Belle Aventure von Silvia
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 50 BewertungenKapitel Montfaucon
Zwischen Paris und Fontainebleau lag, in einem der ausgedehnten Waldgebiet, an denen diese Gegend so überaus reich ist, das Schloß von Montfaucon-la-Foret. Im fünfzehnten Jahrhundert von einem Verwandten des berüchtigten Fulko Nerra erbaut, vielfach erweitert und verschönert, bot es im Jahre 1628 den reizenden Anblick eines ländlichen Herrensitzes von mittlerer Größe, mit einem Ehrenhof ganz à la mode ebenso ausgestattet wie mit einem Donjon aus den ersten Tagen der Anlage, mit Wirtschaftsgebäuden, einem jardin à la française und einem Taubenschlag, dessen Größe vom Reichtum seiner Besitzer kündete. Die Zufahrt zu dem erwähnten Ehrenhof hatte Henriette, die Witwe des letzten Herrn von Montfaucon, der vor nunmehr zwölf Jahren verstorben war, erst vor kurzem neu pflastern lassen, und so kam es denn auch, daß einer der vier Musketiere, die an einem stürmischen Herbstabend des erwähnten Jahres auf das Schloß zuritten, eine Bemerkung über den zu diesem Zweck verwendeten Stein machte, die fachmännisch scheinen sollte, es aber nicht gerade war.
„Ich muß mich wundern, Aramis!“ erwiderte einer der übrigen Reiter, den seine Uniform als Leutnant auswies, mit gerunzelter Stirn. „Athos ist verwundet, beinahe tot - und Ihr denkt an Pflastersteine!“ In der Tat hielt sich ein dritter Reiter, von dem vierten fürsorglich gestützt, nur mit Mühe im Sattel. Der mit Aramis angesprochene Musketier schwieg betreten – seine Bemerkung war in der Tat ein wenig unpassend gewesen angesichts des Zustandes, in dem sich sein verwundeter Kamerad befand. Er war sehr blaß, sein linkes Auge war zugeschwollen und sein Wams war blutig.
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Kapitel Angst um Athos
Nachdem er die Tür zum Krankenzimmer leise und vorsichtig hinter sich geschlossen hatte, trat Monsieur Machault zu den bereits ungeduldig Wartenden, die ihn besorgt und fragend ansahen.
„Wie geht es ihm, Monsieur?“ fragte Porthos, der die Ungewißheit nicht länger ertrug.
„Ich will Euch nichts vormachen, Messieurs“, sagte Machault nach einem kleinen Augenblick der Unsicherheit, mit wem er nun eigentlich reden sollte – mit der Baronin als Hausherrin oder dem jungen Leutnant als Vorgesetztem und Freund des Verwundeten. Madame de Montfaucon half ihm bei der Entscheidung, indem sie einen winzigen Schritt zurück trat und somit stillschweigend d’Artagnan die Gesprächsführung überließ. „Euer Kamerad wurde sehr schwer verwundet“, fuhr der Arzt fort, „ich kann nicht mit völliger Gewißheit sagen, ob er die Verletzung überleben wird. Dies müssen die nächsten beiden Nächte erweisen – wenn er sie überlebt, kann man davon ausgehen, daß er es übersteht. Euer Freund hat viel Blut verloren, und die Klinge ist sehr tief eingedrungen; man kann nur hoffen, daß keine inneren Organe verletzt wurden. – Ich habe die Wunde gesäubert und verbunden und ihn dann ein wenig Opiat einatmen lassen, um die Schmerzen zu stillen. Jetzt schläft er – und es wäre gut, wenn er dies die nächsten Stunden auch weiterhin täte. Je ruhiger er liegt, desto eher wird sich auch die Wunde schließen können. Ich denke, ich muß Euch kaum sagen, daß absolute Ruhe die beste Medizin sein wird.“
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Kapitel Eine lange Nacht
Nachdem Athos ein wenig getrunken hatte, schlief er wieder ein, erschöpft von Schmerz und Fieber. Seine Freunde blieben bei ihm, bis sie schließlich am frühen Nachmittag abreisen mußten. Sie gingen ungern, denn noch stand nicht fest, ob Athos die schwere Verletzung überleben würde. Wenigstens die nächste Nacht, die – laut Machault – dies entscheiden sollte, wären sie gern noch geblieben, doch es half nichts: sie mußten zurück nach Paris. Also ließen sie nach dem Mittagessen ihre Pferde satteln und traten noch ein mal in Athos’ Zimmer, um sich zu verabschieden. D’Artagnan entließ die Dienerin, die während ihrer Abwesenheit bei Athos gewacht hatte, mit einem Nicken und trat an das Bett, wo Athos gerade wieder aufgewacht war und sie aus fiebrigen Augen fragend anschaute. „Müßt Ihr fort?“ flüsterte er heiser.
D’Artagnan nickte traurig und besorgt. Er wollte nicht abreisen, nicht, solange er nicht wußte, was aus Athos werden würde. Doch er wußte auch, daß ihm nichts anderes übrigblieb, sie mußten fort. „Ja, Athos, Ihr wißt doch, Monsieur de Tréville erwartet uns in Paris zurück“, entgegnete er und kniete neben dem Bett nieder. „Aber Ihr seid hier gut versorgt, man wird sich gut um Euch kümmern – Madame de Montfaucon hat es mir persönlich zugesichert.“
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Kapitel Die Beizjagd
Zwei Tage später, an einem Samstag, erwachte Athos von großem Lärm auf dem Hof. Menschen redeten fröhlich durcheinander, Pferde wieherten und schnaubten ungeduldig, Hunde bellten aufgeregt. Benommen versuchte Athos, sich ein wenig aufzurichten – das Durcheinander auf dem Hof ließ ihn unruhig werden. Er gab seine Versuche jedoch bald wieder auf, er war zu schwach. In den letzten beiden Tage hatte er sich zwar ein wenig erholt, durfte sich aber nach wie vor nicht anstrengen – jede Bewegung war gefährlich für den gerade erst einsetzenden Heilprozeß. Da er weiterhin hohes Fieber hatte und immer noch sehr schwach war, fiel ihm das Stilliegen nicht schwer. Er schwebte jedoch nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr und durfte – wenn auch in sehr begrenztem Umfang, um die schwere Wunde nicht zu belasten – trinken und flüssige Speisen zu sich nehmen. Er schlief die meiste Zeit; das Fieber und die Erschöpfung in Verbindung mit dem Opium, das der Wundarzt ihm gegen die nach wie vor starken Schmerzen gab, ließen ihn kaum mehr als einige wenige Stunden am Tag wach sein. Claire sah stündlich nach ihm, kümmerte sich darum, daß er bekam, was er benötigte und redete ihm gut zu, wenn sie spürte, daß es dem verwundeten Musketier schlecht ging.
Der Lärm auf dem Hof riß nicht ab, im Gegenteil, es klang, als stießen noch weitere Menschen zu den bereits Anwesenden hinzu. Athos, der langsam etwas wacher wurde, erinnerte sich plötzlich an sein nächtliches Gespräch mit Mademoiselle de Montfaucon. Das, was er dort draußen hörte, waren sicherlich die Vorbereitungen für die Beizjagd, von der sie ihm erzählt hatte. Ja, jetzt konnte er sogar Claires helles Lachen unter den anderen Stimmen heraushören. Athos stutzte. Claires Lachen? Hatte er tatsächlich gerade von Mademoiselle de Montfaucon in ihrem Vornamen gedacht? Und ihr Lachen erkannt? Das war höchst verwunderlich… Ein wenig nachdenklich ließ Athos seinen Kopf in die Kissen zurücksinken. Was ging in ihm da vor? Wann hatte er zuletzt von einer Dame in ihrem Vornamen gedacht? Und wann zuletzt das Lachen einer Dame erkannt? Eine Ewigkeit war seitdem vergangen… Nun, in diesem Fall war es sicher nur die durchaus berechtigte Dankbarkeit Mademoiselle de Montfaucons gegenüber, die ihn so empfinden ließ. Schließlich hatte die junge Frau viel für ihn getan und kümmerte sich immer noch sorgfältig um ihn. Halbwegs beruhigt schloß Athos die Augen und döste wieder ein. Nur noch halb wach hörte er noch, wie die Jagdgesellschaft fröhlich durcheinanderredend abritt, dann schlief er endgültig wieder ein.
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Kapitel Ein Brief aus Paris
Wie sie es versprochen hatte, erzählte Claire Athos am nächsten Tag von dem Festmahl und beschrieb ihm ausführlich, wie viele Gänge es gegeben hatte und was aufgetischt worden war. Sie hoffte, daß sie Athos mit ihrem Bericht wirklich nicht noch hungriger machte, als er es ohnehin schon war, doch der Musketier machte auf sie nicht den Eindruck, als stimme ihre Erzählung ihn traurig oder wehmütig; er hörte im Gegenteil aufmerksam zu und schien ihre Gesellschaft zu schätzen. Dies war jedoch eigentlich auch nicht weiter verwunderlich – für jemanden wie ihn, der gewöhnlich ein sehr aktives Leben führte, mußte es doch doppelt schwer sein, verwundet und schwach im Bett zu liegen und den ganzen Tag nichts anderes zu tun zu haben, als die Deckenbalken zu zählen. Auch während der nächsten Tage sah sie so oft es ging nach dem verwundeten Musketier, nicht nur, um seine Verbände zu wechseln, ihm zu essen oder zu trinken zu bringen oder ihre sonstigen Aufgaben wahrzunehmen, sondern vor allem auch, um ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten und seinen gewöhnlich recht eintönigen Tagesablauf etwas aufzulockern, indem sie sich ein wenig mit ihm unterhielt, bevor sie wieder ging.
Allmählich wurde aus dieser Verpflichtung – die sie zwar gern und bereitwillig ausgeübt hatte, die aber dennoch eine Verpflichtung gewesen war, mehr und mehr Vergnügen. Claire gewöhnte sich bald so daran, mehrmals täglich zu Athos zu gehen, mit ihm zu reden und in seiner Nähe zu sein, daß es sich in ihr übrigens Leben einfügte, als habe es schon immer dazu gehört. Zwischen ihnen stellte sich eine Vertrautheit ein, als ob sie sich schon länger kennen würden als es eigentlich der Fall war, und Claire ertappte sich gelegentlich dabei, wie sich in ihren Vorstellungen das Gesicht ihres schönen englischen Kavaliers mit dem ihres Patienten vermischte - und wie sich lang uneingestandene, schöne Träume, die sie in Bezug auf diesen Kavalier gehegt hatte, Stück für Stück eher an den ganz lebendigen, wirklichen Mann, den sie vor sich hatte, als an die halbverwischte Kindheitserinnerung zu knüpfen begannen. Doch jedesmal, wenn sie erkannte, daß sie sich wieder in solchen Träumen zu verlieren drohte, rief sie sich halb betrübt, halb ärgerlich zur Ordnung. So unerfreulich es auch war, sie war und blieb die Verlobte des Herzogs von Armainvilliers. Sie durfte sich nicht solchen Hirngespinsten – die doch ohnehin nur die Phantasien eines kleinen Mädchens waren – hingeben und noch weniger derartige Gefühle für ihren Patienten empfinden. Aber dennoch gelang es ihr nicht, sie zu unterdrücken. Sie freute sich, wenn Athos bei ihrem Eintreten lächelte oder wenn er – seine gewöhnliche Zurückhaltung vergessend – zu erzählen anfing, und sie freute sich über seine sehr seltenen Komplimente, die allein schon aufgrund ihrer Seltenheit viel aufrichtiger wirkten als diejenigen des Herzogs. Sie genoß seine Gesellschaft, die Unterhaltungen mit ihm, die gelegentlichen Gespräche über die Beizjagd, die wahrhaftig Gespräche unter zwei Kennern waren, und sie erwischte sich sogar dabei, ihn verträumt anzuschauen, wenn er schlief. Sie hatte sich inzwischen eingestanden, daß sie sich in den Musketier verliebt hatte, aber merken lassen wollte und durfte sie es nach wie vor niemanden, am allerwenigsten Athos selbst. Immerhin war sie eine verlobte und bald auch verheiratete Frau und der Herzog zudem eine hervorragende Partie. Sie sollte langsam von ihren Jungmädchenvorstellungen von einem leidenschaftlich liebenden Kavalier als Bräutigam, die ohnehin nur in Feenmärchen wahr wurden, Abschied nehmen.
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Kapitel Olivier de La Falaise
Claire war eine Weile sprachlos. „Euer… Bruder?“ brachte sie schließlich hervor. Aber das war doch nicht möglich… Ein Mann konnte doch nicht seinen eigenen Bruder umbringen wollen! Sie konnte sich kaum vorstellen, wie jemand so etwas tun konnte. Sie erinnerte sich an Aramis’ merkwürdige Bemerkung an dem Abend, als Athos hergebracht worden war und an Porthos’ Versprecher nur wenige Stunden später. Nun konnte sie sich Athos’ offenkundige Betroffenheit angesichts des Todesurteils erklären. Sein eigener Bruder hatte versucht, ihn umzubringen und sollte nun dafür sterben…
Athos schaute sie immer noch traurig und fast ein wenig ängstlich an, so als fürchte er, durch diese Eröffnung ihre Wertschätzung verloren zu haben. Dachte er wirklich, sie würde nun schlecht von ihm denken? Sie hatte nur noch mehr Mitleid mit ihm, nun, da sie wußte, wer für seine schwere Verwundung verantwortlich war. „Euer Bruder hat Euch das angetan?“ setzte sie hinzu, als sie ihren ersten Schrecken ein wenig überwunden hatte. „Aber das ist furchtbar, Monsieur… Wie konnte er das tun? Was ist denn in dieser Nacht geschehen?“
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Kapitel Ein Besuch des Herzogs
Zwei Tage später wartete Athos, der seit d’Artagnans Brief sehr nachdenklich geworden war, sich aber bemühte, seinen Kummer nicht zu zeigen, wie jeden Vormittag auf Claires Schritte auf der Treppe. Immer noch durfte er das Bett nicht verlassen, obwohl seine Wunde sich inzwischen fast geschlossen hatte. Noch wollte der Wundarzt es jedoch nicht riskieren, Athos aufstehen zu lassen, denn die Anstrengung konnte sämtliche Fortschritte der letzten Tage wieder zunichte machen. So blieb Athos nichts anderes übrig, als still im Bett liegen zu bleiben, obwohl er die Tatenlosigkeit inzwischen kaum noch ertrug. Um so ungeduldiger erwartete er jedoch Claires tägliche Besuche. Endlich hörte er die ersehnten Schritte auf der Treppe und mit ihnen ein leises Summen. Athos lächelte ein wenig. Mademoiselle de Montfaucon schien gute Laune zu haben… Die Schritte und das Summen kamen näher, und Athos stutzte, als er das Lied erkannte, das Claire summte. Es war ein altes englisches Kinderlied, eines, das er sehr gut kannte und in England oft gehört hatte… Versonnen lächelnd erinnerte er sich plötzlich an einen schönen sonnigen Tag, an dem sein damaliger Herr, der Earl of Chelsworth, Besuch aus Frankreich empfangen hatte. Zu Ehren der Gäste hatte er zusammen mit den anderen Pagen und Junkern Schaukämpfe abgehalten und den Sieg davongetragen. Schon während der Kämpfe war ihm ein kleines, hübsches Mädchen von vielleicht fünf oder sechs Jahren unter den Zuschauern aufgefallen, das gebannt und strahlend das Turnier verfolgt hatte, und als die Gräfin ihm den Blumenkranz des Siegers überreicht hatte, hatte er ihn nur kurz behalten und ihn dann in einem Anflug von Übermut mit einer Verneigung dem kleinen Mädchen auf den Kopf gesetzt. Sie war so entzückend gewesen in ihrer Freude… Athos lächelte bei der Erinnerung. Später hatte er mit ihr Fangen gespielt und ihr ein englisches Lied beigebracht… eben jenes Lied, das Claire gerade summte, während sie den Gang entlangkam… Für einen Augenblick war Athos fast versucht, Überlegungen anzustellen, ob wohl gewisse Ähnlichkeiten zwischen einem entzückenden kleinen Mädchen und einer nicht minder entzückenden jungen Dame bestehen mochten, doch dann rief er sich selbst mit einem leichten Kopfschütteln zur Ordnung. Wie weit war es mit ihm gekommen, daß er sich schon so sehr von einem amüsanten Zufall beeindrucken ließ? Das Lied war schließlich nicht gänzlich unbekannt…
Das fröhliche Summen hörte auf, bevor Claire ins Zimmer trat. „Guten Morgen, Monsieur“, begrüßte sie ihn wie jeden Tag freundlich, beobachtete ihn aber unauffällig, um herauszufinden, ob er ihr gesummtes Lied erkannt hatte. Sie wollte zu gern wissen, ob er tatsächlich ihr hübscher Kavalier aus England war. In der Tat musterte Athos sie nachdenklich, erwähnte das Lied jedoch mit keinem Wort. Claire tat ebenso, als wäre nichts gewesen und plauderte wie gewöhnlich mit ihm. „Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen?“ Sie setzte das mitgebrachte Tablett vorsichtig auf dem Tisch neben Athos’ Bett ab. „Ich bringe Euch Euer Frühstück.“ Sie nahm den Teller mit dem noch warmen Haferbrei zur Hand und lächelte ein wenig, als sie Athos’ mißvergnügtes Gesicht sah. „Ich weiß, Ihr könnt ihn nicht mehr sehen… Aber ich habe eine gute Nachricht für Euch: Der Wundarzt sagt, daß man Euch jetzt langsam wieder an normale, feste Speisen gewöhnen kann. Dann könnt Ihr bald wieder richtig essen.“ Sie reichte Athos den Teller zusammen mit einem Löffel und lächelte angesichts seiner Freude über diese Neuigkeit zufrieden. „Ich habe die Küche angewiesen, einige Apfelstücke in den Haferbrei zu rühren. Das ist doch schon einmal ein Anfang, nicht wahr?“ Sie zwinkerte ihm zu, und Athos lächelte. „Ein ganz wunderbarer Anfang, Mademoiselle, vielen Dank“, erwiderte er und begann, sein Frühstück hungrig zu verspeisen. Claire sah ihm zufrieden zu. „Der Wundarzt sagte außerdem, daß Ihr im Laufe der nächsten Woche aufstehen dürft, sofern Ihr vorsichtig seid und es nicht übertreibt…“, sagte sie irgendwann ganz beiläufig und beobachtete Athos, gespannt, wie er auf diese Ankündigung reagieren würde.
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Kapitel Mehrere Abreisen
Eine Woche später – der Herzog war inzwischen wieder abgereist – schrieb Athos an d’Artagnan, um ihn zu benachrichtigen, daß er soweit wiederhergestellt sei, daß er die Reise nach Paris ohne größere Probleme würde überstehen können. D’Artagnans Antwort traf bereits wenige Tage später ein und es stellte sich heraus, daß Monsieur de Tréville Athos seine Kutsche zur Verfügung stellen wollte. Da die Kräfte des Musketiers für den langen Ritt auch noch nicht ausreichten und er immer noch schnell ermüdete, war er über diese großzügige Geste sehr erleichtert. Die Kutsche sollte schon wenige Tage nach d’Artagnans Brief eintreffen. Doch je näher der Tag seiner Abreise rückte, desto bedrückter wurden Athos und Claire. Nun, da sie sich beide ihre Liebe zueinander eingestanden hatten, fiel ihnen der Gedanke an die baldige Trennung und an die Aussichtslosigkeit ihrer Beziehung doppelt schwer. Sie nutzten diese letzten Tage aus, so gut es ihnen möglich war, waren dabei jedoch stets darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Da Athos keine Pflege mehr benötigte, sahen sie sich meist nur zu den Mahlzeiten oder abends im Salon, wo sie stets in Gesellschaft waren, oder in einem unbeobachteten Moment an der Treppe oder den Ställen, wenn Athos seine täglich länger werdenden Spaziergänge machte. Er hatte es sich angewöhnt, täglich mindestens einmal ein wenig durch die Gärten Montfaucons zu spazieren und diesen Spaziergang mit jedem Tag auszudehnen, um bald wieder ganz bei Kräften zu sein. Seit einigen Tagen ritt er auch wieder, wenn auch stets nur wenige Minuten und im Schritt.
In der Tat traf die Kutsche bereits vier Tage nach d’Artagnans Brief auf Montfaucon ein. Ein Diener meldete Athos ihre Ankunft und half ihm dann, seine wenigen Habseligkeiten zusammenzusuchen und zur Kutsche zu bringen. In der Zwischenzeit hatte ein Stallbursche bereits Athos’ Andalusier auf den Hof gebracht, der als Handpferd mitgeführt werden sollte. Als schließlich alles für seine Abreise bereit war, ging Athos zurück ins Haus, um sich von der Baronin und ihrer Tochter zu verabschieden und sich noch einmal für ihre Gastfreundschaft und die gute Pflege zu bedanken.
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Kapitel In England
Nur wenige Tage nach seinem Aufbruch aus Paris erreichte Athos das englische Festland. Er war sehr zügig gereist – nicht nur, weil er Monsieur de Trévilles Auftrag schnell und zuverlässig erledigen wollte, sondern auch, weil er bereits wenige Meilen hinter Paris durch einen Boten erfahren hatte, daß sein Bruder aus dem Gefängnis von Fontainebleau geflohen war. Diese Nachricht hatte sehr gemischte Gefühle in ihm wachgerufen – einerseits fühlte er eine gewisse Erleichterung, daß sein Bruder, den er einst sehr geschätzt hatte, nicht hingerichtet wurde; andererseits fürchtete er, nun, da Olivier wieder frei war, einen erneuten Anschlag auf sein Leben. Welchen Grund auch immer sein Bruder für seine Tat gehabt hatte, er hatte ihn sicherlich immer noch, da er gewiß erfahren hatte, daß sein erster Mordversuch gescheitert war. Aus diesem Grund hatte Athos sich beeilt, Frankreich zu verlassen und nach England zu gelangen, hatte aber dennoch darauf geachtet, sich nicht durch zu lange Tagesetappen zu überanstrengen, denn er wußte, daß er immer noch nicht seine alte Kraft wiedererlangt hatte. Doch als er erst einmal den Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte, fühlte er sich sicherer – hier würde ihn sein Bruder so schnell nicht finden, falls er tatsächlich beabsichtigte, ihn erneut anzugreifen.
Weitere zwei Tage später erreichte er frisch und ausgeruht London, wo er den Brief an den englischen König ablieferte, bevor er nach einer Nacht Pause in Richtung Suffolk aufbrach. Er war sehr ungeduldig, Claire wiederzusehen und sie mit seinem Besuch zu überraschen, freute sich aber auch sehr auf das Wiedersehen mit dem Earl of Chelsworth, der während der zwei Jahre, die er als Junker in seinem Haus verbracht hatte, sehr gut zu ihm gewesen war. Der Graf war so etwas wie ein Vater für ihn, und Athos erhoffte sich von ihm Rat in Bezug auf seinen Bruder. Er konnte nicht für immer vor ihm davonlaufen, er mußte sich dem Problem stellen und herausfinden, was es mit diesem Anschlag auf sich gehabt hatte… Doch hier, in England, war er nun erst einmal frei von seinem Bruder und beinahe auch frei von seiner Vergangenheit, denn hier gab es nichts, was er damit verband.
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Kapitel Geständnisse
Claire sah Athos ruhig an. „Das sehen wir dann, Monsieur“, sagte sie und lächelte aufmunternd. Sie glaubte nicht, daß es etwas gab, das sie dazu bringen würde, ihn zu hassen. Doch sie erkannte deutlich, wie schwer es Athos fiel, einen Anfang zu finden. Sie wartete ruhig ab und drängte ihn nicht.
„Meine Mutter starb kurz nachdem ich aus England nach Hause zurückgekehrt war“, begann Athos schließlich langsam. „Sie vererbte ihr ganzes Vermögen meinem Bruder, weil ich ja durch meinen Vater versorgt war, doch viel war es nicht, denn sie stammte aus einer zwar guten, aber verarmten Familie und das gesamte La Fère’sche Vermögen lag bei meinem Vater. Nachdem mit meiner Mutter auch das letzte Mitglied der leiblichen Familie meines Bruders verstorben war, veränderte sich unser Verhältnis zueinander. Er zog sich öfter zurück und erweckte manchmal fast den Eindruck, als fühle er sich nicht mehr zugehörig zu unserer Familie, als wäre er wirklich im wahrsten Sinne des Wortes ein Stiefkind. Dieses Gefühl der Entfremdung wurde nur ein halbes Jahr später noch stärker, als die Pfarrei unserer Grafschaft neu vergeben wurde. Mit dem Pfarrer zog nämlich auch dessen Schwester in das Pfarrhaus ein, eine wunderschöne, beinahe engelsgleiche, junge Frau.“ Athos schwieg eine ganze Weile, in schmerzhaften Erinnerungen gefangen. „Ich verliebte mich beinahe auf der Stelle in sie. Sie und ich verbrachten viel Zeit miteinander, Zeit, die ich vorher mit Olivier verbracht hatte. Er wurde daraufhin noch zurückhaltender und jetzt im Nachhinein glaube ich, daß er sich damals gefühlt hat, als bedeute er weder meinem Vater noch mir irgend etwas. Damals war ich zu verliebt, um irgendeine Mißstimmung zu bemerken. Ich verbrachte mehr und mehr Zeit mit Anne, so hieß die Schwester des Priesters, und mit jedem Tag wurde mein Wunsch stärker, sie zu heiraten und zur Gräfin de La Fère zu machen. Doch sie war von niedrigem Adel, ohne Familie und Verbindungen, und ich wußte, daß mein Vater, der, obwohl er mir ein wunderbarer Vater war und ich ihn sehr geliebt habe, sehr auf Stand, Rang und Vorteil bedacht war, diese Ehe niemals gutheißen würde. Er hatte sich schon längst für eine junge Dame entschieden, die meine Braut werden sollte, doch ich wollte Anne und keine andere. Mit meinem Vater konnte ich also über diese Sache nicht sprechen und deswegen vertraute ich mich irgendwann meinem Bruder an und erzählte ihm alles, daß ich Anne liebte und daß ich sie heiraten wollte. Ich fragte ihn nach seiner Meinung, auf die ich immer viel gegeben habe, und er, der wohl sah, wie sehr ich Anne liebte, riet mir dazu und bemühte sich in der Folgezeit auch, Anne und mir günstige Gelegenheiten zum Alleinsein zu verschaffen.
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Kapitel Zwei Brüder
Zwei Tage später mußte Athos schließlich abreisen. Der Abschied von Chelsworth und insbesondere von Claire fiel ihm sehr schwer. Hier hatte er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder richtig glücklich und ohne Sorgen sein können, seine Liebe zu Claire nicht verstecken müssen und unbeschwert die Zeit mit ihr genießen können. In Frankreich konnten sie, wenn sie sich überhaupt noch einmal wiedersehen durften, nicht so sorglos beisammen sein, wie es ihnen auf Chelsworth möglich gewesen war.
Claire hatte ihm versprochen, noch einmal mit ihrer Mutter über ihre Beziehung zu reden, und auch der Earl und seine Frau hatten ihre Unterstützung zugesichert, aber das letzte Wort hatte letztendlich Madame de Montfaucon, deren Wünsche und Hoffnungen Claire nicht einfach übergehen wollte, die aber bisher wenig Sympathie für die Liebe ihrer Tochter zu Athos gezeigt hatte. So wußten Athos und Claire nicht, ob schließlich alles gut werden würde, als sie sich auf dem Hof von Chelsworth voneinander trennten. Sie hatten wohl überlegt, wie sie im Falle einer ablehnenden Antwort der Baronin handeln würden, ob sie vielleicht gemeinsam davonlaufen sollten, da sie ja durch Athos’ Grundbesitz und Claires Erbe finanziell gut gestellt waren, hatten diesbezügliche Pläne aber bald wieder verworfen, da Claire, die ihre Mutter sehr gern hatte und ihr viel verdankte, diese nur ungern verletzen und erst recht nicht verlieren wollte.
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Kapitel In Loches
{{image::files/images/authors/1/loches_donjon.jpg?width=200&rel=lightbox&alt=Der verfallene Donjon der Festung von Loches}}
Währenddessen führten zwei Wachen Athos, der immer noch die Augenbinde und die Handfesseln trug, eine enge Wendeltreppe hinunter. Die Stufen waren schief und unregelmäßig, so daß der gefangene Musketier mehr als einmal das Gleichgewicht verlor und die Treppe hinuntergestürzt wäre, hätten seine Bewacher ihn nicht eisern festgehalten. Doch jedesmal, wenn er stolperte, wurde er grob zurückgezerrt und scharf zurechtgewiesen. Er ignorierte die unfreundlichen Kommentare und Beleidigungen seiner Wachen so gut es ging, aber sie gaben nicht auf, ihn zu schikanieren.
Athos hatte keine Vorstellung, wie lange sie schon im Kreis abwärts stiegen, es mußte eine halbe Ewigkeit sein. Er konnte nicht wissen, daß er sich im Martalet-Turm befand, der mehrere Stockwerke tief unter die Erde führte und dessen Kerker die finstersten und engsten der Festung von Loches waren. Hätte er es gewußt, hätte er sich vermutlich trotz der Aussichtslosigkeit derartiger Bemühungen verzweifelt gegen die Wachen gewehrt. Als er glaubte, es könne nicht mehr tiefer heruntergehen, hielten die Männer, die ihn führten, schließlich an. Er hörte, wie eine schwere Tür entriegelt wurde und konnte ein Erzittern nicht unterdrücken. Diese Tür hatte mindestens drei Riegel… Wohin hatte man ihn nur gebracht? Wie tief unter der Erde befand er sich? Und wo war er überhaupt? Der Mann, der ihn festhielt, lachte, als er sein Zittern spürte. „Habt Ihr Angst, mein Freund?“ Als Athos nicht antwortete, packte sein Bewacher ihn noch ein wenig fester und wandte sich an seinem Kameraden: „He, Giuseppe! Der Bursche hier zittert! Dabei hieß es doch, er sei Musketier des Königs! Ein tapferer Musketier des Königs…“ Der Angesprochene lachte ebenfalls. „Im Augenblick merkt man davon nicht sehr viel…“
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Kapitel Zwischen Hoffnung und Angst
Am nächsten Tag konnte Olivier sein Vorhaben jedoch nicht gleich in die Tat umsetzen. Vor dem Eingang zum Martalet-Turm, in dem sein Bruder gefangengehalten wurde, waren Wachen postiert worden. Das war ungewöhnlich. Normalerweise standen vor den Türmen selbst nie Wachen, und auch jetzt hielten sich nur vor dem Martalet-Turm welche auf. Vermutlich sollten sie darauf achten, daß niemand zu Athos hinunterging. Olivier hielt sich während des ganzen Vormittags in der Nähe des Turms auf, in der Hoffnung, einen Moment erwischen zu können, in dem die Wachen unaufmerksam oder abwesend waren, doch als sich schließlich endlich eine Gelegenheit ergab, erschien Nevoy, um die Anordnungen und Wünsche des Herzogs mit ihm zu besprechen. Es fiel Olivier nicht schwer, Interesse zu heucheln – je besser er über d’Armainvilliers Pläne unterrichtet war, desto besser war es für ihn. Er erfuhr jedoch nichts neues, Nevoy sprach lediglich über Anweisungen, über die der Herzog ihn bereits selbst unterrichtet hatte.
„Ich glaube, das wäre alles, Monsieur“, sagte Nevoy schließlich und klopfte Olivier mit einem Lächeln auf die Schulter. „Ich bin sicher, der Herzog wird sehr zufrieden mit Euch sein.“
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Kapitel Rückkehr nach Paris
Athos’ Befreier waren zügig gereist und hatten Loches innerhalb weniger Tage erreicht. Nach einer kurzen Diskussion mit den zögernden Musketieren setzte Claire durch, daß sie nicht in einem Gasthof vor der Stadt zurückbleiben mußte, wie sie es ihrer Mutter versprochen hatte. Sie konnte nicht einfach zurückbleiben, nicht, wenn ihr Henri womöglich in Lebensgefahr schwebte. Den Musketieren war nicht wohl dabei, aber am Ende blieb ihnen nichts anderes übrig, als Claire, die sehr energisch wurde, nachzugeben. Gemeinsam mit den Dienern ritten sie hinauf zur Festung. Ihr Hauptmann hatte vor ihrer Abreise noch schnell eine Vollmacht des Königs für sie erlangt, mit der sie uneingeschränkten Zugang zu der streng bewachten Festung erhalten würden, denn er war fest davon überzeugt, daß die Leute in Loches seinen Männern Schwierigkeiten bereiten würden. Tatsächlich wurden sie am Tor von zwei Wachen aufgehalten und unwirsch nach ihrem Begehr gefragt. D’Artagnan hielt ihnen wortlos die Vollmacht des Königs unter die Nase, und ein wenig zögerlich gaben sie schließlich den Weg frei. Mißtrauische und wütende Blicke folgten den Musketieren, als sie in Richtung des großen Platzes vor dem Donjon ritten. Die Tatsache, daß sie so sichtlich unwillkommen waren, bereitete ihnen einige Sorge; sie konnten nur hoffen, daß die Vollmacht des Königs ihnen wenigstens solange den Rücken freihielt, bis sie Athos befreit und aus der Festung geschafft hatten.
Als sie den Hof erreichten, eilte ihnen ein einzelner Mann entgegen. Die Hände der Musketiere fuhren zu ihren Degen. Sofort blieb der Mann stehen und breitete die Arme aus, zum Zeichen, daß er unbewaffnet war. Vorsichtig und langsam stieg d’Artagnan aus dem Sattel und näherte sich dem Mann. Er wurde blaß, als er ihn schließlich erkannte. Vor ihm stand niemand anders als Olivier de La Falaise, Athos’ Bruder, der ihn vor wenigen Monaten beinahe getötet hatte.
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Kapitel Mißglückte Planungen
Zur gleichen Zeit, als Athos’ Kutsche im Hof des Hôtel de La Fère hielt, ritt der Herzog von Armainvilliers durch die Porte St.-Martin in Paris ein. Nevoy folgte ihm mit einem Packpferd mit einigen Schritt Abstand. Der Herzog trug eine verkniffene und unzufriedene Miene zur Schau, als er sein Pferd in Richtung der Place Royale lenkte. Finster musterte er die Bastille, die sich düster und bedrückend vor ihm aufbaute, als er sich seinem Haus näherte. Wenn er in der nächsten Zeit nicht sehr aufpaßte und darauf achtete, was er sagte, konnte es durchaus sein, daß er das Hôtel d’Armainvilliers demnächst durch ein vergittertes Fenster in einem der Türme der Bastille betrachten konnte. Die Flucht aus Loches war ihm zwar gelungen, aber auch Athos und Olivier waren entkommen – und sie würden sicher nicht schweigen. Beide wußten, daß er der Verantwortliche für die Entführung und die Qualen des Musketiers war. Sie konnten ihm zwar nichts beweisen, aber wenn er sich selbst durch Unachtsamkeit verriet, war er verloren. Er hatte Nevoy dafür sorgen lassen, daß alle Wachen auf der Festung von Loches, die von seiner Anwesenheit in den letzten Tagen von Athos’ Gefangenschaft gewußt hatten, beseitigt oder großzügig mit Geld bedacht worden waren, um ihr Schweigen zu erkaufen – niemand durfte erfahren, daß er auch nur irgend etwas mit den Vorgängen in Loches der letzten zwei Monate zu tun gehabt hatte. Bei seinen Freunden in Paris und in der Umgebung von seinem Schloß Armainvilliers hatte er verbreiten lassen, daß er sich zur Erholung auf seinen kleinen Landsitz in Südfrankreich, der ihm durch ein Erbe zugefallen war, zurückgezogen hätte. Außer Athos und Olivier würde niemand wissen, daß er in Loches gewesen war – und wenn sie es behaupteten, gab es genug Leute, die das Gegenteil erzählen würden. Wenn er selbst keinen Fehler beging, würde er sehr wahrscheinlich ungeschoren aus dieser unerfreulichen Sache herauskommen. Vielleicht gelang es ihm auf diese Weise ja sogar, den verfluchten Musketier und seinen verräterischen Bruder unglaubwürdig zu machen.
Als er auf dem Hof seines Hauses anlangte, befahl er den herbeieilenden Dienern knapp, sein Gepäck zu verstauen und die Pferde zu versorgen, winkte Nevoy, ihm zu folgen und eilte hinauf in den Salon. „Er wird nach Paris kommen, wenn er erholt genug ist, vielleicht aber auch schon früher“, begann er und ließ sich in einen Lehnsessel fallen. Dann sah er sich suchend um. Wo war Nevoy? Hatte er ihm nicht befohlen, ihm zu folgen? Als er gerade wütend nach seinem Vertrauten rufen wollte, trat der Vermißte doch noch ins Zimmer. „Verzeiht, Monsieur le duc, aber als ich Euch gerade folgen wollte, traf ein Bote mit einer Nachricht von einem Eurer Spione ein. Monsieur de La Fère ist in Paris eingetroffen, zusammen mit seinem Bruder, Eurer ehemaligen Verlobten und einigen Musketieren. Er scheint das Hôtel de La Fère wieder beziehen zu wollen.“
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Kapitel Falsche Freunde
Vier Tage nach dem Empfang bei Monsieur de Tréville waren alle notwendigen Vorbereitungen zur Abreise nach La Fère getroffen, und Athos und Olivier hatten beschlossen, am nächsten Morgen dorthin aufzubrechen, als der Bote zurückkehrte, den sie nach La Fère gesandt hatten, um dem Verwalter und den Bediensteten des Schlosses ihre Rückkehr anzukündigen. Da Athos in der Stadt unterwegs war, um sich von Claire und seinen Freunden zu verabschieden, nahm Olivier den Brief des Verwalters entgegen und trat damit in die Bibliothek, wo der Earl vor dem Feuer saß und las. Olivier setzte sich zu ihm und öffnete den Brief. Kurze Zeit später ließ er ihn enttäuscht sinken. Chelsworth sah auf. „Stimmt etwas nicht?“ erkundigte er sich.
Olivier seufzte leise. „Wir können nicht nach La Fère reisen“, sagte er. „Der Brief ist von Monsieur Lambert, dem Verwalter – er schreibt, daß ein Sturm das halbe Dach des Hauptflügels abgedeckt hätte, gerade vor einer Woche. Der Flügel sei derzeit unbewohnbar und die Reparaturarbeiten würden sich in Anbetracht des schlechten Wetters auch noch eine ganze Weile hinziehen. Die anderen Gebäude sind nur notdürftig eingerichtet und daher ebenfalls kaum bewohnbar. Die ganze Gegend ist beinahe verwüstet, auch das Jagdschloß ist nicht beziehbar. La Fère ist derzeit also kein Ort, an dem Henri sich erholen könnte. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen…“
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Kapitel Epilog
Sämtliche Nachforschungen verliefen ergebnislos – Philibert d’Armainvilliers war und blieb verschwunden. Schließlich machte ihm das Pariser Gericht in Abwesenheit den Prozeß und verurteilte ihn wegen Entführung und versuchtem Mord an dem Grafen de La Fère zu zwanzig Jahren Kerkerhaft und dem Einzug seiner Güter. Sein Titel wurde ihm aberkannt. Athos nahm das Urteil mit Erleichterung zur Kenntnis. Auch, wenn es vielleicht niemals vollstreckt werden würde, wußten nun alle, daß sein Bruder unschuldig und er selbst nicht verrückt war.
Athos und Claire heirateten im April, nur wenige Tage nach dem Ende des Prozesses gegen den Herzog und der Verkündigung des Urteils. Der Earl of Chelsworth und seine Frau hatten es sich nicht nehmen lassen, diese Hochzeit auszurichten, zu dem beinahe die halbe Kompanie der Musketiere eingeladen worden war.
Die Baronin von Montfaucon spazierte glücklich strahlend von Gast zu Gast und ließ sich zu der überaus guten Partie, die ihre Tochter gemacht hatte, gratulieren. Der Earl of Chelsworth genoß den guten französischen Rotwein und hatte seine Freude daran, daß Athos und seine Claire keinen einzigen Tanz ausließen. „Sie werden heute nacht noch einen viel schwungvolleren Tanz tanzen, sie sollten sich nicht allzu sehr verausgaben, meint Ihr nicht auch, meine Liebe?“ fragte er an seine Frau gewandt mit einem weinseligen Lächeln im Gesicht.
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