Das Urteil des Paris von Aramis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 43 BewertungenKapitel Prolog
Nun geschah es eines Tages, als der Jüngling Paris, Sohn des Königs Priamos und dessen Gemahlin Hekabe, mitten im abwegigsten und schattigsten Tale, das sich durch die Schluchten des Berges Ida hinzog, zwischen Tannen und Steineichen, ferne von seinen Herden, die den Zugang zu dieser Einsamkeit nicht fanden, an einen Baum gelehnt mit verschränkten Armen hinabschaute durch den Bergriß, der eine Durchsicht auf die Paläste Trojas und das ferne Meer gewährte, dass er den Tritt eines Gottes vernahm, der die Erde um ihn her beben machte. Ehe er sich besinnen konnte, stand, halb von seinen Flügeln, halb von den Füßen getragen, Hermes der Götterbote, den goldnen Heroldsstab in den Händen, vor ihm - doch war auch er nur der Verkündiger einer neuen Göttererscheinung, denn drei himmlische Frauen, Göttinnen des Olymps, kamen mit leichtem Schritt über das weiche, nie gemähte und nie gewendete Gras einher geschritten, sodass ein heiliger Schauer den Jüngling überlief. Doch der geflügelte Götterbote rief ihm entgegen: „Lege alle Furcht ab, die Göttinnen kommen zu dir als zu ihrem Schiedsrichter! Dich haben sie gewählt, zu entscheiden, welche von ihnen dreien die schönste sei. Zeus befiehlt dir, dich diesem Richteramte zu unterziehen, er wird dir seinen Schirm und Beistand nicht versagen!“
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Kapitel Versehgang
„Monsieur l`abbé - !“
Ich blickte seufzend von meinem Schreibtisch auf, der wie üblich mit einem Berg von Büchern und Schriften bedeckt war. „Bonjour, mein guter Bazin, wie schön, Euch zu sehen! Was gibt es denn, dass Ihr so außer Atem seid?“
Der Küster von Notre Dame holte schnaufend Luft und wischte sich die schweißglänzende Stirne. „Es tut mir leid, Monsieur l`abbé, doch ich konnte Euren Brief nicht übergeben, denn Monsieur Athos war nicht da!“
Ich hielt betroffen inne. „Was ist mit Grimaud?“, erkundigte ich mich unter nervösem Räuspern. „Er hätte doch meinen Brief für seinen Herrn in Empfang nehmen können?“
„Grimaud ist ebenfalls verschwunden!“, stieß Bazin hervor und ruderte erregt mit den dicken Armen, „in Monsieur Athos` Wohnung in der Rue Férou logieren fremde Mieter, und keiner von den beiden jungen Herrn Studenten konnte mir sagen, wohin er sich zusammen mit seinem Diener begeben hat! Also muss ich Euer Schreiben leider unverrichteter Dinge wieder retournieren!“ Er griff in die Tasche seines Mantels und zog meinen Brief daraus hervor.
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Kapitel Beichte
Das Kongregationshaus der hochlöblichen Schwesternschaft zur Heiligen Kümmernis lag etwas abseits in einer ruhigen Seitengasse, mit schlichter, schmuckloser Fassade und umgeben von einem gut gepflegten, von einer hohen Mauer umschlossenen Garten, in dem, zusammen mit blühenden Blumenrabatten, prachtvolles Spalierobst, Gemüse und sorgsam gehegte Küchenkräuter gediehen. Die Sonne war bereits untergegangen und die Abenddämmerung hatte sich herabgesenkt, als Bazin und ich das Haus der geistlichen Schwestern erreichten. Man hatte uns erwartet, denn auf Bazins vernehmliches Klopfen hin öffnete sich sofort die Türe, und eine junge Frau in leinerner Schürze und weißem Häubchen erschien auf der Schwelle. „Wenn die hochwürdigen Herren bitte eintreten wollen!“, murmelte sie errötend und knickste mit scheu gesenktem Blick. „Die ehrwürdige Frau Oberin wartet schon bang, sie sagt, Schwester Marie Madeleine geht es sehr schlecht!“
Kaum hatte die junge Dienstmagd diese Worte gesprochen, da erschien auch schon eine hochgewachsene Dame in schlichtem, hochgeschlossenem Kleid und dunklem Schleier auf den mit weichem Teppichflor belegten Stufen der Treppe. Auf ihrer schwarzseidenen Brust schimmerte ein silbernes Kreuz. „Bei der heiligen Gottesmutter!“, rief sie erregt, „kommt, Monsieur l`abbé, es ist keine Zeit zu verlieren! Meine arme Mitschwester liegt in ihren letzten Zügen! Nicht lange mehr, dann steht ihre Seele vor Gott!“ Und sie winkte mir und meinem Begleiter, ihr sofort zu folgen.
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Kapitel Entschluss
„Nein, Monsieur l`abbé, nicht dass ich wüsste!“ Der Herr Pater Superior schüttelte sachte den graubärtigen Kopf, „keiner von unseren hochgeschätzten Herren confratres hat das Amt übernommen, für die verewigte Frau Schwester des hiesigen Damenstifts die Totenmesse zu halten!“ Er runzelte die Stirne und erhob sich von seinem mächtigen bureau, „auch unser hochwürdiger Herr Mitbruder, der Abbé de Bérincourt, der seit Jahren der vertraute Beichtvater der Dame war, ist mitnichten damit beauftragt! Hm, ich gebe zu, das wundert mich in der Tat!“
„Wenn Ihr erlaubt, Monseigneur, so will ich die ehrwürdige Frau Oberin danach fragen!“, entgegnete ich entschlossen. „Vielleicht nahm sie an, Schwester Marie Madeleine hätte die Umstände ihres Begräbnisses mit ihrem Beichtvater vor ihrem Tod geregelt, und rechnet bereits fest damit, dass er das Requiem zelebriert, ohne unsere Ordensgemeinschaft hochoffiziell darum zu ersuchen!“
„Jawohl, bitte tut das, Monsieur l`abbé!“, stimmte mein Vorgesetzter mir sofort zu und bedachte mich mit einem wohlwollenden Blick, „nicht, dass wir hier womöglich unsere heilige Pflicht versäumen! Sucht Madame de La Grive auf und besprecht diese Angelegenheit mir ihr! Gelobt sei Jesus Christus!“
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Kapitel Unfreiwilliger Aufenthalt
Mon Dieu! Ich parierte mein Pferd zum Schritt und seufzte hörbar, wahrhaftig, es wurde Zeit, dass meine Reise sich ihrem Ende näherte! Über zwölf Tage lang von früh bis spät im Sattel, bei Wind und Wetter, das zehrte schön langsam an meiner körperlichen Substanz! Unglaublich, wie rasch man doch verweichlichte, sobald man dem rauen Soldatenleben den Rücken gekehrt hatte! Ich erinnerte mich der beiden harten militärischen Kampagnen, die ich vor gar nicht langer Zeit zusammen mit meinen Freunden mitgemacht hatte - jawohl, kaum zu glauben, dass ich damals den ganzen Tag über im Sattel saß, ohne empfindlichen Muskelkater zu verspüren! Doch nun rückte, Dieu merci, mein Ziel immer näher, denn ich hatte endlich den Béarn erreicht, auf der Landstraße nach Süden über Orléans, Châteauroux, Limoges, Montauban und Tarbes, hatte soeben die Stadt Pau passiert, den Geburtsort König Heinrichs IV., und befand mich nun etwa zwei Stunden weit davon entfernt auf dem Weg nach Oloron, von wo es zu Pferd nur noch ein Katzensprung bis zu meinem heimatlichen Dorf Aramits war.
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Kapitel In der Heimat
Fremdling, du bist nicht klug, oder ferne von hier gebürtig,
Da du nach diesem Lande mich fragst! Ich dachte, so gänzlich
Wär' es nicht unberühmt, und sicherlich kennen es viele.
Alle, die morgenwärts und wo die Sonne sich wendet
Wohnen, oder dort hinten, gewandt zum nächtlichen Dunkel.
Freilich ist es rau und taugt nicht, Rosse zu tummeln,
Doch ganz elend auch nicht, wiewohl es an Ebenen ihm mangelt.
Reichlich gedeiht bei uns die Frucht des Feldes, und reichlich
Lohnt der Wein, denn Regen und Tau befruchten das Erdreich.
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Kapitel Bèth chivalièr
Henri öffnete die Türe, trat zusammen mit seinem Sohn über die Schwelle und verkündete mit verhaltener Stimme, in der jedoch unüberhörbarer Stolz mitschwang: „Mesdames, wir haben überraschend Besuch bekommen! Bitte erlaubt mir, Euch meinen Herrn Bruder zu präsentieren: Monsieur le Chevalier René d`Herblay, hochwürdiger Abbé und Mitglied der Societas Jesu zu Noisy!“ Damit hielt er mir lächelnd und mit einladender Gebärde die Türe auf, und ich betrat sachten Schrittes den Raum. Oh!, durchzuckte es mich, in sofortiger Erinnerung, das war ja das Kinderzimmer mit den beiden angrenzenden Schlafkammern, in denen meine Geschwister und ich damals schliefen! Hm, hatte dieser Raum früher nicht wesentlich düsterer gewirkt? Nun zeigte er sich hell und freundlich, mit seiner zartgemusterten Tapete, den einfachen Holzmöbeln und den Vorhängen und Kissen im lieblichen Blumendessin. Es herrschte eine allerliebste gemütliche Unordnung, Bauklötze, Puppen und sonstige Spielsachen lagen verstreut umher, ein imposantes Schaukelpferd thronte in ihrer Mitte, auf dem großen runden Tisch befanden sich Malkreiden, graue Schiefertafeln und bunte Bilderbücher zuhauf, und ein Korbwagen, beschirmt von einem rosafarbenen Baldachin, stand neben dem Lehnstuhl, von dem sich soeben eine blühende junge Frau erhob. Sie trug ein hübsches, ländliches Kleid, eine zartrosa Rose im geflochtenen braunen Haarkranz, und ihre gesamte Erscheinung strahlte natürliche, mädchenhafte Anmut aus. Eine rundliche junge Dame mit rabenschwarzen Locken sprang im selben Augenblick leichtfüßig vom Sofa auf und nahm einen kleinen blonden Jungen an der Hand, der stumm und mit großen dunklen Kulleraugen zu mir hochsah.
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Kapitel Unverhoffter Besuch
Die nächsten Tage vergingen mit ländlichen Beschäftigungen, familiärem Beisammensein und heimlichen Plänen, und am Morgen des siebenten Tages brachen wir auf. Ich hatte Henri gebeten, seiner Gemahlin wie ihrer Cousine die unabdingbare Notwendigkeit unserer Reise zu erklären, über ihren wahren Anlass aber möglichst Stillschweigen zu bewahren, und dies schien ihm auch einigermaßen gelungen zu sein. Tante Pünktchen witterte zwar prompt Unheil, doch sie hielt an sich, aus Sorge um ihre Cousine und um des häuslichen Friedens willen, bloß der kleine Armand war sehr ärgerlich und schmollte, weil sein Papa ihn nicht mitnehmen wollte, in die verlockende Stadt Paris, vor deren Toren der Onkel wohnte. „Aber wenn ich groß bin, dann reite ich hin!“, verkündete er mit zornig gerunzelter Stirne und erhobener Stimme, „ich will auch den König in seinem goldenen Schloss sehen!“
„Natürlich, mein Liebling!“, tröstete ihn seine Mutter, „wenn du groß und stark geworden bist und gelernt hast, den Degen zu führen, dann darfst du sogar ganz alleine nach Paris reiten!“ Doch sie seufzte dabei leise und warf Henri verstohlen einen wehmütigen Blick zu. Ach, die Kinder wurden doch viel zu rasch erwachsen und verließen zu früh ihr trautes Elternhaus! Und nicht nur das - mon Dieu, was hatte ihr lieber Gemahl bloß vor? Er war so düster und verschlossen, als sie ihn darum fragte, und erklärte bloß, er müsse sich sofort auf den Weg machen, um die Ehre seines Vaters wiederherzustellen! Himmel, hatte man diese etwa posthum beleidigt? War René, sein Bruder, deshalb hierher gekommen? Oh, l`honneur! Nichts war einem wahren Edelmann heiliger als diese! Und die des hochverehrten Herrn Vaters überstieg, ebenso wie diejenige der über alles geliebten Mutter, die eigene Ehre noch um ein Vielfaches mehr!
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Kapitel Nächtliches Gespräch
Athos hatte wahrhaftig nicht zuviel versprochen, das abendliche Diner war in der Tat vorzüglich, und in puncto Wein gab es wohl in ganz Frankreich keinen Mann, der einen edlen Tropfen besser zu schätzen wusste als mein Freund. Das Tischgespräch entspann sich zum Großteil zwischen Athos und meinem Bruder, denn als langjähriger Gutsbesitzer kannte Henri sich in allen Bereichen der Landwirtschaft und natürlich auch im adeligen Jagdwesen aus und konnte somit mit profundem Wissen und ebensolcher praktischer Erfahrung aufwarten. Athos und er waren bald in ein lebhaftes Gespräch vertieft, denn mein Freund war zwar in hochherrschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen, doch seine Jahre als königlicher Musketier hatten die Erinnerung daran schon ein wenig verblassen lassen, und daher war er mit der eigenhändigen Führung eines Landguts noch nicht so ganz vertraut. Man sprach über Aussaat und Ernte, Viehzucht, Forstwirtschaft und Fischerei, und das edle Waidwerk kam dabei ebenfalls nicht zu kurz, wobei Athos, vice versa, sein fundiertes Wissen über die Falknerei beisteuerte. So fachsimpelten die beiden ausgiebig bei Tisch wie hinterher beim Wein, und ich hörte interessiert zu, denn solche Dinge waren für mich in meiner geistlichen Latifundie ein Buch mit sieben Siegeln. Wir Jesuiten bestellten rein geistiges Ackerland, und unsere Schäfchen waren allesamt zweibeinig.
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Kapitel In Paris
„Oh!“, entfuhr es Bazin, als er frühabends auf mein Klopfen hin die Türe seiner Pariser Küsterwohnung öffnete, „bitte verzeiht, Monsieur l`abbé, aber ich hatte Euch nicht so bald zurückerwartet! Oh, Pardon, ich sehe eben, Ihr seid nicht alleine! Meine verehrten Herren, bitte tretet ein! Hattet Ihr eine gute Reise?“
„Einigermaßen.“, erwiderte ich seufzend und nahm meinen Mantelsack mit Schwung von der Schulter, „mon cher Bazin, Ihr erinnert Euch gewiss noch an meinen Herrn Bruder?“
„An Monsieur Henri? Aber natürlich!“, beeilte sich mein Adlatus beflissen zu versichern und vollführte dabei eine ehrerbietige, infolge seiner Korpulenz jedoch etwas groteske Verneigung. „Monsieur le chevalier, empfangt meinen untertänigsten Gruß! Habt Ihr ebenfalls vor, hier zu logieren?“
„Jawohl.“, erwiderte mein Bruder mit leisem Lächeln. „Das heißt, falls Ihr nichts dagegen habt.“
„Oh, davor wird sich der Herr Küster fein hüten!“, erklärte ich süffisant und warf Bazin einen bedeutungsvollen Blick zu, „denn immerhin zahle ich ihm eine äußerst großzügige Miete! Und das noch dazu verlässlich und regelmäßig! Also keine Sorge, mon cher Henri, Ihr wohnt selbstverständlich hier bei mir! Paris ist bekanntlich ein teures Pflaster, und warum solltet Ihr horrende Wucherpreise für eine harte Pritsche in einer zwielichtigen Kaschemme bezahlen, wenn Ihr doch hier umsonst nächtigen könnt!“ Und mit diesen Worten stieß ich die Türe zu meinem geheimen Pariser appartement auf und ließ Henri ein großes, behaglich möbliertes Zimmer sehen, in dem unter anderem auch ein breites und äußerst bequemes Himmelbett stand.
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Kapitel Diskrete Informationen
„Mon cher René,“, bemerkte Henri anderntags stirnrunzelnd, nach unserem gemeinsamen reichhaltigen Frühstück, das Bazin in bewährter Manier auf den Tisch gebracht hatte, „ich muss sagen, Monsieur de Rocheforts gestrige Worte wirken äußerst beunruhigend auf mich! Und Euch geht`s vermutlich ebenso, oder täusche ich mich da?“
Ich sah auf, aus meinen düsteren Reflexionen gerissen. „Was genau meint Ihr damit, mon frère?“
„Der Comte sprach davon, dass der Leichnam unseres Vaters nach beendetem Kampf nicht nach Hause gebracht wurde. Parbleu, das will mir nicht aus dem Kopf!“
„Nun ja, man hat ihn wohl, nach der Kapitulation der Kaiserlichen und der darauf folgenden Übergabe der Stadt, direkt vor Ort, also in Jülich bestattet.“, erwiderte ich zögernd. „Oder womöglich gar mitten auf dem Schlachtfeld - “
„Nein!“ Henri hob die Hand, in vehementer Geste. „Dies wäre nur denkbar, wenn er ein einfacher Soldat niedrigen Standes gewesen wäre. Doch einen adeligen Offizier versenkt man nicht einfach an dem Ort, wo er gefallen ist, in einem namenlosen Grab! Man birgt seinen Leichnam, bewahrt ihn vor Plünderung und überführt seine sterblichen Überreste zurück nach Hause zu seiner Familie, deren Aufgabe es ist, ihn mit allen Ehren zu bestatten! Oder war das bei den königlichen Musketieren etwa nicht Usus?“
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Kapitel Besuch in Neuilly
Aphrodite stand vor Paris, mit ihrem Gürtel geschmückt, der ihr den Zauber höchster Anmut verlieh. Da erblasste vor dem Schimmer der Hoffnung und ihrer Schönheit der Reiz der anderen Göttinnen vor seinen Augen, und überwältigt erkannte er der Liebesgöttin das goldene Kleinod zu, das er aus Heras Hand empfangen hatte. Hera und Athene wandten ihm zürnend den Rücken und schworen, die Beleidigung an ihm, seinem Vater Priamos und an seinem Volk zu rächen. Aphrodite aber schied mit holdseligem Gruß von dem entzückten Hirten, nachdem sie ihr Versprechen mit dem feierlichen Göttereid bekräftigt hatte…
Schloss Roquemont im noblen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine entpuppte sich als wahrhaft eindrucksvolle herzogliche Domäne. Inmitten eines großen, weitläufigen Parks gelegen, der direkt an den Bois de Boulogne grenzte, zeichnete sich das riesige Gebäude vor allem durch monumentale Imposanz aus. Es thronte, umgeben von weiten grünen Rasenflächen, auf einer sanften Anhöhe, vorm dunklen Hintergrund des Waldes, und ein hohes schmiedeeisernes Gittertor, in dessen steinernem Torbogen das herzogliche Wappen eingemeißelt war, empfing den durch all diese kalte Pracht empfindlich eingeschüchterten Besucher. Auf den ersten Blick schien es gar, als wohnte hier niemand - auf den weitläufigen Rasenstücken spielten und tollten keine Kinder, kein Herr, keine Dame, nicht einmal ein Bedienter, ja, schlicht keine Menschenseele wollte sich zeigen, auch kein Getier, weder Pferd, Hund noch Katze, und selbst die Vögel mieden wohl diesen Ort, denn kein Vogelgesang schallte von den steil aufragenden Dächern des gigantischen Gebäudes. Nur ein paar Krähen hockten am hohen Dachfirst und schwangen sich schließlich mit misstönigem Krächzen wieder in die Lüfte. Stumm und wie verwunschen lag das Schloss vor uns, mit hohen dunklen Fenstern, abweisenden Mauern, ein stolzes, riesenhaftes Monument aus Stein.
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Kapitel Ahnungen
„Und nun?“
Mein Bruder und ich standen vorm Schlossgebäude, dessen Portal sich soeben hinter uns geschlossen hatte, und blickten einander unschlüssig an. „Das war ein glatter Rausschmiss wie er im Buche steht!“, setzte ich in tiefem Groll hinzu, „und ich verwette meinen Degen, dass die erlauchte Dame vorhin alles andere als die Wahrheit sprach!“
„Ja, das denke ich auch!“, bestätigte Henri und strich sich gedankenvoll den Schnurrbart. „Oder war ihre Frau Schwester, Eurer Einschätzung nach, tatsächlich geistig umnachtet?“
„Keineswegs! Sie war bei klarem Bewusstsein, als sie zu mir sprach! Und dass sie mir in ihrer letzten Stunde absichtlich eine Lüge aufgetischt hätte, nein, daran ist nicht einmal im Traum zu denken!“
„Also hat die Frau Herzogin etwas zu verbergen!“, resümierte mein Bruder grimmig. „Doch was, verdammt nochmal? Sie ist eine Frau von vornehmstem Stand, besitzt zudem einen äußerst starken Willen und somit ein hohes Maß an Autorität. Hat sie etwa jemandem den Befehl erteilt, unseren Vater hinterrücks zu ermorden?“
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Kapitel Unruhige Nacht
Wir mutmaßten und debattierten an unserem Wirtshaustisch weiter über jene eben stattgehabten Ereignisse, die Zeit verging wie im Flug, und so war es bereits tiefe Nacht, als Henri und ich den Gasthof endlich verließen. Jedoch nicht, ohne mit Athos ein Treffen am nächsten Morgen in Bazins Wohnung vereinbart zu haben, wo wir uns beim gemeinsamen Frühstück über unsere weiteren Schritte klarwerden wollten. Parbleu, wir tappten nach wie vor im Dunklen und hatten noch immer keinen blassen Schimmer davon, was sich hinter all diesen seltsamen Zufälligkeiten verbarg! Verdammt, es musste eine geheime Verbindung geben, ein Muster, nachdem sich alles ordnete, doch ich war nicht imstande, seine verborgenen Fäden zu erkennen. So trottete ich ärgerlich und deprimiert an Henri`s Seite unserem Pariser logis zu, und die Nachtluft kühlte meine vom Wein erhitzten Sinne. Endlich bogen wir in unsere Gasse ein, Bazins Wohnhaus tauchte vor uns auf - doch da hielt mein Bruder plötzlich inne und wandte sich verstohlen um.
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Kapitel Wundpflege
„Diable!“, murmelte Monsieur de Rochefort betroffen und sah Henri zutiefst besorgt ins Gesicht, „Monsieur le chevalier, bitte sagt, wie geht es Eurem Herrn Bruder? Ist er etwa gar lebensgefährlich verletzt?“
„Nein, dem Himmel sei Dank!“, entgegnete Henri und räusperte sich leise. „er trug bloß eine tiefe Fleischwunde an der Hüfte davon. Diese ist zwar ziemlich schmerzhaft und hindert ihn vorerst an jeder Bewegung, doch sie scheint, Dieu merci, nicht lebensbedrohlich zu sein. Allerdings macht ihm das Wundfieber zu schaffen, aber dies ist bei solchen Verletzungen wohl unvermeidlich.“
Der Graf nickte, den Blick gesenkt, und fuhr sich mit fahriger Hand über die Stirne. „Ich gebe zu,“ erwiderte er rau, „auch ich habe nicht damit gerechnet, dass Euer Besuch in Neuilly solch prompte mörderische Folgen haben könnte. Jawohl, ich bin ganz Eurer Meinung, Monsieur Henri, Euer Erscheinen dort muss jemanden, vermutlich die Frau Herzogin persönlich, in allergrößte Angst versetzt haben! Doch selbst, wenn sie tatsächlich die heimliche Drahtzieherin jenes Attentats wäre, so hat doch ein anderer für sie diese Tat verübt! Könnt Ihr den Angreifer näher beschreiben?“
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Kapitel Vermisst
Der Morgen brach an, die Strahlen der aufgehenden Sonne erhellten das Zimmer, ich holte tief Atem und streckte mich sachte unter der Decke aus, ehe ich meine noch schlaftrunkenen Augen aufschlug. Immerhin, ich hatte trotz meiner Verletzung passabel geschlafen, was sicher bedeutete, dass meine Genesung bereits glücklich im Gange war! „Bonjour, mon frère!“, flüsterte ich und wandte mich dem Kissen an meiner Seite zu, doch im nächsten Augenblick hielt ich überrascht inne: Henri`s Schlafplatz war leer, er hatte das Bett bereits verlassen. Hm, vermutlich war er draußen in der Küche, um Bazin bei der Bereitung des Frühstücks zu überwachen, denn ein Rekonvaleszent wie ich brauchte schließlich angemessene Nahrung! Sachte schob ich den Bettvorhang zurück und horchte, doch kein Laut, kein gedämpftes Tellerklappern oder Ähnliches erscholl durch die geschlossene Türe. Bloß Athos` regelmäßige Atemzüge erklangen von Sofa her, was bedeutete, dass mein Freund nach eisern durchwachter Nacht nun in tiefem Schlaf lag.
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Kapitel Paris Alexandros
So blieb ich also allein zurück, im Innersten desperat und zwei geladene Pistolen griffbereit, für den Fall, dass unser nächtlicher Angreifer es tatsächlich wagte, seinen misslungenen Mordversuch an mir zu wiederholen. Doch ich glaubte nicht daran, denn zu deutlich hing Henri`s mysteriöses Verschwinden wie ein Damoklesschwert über mir, und ich bangte mit jeder Faser meines Herzens um meinen geliebten Bruder. Nicht auszudenken, wenn ihm etwas geschah! Seine junge Ehefrau, seine Kinder! Oh, bei Gott, wie furchtbar, wenn sie alleine auf dieser Welt zurückbleiben müssten! Und kein anderer als ich wäre schuld an ihrem entsetzlichen Unglück, denn ich hatte Henri auf diesen gefährlichen Weg geführt! Tränen traten mir in die Augen, bange Furcht und quälendes Schuldbewusstsein würgten mich in der Kehle, oh, hätte ich bloß den Mund gehalten! Mon Dieu, wie schrecklich war doch der Gedanke, nicht nur meinen Vater sondern womöglich auch noch meinen Bruder auf mörderische Weise zu verlieren!
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Kapitel Rettung und Untergang
Das Stadttor war passiert, die Mauern von Paris lagen glücklich hinter ihnen, und so galoppierten Athos und der Comte de Rochefort nun Seite an Seite, begleitet von Rocheforts vierbeiniger Gefährtin, die Straße entlang, die die Hauptstadt mit ihrem noblen Vorort Neuilly-sur-Seine verband. Schloss Roquemont zu finden war nicht schwer, unübersehbar erhob sich die imposante Residenz vor ihren Augen, und ihr schroffer Anblick ließ Athos leise frösteln. Welch mörderischer Geist verbarg sich wohl hinter ihren Mauern? Mon Dieu, hoffentlich kamen sie nicht zu spät!
„Seht!“ Der Stallmeister hielt an seiner Seite und wies auf ein gesatteltes Pferd, das im Schatten eines Baumes stand, die Zügel um einen der Stäbe des schmiedeeisernen Zauns geschlungen. „Das muss Monsieur Henri`s Pferd sein! Wir sind auf der richtigen Spur!“ Er schwang sich aus dem Sattel und holte Henri`s Taschentuch hervor, „er hat also zu Fuß die herzogliche Domäne betreten, und unsere vierbeinige Helferin wird sofort seine Fährte aufnehmen!“
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Kapitel Offener Brief
An meine geliebte Tochter
An die Herren Chevaliers Henri und René d`Herblay
Ach, wie wenig halten wir kümmerlichen Menschen doch die Fäden unseres eigenen Geschicks in Händen! Ja, auch ich dachte, mein Leben und seine vielfältigen Erscheinungen mit sicherem Zepter zu regieren, doch ich hatte mich getäuscht. Nichts vermag der Mensch wider die grausame Willkür des Schicksals, und wie dürftig und armselig bleiben doch alle seine Versuche, das ersehnte Glück zu finden! Und selbst, wenn er in wundersamer Freude vermeint, seine wahre Liebe gefunden zu haben, so erweist sich dies zumeist bloß als ein äffendes Trugbild.
Auch meine geliebte Schwester und ich dachten einst in unseren jungen Jahren, als wir beide liebliche Mädchen noch waren, die große, wahre Liebe müsse unser Leben verwandeln, mit himmlischer Macht und zauberischer Gewalt! Und so sehnten wir uns ihr entgegen, hoffnungsfroh und erwartungsvoll, und hielten Ausschau, ob denn der junge Märchenprinz nicht endlich käme, der unsere Herzen in Glück und Seligkeit verband!
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Kapitel Versöhnliches Ende
Mademoiselle Ariane saß, im Schein der Kerze, reglos in ihrem Zimmer und starrte aus dunkel verschleierten Augen auf ihre Hände nieder - ihre Finger krampften sich um ein goldenes Medaillon, dessen dünne Kette nun zerrissen war. Tränen liefen der jungen Frau über die Wangen, beständig und sacht, doch sie merkte es nicht. Oh, wie groß war doch ihr Schmerz, wie maßlos ihr Entsetzen! Ihre geliebten Eltern ein verbrecherisches Mörderpaar! Wer konnte solch schweren Schicksalsschlag bloß ertragen! Sie fühlte sich wie vom Blitz erschlagen, und es schien ihr, als wäre der Himmel über ihr zusammengestürzt.
Ein sachtes Pochen an der Türe ließ sie aufschrecken, schon öffnete sich diese, und der Comte de Liancour, ihr Verlobter, trat ein. „Ariane!“, sprach er leise und näherte sich der jungen Frau mit behutsamen Schritten, „mein geliebtes Herz! Ich bitte Euch, verzeiht mir, dass ich vorhin nicht zur Stelle war, als all das Schreckliche über Euch hereinbrach! Doch der Comte de Rochefort, den ich, als ich mich auf den Weg hierhermachen wollte, bei seiner Rückkehr in die Stadt traf, erkannte mich und bat mich dringend, ihn stehenden Fußes zu den beiden Chevaliers d`Herblay zu begleiten, um sie und zugleich auch mich von den furchtbaren Ereignissen zu unterrichten. Doch nun bin ich endlich hier, meine Liebste! Und ich will Euch, mein geliebtes Leben, niemals mehr verlassen!“
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