf die Pritsche gelegt und starrte nun an die graue Decke, er hatte noch immer Mühe zu realisieren, dass das hier kein Traum war, kein Hirngespinst, geboren aus alkoholschwangeren Fantastereien. Mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet, im Gegenteil, er hatte sich für d´Artagnan gefreut, hatte erwartet, dass ihr Hauptmann diese Beförderung ebenfalls als eine Anerkennung der Leistungen dieses jungen Mannes sah, eines Mannes, der immerhin die Ehre der Königin gerettet hatte. Verflucht, er hatte es verdient, Leutnant zu werden, im Gegensatz zu den meisten Musketieren betrachtete der Gascogner die soldatische Laufbahn als seinen Lebenszweck, warum es ihm also nicht zugestehen? Warum ihn dienen lassen bis er alle Illusionen verloren hatte? Er hatte das Zeug zu einem guten Leutnant, er war intelligent, geschickt mit den Waffen und weitsichtig. Dass es ihm noch an Diplomatie fehlte, war seiner Jugend geschuldet. Er würde das Handwerk lernen, da hatte Athos gar keine Zweifel, doch würde Tréville ihn nun an seinen Platz verweisen, hätte er ihm jegliche Motivation genommen – und einen guten Mann verloren, einen Mann, der es einmal weit bringen konnte. Herrgott, wem hätte Tréville das Patent denn anbieten können? Ihm selbst? Er war immerhin altgedient und laut des Hauptmanns eigenem Bekunden ein guter Soldat. Er verzog unwillkürlich das Gesicht, der Kopfschmerz meldete sich stechend zurück. Mehr alt als gedient, ein altgedienter Trinker. Pah! Verdammt, er hätte einen Schluck gebrauchen können, wenigstens Wasser, seine Kehle war ausgedörrt wie die Sahara selbst. Aber hier war nichts, gar nichts, nicht einmal ein kleiner Krug. Wie lange ließen sie ihn hier wohl vermodern? Vielleicht richteten sie draußen ja schon das Spalier fürs Spießrutenlaufen oder gar den Galgen. Sollten sie, er würde seine Strafe hinnehmen, sich nicht wehren, denn er hatte geschworen. Und im Gegensatz zu dem, was Tréville von ihm dachte, war ihm sein Eid heilig. Aber dann, wenn sie ihn nicht umbrächten, dann würde er ihm sagen, was er von dergleichen Anschuldigungen hielt. Es ihm sagen und den Dienst quittieren, stehenden Fußes. Ihm seinen Degen vor die Füße pfeffern, dem sturköpfigen, verblendeten Gascogner, was glaubte er eigentlich, dass er mit ihm machen könne? Er hätte jede Strafe ohne Murren auf sich genommen, wäre sie gerechtfertigt gewesen, aber das hier, das war Willkür. Verflucht noch eins! Schade, er hatte den Dienst nicht ungern getan, er hatte ihm ein Auskommen verschafft und war durchaus sinnvoll gewesen, nun würde er sich nach etwas anderem umtun müssen. Sollte nicht so schwer sein, in Deutschland tobte der Krieg, und Söldner wurden gesucht. Der Sold war sicher nicht so gut, aber zum Leben reichte es. Was brauchte er schon? Was zu trinken, alles andere war egal. Und dann eine Kugel in irgendeinem Scharmützel. D´Artagnan würde auch ohne ihn seinen Weg machen, Aramis sowieso. Aramis. Denk nicht an ihn! Auch er wird seinen Weg gehen, steh ihm nicht im Weg. Es war schön, es ist vorbei. Das Leben gab dir viel, mehr, als du je zu hoffen gewagt hast, nach all dem, was sie dir angetan hatte, nach all dem, was du an ihr verbrochen hast, also beklage dich nicht. Andere sterben und haben weniger gelebt. Er drehte sich auf die Seite und legte seinen schmerzenden Kopf auf den Arm, die Nacht war kurz gewesen, und das Beste, was er im Augenblick tun konnte, war, den verlorenen Schlaf nachzuholen. Auch wenn die Pritsche nicht sehr bequem war.
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