Bazin von Aramis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 38 BewertungenKapitel Am Scheideweg
„Mon Dieu, mon Dieu!“, stöhnte Bazin mit leichenblasser Miene, während er sich mit zitternden Fingern anschickte, meinen blutgetränkten Verband zu wechseln. Denn der Arzt hatte ihm strikte Anweisung dazu gegeben und seinen verzweifelten Einwand bloß mit einem verächtlichen Lachen abgetan. Wie?! Der valet eines Soldaten könne kein Blut sehen?! Das seien wahrlich seltsame Reden! Nein, Monsieur, Schluss jetzt mit Eurem Gejammer, Ihr werdet der Verletzung Eures Herrn mit aller Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt warten, wie es einem treuen Diener geziemt! Ihr wollt doch nicht schuld daran sein, wenn seine schwere Wunde sich entzündet, und ihre mangelhafte Pflege schließlich zu tödlichem Wundbrand führt! Also!
Das wirkte, und so tat Bazin ächzend und mit bebenden Händen seine Pflicht, schwankend zwischen Übelkeit und krampfhafter Überwindung im Anblick der blutigen Wunde in meiner Schulter, die mir höllische Schmerzen bereitete. Aber größer noch als meine körperliche war meine seelische Pein – lag ich doch, verwünschtes Schicksal!, nun hier in dieser Herberge ans Bett gefesselt, während Athos mit d`Artagnan, bloß von Grimaud und Planchet begleitet, in höchster Eile nach Amiens aufgebrochen war. Mein Freund schien zwar, wie sein totenbleiches Antlitz verriet, in größter Sorge um mich zu sein, doch die Zeit drängte, an einen Aufenthalt war nicht zu denken, und so machte sich Athos schweren Herzens zusammen mit d`Artagnan wieder auf den Weg, nicht ohne mir zuvor in sanftem Griff die Hand gedrückt zu haben. Oh, mir wollten bei seinem Abschied schier die Tränen kommen, vor Zorn und ohnmächtiger Verzweiflung! Warum, zum Teufel, hatte ich nicht den Mund gehalten?! Ja, nun war klar bewiesen, dass die Baustelle auf der Landstraße zwischen Beauvais und Crèvecoeur eine Falle war! Doch ich hatte, ärgerlich über den schlammigen Dreck, mit dem die Arbeiter dort scheinbar achtlos um sich warfen, die heimtückische Finte unserer Gegner nicht durchschaut, die Kerle trotz Athos` Warnung mit rüden Worten zurechtgewiesen, und darauf hatten diese Schurken nur gewartet! Sofort formierte sich eine bewaffnete Phalanx gegen uns, sorgfältig verborgene Musketen wurden eilends hervorgeholt, im nächsten Augenblick krachten Schüsse, und so suchten wir schleunigst unser Heil in der Flucht. Eine Kugel hatte meine Schulter durchschlagen, eine andere Mousquetons Hinterteil verwundet, sodass er vom Pferd stürzte und sich im schützenden Gesträuch am Wegesrand verkroch. Athos war, Dieu merci!, unverletzt geblieben, ebenso Grimaud und Planchet, und d`Artagnan hatte, ebenfalls vom Glück im Unglück begünstigt, bloß seinen Hut verloren. In wildem Galopp preschten wir davon, immer noch von krachenden Schüssen verfolgt, und ich ließ, die Hände in die Mähne gekrallt, meinem Pferd notgedrungen mit verhängten Zügeln freien Lauf. Zwei fürchterliche Stunden hindurch ritten wir in voller Carriere weiter, doch dann war ich mit meinen Kräften am Ende. Bazin, selber bleich wie der Tod und vom ausgestandenen Schrecken gezeichnet, musste sein Pferd an meine Seite lenken und mich im Sattel stützen, und als wir endlich vorm Gasthof zu Crèvecoeur hielten, blieb meinen Gefährten nichts anderes übrig, als mich mit vereinten Kräften vom Pferd zu hieven.
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