Besuch in Noisy von Aramis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 4 BewertungenKapitel Besuch in Noisy
Der vermummte Reiter, den Mantel eng um sich geschlagen und den Hut tief in die Stirn gezogen, zügelte sein Pferd und sah sich verstohlen um. Doch niemand war ihm gefolgt, keine Menschenseele, nur ein struppiger Hund kreuzte seinen Weg, wohl auf der Suche nach Fressbarem. Die Sonne war bereits untergegangen, die Nacht brach herein, und die kleine Ortschaft Noisy-le-sec lag im abendlichen Dämmerlicht. Der Reiter holte tief Atem – nun denn, sein Ziel war nicht mehr fern! Bloß noch hier die Dorfstraße hinunter und an ihrem Ende scharf nach links abgebogen, dann hatte er den Ort, dem er zustrebte, erreicht!
***
„Monsieur, Ihr wünscht?“, fragte der greise Pförtner mit zittriger Stimme und blickte den späten Besucher hinter seinen Brillengläsern ehrerbietig, doch zugleich auch ein wenig misstrauisch an – diesen Herrn hatte er fürwahr hier noch nie gesehen! Aber dessen edle Haltung und vornehme Kleidung ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Mann von Stand handelte. Parbleu, womöglich ein Edelmann, der sich zur Beichte hierherbegab? Die Herren Patres Jesuiten waren für ihre erlauchte Klientel berühmt! Oder etwa gar einer der Großen des königlichen Hofes, ein Herzog, der sich mit dem hochwürdigen Herrn Pater Superior besprechen wollte? Doch da erklärte der fremde Herr bereits mit leiser, kühler Stimme sein Begehr, und der Alte antwortete beflissen und mit ein wenig kreuzlahmem Bückling: „Jawohl, Monsieur, der ehrwürdige Herr Pater ist anwesend! Wenn Ihr mir bitte folgen wollt?“ Und er schickte sich sogleich an, dem Besucher voranzugehen, so rasch es seine krummen Beine erlaubten. In eben diesem Augenblick stieg ein Mann von kleiner, rundlicher Statur die prunkvolle Marmortreppe herab, in strenger dunkler Kleidung, wie sie die kirchlichen Bediensteten trugen. Am Fuße der Treppe angelangt, sah er auf - und erstarrte auf der Stelle, als habe er den Teufel in Person erblickt. „Mo - Monsieur de Ro - !“, entfuhr es ihm, und sein feistes, rotwangiges Antlitz wurde prompt kalkweiß - doch da trat der Ankömmling mit raschem Schritt auf ihn zu, und die Worte blieben ihm im Halse stecken.
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