Die vier Musketiere von CorinnaB
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 4 BewertungenKapitel Ein Entschluss reift
Ein Entschluss reift
Wunderschönes ebenmäßiges Gesicht, dunkelbraune Augen, in denen man versinken konnte, blondes leicht gewelltes Haar, bis zur Schulter herabfallend.
Versonnen betrachtete Fabienne das Gemälde.
An wen erinnerte sie dieses Bild nur? „Saga de Valinar“ stand darunter geschrieben. Sie musste Monsieur d’Herblay unbedingt fragen, was es mit diesem geheimnisvollen Kunstwerk auf sich hatte.
Unsanft wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
„Wie kann man nur solch einen Wirbel veranstalten; und alles wegen einer Hochzeit?“ René ließ sich seufzend in den nächsten Sessel sinken. Seine Wangen besaßen einen rosigen Hauch und er war außer Atem. Den ganzen Tag wuselte die gesamte Familie d’Herblay herum und bereitete das bevorstehende Fest vor. Sie rückten Tische, stellten Stühle, dekorierten die Räume, putzten Pferde und Kutschen, und und und. Jeder auf dem Landsitz freute sich auf die bevorstehende Hochzeit des Ziehsohnes René und der bezaubernden Tochter des nicht weit entfernten Gestüts Fabienne de Jarjaye. Fabienne deutete auf das Gemälde „Wer ist das?“ fragte sie. Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Es sieht dir unheimlich ähnlich.“ René war skeptisch. „Naja, etwas zu perfekt für einen normalen Menschen. Außerdem habe ich kein blondes Haar, sondern braunes.“ Trotzdem. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Er studierte das Bild von Nahem. „Es ist von 1349. Es kann mir gar nicht ähnlich sehen. Da war ich noch nicht mal in der Planung.“ Grinste er, während er wieder zurückging. „Weißt du noch, wie wir uns kennen lernten?“ René zog Fabienne liebevoll zu sich. Sie lächelte:“ Ich kann mich da zaghaft an ein süßes Fohlen erinnern, welches einem jungen Mann hinterher lief. Immer wenn er uns besuchen kam, um die Pferde zuzureiten, klebte jenes schwarze Fohlen an seinen Fersen.“ „Nun ja, man muss noch erwähnen, dass jener junge Mann vor allem der hübschen Gestütstochter wegen kam.“ René küsste seiner Verlobten auf die Stirn. „Tja und dann war das Fohlen auf einmal weg…“ „Dein Onkel hatte genau den Moment abgepasst, an dem du kamst und das Fohlen zu euch nach Hause geführt, während wir dich ablenkten. Du wolltest trotzdem Chambeau zureiten und arbeiten.“ fiel Fabienne ihm lachend ins Wort. „Das war der traurigste sechzehnte Geburtstag, den ich erlebte. Ich kann mich gar nicht mehr an deine und deiner Eltern Ausreden erinnern, so abwesend war ich.“ sinnierte er. „Und dein einziger.“ René guckte irritiert. „wie…?“ „Na, bist du noch mal sechzehn geworden?“ Sie gluckste. Er drückte ihr schnell einen Kuss auf den Mund. „Als ich nach Hause kam, erzählte ich meinem Onkel sofort von dem traurigen Ereignis. Aber er sagte nur, ich solle mal in den Stall gehen. Die Pferde füttern. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich war, dass er so reagierte und ging los. Als ich an der letzten Box angekommen war, guckten mich zwei schwarze Augen an und mein Herz blieb vor Schreck stehen. Da war mein geliebtes Fohlen. Bei uns zu Hause. Ich glaube, so schnell bin ich noch nie zu euch gerannt. Ich habe nicht mal dran gedacht einfach ein Pferd zu satteln und rüber zu reiten, ich bin einfach losgerannt.“ Sie mussten lachen. „Als ich dich sah, deine Haare zerzaust, mit hochrotem Kopf, dachte ich erst, es sei etwas Fürchterliches passiert. Aber als du erzähltest, was los war, konnten wir uns gar nicht mehr halten vor lachen, nachdem wir dir den Plan unserer Eltern preisgaben.“ „An dem Abend merkte ich, dass ich über beide Ohren in dich verliebt war.“ René schaute in die Ferne. „Und irgendwie wurden wir unzertrennlich. Du, deine schwarze Stute und ich.“ Fabienne fuhr ihm durch die Haare. „Weißt du noch, wie wir sie getauft haben?“ „Wir haben sie an unseren See geführt und mit unseren Händen das Wasser über ihren Kopf geschüttet, weil wir nicht wussten, ob sie Wasser mag.“ „Hm, und sie stürmt in den See und planscht.“ René machte eine Bewegung, als ob er das Wasser abschütteln wollte, in das er hineingezogen wurde. „So wurde aus unserem kleinen schwarzen Fohlen eine edle Stute namens Fenena.“ Fabienne strich sich ihre langen dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und betrachtete ihren zukünftigen Ehemann. Immer wieder wurde ihr in solchen Situationen bewusst, welch ein Glück Gott ihr zuteil werden ließ, dass sie solch einen Mann ihren Verlobten nennen durfte. In seinen braunen Augen blitzten zugleich Sanftmut und Schalk und ließen sie jedes Mal in ihnen versinken. Mit seiner unendlichen Geduld und Geschicklichkeit schaffte er es, jedes Pferd zu Händeln. Auch Fenena hatte er selbst zugeritten. Die Stute gehorchte ihm im Schlaf und schien seine Gedanken zu ahnen. Sie liebte seinen Humor, jedoch auch seine Ernsthaftigkeit, Dinge anzugehen und durchzustehen. Sie liebte einfach alles an ihm.
Fabienne hatte gar nicht bemerkt, dass René sie mittlerweile ebenfalls musterte und schrak zurück, als sie seinem Blick begegnete. „Aus dem Land der Träume zurück?“ Ehe sie antworten konnte, war es mit der kurzen Ruhe vorbei. „Los, los, was sitzt ihr Turteltäubchen hier rum? Es gibt bald Essen. Morgen fangen die Feierlichkeiten an und wir wollen noch einmal alles durchgehen…“ Madame d’Herblay wollte die Beiden zu den Anderen in den Hof scheuchen, als Fabienne das Bild wieder einfiel. „Madame, wisst ihr, wer auf dem Gemälde dort portraitiert ist?“ Diese wurde sichtlich nervös. „Das weiß ich leider auch nicht genau. Angeblich eine Frau vom Volk der Valinar. Und jetzt raus mit euch.“ René wunderte sich über das Verhalten seiner Tante, merkte aber, dass Nachhaken keinen Sinn hatte.
„Deiner Tante war die Frage sichtlich unangenehm. Hast du das bemerkt?“ Fabiennes Neugier war geweckt. Ihr Verlobter nickte. „So habe ich sie bei einer eigentlich harmlosen Frage noch nicht erlebt.“
Er hob die Schultern. „Merkwürdig…“
René saß auf seinem Bett und dachte über das Gemälde nach. Warum war seine Tante so unhöflich geworden? Wer war das Volk der Valinar? Warum stand „Saga“ darunter geschrieben? Wenn es eine Sage war, weshalb reagierte sie so übertrieben? Er erinnerte sich, im Haus mal ein Buch gesehen zu haben, das von einem Elbenvolk handelte, welches Valinar genannt wurde. Da aber alle Elben ausgestorben waren, bzw. zu den grauen Anfurten geflüchtet waren, hatte es ihn nicht weiter interessiert. In dieser Welt gab es keine Elben mehr. Ihre Zeit war vorüber. Er schob diese Gedanken von die sich und wollte sich umziehen, als er Hufgeklapper hörte. Aus dem Fenster schauend, erkannte er seinen Bruder Pierre. Wo war er nur so spät noch gewesen? Na ja, er ritt öfter bei Sonnenuntergang über die Wiesen des Anwesens.
Er liebte seine Familie, auch wenn sie nicht seine leibliche Familie war. Seine Eltern kamen ums Leben, als René fünf Jahre alt wurde. So nahmen ihn sein Onkel und seine Tante bei sich auf. Ihr zwei Jahre älterer Sohn Pierre ist ihm sein bester Freund und wie ein Bruder. Und wird er auch immer sein, sagte sich René. Was hatten sie nicht alles zusammen erlebt. Viel Blödsinn hatten sie verzapft. Versucht auf Kühen und Schweinen zu reiten, bis sie es dann doch bei Pferden belassen haben. Im Dunkeln heimlich Verstecken gespielt und erst später gemerkt, dass das vermeintlich tolle Versteck irgendwie von Ameisen bevölkert wurde. Oder einmal hatte sich Pierre auf den Sattel seines Pferdes gestellt und sich auf einen Ast geschwungen. Oben angekommen war der Abstand zum Boden dann doch höher als angenommen. Das war ein Akt, ihn wieder runter zu holen…
Auf einmal hörte René den Tumult. Sofort auf den Beinen rannte er nach unten. Was er sah, beunruhigte ihn. Pierre diskutierte mit einem uniformierten Gardisten des Kardinals. Sein Onkel war nicht zu sehen und seine Tante flüchtete mit den Hausmädchen in die obere Etage. Das sah nach Ärger aus. Er stellte sich zu seinem Bruder. „Was ist denn los?“ „Sie wollen unbedingt wissen, wo Fabienne und ihre Eltern sind. Dringende Nachrichten. Angeblich wären sie auf ihrem Gestüt gewesen, hätten aber niemanden vorgefunden.“ Pierre war genauso nervös wie René. „Jetzt denken die Soldaten, die Familie de Jarjaye wäre bei uns. Schließlich ist die Hochzeit und bevorstehende Zusammenführung der beiden Familien kein Geheimnis mehr.“
René schüttelte den Kopf. „Sie haben ihren Hof allein gelassen? Die Pferde? Das glaube ich nicht. Nicht freiwillig.“ Sie schauten sich an. „Ich reite sofort hin.“ René lief zum Stall. Ohne Sattel, nur mit Halfter ritt er davon.
Auf dem Gestüt seiner Verlobten angekommen, erschrak er. Es war zu ruhig. Kein Diener, keine Personen waren zu sehen. Nun, es war Nacht und die Bewohner könnten schlafen. Es waren jedoch nicht einmal die Hunde zu sehen. Und die begrüßten sonst jeden Besucher mit freudigem Gebelle. René merkte, wie er anfing zu zittern, als er in das Herrenhaus eintrat. Alles war still … „Totenstille“ dachte er unwillkürlich. Seine rechte Hand legte sich um den Griff seines Degens. In der Linken umklammerte er den Dolch. Langsam schlich er weiter, immer in Angst ein Geräusch zu verursachen und sich zu verraten. „Wem soll ich mich denn verraten?“ fragte er sich. „Es ist doch niemand hier.“
Aber er fühlte, dass er Unrecht hatte.
Plötzlich stieß er gegen einen Widerstand. Was er sah, ließ ihn zurück taumeln. Vor ihm lag der geliebte Hund Fabiennes. Sein schwarzes Fell war Blutüberströmt. An seiner Kehle klaffte eine große Wunde, wie von einem Degenstreich. Die Augen des treuen Tieres waren weit aufgerissen. René schluckte. Dieser einst so verspielte Hund hatte wohl versucht seine Herren zu verteidigen… „Mein Gott, was ist hier nur vorgegangen?“
Er tastete sich vorwärts.
Hier unten war niemand…
Da! War das nicht ein wimmern?
Er folgte dem Geräusch und fand eines der Hausmädchen hinter einer Truhe versteckt. Als diese ihn sah, schluchzte sie auf und stolperte in seine Arme. „Oh Chavalier d’Herblay! Ich bin so froh euch zu sehen… Sie sind einfach über uns hergefallen... Madame de Jarjaye hat sich mit uns in den oberen Etagen versteckt, doch sie haben uns gefunden… Madame de Jarjaye rief uns zu, wir sollen wegrennen. Wir haben es versucht, wir hatten solche Angst…aber sie haben auf uns geschossen… Zwei sind entkommen, die Anderen haben sie erschossen. Ich hatte mich hier verschanzt.“ Sie zitterte am ganzen Körper, als sie die grausamen Momente noch einmal durchlebte. „Wir waren mit Essen fertig, als die Garde des Kardinals hereinstürmte. Als sie Graf de de Jarjaye entdeckten nahmen sie ihn mit. Ich weiß nicht, was sie mit ihm vorhaben.“ Nun weinte das Mädchen hemmungslos. René nahm sie behutsam in die Arme. Nach einer Weile fragte er: „Wo sind Fabienne und ihre Mutter?“ angespannt wartete er auf die Antwort. „Sie sind nicht mit runter gekommen.“ Ängstlich starrte sie die Treppe hinauf. Wohl wissend was diese Antwort bedeutete. „Es tut mir so Leid…“
Aber das hörte René schon nicht mehr, als er die Treppe nach oben zu den Schlafgemächern stürmte.
Vor der Tür seiner Verlobten blieb er stehen. Zögernd streckte er die Hand aus. Entschlossen stieß er sie auf und…
Das Zimmer war leer.
In einem ersten Anflug von Erleichterung seufzte René auf.
Langsam ging er weiter und stoppte vor dem Gemach seiner zukünftigen Schwiegermutter.
Er wusste nicht, was er erwartet hatte, jedoch nicht ein solches Blutbad.
Madame de Jarjaye wurde regelrecht hingerichtet. Sie war mit unzähligen Messerstichen übersät.
Seine Augen suchten Fabienne.
Sie lag in ihrem Bett und schien zu schlafen. Ihr Gesicht war unversehrt, die Decke lag bis zur Brust gezogen. Freudig eilte er zu ihr und schloss sie in seine Arme, als ihm auffiel, wie blas seine Liebste war. Besorgt zog er sie näher zu sich, wodurch die Decke verrutschte.
Ihm stockte der Atem.
Die Kugel hatte wohl ihr Herz getroffen. Eine einzige wohlplazierte Kugel.
Er drückte sie schluchzend an sich und merkte, dass sie noch atmete. „René…“ es war nur noch ein Flüstern. „Schweig bitte. Ich bringe dich zu einem Arzt. Du schaffst das…“ Sie schüttelte den Kopf. „Die Männer des Kardinals, sie haben meine Familie getötet…“ Sie hustete. René wollte das nicht hören. „Wir…“ „Ich werde dich immer lieben. Wir werden uns in einer anderen Welt wieder sehen. Ich weiß es. Ich werde auf dich warten. Bitte, ich flehe dich an, kämpfe für das Recht und finde die Übeltäter. Bitte folge mir nicht nach, denn sonst sehen wir uns nie wieder…“René wusste, dass sie Angst hatte, er würde sich selbst umbringen und dafür in die Hölle müssen. „Er küsste sie, Tränen rannen seine Wangen hinab. „Ich verspreche dir, alles was ich tue, geschieht für dich. Ich liebe dich.“ Hier saß er nun, dabei, das Liebste, was er hatte für immer zu verlieren. „Bitte geh nicht von mir. Verlass mich nicht. Ich brauche dich doch…“ Er blieb noch lange. Er hielt ihre Hand, als ihr Atem schwächer wurde. Als ihre Atemzüge noch seltener wurden, flüsterte er: „Ich liebe dich.“ Er küsste ihren Mund.
Er hielt sie immer noch in den Armen, als ihr Atem still wurde und ihr Herz aufhörte zu schlagen.
Er hatte nur noch einen Gedanken.
Rache
Kapitel René d'Herblay wird Musketier
René d’Herblay wird Musketier
Während er über die Wiesen galoppierte, musste er immer an die Bestürzung seiner Tante denken, als er ihnen seinen Entschluss mitteilte. „Musketier zu werden, ist aller Ehren wert.“ Lobte ihn sein Onkel. „Wir hatten doch eher auf eine kirchliche Laufbahn gehofft, aber…“ Madame d’Herblay seufzte. „Du lässt dich ja doch nicht von deinem Plan abbringen.“ meinte Pierre. René schüttelte den Kopf. „Mein Entschluss steht fest. Es war ihr letzter Wunsch.“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. Langsam wunderte es ihn, dass er überhaupt noch welche hatte.
Monsieur d’Herblay umarmte seinen geliebten Sohn. „Nun denn, folge deiner Bestimmung. Gott wird dich leiten.“
So hatte er seine bequemste aber doch edle Kleidung angelegt und Fenena gesattelt.
Er kümmerte sich stets selbst um sie. Kein Stallbursche durfte seine wertvolle Stute anfassen.
Bevor er in die Stadt hineinritt, sammelte er noch einmal seine Gedanken. Den Brief seines Onkels an Monsier Treville, welcher ein angeheirateter Verwandter war, steckte sicher in seiner Tasche.
Fenena stand abgesattelt am Bach und schlürfte das frische Wasser, während René etwas Abseits an einen Baum lehnte.
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als zwei Männer vor ihm standen, die wie aus dem Nichts gekommen zu sein schienen.
„Was macht ein so hübscher Jüngling hier ganz allein vor Paris?“ René musterte seinen Gegenüber, welcher von kräftiger Gestalt war. „Er hat vor dem Corps der Musketiere beizutreten.“ Die Männer grinsten. „Kann denn eine solch zarte Gestalt überhaupt kämpfen?“ „Kann er…“ René wollte auffahren. „Schon gut.“ Beschwichtigte der Andere. Jener war edler Abstammung und offenbar gewohnt in korrekter Haltung vor Männern zu stehen. Seine dunklen Haare fielen glatt auf die Schultern. „Das Pferd, was wollt ihr dafür haben.“ Unwillkürlich sprach er René als Person der Oberschicht an. Der Erste blinzelte verwundert zu seinem Kameraden. Dieser war verwundert über sich selbst, war aber ob der Anmut und Eleganz des jungen Burschen überzeugt, einen Adligen vor sich zu haben. „Das Pferd ist nicht zu verkaufen. Solch einen Preis könntet ihr nicht mal in euren kühnsten Träumen aufbringen.“ René schaute die beiden Männer wütend an. „Lasst mich durch, ich muss weiter.“ Er ging zu seiner Stute, sattelte sie und wollte aufsteigen. „Ihr wisst, dass ihr andernorts jetzt entweder Tod wäret, oder in einem Duell euer Leben verteidigen müsstet.“ René schaute dem edlen Mann genau in die Augen. „Ja.“ sprach, stieg auf und war verschwunden.
Der Kräftige gluckste: „Hast du so was schon gesehen? Von dem Knaben kann man wohl kaum sagen, er hätte keinen Mut! “ Der Größere starrte fasziniert hinter unserem jungen Freund her. „Diese Augen…Wer war das?“ Sein älterer Kamerad fuhr sich durch seine spärliche Haarpracht.
„Solch eine Erscheinung ist mir bisher in Paris noch nicht über den Weg gelaufen.“ Der Jüngere Mann strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich glaube, wir werden uns wieder sehen. Nein, ich bin mir sicher.“
René d’Herblay war inzwischen in Paris angekommen und ritt durch die Gassen. Neugierig betrachtete er seine Umgebung. „Hier werde ich also in den nächsten Jahren leben.“ Murmelte er vor sich hin.
Auch er wurde von den Menschen in Paris begutachtet. Es war nicht alltäglich ein solch schönes Paar durch die Straßen reiten zu sehen. Bewundernd blieben die Leute stehen. Die Einen wegen des herrlichen Tieres, die Damen mehr von der Anmut seines Reiters angezogen.
René ritt mit Bedacht und langsam und lächelte ab und an herunter, was ihm die Sympathie der Menschen einbrachte. Zu oft erlebten sie Adlige, die auf ihren Pferden, oder in ihren Kutschen die Straßen daher gerast kamen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Manchmal blieb ihnen nur der rettende Sprung an den Rand, weil es die Adligen nicht scherte, wer oder was im Weg war.
Schließlich kam er zu dem Hauptquartier der Musketiere. Nachdem er Fenena abgesattelt und dafür gesorgt hatte, dass sie frisches Wasser bekam, nahm er seinen Brief und machte sich auf, Monsieur Treville zu suchen.
Unterwegs kamen ihm Musketiere entgegen, manche hatten es eilig, andere schlenderten durch die Flure. Doch trotz ihrer Beschäftigkeit wurden sie auf die Person aufmerksam, welche suchend durch die Gänge irrte.
Schließlich fand er das Zimmer des Hauptmanns.
Nachdem er angeklopft hatte und von drinnen ein kräftiges „Ja bitte“ ertönte, trat er ein.
Monsieur Treville sog leise die Luft ein, als er erkannte, wer den Raum betrat. `Nun hat es also begonnen.’ „Tretet ein.“ begrüßte er seinen Besucher laut. „Was führt euch zu mir?“ „Guten Tag, Monsieur. Mein Name ist Chevalier René d’Herblay. Mein Anliegen ist es Musketier des Königs zu werden. Mit diesem Empfehlungsschreiben meines Onkels, Monsieur Richard d’Herblay machte ich mich auf den Weg, um mich vorzustellen.“ Noch immer in den Anblick des jungen Mannes vertieft nahm der Hauptmann den versiegelten Brief entgegen. Nachdem er gelesen hatte, forderte er René auf ihm zu folgen.
Auf dem Übungsplatz der Musketiere zog er seinen Degen. „Nun, dann zeig mir mal, ob du würdig bist in den Corps der Musketiere aufgenommen zu werden.“
Schnell hatten sich neugierige Musketiere um die beiden versammelt Es war immer interessant einen Bewerber beim ersten Duell zu bewerten. „Unser Hauptmann kämpft persönlich gegen den Neuen.“ „Woher weißt du, dass er angenommen ist?“ fragte ein Blonder. „Monsieur Treville kämpft nur gegen Gegner, von denen er sich sicher ist, dass sie bestehen.“ Antwortete der Gefragte.
Es ging los. Anfänglich noch zögernd, sich bewusst seiend, wem er gegenüber stand, wurden Renés Paraden immer sicherer. Immer wieder brachte er den Hauptmann durch geniale Attacken ins Schleudern.
Trotz allem focht er mit einer Eleganz und Besonnenheit, die die Umstehenden ein ums andere Mal anerkennend nicken ließ.
Natürlich konnte René nicht wissen, dass auch unsere beiden Kameraden von vorhin staunend zuschauten. „Er setzt unserem Hauptmann ja ganz schön zu.“ Grinste der Kräftige. Sein Freund pflichtete ihm überrascht bei. „Ich hätte nicht gedacht, dass er so hervorragend Fechten kann.“
Nun erreichte der Kampf seinen Höhepunkt. Monsieur Treville griff René in einer irren Geschwindigkeit an, so dass dieser sich nur durch eine Drehung zur Seite retten konnte. Gleichzeitig kniete er sich mit einem Knie auf die Erde, was ihn scheinbar verwundbar machte. Der Hauptmann drehte sich blitzschnell um und wollte René von hinten angreifen. Doch dieser, immer noch kniend, richtete seinen Oberkörper auf und drehte seine rechte Hand so nach innen, das er seinen Degen unter seiner rechten Achsel hindurch schieben konnte. Dann streckte er den Arm nach hinten, womit plötzlich eine tödliche Spitze in die Luft ragte.
Die Musketiere hielten den Atem an. Damit hatte keiner gerechnet. Auch sein Gegner nicht. Er versuchte noch zu stoppen, hatte aber keine Chance mehr… als es auf einmal klirrte.
Alle guckten gebannt zu den Beiden Kämpfenden.
René hatte seinen Degen fallen lassen, als er merkte, dass Monsier Treville keine Möglichkeit mehr hatte auszuweichen. Er rollte sich zur Seite, um den Hauptmann den Weg frei zu machen.
Es war Totenstille. „Alle Achtung junger Mann. In einem richtigen Duell hättet ihr euren Gegner in die Degenspitze laufen lassen. Er hätte keine Chance gehabt zu reagieren. Ihr habt mich besiegt.“
Begeistert applaudierten die Umstehenden. Auch unsere beiden Freunde waren sprachlos. „Monsieur Treville ist einer der besten Fechtmeister im Land. Wo hat dieser Jüngling nur Fechten gelernt?“
Am nächsten Tag wurden die Männer verlesen, welche neu in den Corps der Musketiere aufgenommen wurden.
Als Monsieur Monay, er war Stellvertretender Hauptmann, fertig gelesen hatte trat Monsieur Treville vor.
„Mir wird heute die Ehre zuteil einen jungen Mann in den Corps der Musketiere aufzunehmen, welcher es als erster Bewerber geschafft hat mich zu besiegen.“
Ein Raunen ging durch die Menge.
„Sein Name ist Chevalier René d’Herblay. Er ist ein genialer Fechtkünstler. Es ist uns eine Ehre, ihn einen Musketier nennen zu dürfen.“ Er ging zu seinem neuen Schützling, holte ihn auf das Podest und reichte ihm die Hand. „Ab jetzt werdet ihr alles was ihr tut, im Namen des Königs ausführen. Ihr seid nun ein Musketier und werdet von diesem Tag an den Namen Aramis tragen.“
Da stand er nun. Strahlend schön, seinem Ziel von Vergeltung einen großen Schritt näher. Überglücklich wandte er sich dem Hauptmann zu. „Vielen Dank. Es ist mir eine Ehre unter Euch dienen zu dürfen.“
Treville nickte. „Seid jedoch wachsam. Es gibt viele Menschen, die auf euch neidisch sein werden. Seid immer auf der Hut vor dem Bösen.“ flüsterte er Aramis ins Ohr. Laut rief er: „Athos, Portos, meine besten Männer, nehmt euch des jungen Musketiers an. Er wird eure Hilfe sicher brauchen.“
Man kann sich vorstellen, wie überrascht unser René war, als er die beiden Herannahenden erkannte. Der edle Mann verbeugte sich. „Mein Name ist Athos. Und das ist Portos.“ Er deutete auf seinen kräftigen Freund. „So ist es unser Schicksal, dass wir uns noch mal begegnen.“
Kapitel Unsere Helden werden komplett
Unsere Helden werden komplett
Athos, Portos und unser neuer Musketier Aramis schlenderten durch die Gassen von Paris auf der Suche nach einem Zimmer. „Seht mal, hier kann man auf die Seine gucken. Vielleicht finden wir hier ein Zimmer.“ Aramis schaute sich um. „Kommt.“ Schon war er in der nächsten Kneipe verschwunden. „Was, hat er jetzt etwa Hunger?“ Athos klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Nicht immer von dir auf Andere schließen.“ Sie beeilten sich Aramis zu folgen. Der Wirt erkannte Athos und Portos und begrüßte die drei herzlich. „Unser Freund sucht eine Bleibe.“ Athos deutete auf Aramis. „Könnt ihr uns jemanden empfehlen?“ Der Angesprochene musterte unseren Musketier. „Mein Name ist René d’Herblay. Ich bin ein ehrbarer Mann.“ Er wurde langsam ungeduldig. Der Wirt überlegte. Einerseits glaubte er in unserem Freund aufgrund seines hübschen Äußeren einem Weiberhelden gegenüber zu stehen, andererseits schätzte er Athos sehr und konnte sich nicht vorstellen, dass Athos so jemanden als Freund bezeichnen würde. Außerdem schien er nicht arm zu sein. „Ich glaube Monsieur Gironde hat noch Zimmer frei. Aber ich glaube nicht, dass er sehr mit wechselnden Frauenbesuch einverstanden wäre.“ Er versuchte eine Regung in Aramis Blick zu erkennen. „Danke, wie finde ich das Haus?“ Nachdem sie den Weg wussten, verließen sie das Gasthaus. „Was glaubt er eigentlich, wen er vor sich hatte? Wechselnde Frauen…?“ Aramis Augen blitzten Athos an, welcher überrascht von Aramis Ausbruch stehen blieb. „Er meinte es nicht so. Er hat nur deine Erscheinung gesehen und für ihn logische Schlussfolgerungen getroffen.“ „Dann ist er ein dummer Mensch.“ Ereiferte sich Aramis. „Jemanden nur nach seinem Äußeren zu urteilen.“ Portos mischte sich ein. „Du kannst dich sicher nicht beklagen, was das weibliche Geschlecht angeht. Wie viele Frauen hattest du schon. 10? 20?“ Er grinste Aramis an. „Eine.“ Antwortete dieser leise. Betroffen sahen sich Athos und Portos an. Jetzt waren sie wohl zu weit gegangen. Schnell liefen sie hinter ihm her. „Es tut mir leid.“ Schnaufte Portos. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ Aramis blickte ihn mit einem wehmütigen Ausdruck in den Augen an. „Schon gut.“ Er deutete auf ein schönes großes Haus. „Hier muss es sein.“ Athos klopfte. Ein stattlicher Herr, älteren Jahrgangs öffnete die Tür. „Sie wünschen?“ „Bonjour, Monsieur Gironde. Der Wirt des Gasthauses „La bone Chantal“ Monsieur Limaine sagte uns, dass ihr noch ein Zimmer frei hättet. Mein Freund hier sucht nämlich eines.“ Wieder wurde Aramis gemustert. Diesmal schien sein Betrachter allerdings angetan. „So kommt doch herein meine Herren.“ Durch eine eindrucksvolle Halle ging es in einen kleinen Wohnbereich. „Setzt euch Monsieur Athos.“ Aramis fiel verwundert auf, dass sich Athos gar nicht vorgestellt hatte. Und trotzdem wusste dieser Mann dessen Name. Später darauf angesprochen meinte Athos: „Es ist manchmal von Vorteil einer der besten Musketiere des Königs zu sein. Da genießt man durchaus gewisse Privilegien“ Zurück zu unseren Freunden. „Ihr sucht also ein Zimmer… Monsieur…“ „Aramis“ antwortete dieser. „Hm. Ich hätte da eins. Aber ob ihr es bezahlen könnt…?“ „Ich bin ein d’Herblay. Ich denke über den Preis kann man einig werden.“ „Nun gut, sagen wir 20 Taler im Monat. Und keine Frauenbesuche.“ Aramis verdrehte die Augen. Bevor er jedoch antworten konnte, runzelte Athos die Stirn. „Das ist nun wahrlich etwas viel. 15 Taler im Monat wären angemessen.“ „20 Taler und keinen weniger.“ Aramis legte dem Herrn einen kleinen Lederbeutel auf den Tisch. „17 Taler und einen Monat im Voraus.“ Athos warf ihm einen überraschten Blick zu. Auch Monsieur Gironde blinzelte auf den vor ihm liegenden Beutel. „Ihr versteht es Geschäfte zu Ende zu bringen.“ Meinte er. „Kommt ich zeige euch euer Zimmer, Monsieur Aramis.“ Triumphierend grinste dieser seine beiden Kameraden an und folgte seinem neuen Hausherren.
Als sie das Zimmer betraten, waren alle drei sehr erfreut. Es war sehr groß und hell. Vor allem hatte man einen wunderschönen Blick auf die Seine. Es gab sogar ein angrenzendes, mit einer Tür verbundenes Badezimmer. „Das gefällt mir sehr gut. Für wie lange kann ich hier wohnen bleiben?“ fragte Aramis. „Solange ihr wollt.“
Und so sollte Aramis seinen Ersatzvater gefunden haben.
Es waren einige Wochen ins Land gegangen.
Aramis lebte sich sehr gut ein und hatte innige Freundschaft mit Athos geschlossen.
Eines Abends saß er am Fenster, betrachtete die Seine und hing seinen Gedanken nach, als es klopfte. „Aramis? Athos ist gekommen.“ Verwundert drehte er sich um. Mit so spätem Besuch hatte er nicht mehr gerechnet.
Nachdem die beiden Freunde sich umarmt und begrüßt hatten, bot Aramis Athos einen Platz an und setzte sich wieder ans Fenster. „Was ist los mit dir?“ Athos musterte seinen Freund besorgt. In den letzten Tagen war Aramis noch stiller als sonst. Dieser reagierte nicht. „Aramis…“ Athos legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich vermisse meinen Onkel, meine Tante, meine Heimat. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir doch so schwer fallen würde, sie zu vergessen.“ Aramis sah Athos an. Der musste sich regelrecht dazu zwingen, seinen Blick von Aramis Augen loszusagen. Noch nie hatte ihn ein Mensch so fasziniert wie dieser neue Musketier. „Du sollst deine Familie nicht vergessen. Sie werden immer einen Platz in deinem Herzen haben. Aber dies hier ist dein neues Leben. Behalte das Vergangene in guter Erinnerung, aber lasse sie los. Wenn du dem König ein guter Musketier sein willst, darfst du dich nicht von alten Gefühlen überwältigen lassen. Sonst wirst du verletzlich. Sehe mit festen Mut und Glauben deinen neuen Aufgaben entgegen. Und du wirst bestehen“
Athos setzte sich wieder.
„Danke“ Aramis wusste, dass sein Freund Recht hatte. Aber er konnte sie einfach nicht loslassen… Nicht Fabienne…
„Warum bist du eigentlich Musketier geworden?“
Aramis stockte.
Da war sie.
Die Frage, vor der er die ganze Zeit Angst hatte.
Angst dass sie ihm gestellt wurde und er noch einmal alles durchleben müsse.
Athos spürte, dass er einen schlimmen Punkt in der Vergangenheit seines jungen Kameraden getroffen haben musste.
„Du musst es mir nicht erzählen.“
Aramis schnappte nach Luft.
Nachdem er tief durchgeatmet hatte sagte er: „Eines Tages werde ich bereit sein dir zu erzählen, warum ich nach Paris aufgebrochen bin.“
Er wusste, dass er es jetzt noch nicht war.
Einige Wochen später ritt ein junger Gascogner auf einem derart komischen Klepper durch Paris, dass sich die Menschen über das Paar amüsierten. Jenes Pferd war ein Falbe, 13 Jahre alt und mit 15 Taler das Einzige, was des Reiters Vater diesem auf seinen Weg mitgeben konnte.
Der Reiter war ein sehr junger Mann von ca. 18 Jahren mit langen dunklen Haaren, welcher (wie damals unser junger hübscher Freund d’Herblay) auf dem weg zu Monsieur Treville war. Auch er hatte ein Schreiben seines Vaters einstecken.
Nachdem er sein Pferd nahe des Hauptquartiers der Musketiere untergestellt hatte, machte er sich zu Fuß auf den Weg, Paris zu erkunden.
Schließlich kam er auf einen Markt.
Nach einer Weile bemerkte er die Unruhe vor ihm. Neugierig ging er näher. Er sah einen kleinen Jungen, der einen Laib Brot in den Händen hielt und weinte. Ein Adliger hielt ihn am Arm. „Du wolltest das Brot stehlen. Dafür musst du bestraft werden. Eine Tracht Prügel wäre angebracht.“ „Ich wollte es für meine Mutter und meine Geschwister. Wir hatten seid Tagen kein Brot mehr.“ Schluchzte der Knabe, inzwischen von dem Mann losgelassen. Das schien dem Adligen egal zu sein. Er hob die Reitpeitsche und wollte auf den Jungen einschlagen, als die Menge plötzlich zurückwich. Auch unser Gascogner hielt den Atem an, als er den jungen Mann wahrnahm. Dieser stellte sich zwischen den Jungen und den rasenden Adligen. „Nehmt sofort die Peitsche runter, Comte de Lorge.“ Trotz der angespannten Haltung strahlte seine Stimme eine unglaubliche Ruhe und Sanftheit aus. Automatisch ließ der Angesprochene die Hand sinken. „Chevalier d’Herblay. Ihr in Paris?“Sie schienen sich zu kennen. Der Comte wandte sich wieder dem Jungen zu, der sich zitternd hinter seinem Retter versteckte. „Diese Bauerntölpel müssen bestraft werden.“ Dennoch blieb er an seinem Platz stehen, als er dem entschlossenen Blick seines Gegenübers begegnete. „Bevor ihr ein wehrloses kleines Kind schlagt, müsst ihr es mit mir aufnehmen.“ Der Hinzugetretene zog seinen Degen. Eben noch aufgebracht, wurde der Comte nun bleich. „Ihr stellt euch auf die Seite des einfachen Volkes und gegen Euresgleichen?“ Anmutig schüttelte sein Gegner den Kopf. „Ich stelle mich auf die Seite der Gerechtigkeit. Und es ist Unrecht einen wehrlosen Menschen zu schlagen. Ganz gleich, welchem Stand er angehört.“ „Ihr wisst, dass in Paris Duelle verboten sind.“ „Ich gehe auch nicht davon aus, dass ihr eines anstrebt.“ Unser Gascogner konnte den Blick nicht von dieser Szenerie lassen. Wie alt mochte dieser junge Chevalier sein, dass er sich so wagemutig einem offensichtlich Erfahrenen und wütenden Comte entgegen stellte. Von seiner Gestalt wirkte er eher zerbrechlich, als dass er ein guter Fechter wäre. Seine Ausstrahlung jedoch wirkte auf den Gascogner fast überirdisch. Sein Gegner hatte schlicht und einfach vergessen, dass er eigentlich Kämpfen wollte. So drehte er sich wütend um und ritt davon. Der kleine Junge klammerte sich noch immer an seinen Schutzengel. Dieser hockte sich vor den Jungen und gab ihm ein Geldstück. „Jetzt kannst du das Brot bezahlen. Aber sei auf der Hut. Stehle nie wieder etwas. Nicht immer hast du Glück und kommst ungeschoren davon.“ Der Kleine nickte. „Vielen Dank, Monsieur, ich werde euch auf ewig zu Dank verpflichtet sein.“
„Verdammt, er wird immer beliebter. Das wird Kardinal Richelieu nicht gefallen.“ Zwei Gardisten des Kardinals schlichen sich ebenfalls vom Markt.
Und auch unser junger Gascogner verließ den Marktplatz. Noch ganz benommen von dem eben Gesehenen wurde ihm eins bewusst. Diesen jungen Chevalier würde er wahrscheinlich nie wieder vergessen.
Inzwischen war der Gascogner im Hauptquartier der Musketiere gewesen und hatte sich bei Monsieur de Treville vorgestellt.
Nach dem Probeduell mit einem Musketier, welches der Bewerber mehr durch Wahnsinn denn durch Verstand gewann, hieß es Warten.
Jetzt war es an ihm sich durch weitere Taten als würdiger Musketier zu erweisen.
Am gleichen Abend spazierte unser Gascogner durch das nächtliche Paris, um von der Kneipe in sein Zimmer zu gelangen, als er von irgendwoher Stimmen vernahm. Nicht darauf achtend lief er weiter, als er Gesprächsfetzen aufschnappte. „Der Kardinal hat es befohlen. Willst du dich gegen einen Befehl des Kardinals stellen?“ „Nein, aber ich möchte auch nicht gegen den besten Mann der Musketiere kämpfen und mein Leben hinwerfen.“ „Du sollst auch nicht kämpfen. Wir greifen ihn aus dem Hinterhalt an und betäuben ihn mit dem Mittel, das wir vom Kardinal bekommen haben.“ zischte der Erste. „Du denkst doch nicht, dass das so einfach wäre. Er weiß sich zu wehren.“ Jammerte der Andere. „Mann, reiß dich zusammen. Wenn wir ihn im Dunkeln vor seiner Wohnung auflauern und ihn sofort angreifen, hat er keine große Chance sich zu wehren. Und jetzt geh nach Hause. Wir treffen uns morgen um die Zeit vor Aramis Wohnung.“ Die Zwielichten Gestalten entfernten sich.
Unser unfreiwilliger Zuhörer war noch erstarrt vor Schreck. Hatte er doch eine geplante Entführung mit angehört, konnte sie aber nicht verhindern, da er nicht wusste, um wen es sich handelte.
In seinem Zimmer angekommen ging er noch mal das mitgehörte durch. „Kardinal Richelieu… betäuben… Musketier… genau! Sein Name war Aramis.“ Er sprang auf. „Das ist es. Ich gehe morgen zu den Musketieren aufs Übungsgelände und versuche herauszufinden, wer dieser Aramis ist.“
Vor Aufregung konnte er die Nacht kaum schlafen. Inständigst hoffte er, diese Entführung vereiteln zu können.
Am nächsten Morgen war er früh auf den Beinen und begab sich zum Hauptquartier der Musketiere. Er stürmte zu dem Zimmer von Monsieur Treville und trommelte gegen die Tür. Mit einem Ruck wurde die Tür aufgerissen. „Wer macht denn hier so …ach! Monsieur D’Artagnan. Was…“ „Gibt es hier bei den Musketieren einen Aramis?“ Verwundert stutzte der Hauptmann. „Aber ja, den gibt es. Was…?“ „Danke!“ Schon stürmte unser Gascogner den Flur entlang und die Treppe hinunter. In seiner Eile polterte er ziemlich unsanft mit einem Musketier zusammen, der einen nicht sehr gnädigen Fluch ausstieß. „Entschuldigung, ich bin in Eile.“ „Dann solltet ihr eure Augen dorthin richten, wohin ihr zu Laufen gedenkt und nicht auf den Boden.“ D’Artagnan stammelte etwas vor sich hin. „Wohin denn so eilig?“ Der Kräftige Mann, den wir bereits als Portos kennen lernten, stellte sich ihm in den Weg. „Eine Entführung verhindern.“ Weg war er. Verwundert blickten Portos und der hinzugekommene Athos hinter der davon eilenden Gestalt her. „Was war das?“ Athos guckte Portos belustigt an. „Keine Ahnung. Er will eine Entführung verhindern.“ Er kratzte sich am Kopf. „Wahrscheinlich die seiner Liebsten von deren eifersüchtigen Ehemann.“ Lachend lehnten sie sich aus dem Fenster und sahen den Grund ihrer Belustigung davon rennen.
Am Tor des Hauptquartiers blieb D’Artagnan stehen und überlegte, wieso er eigentlich weggerannt war, obwohl er mittlerweile ein halbes Dutzend Musketiere hätte fragen können, wer Aramis ist.
Mittlerweile war Aramis zu den beiden noch flachsenden Freunden gestoßen. Als sie ihn sahen, wurden sie allerdings sofort todernst. Aramis hielt sich die linke Schulter. Durch seine Finger sickerte Blut und er wankte bedenklich. „Mein Gott, was ist passiert?“ Athos stützte seinen in die Knie sackenden Freund . „Da waren zwei Männer… Sie gehörten zur Garde des Kardinals.“ Inzwischen kam auch Treville herbei, der von Portos geholt wurde. „Einer griff ohne Grund an. Als ich mich verteidigte, kam der Andere von hinten.“ Aramis lehnte sich erschöpft an die Wand. „Ruft einen Arzt.“ Treville schickte einen vorbei kommenden Musketier. „Er verliert zu viel Blut.“ Aramis wurde schwindlig. „Irgendwie passte ich nicht auf und der Erste stieß mir seinen Degen in die Schulter. Allerdings konnte ich den Anderen töten. Der, der mich verwundete ist entkommen.“ Er schaute auf seine blutige Hand. „Die Wunde scheint doch ziemlich tief zu sein.“ Aramis zuckte vor Schmerz zusammen, als Athos sich die Wunde näher anschaute.
Seine Freunde begleiteten ihn ins Krankenzimmer. Der Arzt gab Aramis ein schmerzstillendes Mittel, so dass dieser einschlafen konnte und sah besorgt zu Treville. „Was ist an ihm, das die Männer des Kardinals Befehl erhalten ihn auf offener Straße ohne Grund zu töten.“ Die Drei erwiderten seinen Blick erschrocken. „Wenn sie es gekonnt hätten, hätten des Kardinals Gardisten Aramis getötet.“ Der Arzt sah Treville in die Augen. „Ihr wisst es genauso gut wie ich.“ Betroffenes Schweigen. Athos betrachtete seinen verletzten Freund. So wie er da lag, so friedlich. Etwas umgab ihn. Es war, als befände sich eine unsichtbare Aura um Aramis, die ihn beim Kampf behütet hatte und die ihn auch in diesem Moment behütete. Natürlich war es Unsinn. Aber Athos konnte sich dieser Vorstellung nicht entledigen.
Inzwischen hatte D’Artagnan (von der ganzen Aufregung im Hauptquartier nichts mitbekommen) herausgefunden, wo die Wohnung dieses Aramis lag.
Also legte er sich die ganze Nacht auf die Lauer, immer bereit, der aus der Tür kommenden Person zu Hilfe zu eilen.
Er konnte ja nicht wissen, dass dort in den nächsten Stunden niemand herauskam, der seiner eher spärlichen Beschreibung entsprach. Er wusste nur: Ein junger hübscher Bursche sollte er sein, dieser Aramis. Das traf wahrscheinlich auf mehrere Pariser Bewohner zu, dachte D’Artagnan resignierend. Also ging er am nächsten Vormittag nach Hause und holte den fehlenden Schlaf nach.
Nach zwei Tagen erhielt er Nachricht von Treville, dieser wolle ihn sprechen. Da unser Freund dachte, es handle sich um die Ernennung zum Musketier, hatte er es unheimlich eilig ins Hauptquartier zu kommen.
Doch Treville hatte eine ganz andere Sache auf dem Herzen. In dem Zimmer des Hauptmanns befanden sich noch zwei weitere Männer. „D’Artagnan. Schön, dass ihr so schnell hier sein konntet. Es gibt ein Problem.“ D’Artagnan strich sich eine dunkle Strähne aus seinem kantigen Gesicht. „Ihre Majestät der König hat morgen Mittag eine Kundgebung auf dem Marktplatz anberaumt. Normalerweise schicke ich nur meine besten Männer zu solch Personenbezogenen Aufträgen. Leider ist mein bester Musketier noch nicht voll einsatzfähig. Er wird aber aufgrund seiner Gabe der Vermittlung präsent sein. Daher brauche ich einen zusätzlichen, noch nicht eingesetzten Mann. Die anderen Musketiere sichern den Marktplatz und Paris. Daher blieb mir nur die Wahl der Neubewerber. Eure Fechtkunst überzeugte mich, dass ihr am besten ausgebildet seid von den neuen Anwärtern. Daher werdet ihr mit Athos, Portos und Aramis des Königs persönliche Leibwache bilden.“ D’Artagnans Puls raste. Aramis. Endlich lernte er die Person kennen, die er beschützen wollte. „Athos, Portos.“ Peinlich berührt erkannte unser Jüngling Portos, als den von ihm angerempelten Musketier. „Wir werden ihn im Auge behalten.“ Grinste dieser und schlug ihn auf die Schulter. Athos begriff. „Aha, das ist also der ungestüme Raser in den Hallen des Hauptquartiers. Soso.“ Er salutierte vor seinem Kapitän. „Wir werden unsere beiden Sorgenkinder im Auge behalten.“ Versicherte er. „Wir treffen uns punkt zwölf auf dem Marktplatz.“
Irritiert schielte D’Artagnan zu dem ihm noch unbekanntem Musketier. Aramis? Ein Sorgenkind? Es wurde alles immer mysteriöser, anstatt Antworten bekam er nur neue Fragen.
Aber seine Vorfreude auf den so allseits beliebten wie hervorragenden Musketier stieg mit jeder Minute.
Athos und Portos warteten schon, als D’Artagnan zu dem vereinbarten Treffpunkt kam. „Wir werden uns folgendermaßen aufteilen, Aramis steht vorne links am Rand auf dem Podest. Ich stehe mittig rechts und ihr zwei direkt vor dem Podest.“ Athos schaute sich um. „Wo bleibt er denn?“ Portos wandte sich an D’Artagnan. „Aramis ist ein Diplomat. Er sorgt dafür, dass alles mit rechten Dingen zu geht. Er hasst Ungerechtigkeit. Egal, ob von einem Bauern begangen, oder von einem Adligen.“ Sofort kam unserem Gascogner der Chevalier mit dem kleinen Jungen in den Sinn.
Athos Aufmerksamkeit richtete sich an D’Artagnan vorbei.
„Ah, Aramis.“ Athos war sichtlich erleichtert. „Darf ich vorstellen? Das ist ein Neubewerber Namens D’Artagnan und dies Aramis.“ D’Artagnan drehte sich herum und hätte fast einen Herzstillstand erlitten. „Ihr seid Aramis?“ Er konnte es nicht fassen. Wie sehr hatte er gehofft jenen Chevalier wieder zu begegnen. Doch in seinen kühnsten Träumen wäre er nicht auf die Idee gekommen, dass eben jener Chevalier und Aramis ein und dieselbe Person sind.
Vor ihm stand wahrhaftig jener hingebungsvolle Beschützer des kleinen Jungen. Er verstand jetzt erst die Reaktion des Comte.
Geduldig warteten die drei Freunde, bis D’Artagnan wieder ansprechbar wurde. „Alles wieder in grünen Bereich?“ grinste Portos ihn an. D’Artagnan nickte.
„Aramis, was macht deine Schulter?“ Athos und Aramis schienen eine besondere Verbindung zueinander zu haben. „Frag nicht.“ Aramis verzog das Gesicht. „So still kann ich sie gar nicht halten, als das sie nicht Schmerzen bereitete.“
Nach dem ersten Schock, bemerkte unser neuer Freund erst Aramis Verletzung an dessen Schulter. „Woher habt ihr diese Wunde?“ fragte er erschrocken. Die Anderen guckten ihn erstaunt an. „Ich wurde unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Gardisten des Kardinals. Sie planten eine Entführung. Und das Opfer solltet ihr sein.“ Aramis runzelte die Stirn. „In der Tat wurde mir die Wunde bei einem Kampf mit zwei Männern des Kardinals zugefügt. Ich war nur einen Moment unachtsam…Merkwürdig“ „Das kann kein Zufall sein.“ Portos sah nachdenklich aus. „Aber sie wollten euch vor eurer Wohnung abfangen und betäuben. Aber es kam niemand. Ich habe die ganze Nacht Wache gehalten.“ Aramis holte zischend Luft. „Woher…“ „Ich war bei Treville, habe danach Portos umgerannt und irgendwie rausbekommen, wo ihr euer Zimmer habt.“ Athos nickte anerkennend mit dem Kopf. „Gewitzt ist er, unser Gascogner.“ Aramis durchdrang D’Artagnan förmlich mit seinem Blick. „Warum wolltet ihr die Entführung eines euch unbekannten Mannes verhindern?“ Dieser senkte den Kopf. „Ich habe euch auf dem Marktplatz gesehen. Als ihr den kleinen Jungen beschützt habt.“ Er erzählte Athos und Portos die ihnen noch unbekannte Geschichte. „So viel Ehrbarkeit imponierte mir und eure Person selbst faszinierte mich. Als ich dann hörte, dass diese Männer jemanden entführen wollten, musste ich an Euch denken. Ich wollte ebenso handeln. Jeder kleine Schritt gegen das Böse, fügt sich irgendwann zu einem großen Ganzen zusammen.“ Aramis verneigte sich vor D’Atagnan. „Solch Handeln ist aller Ehren wert. Es wäre mir ein Vergnügen euch meinen Freund nennen zu dürfen.“ Athos pflichtete Aramis bei. „Ab jetzt heißt es: vereint im Leben und im Tod.“ D’Artagnan strahlte. „Einer für alle!“ „Alle für einen!“
Kapitel Gemeinsame Abenteuer
Gemeinsame Abenteuer
„Habt ihr schon gehört?“ Portos stürmte an den Tisch von Aramis und Athos. „Kardinal Richelieu wurde vom König zum Prinzipalminister ernannt.“
D’Artagnan hatte sich Nachschub geholt und setzte sich zu seinen Freunden. „Gerade erst hat er ihn wieder in den Staatsrat geholt…“ Er schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Aramis Augen funkelten vor Zorn. „Wie kann man einem solchen Teufel einen solchen Posten zukommen lassen?“ Er schlang sein Essen runter. „Wer weiß was der König dafür von der Kirche bekommt.“ Grummelte Athos. „Eigentlich hat die Kirche es nicht nötig sich Ämter im Staat zu kaufen.“ Aramis’ Sanftmut war dahin. „Die Kirche sollte allein Gott dienen und nicht dem Staat.“ „Das hat sie doch noch nie gemacht.“ Bemerkte Athos. Aramis warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Bevor wir in theologische Streitgespräche ausufern habe ich Befehl euch zu Treville zu schicken.“ Portos schaute Athos und D’Artagnan ernst an. Athos runzelte die Stirn. „Wir haben doch gar nichts ausgefressen. Jedenfalls ich nicht“ D’Artagnan warf Athos einen entrüsteten Blick zu. „Aber ich wohl?“ Sie standen auf und machten sich auf den Weg. Aramis und Portos blieben grinsend bei ihrem Essen. „Merkwürdig, dass wir allein bestellt sind.“ Athos pflichtete seinem Freund bei. „Irgendwie beunruhigt mich das.“
Bei ihrem Hauptmann angekommen, klopften sie an dessen Tür und wurden hereingeholt. „Gut, dass ihr da seid.“ Treville schaute unsere Freunde ernst an.“ Mit Portos habe ich schon gesprochen.“ Er holte tief Luft. „Es geht um Aramis.“ Erschrocken wechselten die Musketiere einen Blick. „Was ist mit ihm?“ „Mein Spitzel in der Garde des Kardinals sagte mir, Kardinal Richelieu hätte seinen Männern befohlen, seiner habhaft zu werden.“ Athos versteifte sich unwillkürlich. „ Lebendig!“ beschwichtigte Treville ihn. „Aber warum?“ fragte D’Artagnan. „Was hat er getan?“ Sein Kapitän seufzte. „Nichts. Das ist ja das Schlimme. Er läuft einfach nur durch die Gegend und das Volk liebt ihn. Mit solchen Menschen hatte der Kardinal schon immer seine Probleme.“ Irgendwie hatte Athos das Gefühl, dass das nicht alles war.
Treville stand auf. „Als Aramis damals mein Zimmer betrat, wurde mir klar, dass der Kampf zwischen Richelieu und den letzten Nachkommen der Valinar in seinen Höhepunkt gipfelt.“ Nun verstanden unsere Freunde gar nichts mehr. Treville war jedoch nicht gewillt, mehr Worte darüber zu verlieren. Er hatte schon zuviel gesagt. „Ich möchte euch bitten, Aramis im Auge zu behalten. Achtet auf verdächtige Personen, die ihm zu Nahe kommen, oder auch nur beobachten. Mein Spitzel ist weiterhin bei der Garde des Kardinals im Dienst.“ Auf Athos fragenden Blick antwortete er „Auf ihn kann ich mich hundertprozentig verlassen.“ Beunruhigt von dem Gespräch verließen unsere tapferen Musketiere ihren Hauptmann.
Die Musketiere des Königs wurden auf den Exerzierplatz bestellt. „Es herrscht Krieg. Die Rebellen machen Paris unsicher. Für die Musketiere gilt absolute Ausgangssperre. Jeder übernachtet hier und hält sich kampfbereit.“ Treville drehte sich rum und verschwand.
„Na toll.“ Stöhnte D’Artagnan. „Was? Wir hatten wohl eine Verabredung mit einer bezaubernden jungen Dame gehabt.“ Aramis grinste breit. „Du hast ja solche Probleme nicht.“ Muffelte der Gascogner. „Das stimmt. Meine Verabredungen sind auch nicht verheiratet, so dass sie heimlich stattfinden müssen. Daher habe ich gewisse Handlungsfreiheiten.“ Schmunzelte Aramis. Die Anderen mussten ebenfalls schmunzeln. „Tja, unser Aramis ist gewiefter, als man denkt.“ Witzelte Athos, um sich kurz darauf mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen.
Mitten in der Nacht ertönte das Horn. Vor Schreck fiel Portos aus dem Bett, von dessen Krach Athos; D’Artagnan uns Aramis senkrecht im Bett saßen. „Es geht los.“ Mit einer für Portos untypischen Wendigkeit war er aufgesprungen, hatte sich angezogen, seinen Degen geschnappt und rannte los. Die Anderen folgten ihm.
„Verteilt euch in den Straßen und greift die Rebellen an. Jedoch nicht in kleineren Gruppen als vier Mann.“ Treville wünschte seinen Musketieren Glück. „Ihr wisst, dass es hier um Leben und Tod geht. Die Rebellen kämpfen ums Überleben und töten jeden, der es wagt sich ihnen in den Weg zu stellen.“
Die Musketiere zogen mit mulmigen Gefühlen los. Auch unseren vier Freunden war unwohl. „Auf in den Kampf.“ Portos eilte voran. „Es sind doch Menschen aus dem einfachen Volk.“ Warf Aramis ein. „Wir sollen unerfahrene, wahrscheinlich schlecht bewaffnete Menschen angreifen? Sie haben doch keine Chance.“ Athos wusste, in welch einem Gewissenskonflikt sein Freund sich befand. „Wir werden uns nur gegen bewaffnete uns angreifende Rebellen verteidigen.“ Versuchte er seinem Kameraden die auf ihn zu kommende Situation zu erleichtern. Dieser wusste, dass es nicht dabei bleiben würde, sagte aber nichts. Schon bald kamen ihnen die ersten Rebellen entgegen. „Seht, der König kann gegen uns nichts mehr ausrichten. Also holt er sich seine Soldaten zu Hilfe.“ Grölten sie. „Greift sie an!“ Unsere Freunde stellten sich auf einen Kampf ein, als einer von ihnen rief. „Wartet, das sind Musketiere. Sie kämpfen nur, wenn wir sie angreifen. Lassen wir sie in Ruhe, tun sie uns auch nichts.“ Ein Anderer pflichtete ihm bei. „Er hat Recht. Das sind nicht die Teufelshunde vom Kardinal.“ Erleichtert steckte Athos seinen Degen wieder in die Scheide. Die Rebellen gingen an ihnen vorbei. Leise flüsterte einer der Rebellen „Aramis war dabei. Er würde nie ohne Grund angreifen.“ Dieser lächelte in sich hinein.
Bei den Nächsten hatten sie nicht so viel Glück.
Ohne Vorwarnung griffen sie mit Stöcken an. Manche führten auch Degen, die wahrscheinlich geraubt waren. „Ah, wir haben die Ehre gegen die vier berühmten Musketiere zu kämpfen.“ Tönte es. „Zeigen wir ihnen, dass wir kämpfen können.“ Gleich zwei sprangen Portos an, der Einen mit seiner Faust niederstreckte, den Anderen den Degenknauf gegen den Kopf rammte, dass dieser bewusstlos umfiel. Wütend über diesen leichten Sieg des Gegners wollten die anderen Rebellen ihre Freunde verteidigen. Ehe er sich versah hatte Athos einen Schlag gegen den Arm bekommen. Fluchend zischte er auf und entledigte sich des Angreifers, indem er ihn mit einer Hand festhielt und mit der Anderen in den Bauch hieb. Sein Gegner krümmte sich zusammen. Trotzdem griff er noch mal an. Diesmal schlug Athos ihm ins Gesicht und zuckte selbst zusammen, als er dessen Nase brechen hörte. D’Artagnan kämpfte mit einem Rebellen, der zwar einen Degen in der Hand hatte, sich aber durch seine eigene Ungeschicklichkeit selbst im Weg stand. Schließlich konnte ihm er ihm den Degen entnehmen und warf diesen im hohen Bogen weg, so dass sein ehemaliger Besitzer hinterher rannte. Auch Aramis wurde angegriffen. Allerdings mit Fäusten, so dass er seinem Gegner hin und wieder mal eine langte, dass dieser sich immer wieder aufrappeln musste. Auf einmal kamen den schon anwesenden Rebellen noch Andere zu Hilfe. Athos sah sich wieder einem unbeholfenen Kollegen gegenüber, D’Artagnan ebenfalls, Aramis’ Gegner bekam Hilfe von einem Mann, der mit einem Stock bewaffnet war. Portos sah gleich drei Rebellen auf ihn zustürmen. Unsere Freunde kämpften nicht härter als nötig, da keiner seinen Gegner töten wollte, was den Kampf allerdings unnötig hinausschob. Irgendwann wurde es Portos zu bunt, er holte mit seinem Degen aus und verletzte einen seiner Angreifer an der Schulter. Jetzt wurden auch die Rebellen aggressiver. Aramis’ Gegner hatten jetzt beide einen Stock und versuchten auf ihn ein zu schlagen. Aramis wehrte sich, wollte aber nicht zum Angriff mit dem Degen übergehen. Er konnte einem Rebellen dessen Stock abnehmen, wodurch der Andere freie Bahn bekam. Mit voller Wucht traf er Aramis in die Rippen. Dieser keuchte und verlor das Gleichgewicht. D’Artagnan bemerkte die Situation und konnte seinen Freund noch festhalten, bevor dieser stolperte. Dieser hielt sich nach Luft schnappend die Seite. „Alles in Ordnung?“ Portos hatte sich seiner Angreifer entledigt. Aramis nickte „Es geht schon wieder.“ „Sie wissen gar nicht, was sie anrichten. Wir würden gar nicht gegen sie kämpfen, wenn sie einfach abgehauen wären.“ Schimpfte Athos ungehalten und schlug seinem Gegner mit dem Degen ins Genick. Dieser kippte lautlos nach vorn. „Mein Gott, seht nur!“ Portos zeigte nach hinten. „Sie haben sogar Musketen.“ Ungläubig drehten sich die Musketiere um. „Tatsächlich. Sind die verrückt? Die wissen doch gar nicht, wie man mit den Waffen umgeht.“ Athos wich zurück. „Wenn da auf einmal ein Schuss losgeht…“ Aramis war entsetzt. „Sie können sich gegenseitig umbringen, so wie sie die Waffen halten.“ Athos blieb plötzlich stehen und zielte auf die Rebellen. „Bleibt stehen und werft die Musketen weg.“ „Das hättet ihr wohl gerne.“ Schrieen diese. „Ihr legt eure weg und wir lassen euch am Leben.“ Zwei der Rebellen zielten nun ebenfalls. Athos schoss einem die Muskete aus der Hand. Dieser fluchte und wimmerte. Da erscholl ein zweiter Schuss. D’Artagnan schaute genau hin, aber er konnte nicht erkennen, wer den zweiten Schuss abgegeben hatte. „Wir haben Sie erwischt!“ Die Rebellen jubelten. Erschrocken bemerkte D’Artagnan aus dem Augenwinkel wie Athos zu Boden ging.
Dieser spürte nur den stechenden Schmerz in seinem linken Bein, welches unter ihm weg knickte. Portos kniete sich neben Athos. „Mein Gott.“ Aramis rannte zu seinem Freund, während D’Artagnan mit seiner Muskete den Schützen tötete. Dadurch verängstigt flohen die übrigen Rebellen. Athos stand mit Portos Hilfe schon wieder auf den Beinen. Vor Schmerz aufstöhnend versuchte er zu laufen. Er stolperte immer wieder, oder rutschte mit dem verletzten Bein weg. „Das wird nichts.“ Athos musste sich setzen. „Ich schaffe das nicht.“ Er war kreidebleich und schien mit der Bewusstlosigkeit zu kämpfen. Der Blutverlust machte sich bemerkbar. „Geht allein. Ich komme nach.“ Portos winkte ab. „Nichts da. Ich bleibe bei dir. Aramis und D’Artagnan sollen vorgehen und Treville bescheid geben.“ Die beiden Angesprochenen nickten. „In Ordnung. Bitte seid vorsichtig.“ Dann gingen sie Richtung Hauptquartier. Athos stützte sich auf Portos und langsam liefen sie zurück. Aramis und D’Artagnan versuchten die Rebellen zu umgehen und ihnen auszuweichen. Möglichst schnell wollten sie im Hauptquartier sein. Auf einmal stolperte D’Artagnan über etwas und fiel auf die Knie. Fluchend wollte er sich wieder aufrichten, als ihm die Klinge eines Degens am Hals berührte. Aramis, das Missgeschick seines Freundes nicht bemerkend, war schon ein Stück voraus. Verwundert über das Fehlen seines Kameraden wollte er zurückeilen, als er am Arm festgehalten wurde. „Lasst mich los. Was soll denn das?“ Wütend wandte er sich seinem Gegner zu. Dieser hielt eine Muskete auf ihn gerichtet. Erschrocken schaute Aramis zu D’Artagnan und sah ihn mit dem Degen bedroht. Er überlegte, ob er zu seiner Waffe greifen sollte, sah aber davon ab. Entweder hatte sein Gegner ihn vorher erschossen, oder D’Artagnan würde seinen Kopf verlieren. Sie hatten keine Chance. D’Artagnan sah, wie der neben Aramis stehende Mann plötzlich seine Muskete hob. Blitzschnell schlug er diesen ins Genick. Ohne dass er im geringsten reagieren konnte, sank sein Freund nieder. Bewegungslos lag er auf dem Pflaster. „So, jetzt haben wir dich endlich.“ D’Artagnan wunderte sich noch über die Worte des Mannes, als er merkte, dass der Degen von seinem Hals entfernt wurde. Er sah sich um und blickte in ein grobes bärtiges Gesicht. Seine Arme wurden ziemlich grob nach hinten gedreht und man fesselte ihn. Hilflos musste unser Gascogner mit ansehen, wie sie Aramis in eine Kutsche legten und davon fuhren.
„Wir haben ihn.“
Der Mann vor dem Altar nickte zufrieden, ließ sich aber nicht von seinem Gebet abhalten.
„Wo ist er?“
„Im Kerker.“ Fügte der Große hinzu.
„Ihr werdet reich belohnt.“
Die Männer entfernten sich.
Gut, dass er die Drecksarbeit nicht von seinen Gardisten ausführen ließ. Wenn am Ende irgendetwas schief gehen sollte, würde er die beiden Männer nicht mehr kennen.
„Hier seid ihr.“ Eine sanfte Frauenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Ihr wolltet euch eigentlich um ihn kümmern.“ Kardinal Richelieu drehte sich um. „Er war eure Aufgabe.“ Kalt sahen seine Augen auf die zarte Gestalt. „Ihr habt damals Athos ins Verderben gestoßen. Warum gelingt es euch dieses Mal nicht?“ Langsam wurde er wütend. Demütig stand sie vor ihm. „Ich habe versucht an ihn ran zu kommen, aber ist vorsichtig.“ Verächtlich winkte Richelieu ab. „Ihr habt euren Pakt mit dem Teufel mit Blut unterzeichnet, Mylady. Also werdet ihr wohl die Macht besitzen einen Musketier zu erledigen.“ Mit lodernden Hass sah er diese Frau, die nur seine Marionette war an. „Ihr wisst am Besten, dass er nicht nur ein einfacher Musketier ist. Athos war ein leichtes Spiel, weil er nicht die Stärke Gottes besitzt, wie der Chevalier. Ihr wisst selbst, wie schwer es gegen seinesgleichen zu kämpfen ist. Sie haben mehr Macht, als wir beide zusammen.“ Anne de Breul funkelte ihren Gebieter an. „Lasst mir mehr Zeit.“ Damit schritt sie aus der Kirche.
Nachdenklich schritt er die Treppen zu den Verliesen hinunter.
So lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. So viele Jahrhunderte schon. Er hatte schon einmal so Nahe vor der Vernichtung von Elben und Menschen gestanden. Aber dieser dumme Hobbit musste ja alles kaputt machen. Auch damals hatte ihm ein Elb geholfen. Sauron war einfach nicht stark genug. Luzifer fluchte. Wie konnte es sein, dass diese Geschöpfe es immer wieder schafften, ihn, den Teufel persönlich zu besiegen?
So brach die Herrschaft der Menschen an.
Er dachte, er hätte die Elben wenigstens vertrieben. Aber dann tauchten diese zwei Wesen in der Provence auf. Ihr sah man an, dass sie von den Valinar abstammte (zumindest, wenn man wusste, dass dieses Volk wirklich einmal existierte und nicht nur eine Sage ware). Bei ihm konnte man sich streiten, ob er ein reiner Valinar , oder doch nur ein Mischwesen war.
Und dann sah er ihn. Sie hatte einen Jungen. Ein reines Wesen. Man sah es, man spürte es. Diese Vollkommenheit hatten nicht einmal Elben.
Nur die Valinar waren nahezu vollkommen. Sowohl äußerlich als auch charakterlich. Und sie waren fast unverwundbar. Sie konnten nur sterben, wenn Gott es vorsah, oder wenn sie das Gift einer ganz bestimmten Pflanze in ihrem Körper hatten.
Glücklicherweise wusste er den Ort, an dem diese Pflanze wächst und so starben die Beiden früher, als vorgesehen. Natürlich hatte er damit den Zorn Gottes auf sich gezogen, aber das passierte andauernd.
Es gäbe keinen Gott, gäbe es den Teufel nicht – allerdings auch umgekehrt. Aber so hatte er nichts zu befürchten.
Leider schien das Paar etwas geahnt zu haben und gab das Kind einem Bruder von ihm, welcher aber nur ein Mensch war. So verlor er den Jungen aus den Augen.
Bis er ihn eines Tages in Ile-de-France wieder sah.
Mittlerweile war er bei seinem neuen Gefangenen angekommen. Dieser schien schwer verwundet zu sein, denn er war voller Blut. Seine Augen waren geschlossen. Er nahm ihm die Fesseln ab. Fliehen oder kämpfen konnte er sowieso nicht. Dann betrachtete er seinen Gegenüber. Nicht einmal er konnte sich der Macht Gottes, die der Schwerverletzte ausstrahlte entziehen. Sie war unheimlich stark.
Und das, obwohl sein Träger nichts von ihr wusste!
Er hatte Recht gehabt. Der Tag seines Triumphes ist nahe. Mit diesem Trumpf in der Hand würde er bald das ganze Volk Frankreichs hinter ihm stehen haben. Der König würde ihn zum Papst ernennen müssen.
Und dann konnte die Herrschaft des Bösen endlich beginnen…
Wenn diese Frau jetzt nur keinen Fehler begann.
Mittlerweile waren Athos und Portos im Hauptquartier eingetroffen. Überrascht mussten sie erfahren, dass weder Aramis noch D’Artagnan bisher angekommen waren. Während Athos von einem Arzt behandelt wurde, machte sich Portos beunruhigt auf den Weg, seine Freunde zu suchen. Irgendwo in einer Gasse kam ihm eine merkwürdig daher laufende Gestalt entgegen. Erschrocken erkannte er den gefesselten D’Artagnan. Schnell löste er ihm diese. „Bin ich froh dich zu sehen.“ Der Gascogner hielt sich die schmerzenden Handgelenke. „Sie haben Aramis!“ Portos zuckte zusammen. „Wer?“ Sein Freund hob die Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Antortete er kläglich. „Die Männer hatten Mäntel an. Ich konnte sie nicht erkennen.“ „Verdammt.“ Portos stürmte los. „Schnell zu Athos.“
Ratlos saßen sie auf ihrem Zimmer und überlegten ihre weitere Vorgehensweise. „Wir müssen ihn befreien.“ D’Artagnan machte sich Vorwürfe, dass er seinen Freund nicht beschützen konnte. Athos bemerkte dies. „Dich trifft keine Schuld. Du konntest nichts ausrichten.“ Er legte seinem Kameraden die Hand auf die Schulter. „Wir müssen besonnen handeln.“ Portos pflichtete ihm bei. „Wenn wir einfach so zu Kardinal Richelieu wandern und ihn auffordern Aramis heraus zu geben, sind wir hundertprozentig in dessen Falle getappt.“ Sie setzten sich wieder. „Wer weiß, was er mit Aramis anstellt.“ Langsam bekam D’Artagnan es mit der Angst zu tun. „Wenn er ihn nun foltert…“ Athos versuchte die Lage zu beruhigen. „Mal sachte, wir können davon ausgehen, dass er ihn nicht töten wird. Treville sagte damals, Richelieu will ihn lebend.“ Die Anderen nickten. Trotz allem war dies nur geringer Trost. Was, wenn Richelieu das bekommen hatte, was er wollte und Aramis nicht mehr brauchte? Was wollte Richelieu überhaupt von Aramis? „Wir müssen zu Monsieur Treville und herausbekommen, was es mit unserem hübschen Freund auf sich hat.“ Portos stand auf. „Los!“
Aramis blinzelte. Um ihn herum war es finster. Er hatte höllische Kopfschmerzen. Allerdings bemerkte er, dass man ihm seine Fesseln abgenommen hatte. Sein Bein pochte, als er sich versuchte aufzurichten. Benommen fiel er wieder zurück.
Wo war er ? Wer waren die Männer gewesen? Sie hatten keine Uniformen der Kardinalsgarde an. Wieder schwindelig geworden, sank er in einen traumlosen Schlaf.
Kardinal Richelieu zischte seine Männer an. „Verlegt ihn in den Pavillon bei Versailles. Legt ihn auf den Karren und reitet los. Hier ist er zu gefährlich.“
„Aber er ist doch bewusstlos.“ Protestierten die Männer. „Wie kann er uns da gefährlich werden?“ Sie sahen nicht ein, warum sie zwei Stunden in sumpfiges Gebiet reiten sollten, nur um einen Gefangenen dort hin zu bringen. In Richelieus Blick loderten Höllenfeuer. „Ihr wisst gar nicht, wie gefährlich er ist. Bringt ihn weg. Das ist ein Befehl!“ Die Männer, erschrocken von dem Hass in Richelieus Augen machten sich schleunigst davon.
Die wütende Gestalt wandte sich ab. „Noch weiß er zum Glück selbst nicht, wie gefährlich er ist.“
Als er wieder aufwachte fror Aramis. Er lag in einem Pavillon, der an allen Seiten offen war, wodurch kalte Luft hinein drang. Ziemlich ungeschützt lag er, der Witterung ausgesetzt auf dem Boden.
Warum hatten sie ihn hierher gebracht? Sollte er hier erfrieren?
Vor Kälte zitternd drückte er sich an die Wand.
Wie sollte man ihn hier nur finden?
War das sein Schicksaal?
Monsieur Treville erwartete unsere drei Freunde bereits. „Gerade wurde ein Brief von Kardinal Richelieu an mich überbracht.“ Das gebrochene Siegel deutete darauf hin, dass der Hauptmann den Brief bereits gelesen hatte. „In dem Schreiben steht, er habe Aramis. Es ginge ihm den Umständen entsprechend.“ Sein Blick verdüsterte sich. „Er verlangt, dass die Musketiere der Garde des Kardinals unterstellt werden sollen, sonst sterbe Aramis.“ Athos warf seinem Kapitän einen entsetzten Blick zu. „Das ist doch nicht möglich.“ „Weiter steht, seine Freunde brauchten nicht nach ihm zu suchen, da er an einem Ort gebracht wurde, den noch niemand kennt.“ Unsere Musketiere waren verzweifelt. Sie konnten tatsächlich nichts tun.
„Was ist den da unten nur los?“ Portos schaute aus dem Fenster. „Irgendwas ist im Pferdestall“ Athos sprang auf. „Fenena. Kommt mit!“ D’Artagnan und Portos verstanden nicht, was ihr Kamerad meinte und bemühten sich ihm zu folgen. Im Stall herrschte Chaos. Fenena stieg und keilte gegen die Boxwände. „Athos jubelte auf. „Freunde, sattelt geschwind eure Pferde! Fenena wird uns zu Aramis führen.“ Er scheuchte die anderen Musketiere aus dem Stall. Nachdem die Drei ihre Pferde gesattelt und aufgezäumt hatten, öffnete Athos die Box der tobenden Stute. Blitzschnell schwang er sich auf sein Pferd. „Folgt ihr, schnell!“ Verwirrt galoppierten D’Artagnan und Portos hinter Aramis’ Pferd her.
Aramis hatte keine Kraft mehr. Fieberkrämpfe durchschüttelten ihn. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass seine Freunde auf Fenena aufmerksam wurden und ihr folgen würden. Sonst war er verloren. Alleine kam er nicht mehr weg. Auch nicht mit Hilfe seiner treuen Stute.
Vergeblich mühte er sich nicht das Bewusstsein zu verlieren.
Nach knapp zwei Stunden rasendem Galopp, fiel die Stute in Schritt. Langsam tänzelte sie durch das sumpfige Grasland, um nicht einzusinken. Ihre Flanken bebten.
Da entdeckte Athos auf einmal einen Pavillon. Fenena wieherte, lief aber genauso vorsichtig weiter, bis sie das kleine Gebäude erreicht hatten.
Was unsere Freunde sahen, verschlug ihnen den Atem. Aramis lag bewusstlos auf dem Boden. Sein Gesicht, wie auch sein linkes Bein waren blutüberströmt. Nach Deckung suchend musste er sich an die Wand gedrückt haben. Er zitterte am ganzen Körper, war aber total durchgeschwitzt. „Mein Gott, er hat Wundfieber.“ Athos traten Tränen in die Augen. „Was haben sie nur mit dir gemacht.“ Vorsichtig hob er ihn auf und setzte ihn vor sich aufs Pferd. „Keinerlei Wachen.“ D’Artagnan suchte die Umgebung ab. „Herrje, wo sind wir denn nur?“ Portos zuckte ratlos mit den Schultern. Woher sollten unsere Freunde wissen, dass hier später einmal das prächtigste Schloss Frankreichs entstehen sollte. „Wir hätten ihn auch nie gefunden, wenn Fenena nicht gewesen wäre.“ Athos wendete und folgte der Stute durch den Sumpf. „Woher wusstest du, was im Stall passiert war?“ fragte ihn Portos, als sie zurück ritten. „Aramis zeigte es mir einmal, als die Pferde auf der Wiese standen. Er sagte ich solle gut aufpassen. Dann gingen wir ins Hauptquartier. Ihr wisst wie weit das entfernt ist.“ D’Artagnan und Portos nickten. „Er pfiff eine wunderschöne Melodie. Kurze Zeit später hörte ich Hufgetrappel. Und da kam seine herrliche Stute hocherhobenen Hauptes um die Ecke getrabt. Triumphierend grinste Aramis mich an. Ich war einfach nur sprachlos. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Egal, wie weit Aramis und Fenena voneinander getrennt sind, sie spürt, wenn ihr Herr diese Melodie pfeift und kommt sofort.“
In seinen Armen atmete Aramis nur noch schwach.
Sie mussten sich beeilen.
Der Arzt konnte die Freunde beruhigen. „Er wird bald wieder auf den Beinen sein. Jemand hat seine Schussverletzung behandelt, so dass sie sich nicht entzündete, was ihm das Leben rettete. Das Fieber kommt durch die Unterkühlung und wird vergehen. Aramis muss einen mächtigen Schutzengel haben.“ Mit diesen Worten verließ der Arzt das Zimmer unserer Musketiere.
Durch die Rebellen war immer noch Ausgangssperre und die Vier blieben auf ihrem Zimmer und bewachten Aramis. Treville gestattete, dass einer der drei Freunde bei Aramis blieb und die anderen Beiden mit zwei Kollegen versuchten, die Rebellen zu bekämpfen.
Schließlich konnten die diese verjagt werden und einige Anführer in die Bastille gebracht werden. So war die Gefahr eines Aufstandes durch die Rebellen erst einmal gebannt.
„Durst. Ich hab Durst.“ Aramis versuchte sich aufzurichten. Sein Kopf dröhnte immer noch und sein Bein schmerzte. Aber ihm war wenigstens nicht mehr so kalt. Freudig kamen Portos und D’Artagnan auf ihn zu. „Wir sind ja wieder unter den Lebenden!“ Portos gab ihm etwas zu trinken. „Langsam, deine Kehle muss sich erst wieder an das Wasser gewöhnen.“ Aramis nippte an dem gereichten Becher. „Wie geht es dir?“ D’Artagnan setzte sich zu seinem Freund. „Wir dachten schon, du wachst gar nicht mehr auf.“ Aramis warf ihm einen überraschten Blick zu. „Wieso? Wie lange habe ich denn geschlafen?“ „Fast eine Woche.“ Portos stellte den Becher auf den Tisch. „Zum Glück warst du nicht lange in Richelieus Fängen.“ Aramis senkte den Kopf. „Also doch der Kardinal. Die Männer, die uns angriffen hatten keine Uniformen an, so dass ich sie nicht zuordnen konnte.“ Er betastete seine Schläfe. „Als wir dich fanden, dachten wir du wärst tot. Du lagst da, alles voller Blut.“ Portos musste bei den Bildern immer noch mit einer Welle des Zorns kämpfen. „Aber dann sahen wir, dass du im Wundfieber lagst.“ Portos seufzte. „Ich glaube, ich war noch nie so erleichtert jemanden im Wundfieber zu sehen. So wussten wir wenigstens, du lebst.“ D’Artagnan nickte. „Hm, aber nicht wie lange noch.“ Portos warf seinem Freund einen beschwörenden Blick zu, doch Aramis hatte bereits begriffen. Erschrocken schaute er D’Artagnan an. „So schlimm…“ Leise öffnete sich die Tür und Athos betrat das Zimmer. „Du bist wach!“ Polternd fiel die Tür ins Schloss. Er eilte auf Aramis zu und umarmte ihn herzlich. Athos war überglücklich seinen Schützling und besten Freund wieder zu haben.
Kapitel Überraschende Hilfe eines Erzengels
Überraschende Hilfe eines Erzengels
Nach einigen Tagen war Aramis wieder auf den Beinen. Wenn auch noch geschwächt, bestand er darauf dem Fechttraining beizuwohnen.
Ab und zu focht er einen kurzen aber technisch perfekten Kampf mit Athos oder D’Artagnan, musste aber meist aufgrund seiner Schmerzen im Bein aufgeben.
Monsieur Treville lobte seine Musketiere und gab bekannt, dass die Ausgangssperre bis auf weiteres aufgehoben war. „Der König lädt zu einem Ball am Samstag. Er würde sich sehr freuen, die vier Musketiere außerhalb des Dienstes begrüßen zu dürfen.“ D’Artagnan feixte. „Wir sollen auf einen Ball ihrer Majestät? In Zivil?“ Athos verbeugte sich. „Es ist uns eine Ehre.“
Am Tage des Balls hatten sich unsere vier Freunde ausgemacht direkt zum Ball zu gehen. Sie würden sich schon finden.
D’Artagnan war als erstes da. Schließlich konnte er es kaum erwarten die hübsche Kammerzofe ihrer Majestät der Königin wieder zu sehen. Etwas später kamen Athos und Portos. Auch sie unterhielten sich angeregt mit einigen Gesellschaftsdamen der Königin. „Wo bleibt Aramis?“ Athos wurde unruhig. „Wir hätten ihn nicht allein gehen lassen dürfen.“ Portos wollte gerade etwas erwidern, als Aramis in der Tür stand. Athos konnte seinen Blick nicht abwenden. Natürlich wusste er, dass sein Freund außergewöhnlich gut aussehend war; und zu diesem Ball hatten sie alle ihre besten Gewänder angelegt. So auch Aramis. Auch D’Artagnan, der ihm entgegen gelaufen kam bemerkte. „Du siehst umwerfend aus.“ Aramis musste lachen. „Ich bin doch keine Frau. Aber vielen Dank für die Blumen.“ Er fasste seinen Kameraden am Arm und ging auf unsere anderen beiden Musketiere zu. „Seid ihr schon lange hier?“ Athos und Portos schüttelten den Kopf. Aramis verdrehte die Augen. „Nun kriegt euch mal wieder ein. Ich kann das nächste Mal auch in Lumpen kommen.“ „Würde dir auch nichts schaden.“ Grinste Portos. „Du könntest auch nackt kommen…“ „Und die Damen würden ihn gar nicht mehr gehen lassen.“ Kicherte Athos. Ehe Aramis zurück schießen konnte, traten ihre Majestäten der König und die Königin ein. Alle verbeugten sich. Als das Königspaar an seinem Thron angekommen war, setzte sich die Königin, während der König die Hand hob. „Ich möchte gerne einen persönlichen Dank an unsere vier Musketiere Athos, Aramis, Portos und D’Artagnan aussprechen, die sich für das Volk Frankreichs in höchste Gefahr begeben haben. Durch ihren mutigen Einsatz konnten die Rebellen vertrieben werden.“ Die Ballgäste applaudierten. Der König winkte unsere Freunde zu sich. „Hiermit spreche ich euch meinen tiefsten Dank aus.“ Jeder bekam einen kleinen Lederbeutel mit 100 Talern gefüllt. Das war viel Geld. „Der Verdienst ist nicht nur uns zuzuschreiben, sondern auch unseren Kollegen.“ Aramis verneigte sich. Ludwig XIII fasste ihn an die Schulter. „Ich bin außerordentlich erleichtert, dass euch nichts Schlimmeres passiert ist. Wir hatten sehr viel Sorge um euch.“ Aramis schaute seinem König fest in die Augen. „Ich danke euch.“ Er senkte den Kopf.
Als unsere drei Freunde ein wenig Abseits standen, D’Artagnan war mit Constance verschwunden, fiel Aramis’ Blick auf eine ihm unbekannte dunkelhaarige Schönheit. Immer wieder musste er zu ihr schauen. Schließlich fiel es nicht nur Athos, sondern auch Portos auf. „Wen hast du dir denn ausgeguckt?“ Portos linste unauffällig hinüber. Athos nickte anerkennend. „Unser junger Freund hat Geschmack.“ Aramis errötete. „Wer ist sie? Ich habe sie noch nie auf einem Ball gesehen.“ „Du hast doch nie auf Frauen geachtet.“ Athos gluckste. „Und wenn sie dir fast auf die Füße getreten sind, um deine Aufmerksamkeit zu erhaschen.“ Portos legte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Ich glaube, sie ist eine der neuen Kammerzofen ihrer Majestät der Königin.“ „Man müsste wohl mal Constance fragen.“
Unterdessen fiel auch jener jungen auserwählten Dame auf, dass höchst interessante Männer dem Ball beiwohnten. Ihre Freundinnen schwärmten von Aramis und Athos, während sie gar nicht hin hörte. Verstohlen suchte sie diesen eleganten anmutigen und sehr süßen Musketier, welcher eben vom König ausgezeichnet wurde. „Wen suchst du denn die ganze Zeit?“ Ihre Freundinnen wurden neugierig. Sie schielte zu unserem beliebten Musketier. Ihre Freundinnen verdrehten verzückt die Augen. „Das ist Aramis. Aber den kannst du vergessen.“ Erschrocken schaute unsere verzückte Kammerzofe auf ihre Freundin. „Ist er vergeben?“ Unwillkürlich krampfte sich ihre Kehle zusammen. „Nein, aber ausgerechnet er ist der Schwierigste der Musketiere. Er hat zwar viele Frauen, die ihn anbeten und mit denen er redet, aber er lässt keine an sich ran. Nicht mal einen Kuss kann man ihm entlocken.“ Eine andere Freundin seufzt. „Dabei ist er so schnuckelig.“ Unsere junge Dame strich sich eine herabgefallene Strähne aus ihrem Gesicht und suchte abermals den Blick unseres Musketiers. Als er sie genau in diesem Moment anschaute, zuckte sie freudig erregt zusammen. Seine Augen hatten etwas unergründliches. Jetzt wurde er von seinem Gesprächspartner abgelenkt.
Aramis wandte sich wieder Athos zu. Dieser lächelte ihn an. „Komm, gehen wir ein Stück an die Luft.“ Sie wollten Portos bescheid geben, konnten ihn aber nirgends sehen.
Sie schritten durch die wunderschöne gepflegte Parkanlage. Versonnen schaute Aramis sich den klaren Sternenhimmel an. Sein Freund blieb vor ihm stehen. „Kann es sein, dass sich unser lieber Aramis soeben verliebt hat?“
Dieser nickte langsam. „Ich glaube ja.“
Sie setzten sich auf eine Bank. Aramis holte tief Luft. „Ich möchte dir erzählen, warum ich Musketier wurde.
Nun war er bereit.
Und so konnte er sein Leid endlich mit seinem besten Freund teilen.
Athos hörte einfach nur zu.
Ein paar Monate später fand das große Reiterduell statt. Zehn Musketiere traten gegen zehn Gardisten des Kardinals an. Ein Reiterduell wurde immer Mann gegen Mann zu Pferde ausgetragen. Beim Kampf mit der Lanze kam es auf Zielgenauigkeit und Geschicklichkeit des Reiters an, beim Kampf mit dem Degen auf die Wendigkeit des Pferdes, Beherrschung der Fechtkunst und das perfekte Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd.
„Na schon aufgeregt?“ Athos legte D’Artagnan die Hand auf die Schulter. Dieser nickte. „Das ist mein erstes Reiterduell. Wo ist Aramis?“ „“Hier!“ erscholl es hinter einem Pferdehintern. Aramis putzte seine Stute, so dass ihr lackschwarzes Fell noch mehr glänzte. „Mann, was freue ich mich mal wieder an einem Reiterduell teilnehmen zu können.“ Sie bekamen Besuch.
„Durch Schönheit gewinnt ihr hier nichts, Aramis.“ Jussac baute sich vor ihm auf. „An eurer Stelle würde ich mal trainieren.“ Aramis machte sich nicht die Mühe seine Arbeit zu unterbrechen. „Danke für euren gut gemeinten Rat. Falls ich nach dem Kampf noch lebe, werde ich ihn vielleicht beherzigen.“ Athos und D’Artagnan grinsten sich an. Jussac wollte nicht so einfach aufgeben. „Euren Grünschnabel habt ihr auch mitgenommen?“ Verächtlich schaute er zu D’Artagnan. Bevor dieser auffahren konnte entgegnete Athos „Was wollt ihr Jussac? Schlagen könnt ihr euch auf dem Schlachtfeld. Aber nicht hier.“ Wütend verließ der Hauptmann des Kardinals den Stall. „Es gibt niemanden, dem ich mehr die Visage polieren würde, als ihm.“ Schimpfte Aramis. „So etwas aus deinem Munde?“ Überrascht versuchte Athos seinen Freund hinter dessen Pferd ausfindig zu machen.
Alle Reiter wurden auf den Turnierplatz bestellt. Dort begrüßte man sich förmlich und bekam seinen Gegner zugeteilt. Unsere drei Freunde bekamen ihnen unbekannte Gardisten zugesprochen.
Mittlerweile waren die Zuschauerplätze gefüllt, auch die Ehrenplätze der königlichen Familie und der Kaptäne beider Truppen waren belegt.
Als sie ihre Pferde fertig hatten kam ihnen Portos entgegen. „Ich wollte euch Dreien viel Glück wünschen. Habt Acht. Die Garde des Kardinals kämpft nie mit fairen Mitteln. Rechnet immer mit einer Finte.“ Die Anderen nickten.
Nachdem vier Reiterpaare dran waren, von denen zweimal Musketiere gewonnen hatten und zweimal Gardisten des Kardinals, kam Athos an die Reihe. Auch er meisterte sein Duell mit Bravour.
Beeindruckend war vor allem das Zusammenspiel mit seinem Wallach.
Danach folgten Aramis und D’Artagnan, welcher allerdings verlor.
So waren in der zweiten Runde nur noch zehn Teilnehmer. Sechs Musketiere und vier Gardisten.
Auch hier kamen unsere beiden Freunde, allerdings auch Jussac weiter. Da eine ungerade Zahl zustande kam, wurden zwei Paare ausgelost, welche gegeneinander antraten. Aus diesen Gewinnern wurde einer ausgelost, der gegen den übrig gebliebenen fünften Mann kämpfen musste. So wollte es das Schicksal, das Jussac und Aramis gewannen, das Los jedoch entschied, Aramis müsse gegen den fünften Mann kämpfen. Athos. Natürlich waren unsere Freunde alles andere als begeistert, aber so waren die Regeln. In einem packenden Kampf zweier fast gleich starker Gegner mit dem Degen ging Aramis schließlich als Sieger hervor.
Das bedeutete, das Aramis im Finale auf Jussac traf.
Das Turnier wurde zugunsten der zwei unterbrochen, dass sie kurze Verschnaufpause einlegen konnten. „Dein Wunsch soll dir erfüllt werden.“ Feixte Athos auf Aramis’ Bemerkung im Stall anspielend. Aramis nickte, vom Duell mit Athos noch ziemlich außer Atem. „Dem werde ich zeigen, was ein Degenstreich ist.“ „Aber eigentlich ist das doch unfair.“ Warf Portos ein, der zu seinen Freunden hinzugetreten kam. „Aramis hat ein Duell mehr als Jussac auszufechten.“ Aramis zuckte die Schultern. „Ich werde trotzdem gewinnen.“ Meinte er grimmig. Athos blinzelte. Das waren ja ganz neue Töne von Aramis. Sonst war er eher zurückhaltend mit seinen Äußerungen. Er musste jedoch zugeben, dass ihm dieser etwas selbstbewusstere Aramis nicht unsympathisch war. „Du wirst es schaffen.“ Davon war Athos überzeugt, obwohl Jussac zu den besten Fechtmeistern des Landes gehörte. Nachdem Athos seinen Freund allerdings bei seinem Probeduell gegen Treville gesehen hatte, räumte er Aramis gute Chancen ein zu gewinnen.
Die Duellanten wurden aufgefordert auf den Turnierplatz zu kommen. Aramis wollte gerade losreiten, als sein Hauptmann Fenenas Zügel festhielt. „Viel Glück mein Sohn. Für die Ehre der Musketiere.“ Lächelnd senkte Aramis sein Haupt. „Einer für Alle!“ „Alle für Einen“
Auf dem Turnierplatz wartete bereits sein Gegner. „Na, noch mal hübsch gemacht?“ spottete dieser. „Euch wird euer Hochmut noch vergehen.“ Aramis ritt zum Ausgangspunkt für das Duell und nahm die Lanze auf.
Ihre Majestät der König schoss in die Luft, womit das Duell beginnen konnte. Beide setzten ihre Pferde in Bewegung. Als sie aufeinander stießen, trafen beide so gut, dass keiner auf seinem Pferd blieb. Dieses Duell ging also unentschieden aus.
Die Zuschauer warteten gespannt auf das alles entscheidende Duell.
Jeder schwang sich auf sein Pferd. Unser edler Musketier auf seinen herrlichen Rappen, Jussac auf dessen gut trainierten Schimmel.
Nun standen sich die zwei so unterschiedlichen Gegner gegenüber.
Der Eine immer ruhig und kontrolliert kämpfend, der Andere ein Hitzkopf.
Wieder schoss Ludwig XIII. in die Luft.
Übereifrig stieg Aramis Stute in die Luft und schlug mit den Vorderhufen aus.
Jussac wich aus und griff seinen Gegner von hinten an. Aramis duckte sich unter dem Degen, wendete Fenena und griff nun seinerseits an. Allerdings hob er seinen Degen erst kurz vor Jussacs Pferd, wodurch dieses erschrak und seitlich ausbrach. Dadurch war dessen Reiter ohne Deckung, was unser Musketier sofort ausnutzte und ihn mit seinem Degen am Arm verletzte.
Begeistert applaudierte die Menge.
Wütend lenkte Jussac sein Pferd in Richtung Aramis. Dieser ritt ihm entgegen. Kurz bevor die beiden Duellanten aufeinander trafen, stellte der Musketier seine Stute leicht schräg, stoppte und hielt die blanke Degenspitze Richtung Jussac. Dieser völlig überrascht von dem Manöver, konnte geradeso ausweichen und den Angriff abwehren. „Unser Hauptmann des Kardinals wird langsam ungeduldig.“ Raunte Athos D’Artagnan zu. „Genau das provoziert Aramis.“ Dieser ließ seinen Gegner mehrmals ins Leere reiten, ohne diesen jedoch anzugreifen. Als sich beide wieder gegenüber standen galoppierte Aramis plötzlich in die entgegengesetzte Richtung. Die Zuschauer waren verwirrt. Jussac folgte ihm, als Aramis sein Pferd in einem Bogen lenkte, abrupt stoppte und Fenena im fast rechten Winkel auf den Gardisten zu trieb. Dadurch kreuzte er den Weg Jussacs so, dass dessen Pferd nach rechts ausweichen musste, um das ihm auf einmal im Weg stehende Hindernis nicht umzurennen. Alles ging so blitzschnell, dass Jussac keine Zeit zur Reaktion hatte und sich somit nicht mehr im Sattel halten holten. „Potzblitz.“ Portos klatschte in die Hände. „Schaut euch das an.“ Er grinste. „Ich hätte nicht gedacht, dass sein Pferd so wendig und schnell ist.“ Athos nickte zustimmend. „Die Beiden verstehen sich blind. Da reicht der kleinste Befehl und das Pferd agiert.“ Gespannt wandten sich die Freunde wieder dem Geschehen auf dem Turnierplatz zu.
Da Jussacs Pferd davon galoppierte hielt Aramis seine Stute an und stieg ab.
Die Menge jubelte. Der Kampf ging weiter, obwohl Aramis bereits gewonnen hätte, da Jussac vom Pferd gefallen war.
Jussac griff ohne große Taktik an, wodurch es Aramis ein Leichtes war, ihn zu parieren. Als er jedoch angreifen wollte machte Jussac einen Schritt zur Seite und ließ den Fuß stehen, so dass Aramis drüber stolperte und stürzte. Dadurch beging Jussac den gleichen Fehler wie damals Treville und griff den Musketier von hinten an. Dieser drehte sich blitzschnell um und stach zu. Jussac riss die Augen auf und fiel auf die Knie. Die Degenspitze hatte sich in dessen Bauch gebohrt. Aramis stand wieder auf und zog seine Waffe aus dem Körper des Verwundeten. Dieser richtete sich mit Gebrüll auf und stürmte auf seinen Gegner zu. Dieser wehrte den Angriff mit seinem Degen ab.
Plötzlich spürte er den stechenden Schmerz in der Brust.
Ungläubig blickte er an sich herunter und starrte auf den glänzenden Griff des Dolches, den ihn Jussac ins Herz gestoßen hatte.
Entsetzt sah er seinem Gegner in die Augen.
Aramis taumelte und brach in die Knie.
Er keuchte.
Zitternd umklammerte seine Hand den Dolch.
Auf dem Platz war es Totenstille.
Jussac zog den Dolch mit Genuss wieder aus Aramis Brust.
„Sagte ich dir nicht, du solltest lieber trainieren?“ Selbstgefällig betrachtete Jussac seinen jungen Gegner. Selbst im Augenblick des Todes schien dieser Musketier nichts von seiner Schönheit zu verlieren.
Der Hauptmann der Gardisten hatte gesiegt.
Aramis merkte, wie ihm das Blut durch die Finger rann und sein Herz schwächer schlug. Sein Atem röchelte. Blut lief über seine Lippen.
„Aramis!!!!!!!!!!!!!“
Athos schlug sich durch die Menge. Er war gerade rechtzeitig bei ihm um ihn aufzufangen.
„Aramis halte durch. Wir holen einen Arzt.“
Auch Treville war zu ihnen geeilt.
„Das war eine Falle.“ D’Artagnan war fassungslos. Auch Portos stand starr vor Schreck.
„Mein Gott, schreckt denn der Kardinal vor nichts zurück?“
Auch auf dem Turnierplatz herrschte Verzweiflung. „Bitte Aramis, halte durch.“ Athos hielt den Kopf seines Freundes, sah dass dieser unsagbare Schmerzen litt und konnte ihm doch nicht helfen.
Was sollte er nur machen?
Aramis bekam immer schlechter Luft. Er versuchte zu sprechen, aber Athos schüttelte den Kopf. „Nicht. Du darfst jetzt nicht sprechen.“
Plötzlich konnte er seine Tränen nicht mehr zurück halten.
„Bitte, o Herr, lass ihn nicht sterben.“
Auf einmal kam eine Gestalt hinzu, welche von niemandem bisher gesehen wurde. Sie war hochgewachsen, hatte blondes Haar und war wie von einem hellen Licht umgeben.
„Lasst mich zu ihm.“ Unwillkürlich machten die Anderen Platz.
Athos zögerte, seinen Freund zu verlassen. „Keine Angst, ich möchte deinem Freund helfen.“
Jussac war bleich geworden und fing an zu zittern. „Ich habe euch gewarnt.“ Sprach die Gestalt mit donnernder Stimme. „Niemand von euch kann ein Geschöpf unseresgleichen vernichten. Weder du, noch dein Herr Luzifer!“
Athos schluckte. Ein Geschöpf unseresgleichen? War Aramis ein Geschöpf Gottes? Sagte er nicht immer, wir alle seien Geschöpfe Gottes? Athos war verwirrt.
„Ich bin Gabriel.“ Erklärte die Gestalt Athos und kniete vor Aramis. „Ein Erzengel. Aramis ist sozusagen ein Schützling von mir.“
Athos wollte nicht verstehen, was er da hörte.
Gabriel hielt seine Hände über Aramis Verletzung.
Wie durch ein Wunder schloss sich die Wunde wieder.
Aramis atmete wieder gleichmäßig.
„René d’Herblay wuchs bei seinem Onkel und bei seiner Tante auf, weil seine Eltern ums Leben kamen, als er fünf Jahre alt war.
Allerdings weiß er nicht, dass seine Eltern vergiftet wurden und vor allem nicht von wem.“ Athos begriff. „Kardinal Richelieu.“ Gabriel nickte. „Von Luzifer, in der Gestalt Kardinal Richelieus. Sie sind eins.“ Gabriel schaute Athos tief in die Seele.
„Renés Eltern waren Geschöpfe der Valinar.“
Athos stockte der Atem. „Einer Sage nach sind die Valinar die letzten Nachfahren des Elbenvolkes, welche Mittelerde bewohnten. Nach ihrem Untergang sind die meisten Elben zu den grauen Anfurten gefahren. Doch einige wenige Elben sind auf der Erde geblieben, als sie zu dem wurde, was sie jetzt ist.“
Gabriel nickte. „Und das waren die Valinar.“ Er deutete auf Aramis. „Habt ihr euch nie gefragt, wie es kommen kann, dass ein Mensch so vollkommen, so perfekt sein kann? Mit nur so wenigen Schwächen?“
„Doch“ Athos nickte. „Niemand konnte sich seiner Ausstrahlung entziehen. Es war, als besäße er eine unsichtbare Aura, die ihn umspielte. Als wäre eine Macht in ihm, die er selbst nicht begreifen konnte.“
„Kann er auch nicht. Er weiß nichts von seinen Kräften. Auch nichts von seiner Herkunft und schon gar nicht von seiner Bestimmung.“ Gabriel stand auf. „Euer Freund lebt. Es ist ihm nicht bestimmt durch die Hand Luzifers, oder einer seiner Handlanger zu sterben.“
Gabriel wusste um die Verantwortung, die er dem Musketier auftrug.
„Eure Aufgabe wird es sein, ihn niemals aus den Augen zu lassen. Euer Freund Aramis ist der letzte Nachkomme der Valinar, Athos.“
Er wandte sich Jussac zu.
„Und er wird euer Schicksal sein.“
Kapitel Fragen
Fragen
„Wo ist Aramis?“ Athos sorgte sich um seinen Freund. Seit jenem Tag war Aramis unerträglich schweigsam und zog sich oft zurück. Wer konnte es ihm auch verdenken?
„Wenn ich mit einer solchen Bestimmung leben müsste…“ Athos seufzte. Durch Portos’ nicken merkte Athos, dass er laut gedacht hatte. Aber wie konnten sie Aramis helfen? Was hatte dieser an jenem Tage überhaupt mitbekommen? Mit keinem Wort erwähnte er bisher die Geschehnisse. Athos erzählte seinem Freund zwar von der Heilung dessen eigentlich tödlicher Verletzung, aber nichts von den Worten des Erzengels.
Aramis hatte seine Stute fertig gemacht und war davon geritten. D’Artagnan hatte ihn gefragt, wo er hin wolle. Doch Aramis antwortete nur. „Treville weiß bescheid.“ Traurig schaute D’Artagnan hinter dem Musketier her. „Ob er je wieder so wird wie früher?“
Aramis bog auf den Weg ein, der zum Hof seines Onkels führte. Es war alles genauso wie damals, als er fort ging.
Neugierig vom Hufgeklapper guckten die Bediensteten von ihrer Arbeit hoch. „Monsieur d’Herblay ist wieder da!“ Freudig kam der Diener seines Onkels ihm entgegen. Vom Aufruhr aufgescheucht, kam sein Bruder Pierre aus dem Haus gelaufen. „René!“ Aramis spang vom Pferd und umarmte seinen Bruder voller Wiedersehensfreude. Fenena wurde in ihre alte Box geführt und später auf die Weide gelassen. Sofort tobte sie mit ihren alten Gefährten über die Wiese. „Seht nur, sie freut sich ebenso hier zu sein, wie ich!“ René strahlte. Das erste Mal seit langer Zeit wieder. „Erzähl, wie ist es bei den Musketieren.“ Pierre zog ihn ins Haus. „Erst brauche ich was zu Essen, sonst falle ich um.“ Lachte unser Freund. „Du wirst jetzt Aramis genannt. Passt gut zu dir.“ Sein Bruder nickte anerkennend. Auf einmal ertönte ein Freudenschrei. „René!“ Seine Tante erdrückte ihn fast. „Ich werde das Essen bringen lassen. Du kommst genau richtig.“ Sie rief das Dienstmädchen. Freudig erkannte es Aramis als jenesMädchen, das den grauenvollen Tag miterlebte, welcher das Leben aller Beteiligten für immer verändern sollte. „Du bist geblieben!“ Liebevoll strich er dem Mädchen über die Haare. Dieses errötete und senkte den Blick. „Ich konnte sie überzeugen, bei uns zu bleiben.“ Seine Tante nahm sie mit in die Küche. Pierre betrachtete seinen Bruder. Er war noch hübscher geworden. Seine braunen Haare umrahmten das eher weiche Gesicht, in seinen Augen lag ein Hauch von Melancholie, was unheimlich anziehend wirkte. „Man hört ja allerlei aus Paris.“ Er vergewisserte sich, dass niemand zuhörte. „Stimmt das mit deiner Verletzung und der wundersamen Heilung?“ Aramis zuckte zusammen. Portos hatte also Recht. Solche Nachrichten verbreiteten sich in Windeseile im ganzen Land. Er nickte. „Athos erzählte mir alles.“ Pierre flüsterte weiter. „Mutter weiß nur, dass du verwundet wurdest, aber nicht wie schwer. Wir haben es ihr nicht gesagt.“ Aramis verstand. Jedoch verschwieg er, dass Athos ihm nicht alles gesagt hatte. Die Worte des Erzengels erzählte dieser ihm nicht. Allerdings verschwieg Aramis seinerseits seinen Freunden, dass er alles mit angehört hatte. Er litt zwar unter höllischen Schmerzen, nachdem Jussac den Dolch wieder aus seinem Herzen herauszog, verlor aber trotz allem nicht das Bewusstsein. Daher bekam er mit, was Gabriel seinem Freund Athos offenbarte. Er erinnerte sich, wie schockiert er war. Sofort fiel ihm das Bild wieder ein. „Saga de Valinar“. Irgendwie hatte er schon immer gespürt, dass es keine Sage war. Pierre riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Alles in Ordnung?“ Aramis sah ihn an. „Ich erschaure immer noch, wenn ich an den Augenblick denke, in dem ich den Dolch spürte.“ Mitfühlend nickte Pierre. „Das kann ich mir denken. Ich glaube, ich wäre schon vor Angst gestorben.“ Aramis ging zum Fenster. „Weit entfernt war ich dem Tod ja nicht mehr.“ Sein Blick verlor sich. „Du merkst, wie dein Herz langsamer schlägt und betest nur noch, Lieber Gott, lass mich nicht sterben.“ Er drehte sich um. „Komm.“ Er lächelte wieder. „Lass uns über was Anderes reden.“ Pierre grinste. „Über hübsche Damen am Hofe?“ Aramis hob verwundert die Augenbrauen. „Woher …?“ Pierre fiel ihm ins Wort. „Also bitte. Jeder weiß, dass am Hofe entzückende Damen wohnen.“ Aramis entspannte sich wieder. Wie sollte sein Bruder auch von jener Liebäugelung auf dem Ball wissen. „Es gibt da eine wirklich süße Kammerzofe.“ Weiter kam er nicht. „Kommt ihr Beiden. Essen.“ Madame d’Herblay stand in der Tür. „Wo ist Onkel Richard?“ Seine Tante zögerte. „Er ist bei Monsier de Jarjaye…“ Aramis stockte der Atem. „Er ist wieder da?“ „Eine Woche nach der schrecklichen Tragödie wurde er in einem sumpfigen Gebiet unweit von Versailles gefunden. Aramis wurde schwindelig. „René! Was…?“ Pierre führte ihn zu einem Sessel. „Dort war ich auch schon…“ flüsterte er. „In einem Pavillon. Ich wurde von Männern des Kardinals entführt und dorthin gebracht.“ „Mein Gott, wie hat man dich denn gefunden?“ Aramis stützte den Kopf auf seine Hände. „Fenena. Ich habe nach ihr gepfiffen.“ Seine Tante und Pierre verstanden. „Und sie führte deine Kameraden zu dir.“ Aramis nickte. Er zitterte, als er an die Kälte dort dachte. Bestürzt nahm seine Tante ihn in den Arm. Aramis genoss dieses Gefühl der Wärme und Zuneigung. „Was haben sie dir nur aufgebürdet?“
Aramis sah seine Tante entschlossen an. „Ich möchte Monsieur de Jarjaye besuchen.“ Er senkte den Kopf. „Wenn er mich überhaupt noch sehen will.“ Pierre schüttelte ihn. „Aber natürlich will er! Warum denn nicht? Du kannst nichts für den Tod seiner Familie. Er gibt dir keine Schuld. Monsier de Jarjaye liebt dich immer noch, wie seinen Sohn.“ Aramis Blick wurde weich. „Wirklich?“ „Er hat schon oft nach dir gefragt.“ Seine Tante lächelte. „Kommt lasst uns essen und danach reitest du zum Gestüt.“
Aramis wandte sich an Pierre. „Kommst du mit?“
Dieser nickte.
Nach einem wunderbaren Essen ritten Aramis und Pierre los. Immer wieder stoppte unser Musketier sein Pferd. Pierre ließ ihm die Zeit, die er brauchte, wofür Aramis sehr dankbar war.
Monsieur d’Herblay war noch bei Monsieur de Jarjaye. Gemeinsam guckten sie sich gerade die Pferde an, welche neu angekommen waren. „Vater! Schau, wen ich mitgebracht habe.“ Rief Pierre. Aramis klopfte das Herz bis zum Hals. Er hatte Angst vor der Reaktion seines fast Schwiegervaters. Dieser drehte sich rum und erstarrte. Er meinte einen Engel zu sehen. Mit einem Schluchzer umarmte er René herzlich. Dieser war so erleichtert, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“ Monsieur de Jarjaye konnte ihn gar nicht mehr loslassen. „Ich hatte solche Angst, dass du nie wieder zu mir kommen würdest.“ Aramis wischte sich die Tränen weg. „Und ich dachte, ihr wollt mich nicht mehr sehen.“ Es war eine ganze Steinlawine, die ihm vor Erleichterung von Herzen polterte. Monsieur d’Herblay und Pierre ließen die Beiden allein.
Am Abend versammelten sich alle im Hause d’Herblay. So viel war zu erzählen. Natürlich wollten die Anderen von Aramis wissen, wie der König so war. Wie Monsieur Treville sein Regiment führt. Über Athos, Portos und D’Artagnan musste er erzählen. Über Paris und die Rebellen. Und natürlich über das Duell mit Jussac. Doch auch in diesem Kreis verschwieg Aramis, was er wirklich wusste. Er wollte mit seinem Onkel allein darüber reden. Natürlich kam die Sprache auf die Damenwelt. Aramis blickte verunsichert zu Monsieur de Jarjaye. „Ich weiß nicht, ob ich wieder lieben kann.“ Flüsterte Aramis traurig. Da packte ihn dieser an den Schultern. „Ich weiß, du hast meine Tochter über alles geliebt. Ihr wart ein perfektes Paar. Aber eines bin ich mir sicher. Sie würde nicht wollen, dass du dein Leben hingibst.“ Er lehnte sich zurück. „Sie sagte mir einmal, als wir alleine ausritten: ‚Papa, Ich könnte es nie ertragen, wenn René unglücklich wäre. Sollte ich vor ihm von dieser Welt gehen müssen, sage ihm bitte, dass er sich nicht ins Verderben stürzen soll. Hoffentlich verliebt er sich in eine andere Frau und ist ihr ein guter Ehemann, wie er es bei mir gewesen wäre. Nur vergessen soll er mich nicht.’ Das waren ihre Worte.“ Monsier Jarjaye rang mit den Tränen. „Bitte, René, werde glücklich, wie du es mit ihr geworden wäre. Behalte sie in deinem Herzen.“ Plötzlich hielt er etwas in der Hand. Aramis schluckte. Es war Fabiennes Kette. Sein Anhänger war ein schlichtes silbernes Kreuz. „Bitte trage du sie immer bei dir.“ Mit zitternden Händen nahm Aramis die Kette an sich und ging auf sein Zimmer. Noch lange schaute er diese Kette an, mit welcher so viele wunderschöne Erinnerungen zusammen hingen. „Ich werde dich immer lieben.“ Er küsste den Anhänger. „Und doch danke ich dir für die Worte, die mir dein Vater überbrachte.“
Nun hatte er das Gefühl, frei zu sein.
Sie hatte ihn losgegeben.
Vielleicht war er sogar bereit eine andere Frau zu lieben und ihr treu zu sein.
Plötzlich klopfte es an seiner Tür. Sein Onkel schaute herein.
Wortlos setzte er sich zu Aramis aufs Bett. Dieser merkte, dass sein Onkel etwas auf dem Herzen hatte, wagte aber nicht diesen zu drängen. Nach längerem Schweigen sprach Monsieur d’Herblay an, worauf Aramis schon lange wartete.
Mein Sohn… ich glaube ich bin dir einige Erklärungen schuldig, die deine Eltern und dein Volk betreffen.“ Aramis blickte weiterhin auf die Kette, welche er in den Händen hielt, als klammere er sich an ihr fest.
„Es war vor langer Zeit, als noch Krieg zwischen den Elben, den Zwergen und den Menschen herrschte. Da gab es ein Elbenvolk, welches von Gott auserwählt war, Frieden zu erwirken. Dieses Volk waren die Valinar. Sie waren perfekt, weswegen sie Gott besonders liebte. Sie schafften es Mittelerde zu einem friedlichen Land zu machen. Als der Ringkrieg begann, halfen sie jenem Hobbit, welcher den Ring zerstören sollte, die Aufgabe mit Hilfe einer Ringgemeinschaft, den neun Gefährten zu bewältigen. Ihr mächtigster Gegenspieler war Luzifer, der Teufel persönlich. Er schlüpft immer wieder in andere Körper. Damals versuchte er es mit Sauron, welcher jedoch zu schwach war. Als dieser von dem Volk der Valinar vernichtet wurde, schwor Luzifer ewige Rache an ihnen. Die Zeit der Elben, Zwerge und Hobbits ging vorbei. Es begann die Zeit der Menschen. Aragorn war ihr erster König und es folgten weitere. Die meisten Elben waren zu grauen Anfurten gegangen. Es blieben jedoch wenige auf der Erde, um den Frieden zu bewahren. Es waren verschieden Elbenvölker, z.B. die Noldor, oder die Vanyar, auch Hochelben genannt. Die Vanyar waren das edelste der Elbenvölker und lebten in den goldenen Wäldern Valinors. Unter diesen Elben gab es einige wenige, die vollkommen waren, wunderschön und perfekt. Eben jene Valinar, von denen ich vorhin schon erzählte. Und solch eine Elbe war deine Mutter. Als sie schwanger wurde von deinem Vater, welcher ebenfalls zum Volk der Valinar gehörte, war sie gerade Anfang dreißig. Für einen Elben sehr jung. Dein Vater starb vor deiner Geburt und sie verliebte sich in einen Menschen. Meinen Bruder. Nach deiner Geburt wurde ihnen bewusst, dass du einer der letzten Nachkommen der reinen Valinar warst und versteckten sich. Doch Luzifer entdeckte sie und spürte sie auf. Die Valinar, musst du wissen, können nur sterben, wenn Gott es vorsieht, oder das Gift einer bestimmten Pflanze, des Gyzinia, in ihren Körpern ist. Luzifer kannte diese Pflanze.“ Aramis zitterte. „Er hat meine Mutter vergiftet.“ Sein Onkel nickte. „Und meinen Bruder.“ Monsieur d’Herblay sah seinen Ziehsohn mit innigster Zuneigung an. „Und als hätten sie es vorher geahnt, gaben sie uns ihren Sohn mit der Bitte gut auf ihn aufzupassen.“ Er legte seinen Arm um Aramis. „Schon früh merkten wir dir deine Abstammung an. Dein Aussehen, deine Anmut, dein Charakter… Es war uns klar, dass wir dich eines Tages nicht halten konnten. Das dein Lebensweg allerdings bei den Musketieren weitergehen würde, hatten wir gar nicht in Betracht gezogen. Obwohl meine Schwester mit Monsieur Treville verheiratet ist.“ Richard d’Herblay schaute Aramis fest in die Augen. „Aber wir sind unheimlich stolz darauf, was du bisher geleistet hast. Und das Volk liebt dich mehr, als jeden Anderen im Land.“ Er lächelte. „So. Nun ist es spät und wir wollen schlafen gehen. Jetzt weißt du, wer deine Eltern wirklich waren. Wir konnten es dir nicht sagen. Die Zeit war noch nicht reif.“ Sein Onkel sah ihn unsicher an. „Ich bin dir unendlich dankbar, dass du mir alles erzählt hast.“ Aramis’ Augen strahlten jene Sanftmut aus, die sein Onkel so an ihm liebte. Monsieur d’Herblay gab ihm einen Kuss auf die Stirn und wollte gerade das Zimmer verlassen, als Aramis leise fragte „Das Gemälde. Wer ist sie?“ Er brauchte seinen Onkel nicht anzusehen, um zu wissen dass er zusammen zuckte. „ Galadriel. Die Königin aller Elben. Und deine Urgroßmutter.“ Vorsichtig zog er die Tür ins Schloss.
Noch lange hing Aramis seinen Gedanken nach.
Er war froh, alles erfahren zu haben.
Zufrieden sank Aramis in einen gesunden erholsamen Schlaf.
Kapitel Sharmine du Lucigne
Sharmine de Lucigne
Voller Tatendrang ritt Aramis zurück nach Paris. Was er bei seinem Aufenthalt auf dem Landsitz seines Onkels Monsieur d’Herblay erfahren hatte, gab ihm neuen Auftrieb. Seine Freunde würden staunen. „Aramis ist wieder da!“ D’Artagnan unterbrach seinen Übungskampf mit Athos und zeigte über den Exerzierplatz zum Tor des Hauptquartiers. Aramis sprang gerade vom Pferd, als seine Freunde schon auf ihn zugestürmt kamen und freudig umarmten. „Gut siehst du aus.“ D’Artagnan betrachtete seinen Freund. „In der Tat scheint deine Melancholie wie weggeblasen zu sein.“ Auch Portos kam hinzu. Athos strahlte. Aramis musste lachen. „Es ist schön wieder hier zu sein.“ Er wurde ernst. „Viel habe ich erlebt und erfahren, was ich noch verarbeiten muss.“ Er schaute Athos in die Augen. Dieser wich seinem Blick aus. Verwundert schauten Portos und D’Artagnan an. „Aber nun lasst uns erst einmal etwas trinken gehen.“ Aramis wollte loslaufen. „Willst du dich denn nicht bei Treville zurück melden?“ fragte Portos. Aramis winkte ab. „Hat Zeit.“ Die Freunde zuckten mit den Schultern und folgten ihm.
Später begab sich Aramis zu seinem Hauptmann. „Ah, Aramis.“ Treville winkte ihn herein. „Du bist wieder da.“ Prüfend schaute er seinen Schützling an. „Ich hoffe, du hast alles erfahren.“ Aramis nickte. „Ehrlich gesagt, viel zu viel.“ Seufzend ließ er die Schultern hängen. Treville kam auf ihn zu. Beschwörend sagte er: „Rede mit Athos darüber.“ Aramis wusste, worauf dieser hinaus wollte. „Du wirst es schaffen. Wir stehen hinter dir. Paris steht hinter dir. Egal, was passiert. Du kannst deinem Schicksal nicht davon laufen.“ Genau das wollte Aramis im Moment aber am Liebsten.
Gerade aus dem Zimmer des Hauptmanns kommend, stieß er mit Portos zusammen. „Kommst du nächsten Samstag mit? Baron de Monjé lädt zu einem Tanzabend.“ Entsetzt schaute Aramis seinen Kameraden an. „Einen Tanzabend? Du weißt, wie sehr ich Tanzabende hasse.“ Er wollte an Portos vorbei gehen. „Ich hörte, dass auch die Kammerzofen der Königin dort sein werden.“ Raunte dieser ihm ins Ohr. „Constance bringt ihre neue Freundin mit, welche dir glaube ich auch schon aufgefallen ist.“ Gespannt wartete er auf eine Reaktion Aramis’. Doch dieser hob nur den Kopf und schritt von dannen. Auf dem Weg zum Stall traf er auf Athos. „Hast du schon vom dem Ball gehört?“ fragte dieser. „Tanzabend!“ knirschte Aramis durch die Zähne. Ausgiebig streichelte er Fenena, bevor er sich auf den Weg zu seinem Zimmer machte. Athos begleitete ihn. Er spürte, dass sein Freund etwas loswerden wollte. Plötzlich drehte Aramis sich um und schaute Athos mit einem Ausdruck in den Augen an, dass dieser sich zwingen musste Aramis’ Blick standzuhalten. „Warum hast du mir nicht alles erzählt?“ Athos hatte schon lange auf diese Frage gewartet. Oft war er mögliche Antworten durchgegangen, die er seinem Kameraden erzählen wollte. Doch nun fehlten ihm genau diese Worte. Er senkte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Gestand er. „Ich glaube, ich hatte Angst davor, dir eine solche Bürde aufzuladen.“ Aramis ging langsam weiter. „Woher weißt du, dass ich dir etwas verschwiegen habe?“ Athos wusste die Antwort bevor er sie hörte. „Ich war wach.“ Aramis hob den Blick kurz gen Himmel. „Ich habe alles mit angehört und konnte mit alledem nichts anfangen.“ Athos schwieg betroffen. „Als ich zu Hause war, hat mein Onkel mir alles erzählt.“ Aramis lief ziellos durch Paris’ Gassen und berichtete, was Monsieur d’Herblay ihm weitergab.
Athos wusste nicht, ob er seinen Freund beneiden, oder bemitleiden sollte. Sicher, Aramis hatte durch sein Äußeres klare Vorteile. Nicht nur bei den Frauen. Auch bei seinen Gegnern, die ihn häufig unterschätzten, was meist zu deren Tod führte. Seine Charakterzüge waren aller Ehren wert. Doch wollte er so sein? Athos hatte schon lange das Gefühl, dass Aramis eher unter seinem eigenen Ich litt. Er konnte einfach nicht anders, als tugendhaft zu handeln. Er konnte nicht anders, als dem Unrecht entgegen zu treten. Er würde sogar sein Leben für das Recht lassen. Als Aramis geendet hatte, war Athos erschlagen von dem, was er erfahren hatte. ‚Mein Gott, wie muss es wohl dir gegangen sein, als du dies alles erfuhrst.’ Athos wusste nicht, was er sagen sollte. „Sag nichts.“ Sein Freund schien auch noch Gedanken lesen zu können. „Mir ging es ähnlich wie dir, nur dass ich die Hauptperson in dem Spiel war.“ Sagte er zynisch. „Es gibt nur eine Sache, die ich nicht verstehe.“ Aramis blieb abermals stehen. Verwirrt sah Athos seinen Freund an. „Warum sagte Gabriel zu Jussac, ‚und er wird euer Schicksal sein’?“ Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von seinen Augen. Er wankte. Erschrocken stützte Athos seinen Kameraden. „Oh, Herr im Himmel.“ Aramis hatte sich wieder gefasst. „Luzifer ist in Gestalt von Kardinal Richelieu auf die Erde zurückgekehrt. Jussac der Hauptmann seiner Garde…“
Athos schluckte.
„Du bist das Schicksal Luzifers!“
Am darauf folgenden Samstag schleiften unsere Freunde Aramis mit zu dem Tanzabend. D’Artagnan suchte sofort nach Constance, als er diese mit ihrer Freundin zusammen stehen sah. „Schau mal.“ Wisperte er in Aramis Ohr. „Deine Auserwählte ist bei Constance.“ Aramis hatte gar keine Zeit verlegen zu werden, da D’Artagnan ihn hinter sich her zog. „Guten Abend, verehrte Damen.“ D’Artagnan verbeugte sich. „Darf ich Euch meinen Freund Aramis vorstellen?“ er wandte sich an Constance Begleiterin. „Ich dächte, sie kennen sich noch nicht.“ Elegant verneigte sich Aramis und lächelte. „Nein, wir kennen uns in der Tat nicht.“ Constance verstand den Wink D’Artagnan und flötete. „Monsieur Aramis. Dies ist meine Freundin Sharmine de Lucinge. Sie ist die neue Kammerzofe ihrer Majestät der Königin. Wir sind sozusagen Kolleginnen.“ Sharmine bekam vor Aufregung und Freude kein Wort heraus. Sie knickste und konnte ihr Glück kaum fassen. Ausgerechnet Aramis wurde ihr vorgestellt. Er war ihr doch schon so lange aufgefallen, aber nie hatte sich die Möglichkeit ergeben, näher an ihn heranzukommen. „Wie lange steht ihr schon im Dienste ihrer Majestät der Königin?“ Aramis sah Sharmine mit seinem ganzen Charme in die Augen. Diese wäre fast ohnmächtig geworden. „Seit ungefähr einem Jahr.“ Aramis stutzte. „So lange schon. Ihr seid mir noch gar nicht so lange aufgefallen. Und Damen eurer Schönheit übersehe ich gewiss nicht.“ Sharmines Herz klopfte. Sie war ihm aufgefallen! Sie wollte gerade etwas erwiedern, als Aramis Athos bemerkte. „Entschuldigt mich bitte.“ Er verbeugte sich und verschwand zu Athos. Dieser empfing ihn mit einem Grinsen. „Wir haben ja schon angebändelt.“ Aramis wurde rot. „Ich kann in ihrem Beisein einfach keine normale Konversation führen.“ Er wedelte mit der Hand, als wolle er eine Fliege verjagen. „Mir fehlen einfach die Worte.“
Baron de Monjé eröffnete den Ball und lud zum Tanz. Er klatschte in die Hände und das kleine Orchester spielte. Natürlich hofften die Damen darauf, Aramis möge sie zum Tanz auffordern, aber dieser hielt sich zurück. Nach einer Weile ging er zu Comtess de Monjé und verbeugte sich vor ihr. „Madame wünschen zu tanzen?“ er hielt ihr den Arm. Entzückt nahm sie die Aufforderung an. Es war Pflicht die Dame des Hauses mindestens einmal zum Tanze aufzufordern. Athos und Portos standen beisammen und bestaunten das Paar. „So furchtbar Comtess de Monjé auch tanzen mag, mit Aramis wirkt selbst sie anmutig.“ Sie mussten lachen. „Ich versteh gar nicht, warum er nicht gerne tanzt?“ Portos guckte irritiert. „Er kann es doch.“ Athos stimmte ihm zu. „Und mit welcher Eleganz.“ Nach dem Tanz erlöste Athos seinen Freund und übernahm dessen Partnerin. Dieser gesellte sich erleichtert zu Portos. „Lange hätte ich nicht mehr durchgehalten.“ Er strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht. „ Es ist schwer ein Nilpferd durch das Wasser zu ziehen.“ Portos schlug sich die Hand auf den Mund, um nicht laut loszulachen. Aramis genehmigte sich etwas zu Trinken. „Wo ist D’Artagnan?“ fragte er, als er ausgetrunken hatte. Nachdem er Portos Gesichtsausdruck sah, winkte er ab. „OK. Vergiss es. Wollte es auch gar nicht wissen.“ Er deutete auf eine Dame reiferen Alters, welche aber durchaus noch als gut aussehend zu bezeichnen war. „Sie scheint auf deine Aufforderung zum Tanz zu warten, mein Freund.“ Portos richtete sich auf und machte sich auf den Weg.
Aramis suchte Sharmine. Er musste sich eingestehen, sie äußerst attraktiv zu finden. Sie saß allein an einem Tisch. Schließlich nahm er allen Mut zusammen und ging zu ihr. Mit einer Verbeugung blieb er vor ihr stehen. „Darf ich euch zum Tanz auffordern?“ Freudestrahlend nickte sie. Aramis führte sie auf die Tanzfläche. Sie tanzten den ganzen Abend. Neidisch beobachteten die übrigen Damen Aramis Tanzpartnerin.
Spät in der Nacht nahm Aramis Sharmine bei der Hand und führte sie in den Garten des Anwesens. An einem kleinen Bach blieb er stehen und zog sie zu sich heran.
„Seit ich euch das erste Mal gesehen habe, geht ihr mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Er berührte vorsichtig ihren Hals und strich ihre langen sanft gewellten Haare nach hinten. Sie atmete schneller. Davon hatte sie geträumt, seit sie ihn vor einem knappen Jahr zum ersten Mal sah; dass er sie in seinen Armen hielt.
Sie wollte etwas erwidern, aber er legte seinen Finger auf ihre vollen Lippen.
„Darf ich euch küssen?“
Alles in Sharmine jubelte und schrie ‚Ja’.
Doch sie brachte nur ein Nicken zustande.
Langsam näherte sich Aramis Sharmine. Sie konnte es kaum mehr erwarten.
Schließlich umschlossen seine weichen Lippen die Ihren und gaben ihr einen unendlich liebevollen, langen und zärtlichen Kuss.
Die Welt schien stehen zu bleiben.
Aramis konnte sein Glück nicht fassen.
Er war wieder fähig zu lieben!
Er liebte Sharmine de Lucigne aus tiefstem Herzen, und er würde sie auf Händen tragen, wenn sie es zuläße.
Beide waren außer Atem, als sich ihre Lippen voneinander lösten.
Verliebt schaute Sharmine Aramis in die Augen.
„Ich habe mich in dich verliebt, Sharmine.“ Vor Glück wurde ihr fast schwindelig. Der Mann ihrer Träume gestand ihr gerade seine Liebe.
Sie küsste ihn. „Wie habe ich mir gewünscht das aus deinem Munde zu hören.“
Aramis streichelte ihr Gesicht.
„Ich hatte Angst, du könntest mich abweisen.“ Gestand er leise.
Sharmine schüttelte den Kopf. „Wie kommst du denn auf so etwas Dummes?“
Er zuckte mit den Schultern. „Es wird allerhand über mich geredet.“
„Ja.“ Lächelte sie. „Und zwar, dass du nicht fähig wärst eine Frau wirklich zu lieben.“ Sie küsste ihn. „Jetzt kannst du mir beweisen, dass die Gerüchte um dich der Unwahrheit entsprechen.“
Er küsste ihre Hand. „Das werde ich.“
Kapitel Mylady
Mylady
„Die königliche Garnison wurde besiegt!“ Die Nachricht verbreitete sich unter dem Volk wie ein Lauffeuer. Auch vor den Musketieren machte sie nicht Halt. „Wo war das?“ Athos setzte sich zu seinen Freunden an den Tisch. Hungrig lief ihm das Wasser im Mund zusammen, so dass er herzhaft in eine Keule biss. „Bei Ile de Ré, westlich von La Rochelle.“ Portos sah auf. „Wenn die königlichen Truppen geschlagen sind, müssen wir ran.“ Damit sprach er aus, was alle insgeheim befürchteten. Aramis kaute nachdenklich an seinem Brot. „Benjamin de Rohan ist ein geschickter Feldherr. Und durch die Hilfe zum Protestantismus konvertierter Adliger ist er im Besitz von guten Männern.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Dieser Calvin spaltet noch die gesamte Kirche in Gut und Böse.“ „Das ist sie doch jetzt schon.“ Athos blickte seinen Freund von der Seite an. „Aber die Kirche ist nicht der Meinung, dass es von Gott Auserwählte gibt, die in den Himmel kommen und der Rest in der Hölle schmoren muss. So was würde Gott nicht zulassen.“ Die Anderen schauten ihn an. „Das sagst gerade du?“ Athos hörte auf mit Kauen. „Ja, gerade ich.“ Ereiferte sich Aramis. „Es ist Unsinn, den Menschen weiß machen zu wollen, es ist egal, ob man gute Taten in seinem Leben vollbringt, man ist schon vor der Geburt auserwählt, oder eben nicht. Das würde bedeuten, dass die Menschen, die meinen auserwählt zu sein, machen könnten, was sie wollen. Siel könnten sämtliche Gebote brechen und trotzdem würden sie in den Himmel kommen; denn sie sind ja auserwählt.“ Portos mümmelte vor sich hin. Ihm war das wieder alles zu hoch. Hauptsache das Essen schmeckte. Egal ob im Himmel oder in der Hölle, es würde schon überall was geben. „Es werden alle Menschen wiedergeboren. Schließlich hat Jesus mit seiner Kreuzigung all unsere Sünden auf sich genommen.“ Aramis war in seinem Element. „Von jedem Menschen, nicht nur von irgendwelchen Auserwählten. Gott gab seinen einzigen Sohn für alle Menschen. Dieser Calvin behauptet, durch den Sündenfall im Paradies wären…“ „Was fürn Paradies?“ Portos unterbrach sein Tun, um direkt mal eine Frage zum Thema zu stellen. „Adam und Eva waren die ersten Menschen, die von Gott geschaffen wurden und lebten im Paradies. Sie waren nackt, da sie noch keine Erkenntnis besaßen. Eine Schlange verführte Eva und ließ sie in einen Apfel vom Baum der Erkenntnis beißen. Dadurch wurde ihnen bewusst, dass sie Mann und Frau waren und nackt, wodurch sie sich schämten. Da Gott ihnen jedoch verboten hatte von diesem Baum zu essen, wurde er wütend und verbannte sie aus dem Paradies. Fortan mussten sie auf der Erde leben.“ „Wir stammen alle von diesen zwei Menschen ab?“ Portos schüttelte den Kopf. „Dann sind wir ja alle verwandt.“ Aramis beließ es, ihn darüber aufzuklären. Athos kam wieder zum Thema. „Was behauptet Calvin?“ fragte er ruhig. „Er behauptet durch den Sündenfall beherrscht die Sünde den ganzen Menschen, sein Denken, seinen Willen.“ Aramis’ Blick durchbohrte Athos. „Das würde heißen, wir wären von Grund auf Böse.“ D’Artagnan sah auf. „Klar, dass viele Adlige sich der Lehre anschließen. Die sind doch sowieso was Besseres.“ Aramis und Athos wollten Auffahren. „Nicht alle!“ Warf D’Artagnan beschwichtigend ein. Portos hatte gar nicht zugehört. Er versuchte gerade ein Gespräch am Nachbartisch mitzuhören. „…nach England aufgebrochen, um Unterstützung beim Duke of Buckingham zu ersuchen. Der ist doch mit dem König befreundet…“ Portos zog hörbar die Luft ein, was seine Freunde verwundert ihr Gespräch innehalten ließ. „Was ist?“ „Die Hugenotten holen sich Hilfe aus dem protestantischen England.“ Aramis erbleichte. „Dann steht ein Krieg unmittelbar bevor.“
In der folgenden Woche wurde die Kompanie von Monsieur Treville tatsächlich nach La Rochelle geordert. Graf de Toiras, welcher von den Männern Benjamin Rohans besiegt wurde, zog sich in die Zitadelle Saint-Martin mit seiner Garnison zurück. So schickte der Kardinal, unter dessen Einfluss auch der König stand, eine Vorhut auf den Kriegsschauplatz, welche die Lage unter Kontrolle halten sollte, bis der König und er den Oberbefehl übernehmen könnten. Zu dieser Vorhut gehörte auch unser Gascogner, der ja noch nicht zu den Musketieren zählte. Dadurch bedingt wurden unsere Freunde getrennt, da Athos, Aramis und Portos des Königs Leibwache stellten und somit mit diesem später folgten. Die Garden unter dem Kommando Monsieur des Essarts hatten ihre Quartiere im Kloster der Minimen.
Am nächsten Tag hatten die Truppen des Königs eine Bastion wiedergenommen. Aus D’Artagnans Garde wurden einige wenige geschickt, um Erkundungen vorzunehmen, wie die Bastion bewacht wurde. Mit drei Kamerden seiner Garde begab D’Artagnan sich in einen Laufgraben. Bevor sie sich irgendwie absprechen konnten zischten mehrere Kugeln an den vier Gardisten vorbei. Nun wussten sie, die Bastion war besetzt. Als sie zurückkehren wollten wurde einer von ihnen durch eine Kugel getötet. D’Artagnan wollte nach ihm sehen, als plötzlich wieder ein Schuss ertönte. Dieser wurde jedoch nicht von den Belagerern der Bastion abgefeuert. Er sah sich einem Kameraden gegenüber, welcher die Mündung auf ihn richtete. Da begriff er. Dies war ein Attentat, welches den Feinden in die Schuhe geschoben werden sollte. Blitzschnell zog unser Freund seine Muskete und erschoss seinen Gegner, den er einst Kamerad nannte. Aus dem Augenwinkel sah er den Anderen davonrennen. Schnell folgte er dem Flüchtenden. Als sie in Sicherheit vor den Soldaten in der Bastion waren, stürzte D’Artagnan auf den Gardisten. „Wer befahl euch, mich umzubringen?“ Wütend packte er seinen Gegner am Kragen. „Bitte, tut mir nichts. Ich wurde gezwungen mitzugehen.“ Ängstlich schaute dieser unseren Gascogner an. „Von wem? Kardinal Richelieu?“ Sein Gegner schüttelte den Kopf. „Nein. Mylady gab uns den Befehl.“ Verwundert ließ D’Artagnan los. „Was? Wer ist das?“ Sein Gegenüber zitterte. „Sie ist sehr mächtig. Sie hat uns befohlen euch und die zwei anderen Musketiere, mit denen ihr immer zusammen seid zu töten?“ D’Artagnan hob seine Augenbrauen. „Wieso zwei…?“ „Sie befahl uns ausdrücklich den hübschesten der vier Unzertrennlichen am Leben zu lassen. Den brauche sie noch.“ ‚Aramis.’ „Verschwinde!“ Fluchend drehte sich unser Freund um und begab sich zu seinem Hauptmann. „Befehl ausgeführt. Die Bastion ist besetzt. Zwei wurden getötet, der Andere verschwand spurlos.“ D’Artagnan salutierte. „Gut gemacht.“ Anerkennend nickte Monsieur des Essarts.
Damit war unser Freund seinem sehnlichsten Wunsch Musketier zu werden wieder ein großes Stück näher zu kommen.
Die Garde zog sich ins Kloster zurück und D’Artagnan begab sich auf die Suche nach seinen drei Freunden. Vielleicht wussten sie mehr über eine Frau namens Mylady.
Inzwischen hatte der König voll Ungeduld eine Rast übersprungen und kehrte mit seinen Truppen und einer unheimlich großen Verstärkung unter dem Triumph der Bevölkerung in La Rochelle ein.
Unser Gascogner brauchte seine Freunde nicht lange suchen. Vor der Kutsche des Königs ritten Aramis und Athos, hinter der Kutsche Portos und ein weiterer Musketier. D’Artagnan konnte seinen Blick nicht von Aramis lassen, welcher seinen Freund auch zuerst entdeckte. Aramis machte Athos auf D’Artagnan aufmerksam, in dem er freudig seinen Arm zum Gruß hob. Aufgeregt erwiderte D’Artagnan jene Geste. Aramis gab diesem ein Zeichen der Kutsche zu folgen. Bald konnten sich die vier wieder in die Arme schließen.
„Wo hat deine Kompanie ihr Quartier?“ fragte Portos. „Im Kloster Minimen.“ Antwortete der Gefragte.
Am Abend trafen sich die vier vereinten Musketiere in der Kneipe „Le Chalais de Champagne“. Hier schien ein etwas gehobeneres Niveau zu herrschen, als in den Kneipen Paris’. Etwas abseits in einer Ecke war noch ein freier Tisch. Nachdem sie bestellt hatten, erzählte D’Artagnan, was ihm passiert war. Bei dem Namen Mylady zuckte Athos merklich zusammen und auch Aramis und Portos sahen einander erschrocken an. „Was hat es mit dieser Frau auf sich?“ D’Artagnan konnte sein Erstaunen über die Reaktion seiner Freunde nicht verbergen. Da Athos scheinbar nicht gewillt war, irgendein Wort darüber zu verlieren, fing Portos an zu erzählen. „Diese Frau hat unseren Athos ins Verderben gestoßen.“ Nun war es an D’Artagnan geschockt zu schweigen. Er wollte schon das Thema wechseln, als Athos selbst fort fuhr. „Ich war einst mit ihr verheiratet. Ihr Name lautete Anne de Breuil. Sie war die schönste Frau, die mir je begegnet war. Wir waren glücklich. Dann wurde sie schwanger.“ Sein Blick verdunkelte sich. „Als das Kind da war, geschah das unfassbare.“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. Aramis legte seinem Freund die Hand auf dessen Arm. „Sie opferte unser Baby dem Teufel. Sie hat es einfach umgebracht.“ D’Artagnan schluckte. Bestürzt sah er Athos an. „Wie kann eine Mutter zu so etwas fähig sein.“ Athos’ Blick schweifte in die Ferne. „Ich musste sie bestrafen. Also setzte ich sie auf ein Pferd, schob ihren Kopf in die Schlinge und befestigte diese an einem Baum. Ich habe gesehen, wie sie dort hing.“ Er schaute Aramis flehend an. Dieser fuhr leise fort. „Aber irgendwie muss sie sich befreit haben. Wahrscheinlich hat ihr jemand geholfen.“ Er seufzte. „Vor wenigen Wochen begegnete Athos ihr wieder. Ich werde wohl niemals sein Gesicht vergessen, als er sie auf einem Ball des Königs entdeckte. Er war bleich wie der Tod.“ Athos ergriff wieder das Wort. „Sie stand dort mit Kardinal Richelieu. Und dann sah ich es. Auf ihrer Schulter. Das Zeichen der Lilie.“ D’Artagnan verstand nicht. „Das Zeichen der Lilie deutet auf einen Pakt mit dem Teufel hin.“ Erklärte Aramis ihm. „Seit dem versuchen wir Myladys Racheplänen zu entgehen.“ Fügte nun Portos ein. „Das sie Athos zu vernichten versucht leuchtet mir ein.“ Meinte D’Artagnan. „ Aber warum auch Aramis?“ Nun war es an diesem bleich zu werden. „Es hängt mit seiner Herkunft zusammen.“ Setzte Athos zu einer Erklärung an. „Seine Vorfahren waren … nun sie waren sehr mächtig im Kampf gegen das Böse.“ Er sah Aramis fragend an. Dieser nickte. Und so erzählte Athos den Freunden, was er an jenem Tag des Reiterduells auf dem Turnierplatz erfuhr. Als er geendet hatte, herrschte ein undefinierbares Schweigen. Einerseits waren Portos und D’Artagnan beeindruckt über das Gehörte, andererseits wurde ihnen um die Last bewusst, die ihr Freund damit zu tragen hatte. „Der letzte Nachkomme der Valinar.“ Bedächtig sprach Portos die Worte aus. „Da Mylady einen Pakt mit dem Teufel besiegelte und dessen gefährlichster Gegner schon immer das Volk der Valinar war, ist es logisch, dass Myladys stärkster Gegner Aramis ist.“ D’Artagnan fügte die Puzzleteilchen zu einem Ganzen. „Wir müssen sie endgültig vernichten.“ Portos sprach aus, was alle dachten. „Wir können sie nicht so einfach besiegen.“ Athos ließ die Schultern hängen. „Warum?“ fragte Portos. „Der Vertrag, den sie schloss wurde mit Blut besiegelt.“ Warf Aramis ein. „Wir brauchen den Vertrag, um diesen zu vernichten. Nur so können wir Mylady erledigen.“ Entschuldigend sah er zu Athos. Dieser schüttelte nur mit dem Kopf. „Du hast Recht, Aramis. Wir müssen ihr ein für allemal das Handwerk legen.“ Resigniert stützte Portos seinen Kopf in die Hände. „Und wo ist der Vertrag?“ Aramis’ Augen blitzten. „Wo hinterlegt man einen Vertrag mit dem Teufel?“ Athos lächelte. „Da, wo man ihn am wenigsten vermutet.“ D’Artagnan sprang auf. „In einer Kirche!“ Aramis nickte bedächtig. „Das stimmt schon annähernd.“ Verwundert sahen ihn seine Freunde an. „Dort wäre er zu wenig bewacht. Nein, er ist an einem Ort, an dem so viele Männer oder Frauen zugange sind, dass sich der Vertrag immer unter unbeabsichtigter Bewachung befindet.“ Triumphierend wartete er auf eine Antwort. Schließlich ging Athos ein Licht auf. „In einem Kloster!“ Grinsend nickte Aramis. „Du sagst es. Jetzt haben wir nur noch ein kleines Problem.“ Portos stöhnte auf. „Was denn noch?“ Beschwörend fragte Aramis „In welchem Kloster befindet sich der Vertrag?“ Seine Freunde konnten es nicht glauben. Ihm schien es direkt Spaß zu machen, sie so auf die Folter zu spannen. „Nun sag schon.“ Meinte Athos. Aramis sah ihn überrascht an. „Ich weiß es nicht.“
Kapitel Trennung auf Zeit
„Was? Du weißt nicht in welchem Kloster der Vertrag liegt?“ fragte Athos ungläubig. „Woher denn? Ich bin doch nicht allwissend.“ Verteidigte sich Aramis. „Aber vielleicht bekommen wir es raus, wenn wir die Namen der Kloster durchgehen.“ Portos guckte irritiert. „Was hat denn das miteinander zu tun?“ Aramis zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber was besseres fällt mir im Moment nicht ein.“ D’Artagnan überlegte. „Welche Klöster liegen in Paris und Umgebung?“ „Da wären in Paris ‚Grand Couvent des Jacobins’ am linken Ufer der Seine und ein Jakobinerkloster in der Rue du Faubourg Saint Honoré am rechten Ufer der Seine.“ Athos überlegte. „Von Maria Medici genehmigt und von Henri de Gondi – Bischof von Paris größtenteils finanziert.“ Warf Aramis ein. „Dann gibt es noch das Kloster ‚Couvent des Cordelières’.“ Fuhr Athos fort. „Das liegt im Faubourg Saint-Michel im Bereich der Bièvre.“ Portos guckte auf. „Ein Nebenfluss der Seine. Tolle Landschaft dort.“„Das ist ein Frauenkloster, die nach den Regeln Franz von Assisis leben.“ „Und welche sind das?“ fragte D’Artagnan. „Beten und Arbeiten in der Stille.“ Aramis schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass dort der Vertrag ist. Die Frauen würden sich in so etwas nicht mit reinziehen lassen.“ Athos bestätigte seines Freundes Annahme. „Westlich von Paris liegt die Klarissenabtei Longchamp und nördlich die Abtei Royaumont. Diese ist ungefähr einen halben Tagesritt entfernt in Asnières-sur-Oise.“ Portos lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Das klingt mir alles nicht nach Klöstern, in denen ein Vertrag mit dem Teufel zu liegen scheint.“ „Mein Gott!“ Aramis schnappte nach Luft. „Du hast es?“ Aramis nickte langsam. „Ein Kloster in Paris, welches eigentlich ein Hospiz für verwundete Soldaten des Königs ist. Ursprünglich beherbergte es das Kloster Saint-Magloire. Dieses zog allerdings 1564 um und sitzt nun in der Rue Saint Jacques. Dafür wurde von der Königinmutter ein anderes Kloster dort angesiedelt. Es heißt ‚Couvent des Filles Pénitentes’. ( Das heißt für unsere nicht französisch sprechenden Leser „Kloster der büßenden Mädchen“). Athos sprang auf. „Wenn das nicht der richtige Ort für solch einen verhängnisvollen Vertrag ist. Kommt!“ Er wollte gerade losstürmen, als plötzlich eine Gestalt vor ihm stand. „Du?“ Unser Musketier wankte. Vor ihm stand jene Frau, die er einst dachte erhängt zu haben. „Was wollt ihr hier?“ D’Artagnan hatte sich als erster vom Schrecken erholt, den alle erfasste. Er hoffte nur, dass dieses Teufelsweib nichts von ihrem Gespräch mithören konnte. Aber er war sicher, dass sie erstens leise sprachen und zweitens keine Person in der Nähe war, als Aramis das Kloster erwähnte. Mylady lächelte unsere Freunde süffisant an. „Ich komme, um euch ein Angebot zu unterbreiten.“ „Wir verhandeln nicht mit dem Teufel.“ Athos konnte sich kaum beherrschen. Drohend machte er einen Schritt auf sie zu. „Was? Wollt ihr eine Frau schlagen?“ Kardinal Richelieus Marionette wich keinen Zentimeter zurück. Aramis stellte sich zwischen die Beiden. „Was könntet ihr uns schon bieten? Einen Zusatzvertrag mit eurem Chef?“ Portos grinste in seine mittlerweile erkaltete Keule hinein. „Ihr solltet aufpassen, was ihr sagt.“ Zischte Mylady wütend. „Es könnte euch dereinst euer Leben kosten.“ Verunsichert wich Aramis zurück. „ Hört nun mein Angebot, oder lasst es.“ Athos nickte. „Sprich Weib.“ Diese begann. „Nun gut. Ich will es kurz und bündig machen. Ich werde euren vorlauten Freund dort am Leben lassen.“ Sie zeigte auf Aramis. „Wenn ihr drei Musketiere in die Garde des Kardinals übertretet.“ Jetzt verlor Athos seine Beherrschung endgültig. „Seid ihr übergeschnappt?“ brüllte er. „Das Letzte, was wir tun werden ist der Garde des Teufels beizutreten.“ Sie lächelte Aramis triumphierend an. „Dann ist euer Leben hiermit verwirkt.“ Dieser wurde bleich. D’Artagnan packte Mylady am Arm und schüttelte sie. „Das ist…“ Wie von Geisterhand war der Raum auf einmal mit Männern der Kardinalsgarde gefüllt. Allen voran ihr Hauptmann Jussac. „Ihr vergreift euch an wehrlosen Frauen?“ Er gab seinen Männern einen Wink, welche in Stellung gingen. „Ihr seid Musketiere des Königs und benehmt euch dermaßen daneben. Übergebt mir eure Degen. Ihr seid verhaftet.“ „Vielen Dank für eure Einladung, Jussac.“ Athos verneigte sich vor einem verdutzten Hauptmann. „Aber leider sind wir schon andernorts verabredet.“ Er deutete auf Mylady. D’Artagnan wunderte sich noch darüber, was die Garde des Kardinals in La Rochelle verloren hatte, als er begriff, dass die Situation von dieser Frau herbeigeführt wurde. Bevor er jedoch reagieren konnte, ging Aramis auf seinen Feind zu. „Monsieur de Treville hat uns verboten unsere Degen der Garde des Kardinals auszuhändigen.“ Er grinste Jussac an. „Wir haben euch gewarnt.“ Dieser zog seinen Degen. „Sie sind zehn und wir nur vier.“ Aramis drehte sich zu seinen Freunden um, als Jussac seinem nebenstehenden Gardisten einen Befehl gab. Dieser zog blitzschnell seinen Degen und führte diesen in einer Bewegung Richtung Aramis Hals, dass dieser ohne Athos unwillkürliches Eingreifen geköpft worden wäre. Aramis zuckte ob dieser Kaltblütigkeit zusammen. Und so hatte es Mylady geschafft unsere vier Musketiere in einen fingierten Kampf mit der Garde des Kardinals zu verwickeln.
Unseren Freunden wurde klar, dies war ein Kampf auf Leben und Tod. Die Männer des Kardinals würden sie nicht verschonen, falls einem der Musketiere auch nur ein Fehler unterlaufen sollte. Portos kämpfte mit mehreren gleichzeitig, von denen nacheinander einer verwundet oder getötet wurde. Auch Athos entledigte sich eines Angreifers. D’Artagnan und Aramis kämpften zusammen gegen drei Gardisten. Nach einem erbarmungslosen Kampf blieb nur noch Jussac übrig. Seine Männer waren entweder tot oder geflohen. Dieser ging auf Aramis los, der gerade seinem Gegner dessen Degen entwendete, woraufhin dieser ebenfalls das Weite suchte. Durch D’Artagnans Warnung konnte er den überraschenden Angriff Jussacs abwehren. Jussac focht wie ein Irrer. Aramis konnte seine kraftvollen wütenden und doch sehr platzierten Angriffe nur mit Mühe abwehren. Er fand einfach nicht in den Kampf hinein. Plötzlich schien ein Ruck durch Aramis zu gehen. Er sammelte seine Konzentration und griff nun seinerseits an. Jussac nicht mehr mit einem ernsthaften Angriff rechnend, parierte zwar, kam jedoch immer mehr aus dem Takt. Nun zeigte unser Musketier, was in ihm steckte. Elegant und absolut mühelos setzte er seinem Gegner schwer zu. Nun standen sich die Zwei schwer atmend gegenüber. Keiner der Anwesenden vermochte vorherzusagen, wer diesen Kampf gewinnen würde. Jussac wirbelte in einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf Aramis zu. Dieser warf sich im letzten Moment zur Seite, ließ allerdings seinen Degen stehen, so dass Jussac genau hinein lief. Dieser taumelte. Mit letzter Kraft richtete er sich auf und stürzte auf unseren Musketier zu. Dieser stieß ihm den Degen mitten ins Herz.
Des Kardinals Handlanger war besiegt.
Atemlos konnte sich auch Aramis kaum mehr auf den Beinen halten. Zitternd stützte er sich auf einen Tisch. In der Kneipe herrschte absolutes Schweigen. Aramis zitterte jedoch nicht vor Erschöpfung. Ihm kamen die Worte Gabriels in den Sinn, welche er an Jussac richtete.
„Und er wird euer Schicksal sein.“
Entsetzt schlich sich Mylady aus der Gefahrenzone. Niemand achtete mehr auf sie, so dass sie unbehelligt fliehen konnte.
Mit ihrer Kutsche, welche in der Nebenstraße auf sie wartete fuhr sie so schnell wie möglich in ihre Unterkunft, um dem Kardinal Bericht zu erstatten.
Dieser Plan war Fehlgeschlagen.
Wie konnte der Kardinal bloß annehmen, Aramis würde so leicht zu besiegen sein?
Ihr Gebieter hatte sich schon damals in Sauron geirrt und Aragorn unterschätzt. Jetzt passierte das Ganze noch mal!
Diesmal überschätzte er Kardinal Richelieu, dessen Körper er sich zuweilen bediente und maß Aramis zu wenig Bedeutung bei.
Nein, um den letzten Erben der Valinar endgültig zu vernichten mussten sie andere Geschütze auffahren.
Aramis musste von ganz anderer Seite angegriffen werden.
Und zwar von seiner verletzlichen Seite; das was er am meisten liebte.
Mit der Ermordung seiner Verlobten Fabienne de Jarjaye war dies schon einmal geglückt. Warum nicht noch einmal.
Wie hieß seine neue Freundin gleich?
Sharmine. Sharmine de Lucigne.
Nein. Ihr fiel noch jemand besseres ein.
Athos
Sie hatte bemerkt, dass ausgerechnet diese Zwei eine innige und außerordentlich tiefe Freundschaft verband.
Wenn sie diese auseinander bringen könnte, würde Aramis verletzbar werden.
Dieser Plan würde zwar länger dauern, als der des Kardinals, aber er würde wirksamer sein.
Und sie hätte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Inzwischen kehrte im Gasthaus unserer vier Freunde wieder Ruhe ein. Nachdem man Aramis anerkennend zugesprochen hatte, saßen D’Artagnan und die drei Musketiere wieder an ihrem Tisch.
„Wir sollten uns trennen.“ Athos ergriff das Wort. „Zwei von uns suchen den Vertrag Myladys in dem Kloster und die zwei Anderen bleiben in La Rochelle.“ D’Artagnan sah die drei Musketiere an. „Ich denke, es wäre nicht empfehlenswert, wenn gleich zwei Musketiere der Königlichen Leibgarde La Rochelle verließen. Daher sollte ich mit zum Kloster gehen.“ Athos sah zu Aramis. „Und der zweite Mann bist du Aramis. Keiner kennt sich in Theologischen Angelegenheiten besser aus als du.“ Dieser nickte. „Morgen reiten wir los.“
Nach einer Weile verließen sie das Wirtshaus. Zuerst einigte man sich darauf, D’Artagnan in sein Quartier zu begleiten, bevor die übrigen Drei in ihre eigene Unterkunft zurückkehren wollten.
Da Aramis jedoch immer noch sehr erschöpft war, trennten sie sich. Portos und Aramis kehrten sofort in ihr Quartier ein, während Athos mit D’Artagnan ging.
Angeregt unterhielten sich unsere beiden Freunde, als Athos seinem Kameraden ein unauffälliges Zeichen gab. Schnell verbargen sie sich in einem Hauseingang. Kurze Zeit später vernahmen sie Stimmen. Sehr bald wurde klar, um wen es sich handelte. Vorsichtig folgten unsere zwei Freunde den Gestalten und befanden sich alsbald vor einem großen Anwesen. Nachdem sie um das Gebäude herumgelaufen waren, entdeckten sie eine offene Tür. Ihren Degen griffbereit schlichen sie zu dem Eingang. Es schien der Durchgang für die Bediensteten des Hauses zu sein. Als zwei Diener herauskamen, schlugen Athos und D’Artagnan diese bewusstlos und zogen sich deren Kleidung an. So kamen sie unbeachtet an weiteren Dienern vorbei in das Anwesen. D’Artagnan zeigte auf eine Treppe und lief los. Oben angekommen vernahmen sie die gleichen Stimmen, denen sie gefolgt waren. Was sie zu hören bekamen, stockte ihnen den Atem.
„Nein, ich habe einen besseren Plan.“ Es war Mylady. „Eurer schlug fehl. Aramis lebt noch. Im Gegenteil, euer Hauptmann ist stattdessen tot.“ Ihr Gesprächspartner wurde sichtlich unruhig. „Was schlagt ihr vor?“ Mylady nahm sich etwas zu trinken. „Ich gedenke Georges Villiers, Herzog von Buckingham umbringen zu lassen. Schließlich hat er ein Verhältnis mit der Königin und die Briten sind auf der Seite der aufständischen Hugenotten. So ist es leicht seinen Tot zu erklären und zu rechtfertigen.“ Athos war von der Kaltblütigkeit, mit der seine einstige Frau einen Mord plante fassungslos. Auch Kardinal Richelieu zog hörbar die Luft ein. „Wie wollt ihr das denn durchführen?“ „Eure Majestät, die Königin hat schon lange ein Verhältnis mit ihm. Das weiß fast jeder im Lande. Um dies dem König deutlich zu machen, müsst ihr ihn zwingen in zwei Wochen einen Ball zu geben, auf dem die Königin das Kollier mit den Diamantspitzen tragen soll, welches ihr der König einst schenkte. Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass sie diese Kette dem Herzog geschenkt hat. Als Beweis ihrer Liebe. So wird sie die Kette nicht tragen können. Und ihr werdet die Untreue der Königin aufdecken, indem ihr drei Diamantspitzen der Kette dem König gebt.“ Kardinal Richelieu zögerte. „Und wie wollt ihr bis zu dem Ball an die Diamantspitzen herankommen?“ Mylady lächelte geheimnisvoll. „Das lasst mal meine Sorge sein. Ich werde die Diamantspitzen bringen und den Verrat am französischen Königshaus rächen.“ Siegessicher stellte sie sich vor ihren Auftraggeber. „Und ihr werdet das Lob einheimsen.“ Immer noch skeptisch fragte Richelieu sie, wo denn ihr Vorteil bei dem Ganzen sei. „Es darf für mich kein Vorteil dabei herausspringen. Sonst würde ich sterben. Das wisst ihr. Bestandteil eures Vertrages.“ Kardinal Richelieu nickte. „So soll es geschehen.“ Athos und D’Artagnan hatten genug gehört und zogen sich zurück.
Währenddessen machte Mylady noch eine Bemerkung, die unsere beiden Musketiere sicher noch sehr interessiert hätte.
„Ich beabsichtige diesen Mord einem Musketier unterzuschieben.“ Verblüfft schaute Kardinal Richelieu Mylady an. „Wie das?“ „Die Musketiere werden einen anonymen Brief erhalten, in dem Hinweise auf das geplante Attentat an Buckingham enthalten sind. Daraufhin werden sie auf dem schnellsten Weg nach England reisen, um den Herzog zu warnen. Allerdings werden sie zu spät kommen. Ein von mir bezahlter Diener wird sie entdecken. Ebenfalls werde ich dafür sorgen, dass es für ihn aussieht, als hätte Aramis den Mord begangen.“ Ihre Augen blitzten. „So könnt ihr ihn in Paris richten. Auf Mord an einem Herzog steht Tod durch erschießen.“
Durch den lückenlosen Plan Myladys überzeugt nickte Kardinal Richelieu mit dem Kopf. Beide ahnten ja nicht, dass Aramis gar nicht in England sein sollte.
D’Artagnan war mit Athos zu Aramis und Portos zurückgekehrt. Nachdem sie von dem Vorhaben Myladys berichtet hatten, beschlossen die Vier am nächsten Morgen einen Boten an Treville zu schicken. Sie einigten sich, dass Aramis trotzdem das Kloster aufsuchen sollte. Allerdings in Begleitung von Athos, schließlich ging es um seine einstige Ehefrau. D’Artagnan und Portos würden nach England reisen und den Herzog von Buckingham warnen.
Noch in der Nacht schickte D’Artagnan einen Boten an Constance, um diese Vorzuwarnen.
Am nächsten Morgen gaben sie dem Boten einen Brief, indem sie Treville schrieben nach England reisen zu müssen, um eine Intrige gegen die Königin und einen Mordanschlag gegen den Herzog von Buckingham zu verhindern und ritten los. Zwei in Richtung Paris und Zwei nach England.
So kam es, dass der anonyme Brief Myladys die vier Freunde verfehlte. Als der Bote mit der Nachricht zurückkehrte, die drei Musketiere und D’Artagnan seien bereits fortgeritten, wurde ihr bewusst, dass die Vier ihr schon wieder einen Schritt voraus war.
Eiligst begab sie sich auf die Reise nach England.
Nach einigen Tagen und mehreren Pferdewechseln kamen D’Artagnan und Portos erschöpft aber wohlbehalten in England an. Von ihrer letzten Etappe hatten sie einen Boten vorgeschickt, der die Musketiere des französischen Königs ankündigte.
Freudig empfing der Herzog von Buckingham unsere beiden Freunde.
Bei einem feudalem Mahl aßen sich die Kameraden erst einmal satt.
Anschließend eröffnete Athos ihrem Gastgeber den Grund ihres Besuches.
„Kardinal Richelieu will mich umbringen lassen?“ Er war geschockt. „Was können wir dagegen unternehmen?“ „Wir müssen euch Tag und Nacht bewachen und nach dem Anschlag so tun, als wäret ihr wirklich tot.“ D’Artagnan kaute seelenruhig weiter, während Portos ihren kühnen Plan vorbrachte. „Und weshalb soll ich trotzdem sterben?“ „Nur zum Schein.“ Warf der Gascogner ein. „Wie auch immer.“ Der Herzog wendete sich wieder an Portos. Dieser erwiderte. „Damit wir die Intrige in Paris auffliegen lassen können.“ D’Artagnan pflichtete ihm bei. „Und das geht nur, wenn wir den Überraschungsmoment auf unserer Seite haben, euch plötzlich lebendig vor dem König und dem Kardinal stehen zu lassen.“ „Und dabei noch den angeblichen Mörder präsentieren.“ Warf Portos ein. Jetzt wurde es dem Herzog zu wirr. „Wie das denn?“ „Wir nehmen euren Mörder gefangen und klagen ihn in Frankreich wegen Mordes an. Ich schätze, da wird er seine tatsächlichen Auftraggeber verraten. Schließlich steht darauf die Todesstrafe durch erschießen. So können wir die Intrige des Kardinals und Myladys aufdecken und den dunklen Geschäften Myladys ein Ende setzen.“ Der Herzog ließ sich nur zögernd überzeugen. „Nun müssen wir dafür sorgen, dass das Kollier mit den Diamantspitzen sofort nach Frankreich zu ihrer Majestät der Königin gelangt, um sie vor der Demütigung auf dem Ball zu bewahren.“ Portos schaute von seinem Essen hoch. „Ich kann nur hoffen, dass nicht mehrere Männer versuchen euch zu ermorden. D’Artagnan wird die Kette an sich nehmen und sie ihrer Majestät überbringen. “ Er schaute zu D’Artagnan. „Du hast den Mut und den Wahnsinn, solch eine gefährliche Reise durchzustehen.“ D’Artagnan stand auf und verneigte sich. „Mein Herzog. Ich werde mich bemühen euer Vertrauen in mich zu rechtfertigen und meinen Auftrag zu eurer vollsten Zufriedenheit auszuführen.“
„Wir sollten uns als Mönche verkleiden und uns Zutritt in die Kirche verschaffen.“ Aramis zügelte sein Pferd. „Folge mir, ich kenne da jemanden, der uns behilflich sein kann.“ Er ritt in eine kleine Gasse und stoppte vor einer derart winzigen Tür, dass Athos fast auf Aramis Stute aufgeritten wäre, da er gar nicht mit einem Halt rechnete. Verwundert stieg er ab und ging hinter seinem Freund in das Haus. „Darf man hier einfach rein spazieren?“ gebückt schlich er durch das niedrige Gewölbe. Aramis legte seine Finger auf die Lippen. Vor ihm saß ein altes runzliges Männchen, welches in einem Buch zu lesen schien. Aramis beugte sich über dessen Schulter. „Bonjour Pater Johannis!“ Athos und der Angesprochene waren bei gleichermaßen erschrocken. Unser Musketier über die Lautsärke Aramis’, Pater Johannis über die Tatsache, jemanden hinter sich stehen zu haben. „René d’Herblay!“ erfreut hüpfte der alte Mann vom Stuhl und fiel unserem Musketier in die Arme. „Das ist mein ehemaliger Mentor. Er ist etwas schwerhörig.“ raunte Aramis Athos zu. „Er lehrte mich, als ich noch bei meinem Onkel auf dem Landsitz wohnte.“ Aramis strahlte. „Ich unterrichtete ihn in Theologie. Ein schlaues und gelehriges Kerlchen.“ Grinste der Pater. Prüfend musterte er Aramis. „Gott im Himmel. Du bist ja ein richtiger Mann geworden. Gut schaust du aus.“ Athos nickte. „Die Damen am Hofe können dies bestätigen.“ Aramis verdrehte die Augen. „Du weißt, ich bin nur vorübergehend Musketier und werde eines Tages einem Kloster…“ „Ja, ja, Aramis.“ Athos grinste über beide Ohren. „Für dieses Vorhaben klebt allerdings entschieden zu viel weibliches Parfüm an dir.“ Angesichts der Wendung, die dieses Gespräch nahm, kam Aramis wieder zum eigentlichen Anliegen zurück. „Pater, ich brauche zwei Priesterkutten.“ Sein ehemaliger Mentor schaute ihn durchdringend an. Da er merkte, dass sein Schüler nicht näher darauf eingehen würde, fragte er nicht weiter. Langsam ging er in ein Hinterzimmer und kam mit zwei Kutten im Arm wieder hervor. „Wollt ihr mir nicht wenigstens einen Teil eures Vorhabens anvertrauen?“ Aramis schüttelte den Kopf. „Ihr könnt uns nicht helfen. Wir stehen im Kampf gegen den Leibhaftigen und seiner überaus reizenden Dienerin.“ Pater Johannis fuhr zusammen. „Ist es diese Frau, welche immer wieder in dem Kloster drüben auftaucht?“ Athos konnte sich nicht zurückhalten. „Ihr habt sie gesehen?“ Der Pater nickte. „Ich bin öfter im Kloster um Buße zu tun. Diese Frau kommt meist, wenn es bereits dunkel ist und bleibt bis zum frühen Morgen. Danach verschwindet sie spurlos. Sie fiel mir auf, weil sie von überirdischer Schönheit ist. Blond mit großen blauen Augen, die manchmal grün zu funkeln scheinen. Etwas an ihr stört mich, aber ich kann nicht benennen, was es ist.“ Athos sackte in sich zusammen. „Das ist sie.“ Er erzählte Pater Johannis seine Geschichte. Dieser starrte seinen Gegenüber entsetzt an. „Man kann einen Pakt mit dem Teufel nur unterbrechen, wenn man den Vertrag vernichtet.“ Aramis seufzte. „Das wissen wir bereits. Deswegen sind wir hier.“ „Ihr glaubt, der Vertrag sei in diesem Kloster?“ Aramis nickte und wies seinen Mentor auf den Namen des Klosters hin. Nachdenklich stimmte er zu. „Du könntest Recht haben. Aber ihr könnt den Vertrag, solltet ihr ihn finden nicht einfach ins Feuer werfen. Er lässt sich nur durch Sonnenlicht vernichten.“ Nun war es an unseren Freunden verdutzt zu gucken. „Durch Sonnenlicht? Wie…“ Pater Johannis holte eine Apparatur zum Vorschein, welche die zwei Musketiere noch nicht gesehen hatten. Ein kompliziertes Gewirr aus Gläsern und Rädchen. Mitten drin eine Art Tisch. „Mit diesem Gerät kann man Verträge vernichten, welche mit dem Teufel geschlossen wurden. Ich beschäftige mich schon lange damit.“ Aramis warf dem alten Mann einen verwirrten Blick zu. „Ihr?“ Der Pater ging nicht weiter drauf ein. „Der Vertrag kommt auf dieses Tischlein. Die Sonne wird von den Spiegeln eingefangen und durch diese Lupe auf den Vertrag verstärkt. So fängt der Vertrag Feuer und wird vernichtet.“ Athos war beeindruckt. „Aber weshalb mit Sonnenlicht?“ Aramis kam seinem Lehrer zuvor. „Weil das Sonnenlicht ein Geschenk Gottes ist.“ Dieser nickte andächtig. Nachdem Aramis und Athos sich die Kutten übergezogen hatten, warnte Pater Johannis unsere Freunde. „Nehmt euch in Acht. Was auch immer ihr dort vorfindet. Solltet ihr mit eurer Vermutung Recht haben, werden die Mönche alles dafür tun, diesen Pakt zu schützen.“ Dankend verließen die zwei Kameraden den liebenswerten alten Mann und ritten zum Kloster. „Lass mich reden.“ Beschwor Aramis seinen Freund. Dieser nickte. „Bonjour, Monsieur.“ Sprach Aramis einen Mönch an. „Wir sind auf der Durchreise von Montpellier. Ist es erlaubt in eurer Kirche ein Gebet an den Herrn zu sprechen?“ Überrascht von dem jugendlichen Alter unserer Freunde sah er Aramis an. Bisher waren die Priester aus Montpellier immer älter als er gewesen. schließlich deutete er auf das Gebäude. „Gebt mir eure Pferde. Ich werde sie versorgen. Dort drüben im Innenhof befindet sich unsere Kirche.“ Nachdem unsere falschen Mönche ihre Pferde übergeben hatten betraten sie die Kirche. Aufmerksam sah Athos sich um. „Das ist eine wunderschöne Kirche. Aber wo sind hier die büßenden Mädchen?“ Aramis grinste ihn an. „Du möchtest ihnen wohl die Beichte abnehmen, was?“ Athos hob die Schultern. „Warum nicht? Ich kann gut zuhören.“ Aramis schritt zum Altar, kniete nieder und tat, las ob er betete. Dabei untersuchte er den Altar und das Kreuz, welches ihn schmückte. Allerdings konnte er nirgends einen Hinweis entdecken, die auf einen Hohlraum im Kreuz schließen ließe. Ernüchtert stand er auf, als sein Blick auf einen Beichtstuhl fiel. Irgendetwas zog ihn dorthin. Er suchte Athos und sah diesen durch eine Tür verschwinden. Kurz überlegte Aramis seinem Kameraden zu folgen, doch etwas an dem Beichtstuhl fesselte ihn. Beim Näher kommen betrachtete er diesen genauer. Da war etwas, was ihm helfen sollte, doch ihm wurde noch nicht gewahr, um was es sich dabei handelte. Plötzlich sprach ihn ein anderer Mönch an. „Ihr seid neu hier? Ich habe euch noch nie hier im Kloster gesichtet.“ Aramis wurde wachsam. Bedächtig wählte er seine Worte. „Ich bin auf der Durchreise und möchte unserem Herrn ein Gebet aussprechen.“ Der Andere schien noch nicht zufrieden. „Woher kommt ihr?“ „Aus Montpellier.“ Antwortete Aramis. Wieder sah unser Musketier, wie sich ein überraschter Gesichtausdruck bei seinem Gesprächspartner einschlich. „Ihr seid sehr jung…“ Glücklicherweise kam in diesem Augenblick Athos zu ihnen. „Entschuldigt uns bitte, Monsieur.“ Er zog Aramis mit sich. „Warst du in Schwierigkeiten?“ Aramis nickte. „Es wären bald welche geworden.“ Er deutete auf den Beichtstuhl. „Frag nicht warum, aber ich bin mir sicher, dass sich an diesem Beichtstuhl ein Hinweis befindet.“ Athos warf ihn einen verwunderten Blick zu. „Am Beichtstuhl?“ Plötzlich entdeckte Aramis was er suchte. „Der Kopf über dem Beichtstuhl.“ Atemlos lief er auf das Gebilde zu. „Der Kopf eines Kleinkindes Und genau dahinter ein Bild vom Fegefeuer.“ Athos verstand. „Anne de Breuils Opfer an den Teufel. Unser neugeborenes Kind.“ Gebannt starrte Aramis auf die Figur. „Du hattest Recht.“ Athos war genauso entsetzt wie sein Freund. „Wir sind am richtigen Ort.“
Am nächsten Morgen war D’Artagnan in aller früh losgeritten. Das kostbare Kollier trug er in einem gut verschnürten Lederbeutel bei sich.
Etwa nach der Hälfte seiner Reise entdeckte er Mylady. Schnell verbarg er sich in der Kapuze seines Umhanges. Hatte sie ihn ebenfalls bemerkt?
In einem Wirtshaus fragte er nach einem Zimmer. Dort eingezogen, fiel er müde in sein Bett und schlief ein. Plötzlich erwachte er durch ein Geräusch. Er verkniff es sich gerade noch so hochzufahren und sich dadurch zu verraten. Schließlich wusste er noch nicht, ob das Geräusch von draußen, oder von drinnen kam. Vorsichtig schloss er seine Finger fester um den Beutel, den er auch in der Nacht immer an seinem Körper trug. D’Artagnan ortete das Geräusch. Es kam von seiner Zimmertür. Er umklammerte den Dolch und spürte seine Pistole unter seinem Kopfkissen. Auf einmal kam eine Gestalt auf ihn zu geschnellt. Unser Gascogner sah noch, wie der Angreifer den Arm hob und einen Degen in der Hand hielt. Blitzschnell schleuderte er seinen Dolch auf den Angreifer. Dieser verharrte mitten in der Bewegung. Polternd fiel dessen Degen zu Boden. D’Artagnan konnte erkennen, dass er den Angreifer in die rechte Schulter getroffen hatte. Fluchend bückte sich der Gegner und wollte seinen Degen aufheben, als unser Kamerad bei ihm war und ihn mit dessen Degen bedrohte. „Wer seid ihr?“ Sein Gegner verlor viel Blut und wankte. „Eine Frau gab mir hundert Deniers und befahl euch zu töten.“ Verächtlich wollte sich D’Artagnan abwenden. „Für Geld würdet ihr wohl alles machen?“ Er zog noch den Dolch aus der Schulter seines Angreifers. „Geht. Bevor ich es mir anders überlege.“ Dieser hatte es ziemlich eilig aus der Reichweite unseres wütenden Freundes zu gelangen.
Beunruhigt durch den Zwischenfall schlief er in der Nacht kaum noch.
Bevor es hell wurde ritt D’Artagnan weiter.
Er hoffte, dass ihm kein weiterer Handlanger Myladys den Rückweg erschweren würde.
In der folgenden Nacht schlief Portos überhaupt nicht. Überall sah er Schatten und rechnete mit einem Angriff.
Dann geschah es.
Eine Gestalt stieg durch das absichtlich offengelassene Fenster und lief in die Richtung, in welcher sich die Gemächer des Herzogs befanden. Ihren Verfolger merkte sie nicht. Geschwind huschte sie durch die Tür des Schlafzimmers und zog einen Dolch unter ihrem Umhang hervor. Brutal stach der Mörder auf die im Bett liegende Person ein. In diesem Moment stürzte sich Portos auf die Gestalt. Allerdings konnte diese den Angriff unseres Musketiers abwenden. Portos erkannte einen Mann, den er gedachte schon einmal bei der Garde des Kardinals gesichtet zu haben. Während er sich noch zu erinnern versuchte, griff sein Gegner an. Schnell merkte Portos, dass dieser ihm nicht wirklich gefährlich werden konnte. Nach einem kurzen allerdings heftigen Kampf, der Gardist musste um sein Leben fürchteten, würde er besiegt, konnte Portos den Mann bezwingen und fesselte ihn.
Er bemerkte jedoch nicht die zweite Gestalt, welche alles beobachtete. Diese kehrte leise fluchend zu ihrem Pferd zurück. „Verdammt. Das war gar nicht Aramis.“ Herrschte sie dem wartenden Kameraden zu. „Mylady hat sich getäuscht. Das war ein anderer Musketier.“ Die Gestalt saß auf. „Und er hat unseren Mann besiegt.“ Bange ritten die finsteren Gesellen zurück zu ihrer Auftraggeberin.
„Wie ist euer Name?“ Der Mann antwortete nicht. „Arbeitet ihr für Mylady?“ Wieder schwieg der Gefragte. „Nun gut. Für den Mord an Georges Villiers, Herzog von Buckingham werde ich euch vor Gericht stellen. Und zwar in Frankreich, da ihr Franzose seid.“ Erschrocken schaute ihn sein Gegner an. „Woher wisst ihr, dass ich auch Frankreich komme?“ Portos zuckte mit den Schultern. „Jetzt weiß ich es.“ In die Falle getappt, schwieg der Mann verärgert. „Ihr wisst, in Frankreich steht auf solch eine Tat ‚Tod durch Erschießen.’ Und zwar in der schlimmeren Variante. Ihr werdet nicht direkt erschossen, sondern mit der ersten Kugel verletzt, so dass ihr langsam ausblutet und erst der zweite Schuss ist der Tödliche.“ Sein Gefangener wurde bleich. „Wollt ihr mir nun doch eure Auftraggeber verraten?“ Doch er erhielt keine Antwort. „Nun gut, dann werden wir morgen nach Paris aufbrechen.“ Er überprüfte, dass sein Gefesselter sich nicht befreien konnte und ging hinaus.
Aufgeregt kam ihm der Herzog entgegen.
Portos gab Zeichen zur Stille und führte ihn in ein entlegenes Zimmer. „Es ist alles glatt gegangen. Der Täter ist ein Gardist des Kardinals. Er liegt gefesselt und wartet auf seine Hinrichtung.“
Aufatmend setzte sich der Herzog in seinen Sessel und schenkte ihnen Wein ein. „Ich hätte nicht gedacht, dass euer Plan mit den Kissen funktionieren würde.“ Er nahm einen kräftigen Schluck des kostbaren Getränks. „Wie fahren wir nun fort?“ fragte der Herzog seinen Retter. Portos schien zu überlegen. „Ich bräuchte treu ergebene Diener, welche mit mir die Überführung des Gefangenen nach Frankreich vollbringen.“ Der Herzog nickte. „Reichen euch vier Männer?“ Portos nickte. „Ihr müsst mit euren treusten Dienern und besten Männern ebenfalls nach Paris reisen, um als Zeuge zu fungieren.“ Portos war dennoch nicht ganz zufrieden. „Es ist unverantwortlich, dass ihr allein reist. Aber ich denke, der Gefangene darf nicht aus den Augen gelassen werden.“ Der Herzog winkte ab. „Auf meine Männer kann ich mich verlassen. Für sie lege ich die Hand ins Feuer.“ Portos war noch nicht vollends beruhigt. „Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob Mylady eher euch angreifen wird, oder versucht, ihren Mann, der sie ja verraten könnte aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Irgendwann wird sie merken, dass ihr Plan schiefgelaufen ist, da ihr Untergebener nicht zurückkehrt.“
Der Herzog lächelte ihn an. „Kümmert ihr euch um euren Gefangenen und vertraut mir, dass ich rechtzeitig kommen werde.“ Seufzend nickte Portos mit dem Kopf.
Athos und Aramis hatten Quartier im Kloster bezogen und sich am ersten Tag ausgiebig umgesehen. Nach einer ruhigen Nacht und einem für ein Kloster ausgiebigem Frühstück standen sie nun wieder vor jenem Beichtstuhl. „Was hast du?“ Athos war beunruhigt. Sein Freund stand schon Minuten still und schien in Gedanken versunken.
Plötzlich zog Aramis seinen Dolch und schleuderte ihn mit aller Kraft auf den Steinkopf über dem Beichtstuhl. Durch die plötzliche Tat erschrak Athos. Vor allem, als er sah, was diese bewirkte. Der Kopf neigte sich nach unten und heraus fiel eine schwarze Rolle. Aramis fing sie auf und öffnete den Deckel. Unseren Musketieren stockte der Atem. Sie fanden ein zusammengerolltes Stück Papier. Bevor Athos jedoch erkennen konnte, was es war, bemerkte er hinter sich einen Schatten. Blitzschnell reagierte er und zog Aramis zur Seite. Dort wo sein Freund eben gestanden hatte steckte in der Wand ein Messer. Aramis verschloss den Deckel und rannte los. Von so viel Kühnheit war selbst Athos überrumpelt. Anstatt sich von einem Kampf aufhalten zu lassen, machte unser Musketier genau das, womit alle Beteiligten am wenigsten rechneten. Er rannte einfach im Zickzack quer durch die Kirche, so dass er kein gutes Ziel abgab und entkam so den verdutzten Wächtern des Vertrags. Vor der Kirche schauten sich unsere Kameraden nach ihren Pferden um. Glücklicherweise hatte der Mönch von vorhin die Pferde zwar mit Wasser versorgt, sie aber nicht abgesattelt und nur fahrlässig angebunden. So verloren sie nicht viel Zeit und konnten davon reiten, während ihre Verfolger erst noch ihre Pferde fertig machen mussten. Somit hatten sie einen wertvollen Vorsprung. Nach einer Weile sprang Aramis plötzlich vom Pferd und verknotete die Zügel am Sattel. „Wir lassen die Pferde laufen. So treten sie sich nicht in die Zügel und wir verwischen unsere Spur. Du weißt, Fenena kommt immer zurück.“ Athos erinnerte sich an den Vorfall, als Aramis entführt worden war. Fenena hatte sie zu ihrem Herren geführt, als dieser nach ihr Pfiff. Athos sah sich um und erkannte das Haus Pater Johannis. Aramis stürmte hinein und rief seinen Mentor. „Ihr habt es tatsächlich geschafft?“ Ungläubig hielt er den mit Blut besiegelten Vertrag Anne de Breuils in der Hand. „Was steht drauf?“ Aramis zappelte ungeduldig. „Das solltet ihr am besten selbst lesen.“ Damit übergab Pater Johannis den Vertrag an Athos. Dieser fing an zu lesen. „Mit diesem Schriftstück verpflichte ich mich meine Seele in den Dienst des Leibhaftigen zu stellen. Ich erhalte die Macht und alle notwendigen Mittel, meine Ziele zur Zerstörung aller, die an Gott und das Gute im Menschen glauben zum abschließenden Ende zu bringen. Ich verpflichte mich insbesondere den lang andauernden Kampf zwischen Elben und meinem Gebieter zu beenden und die letzten Überlebenden der Valinar zu vernichten.“ Sein Blick schweifte zu seinem Freund, welcher sich wankend am Stuhl festhielt.
René d’Herblay begriff in diesem Moment. Er konnte es einfach nicht mehr leugnen.
Kardinal Richelieus Ziel war es ihn zu vernichten und damit diese unsinnige Schlacht, welche in Mittelerde begann zu Ende zu bringen.
Was war das für eine Macht, welche sich Kardinal Richelieu bediente?
Auf jeden Fall war es dieselbe, welche einst bei den Schlachten von Helms Klamm und Gondor hunderte Elben und andere tapfere Krieger umbrachte.
Es war dieselbe Macht, die das Volk der Valinar fast völlig auslöschte, seine Mutter vergiftete und seine Verlobte ermordete.
Und nun versuchte sie auch ihn zu beseitigen.
„Was?“ Die Männer schraken zusammen. „Es war ein anderer Musketier und dieser hat Dogère besiegt?“ Mylady war außer sich vor Wut. „Wo ist er jetzt?“ Einer der Männer antwortete zögernd. „Dieser Musketier hat ihn mit nach Paris genommen. Wohin wissen wir nicht.“ Der Andere fügte hinzu. „Wir gedachten erst Bericht an euch zu geben.“ Mylady blieb stehen. Ihre Augen funkelten zornig. „Ihr habt ja Recht.“ Nach einer kurzen Pause wandte sie sich an den größeren der beiden Männer. „Wie sah der Musketier aus, Bernard? War er groß und kräftig, oder eher von edler Abstammung?“ Dieser musste nicht lange überlegen. „Groß und kräftig.“ „Monsieur Portos.“ Wieder lief sie im Zimmer auf und ab.
Auf einmal kam ein Bote in ihr Zimmer gestürmt. „Mylady, Mylady!“ Schwer atmend verbeugte sich der Mann. „Sie haben euren Vertag entwendet!“ Mylady wurde blass. „Wer?“ Der Mann musste sich setzen. „Zwei Mönche aus Montpellier.“ Sie runzelte die Stirn. „Wie sahen sie aus?“ „Der Eine war sehr jung und außergewöhnlich hübsch, der Andere nicht viel älter und hatte schwarzes Haar.“ Ihre Ahnungen bestätigten sich. Sie musste schnellstens zurück nach Paris, bevor die beiden Musketiere den Vertrag vernichten konnten.
Nachdem Pater Johannis das Gerät, mit welchen sie den Pakt Myladys vernichten wollten in mehreren Tagen sorgfältig auseinandergebaut hatte, brachen die mittlerweile ungeduldig gewordenen zwei Musketiere und der alte Mann auf. Durch kleine Nebengassen gelangten sie schließlich in einen abgelegenen Garten. Aramis blickte sich verwundert um. „Wo sind wir denn hier gelandet?“ Pater Johannis lächelte geheimnisvoll. „Diesen Garten habe ich einmal geschenkt bekommen. Vor langer Zeit, als ich noch den Dienst als Priester ausübte. Ein Mönch, welcher gestorben war, hinterließ mir diesen Garten. Er gehörte seiner Schwester, die vor ihm starb. Dort hinten steht noch ein kleines Haus, welches allerdings nicht mehr bewohnbar ist.“ Er baute sein Gerät auf. „Ich komme oft hierher und sinniere über verschiedenes. Hier habe ich auch diese Maschine entwickelt.“ Athos guckte skeptisch. „Funktioniert sie überhaupt?“ Der Pater schaute ihn kurz an. „Das weiß ich nicht.“ Aramis ließ sich stöhnend ins Gras fallen. „Ihr wisst gar nicht, ob das Ding funktioniert? Habt ihr es denn nie ausprobiert?“ „Leider hatte ich bisher nicht das Vergnügen einen Vertrag mit dem Teufel in der Hand zu halten.“ Unverdrossen baute Pater Johannis seine Maschine weiter auf. Schließlich legte er den Vertrag drauf und stellte die Lupe ein. Nach einer Weile fing tatsächlich der Vertrag an Feuer zu fangen.
Doch bevor er endgültig vernichtet werden konnte, verschwand die Sonne hinter den Wolken.
Plötzlich fing er an sich selbst wieder herzustellen. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Athos starrte auf das Papier. „Doch.“ Pater Johannis schaute besorgt gen Himmel. „Der Vertrag muss am Stück zerstört werden, sonst regeneriert er sich von selbst wieder. Das dasselbe passiert, wenn die Person, welche den Vertrag abgeschlossen hat verletzt wird. Eine Wunde ist nur dann tödlich, wenn man genau das Herz trifft. Ansonsten heilt sie wieder von selbst.“ Aramis juchzte auf. „Die Sonne! Diesmal ist keine Wolke in ihrer Reichweite.“
Wieder fing das Papier Feuer.
Portos ritt mit seinem Gefangenen und vier der treuesten Diener des Herzogs von Buckingham in Richtung Frankreich. Nach mehreren Tagen, in dessen Nächte die Soldaten des Herzogs und er abwechselnd Wache hielten, kamen sie in Paris an.
Auf dem Weg hatte sich Portos überlegt zuerst Treville aufzusuchen.
„Herein.“ Treville saß an seinem Schreibtisch und sprang hastig von seinem Stuhl auf, als er seinen Musketier entdeckte. „Was fällt euch eigentlich ein, mir einfach einen Boten zu schicken, mit absolut absurden Nachrichten, nicht selbst vorzusprechen und schließlich nach England zu unserem Feind zu reiten, um diesen angeblich zu retten?“ Portos duckte sich unter dem Donnerwetter seines Hauptmanns. „Das ist der Mörder Georges Villiers, Herzogs von Buckingham.“ Portos stieß den unglücklichen Gardisten des Kardinals in Richtung Treville. „Ich habe ihn auf frischer Tat erwischt.“ Treville war nun doch sprachlos. „Wieso…? Ich denke… Es stimmt also?“ Portos war entrüstet. „Haben meine Freunde oder ich euch jemals belogen?“ Treville legte seinen Kopf schief. „Nun ja, man könnte sagen, die Wahrheit zu euren Gunsten ausgelegt.“ Ertappt senkte Portos das Haupt.
„Nun erzählt erst einmal, was sich zugetragen hat.“ Meinte der Hauptmann der Musketiere. Nachdem Portos mit seinem Berichtet endete, rief Treville einen Musketier und befahl ihm den Gefangenen in ein Zimmer zu bringen. Die Fesseln hatten dran zu bleiben und man solle das Zimmer Tag und Nacht bewachen. Als sie allein waren sprach Portos weiter. „Allerdings, Monsieur, ist der Herzog von Buckingham nicht wirklich tot.“ Treville sah überrascht auf. „Nicht tot?“ Portos schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, wir haben eine Falle gestellt und den Herzog gegen ein paar Kissen ausgetauscht.“ Treville guckte verdutzt. „Aber weshalb habt ihr diesen Mann dann mit nach Frankreich gebracht?“ „Wir wussten, dass Mylady eine Intrige gegen die Königin vorhat.“ Er erzählte vom bevorstehenden Ball, bei dem die Königin die Kette mit den Diamantspitzen tragen sollte und was Athos und D’Artagnan sonst noch gehört hatten. „Mit Hilfe des angeblichen Mordes und der Anklage des Mörders hoffen wir die Intrige auffliegen lassen zu können.“ Treville nickte. „Der Mörder, so denkt ihr, werde wohl seine Komplizen verraten, wenn er des Todes angeklagt wird.“ „Genau.“ „Ich werde sofort zur Königin gehen und Bericht erstatten. Sie wird den Mann des Mordes anklagen. Dessen bin ich mir sicher.“ Und so hatte Portos als erstes der vier Freunde seine Aufgabe erfüllt.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichte nun auch unser Gascogner wieder Paris.
„Constance.“ D’Artagnan war überglücklich seine Geliebte wieder zu sehen. „Hast du die Kette?“ Er zeigte den Lederbeutel. „Du bist wunderbar!“ Constance drückte ihm einen innigen Kuss auf die Lippen. „Schnell, überbringe die Botschaft der Königin. D’Artagnan trennte sich nur ungern von Madame Bonacieux, hatte er sie doch gerade erst wieder bekommen. Schließlich siegte seine Vernunft und er eilte zu den Gemächern ihrer Majestät, der Königin. Ein Diener kündigte D’Artagnan an. Die Königin rief ihn herein. „Monsieur D’Artagnan. Habt ihr Neuigkeit aus England?“ Nervös blickte sie ihn an. Dieser verbeugte sich. „In diesem Lederbeutel bringe ich euch herzlichste Grüße und die Kette, welche ihr einst dem Herzog von Buckingham übergabt.“ Mit zitternden Händen öffnete Anna von Österreich den Beutel und nahm die Kette heraus. „Gott sei Dank.“ Flüsterte sie. „Ich bin euch zu ewig Dank verpflichtet.“ Schnell schritt sie zu einem Tisch und wollte D’Artagnan einen kostbaren Beutel überreichen. Doch dieser winkte ab. „Eure Majestät. Ich kann euer Geschenk nicht annehmen. Mein sehnlichster Wunsch ist es Musketier zu werden, so wie meine drei Freunde Athos, Aramis und Portos.“ Die Königin lächelte. „Dieser Wunsch wird euch baldigst erfüllt werden.“ Freudig verneigte sich D’Artagnan. „Vielen Dank, Majestät.“ In diesem Moment wurde Monsieur Treville angekündigt. „Ah, das trifft sich hervorragend. Schick ihn herein.“ Als Treville eintrat fand die gleiche Begrüßungszeremonie wie bei D’Artagnan statt. Danach schloss er seinen Neuanwärter in den Corps der Musketiere in die Arme. „Bei Gott, bin ich froh euch wohlauf wieder zu sehen. Ich hatte schon sorge um euch, nachdem Portos von euren Vorhaben erzählte.“ D’Artagnan war erleichtert. „Portos hat es also geschafft. Zum Glück.“ Der Diener erschien zum dritten Mal. „Eure Majestät. Der Herzog von Buckingham.“ Anna von Österreich drehte sich um und ihr Gesicht strahlte. Wohlbehalten kehrte nun auch ihr Geliebter in ihre Arme zurück. Doch der Form wegen musste sie sich mit einem frostigen Kopfgruß wie bei den Anderen begnügen. Portos war da weit ungenierter. „Mein schlechtes Gewissen ist ungeschadet eingetroffen.“ Lachte er und verbeugte sich vor dem Herzog. Dieser legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich sagte doch, auf meine Leute ist Verlass. Niemand unserer Feinde rechnete damit, dass der Herzog von Buckingham unterwegs nach Paris sein würde. Schließlich wurde ich ja ermordet. So hatten wir einen ziemlich ruhigen Ritt.“ Besorgt schaute sich die Königin um. „Ihr müsst die Räume sofort verlassen. Der König wird jeden Moment mit dem Kardinal von seinem Ausritt zurückkehren. Sie dürfen euch hier nicht entdecken.“ Traurig musste der Herzog zustimmen. Treville deutete auf Portos. „Nehmt diesen tapferen Musketier mit, der schon einmal euer Leben rettete. Er wird es jederzeit wieder tun und euch sicher in euer Quartier bringen.“ Portos nickte eifrig. „Ihr könnt euch auf mich verlassen.“ Trotz allem wirkte Treville besorgt.
„Jetzt können wir nur hoffen, dass auch Aramis und Athos ihr Ziel erreichen.“
Langsam begann das Papier mit jenem unheilvollen Inhalt zu verbrennen. Aufgeregt betrachteten Aramis, Athos und Pater Johannis das Schauspiel, als die Tür zu jenem Garten mit einem Schuss aufgesprengt wurde. Erschrocken fuhren die drei Männer herum und sahen mindestens ein halbes Dutzend Gardisten auf sich zukommen. „Ihr passt auf den Vertrag auf. Er darf nicht aufhören zu brennen.“ Athos stürmte auf die Gardisten zu. „Komm Aramis. Wir müssen sie aufhalten. Sie dürfen nicht an den Vertrag gelangen.“ Da betrat noch eine weitere Gestalt den Garten. Es war Mylady. „So sieht man sich wieder.“ Knurrte Athos. Bevor er weiterreden konnte, fiel ihm Mylady ins Wort. „Aramis. Ich verhafte euch wegen Mordes am Herzog von Buckingham.“ Dieser glaubte sich verhört zu haben. „Ich war doch gar nicht in England.“ „Ein Diener des Herzogs hat den Mord mitangesehen und euch erkannt. Dafür werdet ihr angeklagt.“ Mylady lächelte teuflisch. „Das kann nicht sein.“ Athos zückte seinen Degen. „Wir waren die ganzen Tage bei Pater Johannis.“ „Wer kann das noch bezeugen, außer eingeweihten, die dem Verdächtigen helfen wollen?“ Athos schwieg, da er nicht verraten wollte, dass sie im Kloster waren.
„Gib mir den Vertrag, Pater.“ Mylady streckte die Hand in Richtung des alten Mannes aus. Aramis konnte es nicht fassen. Sollte er sich so getäuscht haben? Langsam kam Pater Johannis nach vorn. In der Hand hielt er ein Stück Papier. „Aber natürlich Mylady. Hier ist er.“ Aramis verlor fast den Boden unter den Füßen. „Was? Ihr seid auf der Seite dieser Frau? Warum? Was habt ihr dann mit uns verbrannt?“ Der alte Mann schaute ihn durchdringend an. „Das war eine Kopie, die ich rasch angefertigt habe, als ich euch die Tage warten ließ, um angeblich die Maschine auseinander zu bauen.“ Aramis war so verwirrt, dass er den Wink, den ihn sein ehemaliger Mentor gab überhaupt nicht mitbekam. Auf einmal kam der Kardinal zu dem Geschehen hinzu. „Bringt ihn in die Bastille.“ Bevor Athos reagieren konnte, hatten ihn zwei Mann gepackt und hielten ihn fest. Genauso schnell wurde Aramis genommen und gefesselt. Wehrlos musste Athos mit ansehen, wie die Garde des Kardinals seinen Freund abführte.
Dann war alles vorbei. Im Garten kehrte wieder Ruhe ein. Athos hörte noch das Hufgeklapper der Pferde, als ihn Pater Johannis ansprach. „Was sollen wir jetzt machen?“ Athos sah ihn an. „Wir müssen zu Monsieur Treville.“ Schon wollte er los eilen, als er sich noch mal umdrehte. „Sagt, habt ihr Mylady wirklich nur eine Kopie ausgehändigt? Wieso hat sie das nicht erkannt.“ „Ich hatte die Tage viel Zeit, den Vertrag zu fälschen. Irgendetwas sagte mir, dass wir noch eine Fälschung brauchen könnten.“ In der Stimme des Paters klang leichter Stolz mit. „Das war sehr gut.“ Athos betrat die Straße. „Was ist mit dem echten Vertrag?“ Pater Johannis öffnete seine linke Hand. „Hier ist er.“ Athos blickte in ein kleines Häuflein Asche, die sich gerade im Wind verabschiedete. „Ihr seid genial.“ Erleichtert blickte auf. „Es ist vollbracht.“
Pater Johannis sah ihn voller Angst in die Augen. „Nun rettet euren Freund vor dem Tod.“
Aramis verstand die Welt nicht mehr. Was war passiert? Durch welchen Grund saß er hier in der Bastille. Die Zelle war dunkel, es war schmutzig und er fröstelte.
War das ein weiterer Versuch Myladys ihn auszuschalten?
Athos stürmte durch das Tor des Hauptquartiers und prallte mit einem Musketier zusammen. „Entschuldigt, ich muss zu Monsieur Treville.“
„Athos!“ Unsanft wurde er durchgeschüttelt. „Mensch Athos, wir sind es. D’Artagnan und Portos.“ Völlig überrascht sah er in zwei lachende Augen und wurde fast erdrückt, als Portos ihn umarmte. „Ihr seid schon da!“ Auch D’Artagnan umarmte ihn innig. Dann wurde er ernst. „Was ist passiert? Wo ist Aramis?“ Athos war verzweifelt. „In der Bastille.“ Seine Freunde hielten erschrocken den Atem an. „Wie bitte?“ fragte Portos ungläubig. „Hat er einer Madame die Beichte zu intensiv abgenommen?“ D’Artagnan haute ihm den Ellebogen in die Rippen. „Erzähl. Was ist los?“ Athos lehnte sich an die Wand und erzählte alles, was sie erlebt hatten. Als er fertig war, mussten sich seine beiden Kameraden erst einmal sammeln. Was sie da gehört hatten war unglaublich. „Aber der Herzog ist doch gar nicht tot.“ Portos war verwirrt. Athos fuhr überrascht in die Höhe. „Was? Ich dachte, euer Plan wäre missglückt.“ D’Artagnan schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben den Herzog warnen können. Er ist in Paris.“ Nun berichteten D’Artagnan und Portos ihre Erlebnisse. „Dann ist das eine Falle gewesen.“ Athos bekam weiche Knie. „Mein Gott, ich habe Aramis in die Hände seines ärgsten Feindes ausgeliefert.“ Portos krächzte. „Aber wie will Mylady denn beweisen, dass Aramis den Mord angeblich durchführte?“ Athos zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich auch nicht.“ D’Artagnan straffte sich. „Wir müssen zu Monsieur Treville.“ Die drei Freunde liefen zum Zimmer ihres Hauptmannes, als sie von drinnen Stimmen hörten. „Ihr wollt was? Ich werde nicht zulassen, dass einer meiner besten Männer der Garde des Kardinals unterstellt wird.“ Brüllte Treville. Wie angewurzelt blieben die Kameraden vor der Tür stehen. „Ich denke nicht, dass ihr in der Lage seid Forderungen zu stellen.“ Erklang die selbstgefällige Stimme Kardinal Richelieus. „Aramis sitzt in der Bastille ein. Und falls ihr unseren Bedingungen nicht nachkommt, wird er noch heute des Mordes an Buckingham angeklagt.“ „Wie wollt ihr denn etwas beweisen, was er gar nicht ausgeführt hat?“ fragte Treville verächtlich. „Das lasst mal meine Sorge sein. Ich habe die Beweise bereits.“ Kardinal Richelieu beugte sich drohend über den Tisch des Hauptmanns. „Überlegt euch, was euch wichtiger erscheint. Einen Musketier weniger in eurer Kompanie, oder das Leben Aramis.“
Schritte erklangen. Unsere drei Freunde wollten sich schon verstecken, als sie noch mal des Kardinals Stimme vernahmen. „Ich komme um zwölf Uhr und erwarte eine Entscheidung.“ Der Kardinal verließ das Zimmer. Rasch verbargen sich Athos, Portos und D’Artagnan in einem Nebenzimmer. Nachdem die Schritte verklungen waren, betraten sie aufgeregt das Zimmer ihres Hauptmannes. „Wieviel habt ihr gehört?“ empfing er sie. D’Artagnan spielte zerknirscht mit seiner Stiefelspitze. „Alles.“ „Gut, dann brauche ich euch nichts mehr zu erzählen.“ Athos überwand seine Verwunderung am schnellsten. „Was machen wir jetzt?“ „Warum sagen wir nicht einfach die Wahrheit?“ fragte Portos. „Wie?“ D’Artagnan verzog das Gesicht. „Wenn wir dem Kardinal eröffnen, dass Buckingham nicht tot ist, kann Aramis auch nicht des Mordes angeklagt werden.“ Zustimmend nickte D’Artagnan. Aber Treville blockte ab. „Wenn sie die Wahrheit erfahren, bringen sie Aramis um. Dann haben sie ja nichts mehr zu verlieren, da ihr Plan fehlgelaufen ist.“ Seufzend ließ er sich in seinen Stuhl fallen. „Wir müssen solange warten, bis sie Aramis auf dem Marktplatz erschießen wollen.“ Athos fuhr auf. „Was sagt ihr da?“ Beschwichtigend hob Treville die Hand. „Dann präsentieren wir unseren Gefangenen, welcher immer noch im Glauben ist, den Herzog ermordet zu haben. Dieser wird im Angesicht des Todes hoffentlich seine Auftraggeber verraten. Schließlich können wir mit Hilfe der Königin und dem Herzog die Intrige aufdecken, Aramis befreien und sogar Mylady des zweifachen versuchten Mordes überführen.“ Unwillig stimmten die drei Kameraden zu. Es blieb ihnen nichts anderes übrig.
Pünktlich mit dem Schlagen der Turmuhr betrat Kardinal Richelieu das Zimmer. Überrascht blickte er auf Athos, Portos und D’Artagnan. Schließlich wandte er sich an den Hauptmann der Musketiere. Was er jedoch dann vorschlug war für alle anwesenden eine Überraschung. „Ich möchte euch ein faires Angebot unterbreiten. Wir bekommen unseren Mann, den ihr hier gefangen haltet und ihr bekommt Aramis zurück.“ Lauernd wartete der Kardinal eine Antwort ab. Die drei Freunde schauten sich misstrauisch an. Auch Monsieur Treville spürte die Lüge bei diesem Vorschlag, konnte aber nicht greifen, worin diese lag. Langsam nickte er. „Wann und wo soll der Austausch stattfinden?“ „In einer Stunde vor der Zugbrücke des Basinière- und des Grafschaftsturms der Bastille.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ Kardinal Richelieu das Zimmer. „Irgendetwas ist faul an der Sache.“ Athos war beunruhigt. „Ich rieche es förmlich.“ Auch Portos blieb skeptisch. „Das ist eine Falle.“ Treville atmete tief ein. „Aber wir haben keine andere Möglichkeit als hinzugehen.“
Eine Stunde später warteten unsere drei Freunde mit Treville und ihrem Gefangenen an dem vereinbarten Treffpunkt. „Da sind sie.“ Portos deutete nervös nach vorne. „Aramis! Er lebt.“ Athos war unendlich erleichtert. „Ich hatte schon die Befürchtung, sie würden ihm etwas antun.“ Allerdings waren sie vom Zustand ihres Freundes erschrocken. Er war gefesselt, seine Kleider schmutzig und er konnte sich vor Schwäche kaum auf den Beinen halten. Immer wieder stolperte er und musste von einem Gardisten des Kardinals aufgefangen werden. Als er seine Kameraden sah huschte jedoch ein Lächeln auf sein Gesicht. Monsieur Treville und Kardinal Richelieu stellten sich in einer großen Entfernung voneinander auf. Nachdem sie die Fesseln von ihren Gefangenen genommen hatten gab Kardinal Richelieu Aramis einen Schubs. Dieser ging langsam los. Auch Treville schickte seinen Gefangenen los. Die Freunde konnten es kaum erwarten Aramis in ihre Arme zu schließen.
Plötzlich krachte ein Schuss.
Erschrocken schauten sie auf ihren Kameraden, doch der stand noch.
Stattdessen brach der Mann, der den Herzog von Buckingham ermorden sollte von einer Kugel in die Brust getroffen zusammen. Bevor einer der Musketiere reagieren konnte, rannte Aramis los. Aus dem Augenwinkel sah D’Artagnan, dass der Gardist, welcher gerade seinen eigenen Kameraden tötete die Waffe auf Aramis richtete und abermals abdrückte. Mit traumwandlerischer Sicherheit schoss unser Gascogner dem Gardisten die Pistole aus der Hand. Erschrocken sah Athos, dass sein Freund strauchelte und auf seinen Arm hinabschaute. Schnell merkte er aber, dass der Schuss ihn nur streifte und lief weiter. D’Artagnan und Portos gaben ihm Feuerschutz, während Athos ihm entgegen lief.
Kardinal Richelieu und dessen Gardist verließen kochend vor Wut den Schauplatz.
Freudig fielen sich unsere vier Freunde in die Arme. Waren sie endlich wieder alle vereint. „Aramis! Wie geht es dir?“ Dieser untersuchte seinen Arm. „Die Kugel hat mich nur gestreift. Ich hatte Glück.“ „Haben sie dich gefoltert?“ Athos blickte ihn ernst an. Aramis verneinte. „Sie haben sich überhaupt nicht um mich gekümmert, ich bekam Wasser und Brot und das wars. Keine Folter, keine Drohungen, auch keinerlei Fragen zu irgendetwas.“ „Sie konnten dich ja auch nichts fragen, da du nichts gemacht hast.“ Flocht Portos ein. Auf Aramis verwunderten Blick erklärte Athos „Mylady hatte uns eine Falle gestellt, damals im Garten. Irgendwie besitzt sie gefälschte Beweise, die dich im Mordfall an Buckingham als Täter entlarven.“ Nun erzählten die drei Freunde ihre Geschichte Aramis. So wusste auch der letzte der vier Freunde bescheid. Treville ergriff das Wort. „Ich befehle euch jetzt nach Hause zu gehen, etwas anständiges zu essen und morgen einen Tag Urlaub zu nehmen.“
Erschöpft machten sich die Vier auf den Heimweg.
Kapitel Eine Intrige wird aufgedeckt
„Ihre Majestät, die Königin.“ Alle Anwesenden im Saal verneigten sich. Auch unsere vier Freunde. Der Tag Urlaub hatte ihnen gut getan. Vor allem Aramis hatte ein richtiges Bett und leckeres Essen nach den Tagen in der Bastille sehr genossen. Trotzdem wirkte er noch etwas blass und angeschlagen und kämpfte mit dem Gleichgewicht, als sie sich wieder aufrichteten. Athos sah ihn besorgt von der Seite an. „Ist alles in Ordnung?“ Aramis nickte hastig. „Es wird schon wieder.“ Er griff sich an den Kopf. „Mir ist nur etwas schwindelig.“ Der König schritt seiner Gemahlin entgegen. Als er das schmucklose Dekolleté erblickte versteinerte sich seine Miene. „Ihr habt die Kette nicht angelegt, meine Liebe?“ Die Königin lächelte süßlich. „Ich fürchtete, sie würde im Gewühl verloren gehen.“ Der König wollte schon zu Kardinal Richelieu blicken, als die Königin weiter sprach. „Constance.“ Diese verneigte sich vor ihrer Majestät. Dann holte sie unter ihrem Umhang eine wunderschöne Kette mit zwölf Diamantspitzen hervor. Sie lächelte dem König zu und legte sie ihrer Majestät, der Königin um den Hals. Die Anwesenden staunten über die Schönheit der Kette. „Nur für euch, mein König, habe ich diese Kette bis eben aufbewahrt und sie mir vor euren Augen anlegen lassen.“ Verlegen nahm Ludwig XIII seine Gemahlin am Arm. „Es tut mir leid, wenn ich an euch gezweifelt habe.“ Sagte er und schleuderte Kardinal Richelieu vernichtende Blicke zu. „Lasst uns den Ball eröffnen.“ Der König klatschte in die Hände. „Das Orchester soll beginnen.“
Unsere drei Musketiere und D’Artagnan waren zufrieden. Diese Intrige konnten sie abwenden.
„Georges Villiers, Herzog von Buckingham.“ Kardinal Richelieu traute seinen Ohren nicht. Die Damen waren entzückt von des Herzogs Schönheit. Anmutig schritt dieser vor die Königin. „Mein König.“ Er verbeugte sich. „Erlaubt mir euch auszurichten, dass der Plan eures Kardinals mich ermorden zu lassen, fehlgeschlagen ist.“ Die Ballbesucher waren sprachlos. „Das habe ich allein dem Mut und Ehrgefühl zweier Musketiere zu verdanken, welche mich warnten und vor dem Anschlag retteten.“ Der Kardinal war mittlerweile nicht mehr von der Marmorsäule neben ihm zu unterscheiden. „Ich möchte hiermit einen Dank und ein besonderes Lob an die Musketiere Portos und D’Artagnan aussprechen.“ Diese senkten verlegen ihre Köpfe. „Letzterer ist noch kein Musketier. Aber ich denke, es wäre an der Zeit dies zu ändern.“ Treville trat vor den König. Dieser stand auf. „Ihr habt Recht. Die Zeit ist reif. Monsieur D’Artagnan, bitte tretet vor.“ Dieser war völlig ahnungslos und schaute in drei grinsende Gesichter. „Ihr wusstet es?“ Seine drei Kameraden nickten einhellig. Aufgeregt kniete D’Artagnan vor dem König. Dieser lobte ihn ausdrücklich und ehrte ihn. Anschließend ernannte Monsieur Treville unseren Gascogner zum Musketier. Er überreichte ihm Mantel und Degen. Strahlend verbeugte sich D’Artagnan und kehrte zu unseren drei Musketieren zurück. Nun waren es die vier unzertrennlichen Musketiere. Aramis, Portos und Athos beglückwünschten ihren Freund herzlich.
Der Herzog von Buckingham wollte den Saal wieder verlassen, als die Königin, welche von den Musketieren eingeweiht war das Wort an ihn richtete. „Woher wisst ihr, dass ihr ermordet werden solltet und von wem?“ „Euer Musketier Portos fasste einen Plan, indem der Mörder auf Kissen einstach anstatt auf mich. Danach überwältigte er ihn und brachte ihn nach Frankreich.“ Der Herzog deutete auf Portos. Dieser trat vor. „Dieser Mann trug einen Degen bei sich.“ Portos hielt den Degen in die Höhe und fixierte Kardinal Richelieu. „Es sind die Zeichen der Garde des Kardinals darauf.“ Dieser wurde rot vor Zorn. „Diesen Degen kann jeder stehlen.“ Portos richtete sich kerzengerade auf. „Wollt ihr mir damit unterstellen, ich lüge und hätte den Degen selbst gestohlen?“ Eisiges Schweigen herrschte im Saal. Portos sprach weiter. „Leider muss ich mit bedauern mitteilen, dass jener Täter vor einigen Tagen von seinem eigenem Kollegen erschossen wurde.“ Kardinal Richelieu antwortete schnell. „Das war ein Unfall.“ Portos sagte nichts darauf, sondern sah zu Athos und Aramis. Diese verhielten sich ruhig, so dass er keine Veranlassung sah sich näher zu dem Vorfall zu äußern. Der König richtete seine nächste Frage direkt an seinen Kardinal. „Was sagt ihr zu der Sache?“ Dieser wand sich wie eine Schlange. „Ich weiß nichts von einem Mord und gehe davon aus, dass der Degen von jenem Mann entwendet wurde.“ Der König nickte. „Dann passt in Zukunft besser auf eure Männer und eure Waffen auf. So etwas darf nicht noch einmal passieren.“ Kardinal Richelieu warf den Musketieren einen Blick zu, der, wären Blicke tödlich, alle auf der Stelle getötet hätte. Athos schauerte unwillkürlich. Meinte er doch ein teuflisches Funkeln in des Kardinals Augen zu entdecken.
Die Musik spielte wieder. D’Artagnan war mit Constance abgetaucht; wie immer. Aramis ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen, als er nach langem Sharmine wieder sah. Sein Herz hüpfte vor Freude und er eilte auf sie zu. Seine Herzensdame war in ein Gespräch vertieft, so dass sie ihn gar nicht bemerkte. Liebevoll legte er seine Hände um ihre Taille und gab ihr einen Kuss auf die Schulter. Überrascht drehte sie sich um …
Und hätte fast die Besinnung verloren.
Der Mann, den sie liebte, von dem sie dachte, er hätte doch nur mit ihr gespielt, weil sie keine Nachricht mehr von ihm bekam, der Mann küsste sie vor allen Besuchern des Balles.
Er zeigte allen, dass er sie liebte. Am liebsten hätte sie ihm einen leidenschaftlichen Kuss gegeben. Doch sie bemerkte die neidvollen Blicke der anwesenden Damen, denen Aramis’ Gefühle für die Rivalin nicht verborgen geblieben waren. Anmutig verbeugte sich Aramis vor den Damen. „Darf ich ihnen ihre bezaubernde Gesprächspartnerin zum Tanz entführen?“ Die Damen nickten gequält. Sharmine strahlte ihn an. „Ich dachte, ich wäre doch nur eine weitere Eroberung für dich. Aber dann erzählte mir Constance, was dir und deinen Freunden alles passiert ist und von da an war ich fast krank vor Sorge.“ Aramis zog sie an sich. „Ich wäre so gerne früher zu dir gekommen, aber ich hatte keinerlei Gelegenheit dazu. Ich liebe nur dich. Das weißt du.“ Flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr. Athos schubste Portos an und machte eine Kopfbewegung zu unserem verliebten Musketier. „Sie sind richtig süß, die zwei.“ Portos nickte zustimmend.
Aramis wich den ganzen Abend nicht mehr von Sharmines Seite.
In den folgenden Tagen kehrte etwas Ruhe ein in das Leben der vier Musketiere. Aramis verbrachte viel Zeit mit Sharmine, D’Artagnan mit Constance, Athos und Portos mit Fechtübungen.
Den drei Freunden entging nicht, wie sehr Aramis aufblühte mit Sharmine. Er liebte sie von ganzem Herzen und wollte sein restliches Leben mit ihr verbringen.
Eines Tages gingen die Beiden am Ufer der Seine spazieren. Aramis hielt Sharmines Hand. Diese genoss die heimlichen Blicke der Damenwelt, welche gerne an ihrer Stelle wäre. Während sie ihr Glück kaum fassen konnte und die Zeit genoss, blieb Aramis plötzlich stehen. Er drehte sich zu ihr herum und sah ihr tief in die Augen. Sie glaubte schon seinem Blick nicht mehr standhalten zu können, als er vor ihr niederkniete. „Ich liebe dich, Sharmine.“ Ihr Atem wurde schneller. „Ich möchte dich nie wieder verlieren und den Rest meines Lebens mit dir verbringen.“ Sollte das etwa… „Möchtest du mit mir dein Leben verbringen? Möchtest du die Mutter meiner Kinder sein? Möchtest du auch in Zeiten der Trennung auf mich warten?“ Aramis holte tief Luft. „Möchtest du meine Frau werden?“ Erwartungsvoll schauten seine dunkelbraunen Augen in die ihren. Sie hoffte nur jetzt nicht ohnmächtig zu werden. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sharmine war die glücklichste Frau der Welt und konnte trotz allem nur nicken. Aramis stand auf und schloss sie in seine Arme. „Ja!“ mehr bekam sie nicht heraus, denn schon waren seine Lippen auf ihren. Sie zitterte am ganzen Körper. „Ja!“
Die Kunde der bevorstehenden Hochzeit des Musketiers Aramis mit der Kammerzofe ihrer Majestät Sharmine de Lucigne verbreitete sich schnell am Hofe von Paris. Seine Freunde zogen ihn bald damit auf, dass er bald kleine Schreihälse schrubben könne und nicht mehr die Klinge des Degens. Doch dieser winkte ab. Er bleibe seinem Degen vorerst treu und auch den Musketieren. Kinder ja, aber später.
Nun stellte sich für Aramis die Frage, wer sein Trauzeuge sein sollte. Einer der drei Musketiere, aber welcher? Dann gingen seine Gedanken zurück in seine Vergangenheit und er wurde sich bewusst, dass er keinen Anderen als seinen Bruder Pierre als Trauzeuge haben wollte. Schnell schickte er einen Boten, der die frohe Kunde überbringen sollte.
Schon am nächsten Tag kehrte dieser zurück und gab Aramis einen Brief seines Bruders.
Lieber René
Als ich deinen Brief gelesen habe, habe ich vor Freude durch den ganzen Speisesaal getanzt. Wohl bemerkt während des Essens. Ich freue mich so für dich; dass du es wieder geschafft hast eine Frau zu lieben. Und sie Heiraten möchtest. Natürlich werden meine Eltern und ich deiner Hochzeit beiwohnen. Und natürlich werde ich dein Trauzeuge sein. Es ist eine große Ehre für mich, dass du an mich gedacht hast.
Bis bald.
PS: vergiss nicht uns den Termin noch preiszugeben.
In tiefer Verbundenheit, dein Bruder Pierre
Aramis musste lächeln. Er wusste den Termin doch selbst noch nicht. Sie hatten sich noch nicht festgelegt. Irgendwann im Sommer. Wenn es warm war.
„Verdammt noch mal! Geht denn alles, was ihr anpackt schief?“ Kardinal Richelieu schleuderte das Buch, welches er gerade gelesen hatte in die Ecke. Mylady zuckte zusammen. Nach dem Ball war auch der Plan, Aramis des Mordes am Herzog von Buckingham anzuklagen, dahin. Allerdings hielt sie noch an dem Vorhaben Athos und Aramis zu entzweien fest.
Allerdings wusste sie momentan noch nicht, wie sie dies angehen sollte. „Die vier Musketiere sind starke Gegner. Vor allem zusammen.“ Kardinal Richelieu fauchte sie an. „Dann bringt sie eben einzeln um.“ Mylady schaute abwertend zu dieser tobenden Gestalt. „Das wäre etwas zeitintensiv und zu auffällig. Nein, ich werde Aramis und Athos Freundschaft zerstören und Aramis somit verletzbar machen.“ Der Kardinal hatte sich etwas beruhigt. „Wie…? Nein, ich will es gar nicht wissen. Macht, was ihr für Richtig haltet, aber tut es bald.“ Damit war für ihn das Gespräch beendet.
Doch Mylady setzte noch etwas hinzu. „Und da wäre auch noch seine Verlobte. Sie heiraten am 5. Juli. Ich werde an der Zeremonie teilnehmen.“ Sie lächelte böse. Doch Kardinal Richelieu wollte nicht mehr fragen, was sie vorhatte. Er würde es schon erfahren. Sollte wieder etwas schief gehen, konnte er wenigstens seine Hände in Unschuld waschen.
Es war der Tag der Hochzeit.
Alle waren angereist. Monsieur und Madame d’Herblay, sein Bruder Pierre und sogar Monsieur de Jarjaye. Athos, Portos und D’Artagnan hatten ihre Festgewänder angelegt, Aramis trug seine Musketier Uniform. Er war so aufgeregt, dass seine Freunde ihn kaum wieder erkannten. Er wuselte wie ein Küken durch das Hauptquartier der Musketiere.
Seine sonstige Zurückhaltung hatte er wohl in seinem Zimmer vergessen.
Aber es war ja auch sein Tag.
Es war abgesprochen, dass Aramis mit seinen Freunden zur Kirche ritt. Dort sollte er am Altar stehen, während seine zukünftige Frau von ihrem Vater hereingeführt würde. Nach der Zeremonie stand dann die Kompanie Monsieur Trevilles vor der Kirche Spalier. Selbst ihre Majestät der König und die Königin würden anwesend sein. Die anschließende Feier würde dann auf dem Gut der Lucignes stattfinden.
Nun war es endlich soweit.
Sie ritten los.
Aramis ritt auf Fenena vorneweg, während seine Freunde folgten.
Aramis strahlte mit der Sonne um die Wette.
Vor der Kirche hatte er seine Ruhe und Gelassenheit wiedergefunden.
Anmutig stieg er vom Pferd und schritt zum Altar. Ein Raunen ging durch die Bänke, als sie Aramis sahen. Seine Freunde standen nicht weit von ihm auf der rechten Seite, sein Bruder direkt links neben ihm.
Nun sollte bald der begehrteste Junggeselle in Paris verheiratet sein.
Dann spielte das Orchester und der Knabenchor sang das Magnificat.
Als die Braut die Schwelle der Kirche betrat, verschlug es Aramis den Atem.
Sharmine war wunderschön. Ihre langen dunklen gewellten Haare steckten zu einer kunstvollen Frisur. Ihr Kleid war bezaubernd. Langsam kam sie mit ihrem Vater auf unseren Musketier zu. Aramis verbeugte sich elegant und übernahm Sharmine aus den Armen ihres Vaters. Er lächelte sie glücklich an, als der Priester mit dem Gottesdienst begann.
Bevor das Paar getraut wurde, reichte man das Abendmahl, um die Sünden zu vergeben. So konnte man reinen Herzens den Bund der Ehe eingehen. Nachdem die Hostie gegessen war, wurde der Wein ausgeteilt.
Ein Messdiener reichte Sharmine den Kelch.
Irgendetwas störte Athos an diesem Messdiener.
Sharmine sprach die Worte des Priesters nach und führte den Kelch an ihre Lippen.
Blitzartig wurde Athos bewusst, was ihn störte. Die Augen des Messdieners waren von teuflischem Grün.
Es waren dieselben, wie die Myladys.
Sharmine hatte bereits ein paar Schlucke getrunken, als Athos plötzlich aufsprang. „Nicht trinken!“ Er schlug der verdutzten Braut den Kelch aus der Hand. „Der Wein ist vergiftet!“
Erschrockenes Gemurmel ging durch die Kirche. Portos und D’Artagnan hatten bereits ihre Degen gezogen und setzten an Mylady zu folgen. Doch diese war wie vom Erdboden verschluckt.
Aramis war verrückt vor Angst. Doch Sharmine schien es gut zu gehen. Sie beruhigte ihren Verlobten. „Es geht mir gut.“ Sie nahm seine Hand. „Das Gift war wohl zu schwach dosiert.“ Aramis schloss sie erleichtert in die Arme, als ihr die Beine den Dienst zu versagen drohten. Erschrocken fing Aramis sie auf. „Bitte nicht.“ Flüsterte er. „Du darfst mich nicht auch noch verlassen!“ Auch Portos und D’Artagnan waren geschockt. Athos fing sich als erster der Freunde. „Einen Arzt!“ rief er. „Wir brauchen einen Arzt!“ Sharmine hatte sich auf eine Bank gesetzt. „Mir ist so schwindelig.“ Mit glasigen Augen schaute sie ihren Geliebten an. Dieser küsste sie. „Du wirst es schaffen. Du hast nicht viel von dem Wein getrunken.“ Leise murmelte Athos. „Sharmine braucht ein Gegengift.“ Portos nickte betrübt. „Aber woher bekommt man es?“ Athos sah ihn traurig an. „Ich weiß es nicht.“
Der Arzt nahm Sharmine mit zu sich nach Hause, um sie Tag und Nacht bewachen zu können.
Doch ohne ein Gegenmittel war Sharmine verloren.
Jedoch…
Es gab ein sehr seltenes Gegengift.
In ganz Paris war es nur einmal zu haben…
Und das lag in den Händen Myladys.
Kapitel Auf der falschen Seite
Am nächsten Morgen besuchte Aramis seine Verlobte. Doch der Arzt konnte keine Entwarnung geben. „Das Gift war so stark, dass diese wenigen Schlucke ausgereicht haben, den Körper zu vergiften.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann euch nicht viel Hoffnung machen, Monsieur Aramis.“
Betrübt ging dieser in Richtung Hauptquartier. Da verstellte ihm eine Gestallt den Weg. Es war Mylady. Hasserfüllt wollte sich unser Musketier auf sie stürzen, doch diese verzog keine Miene, sondern fing an zu sprechen. „Monsieur Aramis. Ihr werdet mir jetzt zuhören, sonst werden auch eure Freunde ihr Leben verlieren.“ Mitten in seiner Bewegung hielt Aramis inne. War das schon wieder eine Falle. „Was wollt ihr von mir?“ fragte er zornig…
Schließlich kam er zum Hauptquartier, wo seine Freunde schon auf ihn warteten. „Und? Wie geht es ihr?“ Athos kam ihm entgegen. Schweigend senkte Aramis den Kopf und ging an ihm vorbei.
Seine Kameraden wollten ihm folgen, doch er bedeutete ihnen zu bleiben. Beunruhigt sahen sie sich an. Was hatte Aramis vor?
Wenige Augenblicke später kam Aramis wieder zu seinen Freunden zurück. Als er sie ansah, wichen sie erschrocken einen Schritt zurück. „Ihr werdet nicht verstehen, warum ich das tue, aber bitte vertraut mir. Ich tue es für euch. Für die besten Freunde, die ich je gehabt habe.“ Damit stieg er auf sein Pferd und galoppierte davon.
Vor den Toren der Garde des Kardinals hielt er an.
An dessen Zimmer angekommen, klopfte er.
Eine überraschte Stimme erklang. „Herein.“ Als er die Türe öffnete, zuckte Kardinal Richelieu zusammen. Er sah ihn das erste Mal von so nahem. Und er war überwältigt von dem was er sah.
Der letzte Erbe der Valinar kniete vor ihm nieder.
Er war am Ziel angekommen.
Mit René d’Herblay in seinen Fängen konnte es beginnen.
„Kardinal Richelieu. Ich stehe euch zu Diensten.“
Trotz dieser großen Niederlage verlor Aramis nichts von seiner Anmut und seinem Stolz.
Er wartete bis der Kardinal ihm erlaubte aufzustehen. Doch dieser ließ sich Zeit. Diesen Moment kostete er aus. Denn er würde wahrscheinlich nie wieder kommen.
Langsam reichte er Aramis seine Hand. Dieser küsste den Ring und richtete sich kerzengerade auf. Sein Blick schien Kardinal Richelieu ins Herz zu sehen, sofern er eines besaß. Dieser konnte ihm nicht standhalten und kehrte Aramis den Rücken zu.
„Ihr wollt also Hauptmann meiner Garde werden.“ Aramis schwieg. „Nun dann folgt mir.“
Seine Eminenz führte unseren Freund zum Exerzierplatz. „Männer.!“ Er klatschte in die Hände. „Es ist mir ein ganz persönliches Vergnügen euch euren neuen Hauptmann vorzustellen. Seine Name ist René d’Herblay.“ Sprachlos standen die Gardisten vor ihrem neuen Vorgesetzten. „Aber, das ist doch Aramis.“ „Was macht er bei der Garde?“ „Wie kommen wir zu solcher Ehre?“ „Ehre? Ich lasse mir doch nichts von einem Musketier befehlen.“
Kardinal Richelieu sah seine Soldaten scharf an. „Er ist aus meinem ausdrücklichen Wunsch und seinem Einverständnis bei den Musketieren ausgeschieden, um diesen Posten anzunehmen. Ich befehle euch also auf ihn zu hören. Andernfalls, wer sich ihm widersetzt, landet in der Bastille.“ Damit waren alle Diskussionen beendet.
Die meisten Männer bewunderten Aramis und die anderen Musketiere heimlich, so dass es für sie kein Problem war Aramis’ Befehle zu befolgen.
Doch es gab auch einige Neider, die in Aramis nur einen Schönling sahen, dem sie keine Fechtkunst zutrauten.
So einer war Daniel Grémoire. „Könnt ihr auch kämpfen?“ Er baute sich vor Aramis auf. Dieser wollte nicht drauf eingehen, doch sein Gegner hielt ihn am Arm fest. „Was? Traut ihr euch etwa nicht?“ Bevor er reagieren konnte hatte Aramis seinen Degen gezogen und hielt ihn an Daniels Hals. „Soll das eine Herausforderung sein?“ Wütend über seine eigene Unachtsamkeit schob der Gardist Aramis’ Hand von sich und stellte sich in Position. „Zeigt mal, was ihr könnt, Musketier.“
Athos, Portos und D’Artagnan saßen in der Kneipe. Alle waren völlig durcheinander. „Was sollte das denn vorhin?“ Portos wirkte hilflos. „Ich kann es mir nicht erklären. Vor allem, dass Treville uns nichts gesagt hat.“ Athos spielte mit seinem Messer. „Naja, Urlaub ist ja schon mal eine Aussage.“ Portos nahm seinen Krug. „Aber wir wissen alle, dass das nicht die Wahrheit war.“ Athos hatte plötzlich einen schrecklichen Verdacht. „Ich glaube, er ist ausgeschieden aus seinem Dienst.“ Seinen Freunden blieb die Spucke im Hals stecken. „Ausgeschieden? Aber weshalb denn?“ D’Artagnan glaubte das nicht. „Sharmine ist doch noch am Leben. Also kann er nicht ins Kloster wollen.“ „Das stimmt schon. Aber, was soll er denn sonst machen?“ Athos legte sein Messer zum Wiederholten mal von seinem Teller auf den Tisch. „Vor allem: er tut es für uns. Was macht er für uns?“ Portos räusperte sich. „Ich werde nicht schlau. Wir können nur abwarten, ob er wieder kommt.“
„Na toll. Gerade hier angefangen, ist schon der erste Idiot von Gardist schwer verletzt.“ Aramis fluchte. Allerdings hatte er sich mit diesem Kampf und vor allem mit diesem Sieg die Achtung der Gardisten gesichert.
Gemächlich schlenderte er in sein Quartier, als auf einmal D’Artagnan vor ihm stand. „Aramis. Was machst du hier?“ Dieser hatte vor Schreck seinen Degen gezogen. „Ach du bist es.“ Beruhigt steckte Aramis ihn wieder weg. Erleichtert fiel D’Artagnan auf, dass es Aramis zu freuen schien, ihn zu sehen. Plötzlich wurde Aramis sich bewusst, in welche Gefahr er seinen Freund gerade brachte. Hastig sah er sich um. „Ich muss gehen. Grüß die Anderen von mir.“ Schon war er verschwunden. Zurück blieb ein verdatterter D’Artagnan.
In seinem Quartier saß Aramis verzweifelt am Fenster. Sollte er seinen Freunden die Wahrheit sagen? Sie hatten so viel gemeinsam erlebt. Aber wenn Mylady nur den kleinsten Verdacht schöpfte, würde sie seine drei Kameraden sofort ermorden lassen.
Was hatten sie und der Kardinal nur vor mit ihm?
Während er noch so da saß und seinen Gedanken nach hing, merkte er, dass jemand in seinem Zimmer war. Blitzschnell drehte er sich um und richtete seine Pistole auf den Eindringling. Dieser hob erschrocken die Hände. „Nicht so eilig mein Freund.“ Nervös sah sich Aramis Athos gegenüber. Dieser setzte sich zu ihm. „Was ist los mit dir?“ Aramis Atem ging schneller. „Ich kann nicht mit dir reden. Nicht hier.“ Athos sah sich verwundert um. „Aber du wohnst hier. Wer sollte uns hier stören?“ Aramis’ Blick irrte sichtbar unruhig umher. Langsam wurde Athos ungeduldig. „Verdammt Aramis. Wir machen uns sorgen. Du redest nicht mehr mit uns. Wir kriegen nur gesagt, du hättest Urlaub genommen. Keiner weiß warum. Was spielst du für ein Spiel?“ Aramis ließ den Kopf hängen. „Ich kann dir nichts sagen. Es hat seine Gründe, warum ich mich von euch fern halte. Und nun geh!“ Er sah ihn flehend an. Athos erschauerte. „Was ist nur aus unserer Freundschaft geworden?“ Aramis vergrub den Kopf in seine Hände. Er wollte nicht, dass Athos die Tränen, die sich in seine Augen schlichen sehen konnte. Dieser verließ das Zimmer.
Mylady hatte es geschafft.
Das Band, welches Aramis und Athos einst so innigst verband, bröckelte.
Am nächsten Morgen erreichte ein Bote Aramis mit der schrecklichen Nachricht Sharmine de Lucigne wäre in der Nacht verstorben. Sofort eilte er zu dem Arzt. Dieser bestätigte die Befürchtung. Allerdings war er verwundert, dass Aramis zu ihm kam, da der Leichnam seiner Verlobten in seinem Namen bereits abgeholt wurde. Er legte unserem verzweifelten Freund ein Schreiben vor, welches ihm ausgehändigt worden war. Aramis gedachte keine Luft mehr zu bekommen. Dieser Brief trug eindeutig die Handschrift Myladys. Er bezahlte den Arzt und verließ dessen Haus.
Beim Kardinal angekommen, stürmte er in dessen Zimmer, ohne anzuklopfen…
Und platzte mitten in ein Gespräch seinerseits mit Mylady. „Ihr … was habt ihr mit meiner Verlobten gemacht?“ Aramis konnte sich nicht mehr beherrschen und ging auf Mylady los. Nur mit Mühe konnte der Kardinal seinen Hauptmann von ihr fernhalten. Wir haben die Leiche ihrer Familie zum Begraben freigegeben.“ Antwortete Kardinal Richelieu. Aramis beruhigte sich nicht wirklich. „Warum musstet ihr dem Arzt dann ein gefälschtes Schreiben schicken? Es hätte auch gereicht mir bescheid zu geben und ich hätte alles weitere veranlasst.“ Mylady wich vor Aramis Blicken zurück, als könnten diese ihr etwas antun. „Ich denke, es ist besser ihr geht jetzt.“ Wandte sich seine Eminenz ihr zu. Diese nickte erleichtert und verließ fluchtartig das Zimmer. „Das hätte zuviel Zeit gekostet.“ Kardinal Richelieu setzte sich. „Es gibt für die Garde einen Auftrag auszuführen. Und da wird ihr Hauptmann dringend gebraucht.“
Aramis Gedanken ordneten sich langsam wieder. „Um was für einen Auftrag handelt es sich?“
„Musketiere! Es gibt Arbeit für euch.“ Treville hatte alle Musketiere auf dem Exerzierplatz antreten lassen. „Der König hat eine Versammlung im Palais de Justice einberufen. Es werden Adlige und einfaches Volk anwesend sein. Die Aufgabe der Musketiere wird es sein, die Adligen vor den Bauern zu schützen, während die Garde des Kardinals das einfache Volk im Zaum halten wird.“
„Eine Versammlung?“ raunte Portos Athos ins Ohr. „Die letzte war 1614.“ „Das waren die Generalstände Portos.“ Erklärte Athos seinem Freund. „Versammlungen gibt es immer wieder. Nur warum diesmal auch das einfache Volk anwesend sein wird, verstehe ich noch nicht.“ Monsieur Treville redete unterdessen weiter. „…so dass auch die Bauern einmal ihre Ansichten vorbringen können.“ „Na, da hat unser König mal eine gute Idee.“ Flüsterte Athos.
„Morgen um zwölf geht die Versammlung los. Seid entsprechend am Vormittag da, um eure Präsens zu offenbaren. Abtreten!“
Früh am nächsten Morgen versammelte sich das Volk vor dem Parlament. Noch waren die Tore geschlossen. „Seht mal, die Adligen lassen sie rein, wir müssen warten.“ Die Menge wurde ungeduldig. Die Garde des Kardinals hatte alle Hände zu tun, um für Ruhe zu sorgen. „He! Das ist doch Aramis! Er befehligt die Garde des Kardinals?“ „War der nicht Musketier?“ „Das ist ja ein Abstieg, wenn er zu den Tölpeln des Kardinals wechselt.“ Die Umstehenden lachten. Zum Glück bekam unser Hauptmann nichts davon mit. Es hätte ihn wahrscheinlich zutiefst verletzt. Sah er sich doch dazu gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wusste er nicht, ob er von Mylady beobachtet wurde. Dabei wünschte er sich nichts sehnlicher, als Musketier zu sein und bei seinen Freunden zu verweilen.
Endlich wurden auch die Bauern in das Parlamentsgebäude gelassen. Die beiden Stände wurden streng getrennt. Die Adligen links, die Bauern rechts, dazwischen eine zwei Meter breite Barriere, welche von Musketieren auf der einen und Gardisten auf der anderen Seite bewacht wurden. Auch Athos, Portos und D’Artagnan befanden sich dort.
Aramis hielt sich im Hintergrund, wollte er von seinen Kameraden nicht entdeckt werden.
Im Saal herrschte große Unruhe. Plötzlich gelang es einem flinken Bauern durch die Barriere hindurch zu springen. Verdutzt über so viel Kühnheit, verpassten die Musketiere einzugreifen. So kam der Mann fast bis zu den ersten Reihen der Adligen, als ein Schuss fiel. Tödlich getroffen brach der Mann zusammen. Das Volk geriet außer Rand und Band. Nur durch Waffeneinsatz der Garde hielten sie sich zurück nicht auch die Barriere zu stürmen. Da stand der König, welcher gemeinsam mit Kardinal Richelieu seinen Platz in der Mitte des Parlaments hatte, auf. Langsam hob er die Hände. Auf einmal herrschte Totenstille. Der Mann lag in einer Blutlache und regte sich nicht mehr. „Dieser Mann stellte eine Gefahr für die Bewohner von Paris dar. Die Musketiere, welche meine persönliche Leibwache darstellen, müssen eine Entscheidung treffen, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. Schließlich geht es um das Wohl ihres Königs.“ Da wurde es Aramis zu viel. „Verdammt, habt ihr etwa auch befohlen auf unbewaffnete Menschen zu schießen?“ Brüllte er und rannte zur Barriere. „Man hätte den Mann auch anders aufhalten können, als ihn feige von hinten zu erschießen!“ Das Volk stimmte ihm lauthals zu. Die Musketiere, welche ihm am nächsten standen drehten sich um und erstarrten. Was machte Aramis bei der Leibgarde des Kardinals. Auch Athos und D’Artagnan waren unter diesen. Unfähig sich zu rühren, sahen sie sich an. Entsetzten lag in ihren Blicken. Aramis war inzwischen bei dem Mann angelangt und kniete neben ihm nieder. Doch er konnte nichts mehr tun. Die Kugel hatte ihn von hinten genau ins Herz getroffen. „Das war ein Angriff gegen das gesamte französische Volk! Nicht der Adel macht die Mehrheit aus, sondern das einfache Volk, die Bauern und Arbeiter. Er konnte sich nicht einmal wehren. Ist das die Auffassung der oberen Schicht Frankreichs? Darf man aus ihren Augen Leute, die nicht so handeln, wie ihr es wünscht einfach umbringen? Wenn der Adel so weiter macht, wird es eines Tages zu einer Revolution kommen!“ Das Volk johlte. Endlich jemand, der auf ihrer Seite war. „Was machst du bei der Garde des Kardinals, Aramis?“ Ohne es zu merken, war Athos vor Aramis getreten. „Ich diene ihr.“ Antwortete dieser. „Dann seid ihr mein Feind.“ Athos zog seinen Degen. Aramis fühlte, dass er seinen Freund verloren hatte.
„Nein, Athos, ich kämpfe nicht gegen dich.“ Aramis ging einen Schritt zurück, doch Athos griff ihn bereits an. Aramis hatte es gerade so geschafft, seinen Degen zu ziehen und den Angriff zu parieren. Athos war ein ebenso guter Fechter wie Aramis, was es für beide schwer machte. Allerdings sah man bald, dass Athos die treibende Kraft war und Aramis dessen Angriffe nur abfing. Er seinerseits ging nie zum Angriff über, was Athos nur wütender werden ließ. „Du warst…. Mein …. Bester …..Freund, Aramis.“ Wieder entging Aramis nur haarscharf einer Verletzung. „Athos, du …bist es ….immer noch.“ Atemlos standen sich die zwei ehemaligen Kameraden gegenüber. „Nein, bin ich nicht mehr.“ Athos griff wieder an. „Dieser Verrat wird dir das Genick brechen.“ Athos focht wie ein wilder. Portos und D’Artagnan konnten nicht mehr hinschauen. Sie wollten nicht mit ansehen, wie ihre Freunde sich gegenseitig umbrachten. Gerade als D’Artagnan dazwischen gehen wollte, geschah es. Aramis war einen Augenblick lang unaufmerksam, als er den Schmerz in seiner Schulter spürte. Athos hatte ihn mit voller Wucht getroffen. Aramis’ Degen fiel zu Boden. Er hielt sich seine Schulter. Blut sickerte durch seine Finger, er wankte. Athos wollte ausholen, doch D’Artagnan hielt seinen Arm fest. „Bist du von Sinnen?“ Er schlug Athos den Degen aus der Hand. „Willst du ihn umbringen?“ Athos sah Aramis einen Herzschlag lang an. „Aramis hob seinen Degen auf und richtete sich wieder auf. „Vielleicht werdet ihr eines Tages verstehen, warum ich so handelte.“ Damit drehte er sich um und verließ das Parlament, um einen Arzt aufzusuchen.
Zufrieden lächelte Kardinal Richelieu in sich hinein.
Diesmal war ihr Plan geglückt. Nun konnten sie Aramis endlich besiegen.
Zitternd stand Athos auf seinem Platz und starrte seinem Freund hinterher. Er konnte es nicht fassen. Hatte er gerade versucht seinen Kameraden umzubringen?
Was hatte er getan?
Er wollte hinter Aramis herlaufen, doch Portos schüttelte den Kopf.
„Lass ihn.“
Aramis irrte durch die Straßen von Paris.
Es war vorbei. Seinen Freunden konnte er die Wahrheit nicht mehr sagen, sie würden nicht mit reden wollen. Seinen Dienst bei der Garde konnte er sich wahrscheinlich nach diesem Vorfall auch abschreiben.
Was nun?
Ihm wurde schwindlig.
Zuviel Blut hatte er schon verloren.
Langsam sank er in die Knie.
D’Artagnan, noch völlig geschockt, von den Vorkommnissen im Palais de Justice, streifte durch Paris. Wie konnte es nur soweit kommen?
Ausgerechnet Athos und Aramis.
Und warum war Aramis Hauptmann der Garde des Kardinals?
Er verstand das alles nicht.
Allerdings war sein Handeln vorhin im Parlament für ihn typisch.
Nicht überlegen, sondern einschreiten, wenn unrecht geschieht. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Während er so grübelte, viel ihm eine Gestalt auf, welche an einer Hauswand lehnte. Er wollte schon seine Hilfe anbieten, als er erschrocken die Luft einzog.
Aramis.
Er war bewusstlos. Aus seiner Wunde trat immer noch Blut aus.
D’Artagnan wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Auge.
Was hatten sie nur getan, dass so etwas mit Aramis passieren konnte?
Behutsam hob er seinen Freund aufs Pferd und lief nach Hause.
Seinen Kameraden erzählte er vorerst nichts von seinem kranken Gast, bis Portos ihn nach einigen Tagen schließlich zur Seite nahm. „Sag mal, hast du Damenbesuch, oder warum verschwindest du sofort nach dem Dienst zu Hause?“ D’Artagnan wirkte zerknirscht. „Ich pflege einen verwundeten Freund gesund.“ Portos Augen leuchteten auf. „Aramis?“ sein Freund nickte. „Erzähl, wie geht es ihm?“ „Die Wunde heilt, aber seine Seele leidet.“ Portos schaute nachdenklich ins Leere. „Bitte, ich möchte ihn sehen.“
Gemeinsam gingen die zwei Musketiere zu D’Artagnan.
Aramis war bereits so weit genesen, dass er aufstehen und herumgehen konnte. Als er gerade etwas zu Trinken geholt hatte, flog die Tür mit lauten Poltern gegen die Wand. Vor Schreck ließ Aramis sein Glas fallen. „Aramis! Ich bin so froh, dich wieder zu sehen!“ Portos drückte ihn so sehr, dass er vor Schmerzen aufstöhnte. Erschrocken ließ Portos seinen Freund los. „Oh, deine Schulter…“ Aramis biss sich auf die Lippen. „Ich hoffe, du hegst keinen Groll gegen mich.“ Aramis musste sich setzen. Portos winkte ab. „Wir sind Freunde. Aber ich verstehe nicht, warum du in die Garde des Kardinals übergetreten bist.“ Aramis seufzte. „Nun ist sowieso alles zu spät.“ Portos und D’Artagnan warteten bis er weiter sprach.
„Ihr müsst mir glauben, ich war nicht aus freiem Willen dort.“ Aramis schaute seine Freunde verzweifelt an. „Es war an dem Morgen, als ich von Sharmines Arzt kam. Er konnte mir keine Hoffnungen mehr machen, dass Gift wäre zu stark gewesen. Traurig lief ich durch die Straßen, als Mylady vor mir stand.
‚Ihr werdet von nun an für den Kardinal arbeiten und Hauptmann seiner Garde werden, oder eure Freunde Athos, Portos und D’Artagnan sind des Todes.’ Sagte sie. Etwas in ihrer Stimme sagte mir, dass dies keine Falle war, sondern bitterer ernst. Ich überlegte noch, wie ich reagieren sollte, als Mylady fortfuhr. ‚Ich meine es ernst. Wenn ihr nicht augenblicklich bei Musketieren ausscheidet, werden meine Männer eure drei Freunde töten. Wollt ihr das? Wollt ihr Schuld am Tod drei der besten Musketiere des Königs und eurer Freunde sein?’ Ihre Augen funkelten. „Überlegt es euch gut. Ihr habt bis heute Mittag Zeit. Seid ihr bis um zwölf nicht bei Kardinal Richelieu erschienen…’ ich resignierte. Ohne etwas zu erwidern ließ ich Mylady stehen. Diese konnte triumphieren. Nun hatte sie mich in der Hand.
Ich ging sofort zu Treville und reichte meinen Urlaub ein. Kurz darauf überbrachte man mir die Nachricht von Sharmines Tod.“ Portos und D’Artagnan zuckten zusammen. „Sie ist also tatsächlich gestorben.“ Auf Aramis überraschten Blick fügte Portos hinzu. „Es wurde am Hofe gemunkelt, sie hätte den Anschlag nicht überlebt.“ Aramis Stimme zitterte als er weitersprach.
„Athos besuchte mich einmal bei mir zu Hause, aber ich schickte ihn fort, da ich Angst hatte, von Mylady beschattet zu werden. Ich wollte nicht euren Tod verschulden.“ Erschöpft lehnte Aramis sich zurück. „Könnt ihr mir verzeihen?“
„Kannst du mir denn verzeihen, dass ich dich sogar um ein Haar umgebracht hätte?“ Erstaunt schauten unsere drei Freunde in die Richtung, aus der die Stimme kam. In der Tür stand unser fehlender vierter Musketier. Athos blickte Aramis flehend an.
„Ich wollte zu D’Artagnan und habe alles mit angehört.“
Unsicher, wie Aramis reagieren würde, ging er auf ihn zu.
Athos war überrascht, welch eine Sanftmut in Aramis Augen zu lesen war. „Ich habe dir bereits verziehen, als du mir deinen Degen in die Schulter stießest.“ Verwundert hob Athos die Augenbrauen. Aramis fuhr leise fort. „Weil du mein Freund bist, musstest du so handeln. Deine Tat zeigte mir, wie sehr ich dich verletzt haben muss. Es tut mir leid.“
Das Band der Freundschaft wurde in diesen Augenblicken neu geknüpft.
Und es war fester als je zuvor.
Am nächsten Tag gingen sie zu Monsieur Treville. Nachdem die vier Freunde Aramis Erlebnisse erzählt hatten, hatte Treville Erbarmen und ernannte Aramis wieder zum Musketier. Überglücklich verließen unsere vier Musketiere das Hauptquartier.
Monsieur Treville schrieb einen Brief an Kardinal Richelieu, in dem er ihm erklärte, dass dessen Plan Aramis von den Musketieren zu trennen fehlgeschlagen war. Gleichzeitig warnte er ihn vor weiteren Anschlägen auf seinen Musketier, sonst würde er dem König vorsprechen.
Kapitel Die Prophezeiung wird erfüllt
Athos, Portos und Aramis saßen in der Kneipe „zum goldenen Taler“ und aßen zu Abend.
„Nun habe ich nur noch ein Ziel.“ Aramis biss grimmig in sein Brot. Unsere zwei Freunde schauten ihn irritiert an. „Myladys Treiben ein Ende zu setzten.“ Athos nickte. „Nachdem der Vertrag vernichtet ist, schwindet ihre Macht.“ „Trotz allem bleibt sie eine gefährliche Gegnerin.“ Warf Portos ein. „Wie können wir sie nur ausfindig machen?“ Die Anderen seufzten . „Keine Ahnung.“ Aramis zuckte mit den Schultern. „Wenn sie gefunden werden will, werden wir sie finden.“ Sagte Athos. „und bis dahin bleibt uns nur, abwarten und die Ruhe genießen.“
Aramis dachte an die vergangenen Monate. Es war so viel passiert. Er hatte erfahren, wer er wirklich war, warum seine Eltern gestorben waren. Er hatte mit Hilfe eines gewissen Erzengels den Tod besiegt. Zum zweiten Mal wurde eine Frau, die er heiraten wollte ermordet; ebenfalls von Kardinal Richelieu.
Müde stand Aramis auf. „Ich glaube, ich werde mich für heute verabschieden. Richtet D’Artagnan einen Gruß von mir aus, wenn er kommt.“ Ehe seine Freunde etwas erwidern konnten, war Aramis schon verschwunden.
Langsam schlenderte er durch die Gassen von Paris. Beunruhigt schaute sich der Musketier immer wieder um. „Das grenzt ja bereits an Verfolgungswahn.“ Dachte er laut und umschloss seinen Degen mit festem Griff. So fühlte er sich sicherer. Schließlich war er in seinem Zimmer angelangt, ließ sich erschöpft auf seinen Stuhl fallen und genoss den Blick auf die Seine.
Endlich konnte er ungestört seinen Gedanken nachgehen.
Alles fing an mit der Ermordung Fabiennes.
Eigentlich begann alles viel früher.
Er konnte gar nicht glauben, wie lang der Kampf zwischen seinem Volk und den Geschöpfen des Bösen schon andauerte.
Dass es schon damals in Mittelerde angefangen hatte…
Er konnte es einfach nicht fassen, dass er dem Volk der Valinar angehören sollte. Einem uralten Volk der Elben. Das war doch alles viel zu fantastisch…
Er wollte nicht glauben, dass er ein direkter Nachfahre Galadriels sein sollte.
Wenn Jussac ihn damals nicht so schwer verwundet hätte, wäre das alles gar nicht ans Licht gekommen.
Falsch…
Er hätte es nicht erfahren.
Kardinal Richelieu und Mylady wussten es ja schon vorher.
Schließlich hatten sie seine Eltern ermorden lassen. Fabienne musste durch ihre Hand sterben und nun auch noch Sharmine.
Geschöpfe, die dem Bösen dienten gingen gewissenlos über Leichen.
Wie konnten sie nur besiegt werden?
Es war seinen Vorfahren in Mittelerde schon nicht gelungen sie zu vernichten
Wie sollte es dann einem einzigen Menschen, nein, einem einzigen Valinar gelingen?
Aramis schwirrte der Kopf.
Manchmal wünschte er, es wäre alles anders. Er wollte einfach nur ein Mensch sein, der lieben durfte und ein Leben als Musketier führte.
Oder ein Leben als Abbé…
Hm, so ganz ohne Frauen?
Das Leben war schon ungerecht. Wie sollte er sich nur entscheiden?
Entscheiden?
Er hatte doch gar keine Wahl.
Er hatte eine Bürde zu tragen.
Ob er wollte oder nicht.
Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er niemals eine Frau wirklich lieben durfte.
Dass er niemals ein normales Leben führen durfte.
Weder als Musketier, noch als Abbé.
Er musste erst die Aufgabe beenden, die sein Volk schon zur Zeit Saurons begonnen hatte.
Das Böse konnte man nicht vernichten, sonst wäre auch das Gute vernichtet.
Das Eine kann nicht ohne das Andere.
Aber man konnte dessen Diener angreifen.
Er musste dem Handlanger Luzifers gegenüber treten.
In diesem Fall:
Mylady.
Athos war gerade am Einschlafen, als es klopfte. „Monsieur Athos! Ein Brief von Aramis.“ Verwundert öffnete Athos die Tür und las die Nachricht. „Liebe Freunde. Bitte findet euch schnellstens im Wirtshaus zum „Heiligen Augustinus“ ein. Ich habe Instruktionen des Königs, welche keinen Aufschub erlauben.“ Athos runzelte die Stirn. Im „Heiligen Augustinus“? Das ist doch am anderen Ende der Stadt. Dort mussten sie hin reiten, so weit war der Treffpunkt entfernt.
Einige Zeit später trafen sich die drei Musketiere Athos, Portos und D’Artagnan am vereinbarten Treffpunkt. „Wo ist Aramis?“ D’Artagnan schaute sich suchend um. „Erst bestellt er uns zu nachtschlafender Zeit hierher und dann kommt er selbst zu spät. Das ist doch gar nicht seine Art.“ Portos knurrte. „Kommt lasst uns rein gehen.“ Er ging ins Wirtshaus. „Es ist auch nicht seine Art, mit merkwürdigen Schreiben uns des Nachts irgendwo hin zu beordern.“ Athos wurde unruhig. Sie bestellten etwas zu trinken und lenkten sich durch Gespräche ab. Plötzlich wechselte Athos das Thema. „Irgendwie glaube ich, das ist eine Falle.“ D’Artagnan sah ihn irritiert an. „Für uns, oder für…oh mein Gott.“ Er wurde bleich. „Man hat uns von Aramis weggelockt. Bis wir merken würden, dass gar nicht Aramis diesen Brief geschrieben hat, sondern jemand anderes und wir zurück geritten sind…“ „Ist es wahrscheinlich schon zu spät.“ Athos sprang auf und rannte los.
Schlaftrunken bemerkte Aramis, dass seine Zimmertür offen stand. Im gleichen Moment sah er die erhobenen Arme über sich. Den Dolch in den Händen des Mannes registrierte er spät; sehr spät. Bevor er zu seinem Degen neben dem Bett greifen konnte, stach der Angreifer zu. Irgendwie schaffte es der Musketier trotzdem sich blitzschnell wegzudrehen. Allerdings verhedderte er sich in seiner Decke, wodurch eine Flucht vereitelt wurde. Wieder stach sein Gegner zu. Diesmal hatte der mehr Glück und traf Aramis’ Bein. Unser getroffener Musketier wälzte sich von seinem Peiniger weg, hin zu seinem Degen, kam durch die Schmerzen im Bein jedoch nur langsam voran. Wieder stach der Mann zu und traf Aramis von hinten in die Schulter. Unserem Freund schossen die Tränen in die Augen. Benommen blieb er liegen und wartete auf den Todesstoß. Doch sein Angreifer dachte wohl, er sei schon tot. Oder er wollte ihn gar nicht töten… Er legte Aramis in dessen Bett und deckte ihn wieder zu. Sorgfältig räumte er das Zimmer wieder auf und verschwand. „Es soll also so aussehen, als ob ich schlafe. Bis dann jemand merkt, dass es nicht so ist, bin ich wahrscheinlich längst tot.“ Dachte Aramis und verlor das Bewusstsein.
„Aramis!“ Athos riss die Tür auf und stürmte ins Zimmer. Was die drei Musketiere allerdings sahen verschlug ihnen die Sprache. „Er schläft tief und fest.“ D’Artagnan musste sich vor Überraschung erst mal hinsetzen. „Wer weiß, was er die Nacht erlebt hat.“ Meinte Portos. „er wollte uns wohl einen Streich spielen.“ D’Artagnan ging wieder zur Tür. „Kommt, lasst ihn schlafen. Wir schauen nachher noch mal nach ihm.“ Portos nickte und war schon durch die Tür hinaus. Irgendetwas störte Athos. Langsam ging er zur Tür. „Was hast du?“ D’Artagnan blieb im Zimmer stehen. „Aramis hat eigentlich keinen solch festen Schlaf, dass er nicht durch unseren Lärm aufgewacht wäre.“ Sein Freund runzelte die Stirn. „Woran denkst du?“ Athos blickte sich um. Dann fiel es ihm auf. „Sein Degen. Er steht immer direkt an seinem Bett.“ Eilig schritt er zur Waffe und nahm sie in die Hand. „Doch jetzt liegt sie ein Stück weg.“ Erschrocken schaute er zum Bett. Alles sah friedlich aus. Zu friedlich. Vorsichtig ging Athos zu Aramis und zog die Decke von seinem Freund. Mittlerweile war Portos, ungeduldig wo seine Kameraden denn blieben wieder zurück gekommen. „Was ist? Kommt …“ Geschockt hielt er inne. „Mein Gott!“ Dort lag Aramis, als wenn er schliefe. Die Verletzungen sprachen allerdings eine andere Sprache. Der Musketier lag in einer Blutlache und atmete kaum noch. „Das … Sie haben versucht ihn umzubringen.“ D’Artagnan rannte zur Tür. „Ich hole einen Arzt. Komm Portos, wir müssen uns beeilen!“ Athos blickte ihnen traurig hinterher. „Wenn es dann nicht schon zu spät ist.“ Entsetzt schaute er auf seinen Freund. Vor lauter Blut wusste er gar nicht, wo er anfangen sollte nach den Verletzungen zu gucken. Schnell fand er die Wunde am Bein. Für die an der Schulter brauchte er etwas länger, da er Aramis vorsichtig umdrehen musste, um sie zu finden. Schnell merkte er, dass die Verletzungen an sich gar nicht tödlich waren, Aramis aber wahrscheinlich schon zu viel Blut verloren hatte. Wie lange mochte er wohl schon so liegen? Athos musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzuschreien. Er war fassungslos über die Brutalität, mit der Aramis’ Gegner vorgegangen war. Er oder sie hatten es darauf angelegt, Aramis leiden zu lassen. Es sollte kein schneller, sondern ein qualvoller Tod für ihn sein. Athos konnte nicht verhindern, dass ihm eine heimliche Träne die Wange herunter lief. Doch er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen. Stattdessen versuchte er mit Aramis zu sprechen.
Kurze Zeit später kamen seine zwei Kameraden mit zwei Ärzten. Jeder war einen Arzt suchen gegangen, falls der Andere keinen auffinden sollte. Als diese sahen, in welchem Zustand sich ihr Patient befand, erschraken sie. Sofort begann der Eine, die Wunden zu säubern und zu verbinden, während der Andere Aramis Medikamente einflösste. „Es steht sehr schlecht um Monsieur Aramis. Wenn er den nächsten Tag und die darauf folgende Nacht überleben sollte, dann ist er über das Schlimmste hinweg. Aber bis dahin…“ Sie sahen sich an. „Wir werden abwechselnd alle vier Stunden vorbei kommen und nach ihm sehen. Dieses Mittel müsst ihr ihm zu jeder vollen Stunde geben. Versucht ihn aufzuwecken. Je länger er in seinem jetzigen Zustand bleibt, umso näher ist er dem Tod als dem Leben.“
Die Ärzte verabschiedeten sich und verließen unsere vier Freunde.
„Wir müssen dem Hauswirt bescheid geben und die Laken erneuern.“ Meinte Athos und verschwand. D’Artagnan und Portos blieben alleine zurück. „Was meinst du?“ Portos sah seinen Kameraden nachdenklich an. „Trägt das die Handschrift Myladys?“ Zornig nickte D’Artagnan. „Ich bin mir sogar sicher.“ Portos seufzte. „Nur, wie können wir das beweisen?“ Athos erschien mit neuen Laken. Gemeinsam schafften sie es die blutverschmierten gegen frische Laken auszutauschen, ohne Aramis zu sehr bewegen zu müssen. Nun hieß es abwarten und hoffen.
„Wir haben euren Befehl ausgeführt.“ Der Mann verneigte sich vor Mylady. Diese drehte sich zufrieden herum. „Gut. Er lebt doch noch?“ Der Gardist nickte. „Ich habe ihn in der Schulter und am Bein verletzt. Die Wunden sind nicht tödlich.“ Mylady lächelte finster. „Bis ihn jemand findet wird er soviel Blut verloren haben, dass er dem Tode näher ist, als dem Leben. Es wird eine Qual für ihn sein.“ Sie schaute wieder aus dem Fenster. „Das, lieber René d’Herblay, ist meine Rache an dir. Zu sehr hast du mein Ansehen und das meines Herren in den Schmutz gezogen. Und meinen Vertrag hast du ebenfalls zerstört.“ „Könnt ihr diesen Vertrag nicht einfach erneuern?“ fragte der Gardist unterwürfig. Mylady warf ihn einen bitterbösen Blick zu. „Nein, ich müsste einen neuen Bund schließen und stände wieder am Anfang. Im Übrigen kann ich den Teufel leider nicht einfach mal so rufen. Er würde mich ganz sicher nicht hören.“ Sie setzte sich in einen Stuhl. „Nein, so ist meine Genugtuung größer. Nur schade, dass ich seinen Tod nicht mit ansehen kann.“ Dem Gardisten lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Noch nie war er einer so von Hass und Kälte besessenen Frau begegnet. „Ihr könnt jetzt gehen!“ Erleichtert verließ der Mann seine Auftraggeberin und eilte davon.
Stunde um Stunde verging und Aramis’ Zustand verschlechterte sich zusehends. Sein Atem wurde immer flacher. Ab und zu, so schien es Athos, atmete er gar nicht mehr. Aber er lebte noch, als der nächste Tag hereinbrach. Erleichtert stellten die Ärzte am Nachmittag fest, dass sich der Zustand unseres Freundes langsam stabilisierte. Trotz allem war er noch nicht außer Lebensgefahr. Athos wich keine Minute von Aramis’ Seite. Schließlich dämmerte es und die Nacht war gekommen. Plötzlich fuhr Athos auf. „Verdammt, Aramis! Du darfst nicht sterben. Willst du, dass Mylady über dich triumphiert? Du hast Fabienne versprochen, ihren Tod zu rächen. Das kannst du nicht, wenn du als Engel im Himmel rum fliegst.“ Portos warf seinem Kameraden einen überraschten Blick zu. Doch dieser sprach unbeirrt weiter. „Ich weiß, es klingt jetzt unfair, aber: du bist ein Valinar. Also hilf dir selbst. Du kannst es, ich weiß es. Mir ist bewusst, dass du mich schelten wirst, wenn du wieder unter den Lebenden weilst. Schließlich steht in der ibel, dass der Teufel Jesus Christus aufforderte, von einem hohen Turm zu springen. Die Engel Gottes würden ihn schließlich auf Händen tragen, dass sein Fuß nicht an einen Stein stoße. So würde er gerettet werden. Und jetzt verlange ich dasselbe von dir. Und trotzdem sage ich es noch mal: bitte hilf dir, bezwinge den Todesboten und kehre zu uns zurück. Wir brauchen dich hier.“ D’Artagnan wollte eben das Zimmer verlassen, war jedoch ergriffen stehen geblieben. „So kenne ich dich überhaupt nicht.“ Athos schaute ihn verzweifelt an. „Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Aber ich liebe Aramis, wie meinen kleinen Bruder. Er ist mein bester Freund und Kamerad. Ich würde es nicht überleben, wenn er stürbe.“ Er griff nach Aramis Händen. „Bitte komm zurück.“
Athos schrak auf, als er ein Geräusch vernahm. Verwirrt wurde ihm bewusst, dass er eingeschlafen war. Sofort stand er auf und tastete vorsichtig nach seiner Waffe. Erschrocken bemerkte er eine Gestalt über Aramis gebeugt. Schnell zog er seinen Degen. „Ich bin es, D’Artagnan!“ Erleichtert ließ Athos seine Waffe sinken. Beunruhigt fragte er: „Was ist los? Atmet er noch?“ Er legte seinen Degen weg. „Ja.“ Antwortete D’Artagnan. „Ich glaubte, er hätte die Augen geöffnet.“ Athos konnte es nicht glauben und beugte sich über Aramis. Doch dieser schien immer noch bewusstlos zu sein, bzw. zu schlafen. „Naja, wir haben uns wohl geirrt.“ Die beiden Musketiere gingen wieder auf ihre Plätze. So bemerkten sie nicht, dass Aramis tatsächlich seine Augen öffnete. Allerdings war es diesem ganz recht, dass seine Kameraden sich wieder entfernten. Blieb ihm doch so die Möglichkeit, seine Gedanken zu ordnen und sich zu orientieren. Einige Zeit später schien die Sonne in das Zimmer und Aramis freute sich auf die Gesichter seiner Freunde. Da, Athos wachte auf. Portos kam gerade wieder zur Tür herein, bestimmt hatte er schon gefrühstückt, und D’Artagnan reckte sich ebenfalls. Durch seine Gedanken über Portos bemerkte Aramis, welchen Hunger er hatte. „Guten Morgen, die Herren. Ich würde gerne mal etwas zu Essen bekommen.“ Portos ließ das Glas fallen, welches er mitgebracht hatte. Athos blieb die Spucke im Hals stecken und D’Artagnan erstarrte mitten in seiner Bewegung. Alle drei fuhren herum und sahen in ein strahlendes Gesicht, zwar noch etwas bleich, aber mit offenen Augen und ziemlich wachen Blick. „Er ist aufgewacht!“ Portos trat voll in die Scherben seines fallengelassenen Glases und stürmte so auf Aramis zu, dass dieser hoffte, sein kräftiger Kamerad möge noch vor seinem Bett zum Halten kommen. „Portos! D’Artagnan! Athos, mein Freund!“ lachend umarmten die vier Musketiere sich. Erschöpft sank Aramis wieder in seine Kissen zurück. Die Schulter schmerzte und sein Bein pochte, aber er lebte! „Er ist erstanden, Halelluja!“ Athos streckte seine Hände zum Himmel. „Herr Gott, ich danke dir aus tiefstem Herzen.“ Aramis sah ihn verwundert an. „Solche Töne von dir?“ D’Artagnan grinste. „Du hättest ihn mal gestern Abend hören müssen…“ Aramis lächelte zurück. „Du meinst: Du bist ein Valinar, hilf die selbst?“ Die Anderen waren sprachlos. „Du hast es gehört?“ fragte Athos zerknirscht. Aramis nickte. „Ich habe ziemlich viel mitbekommen, konnte aber nicht reagieren. Ich hatte nur Angst, dass mich diese Ärzte aufgeben. Ich betete die ganze Zeit zum Herren, dass er mich nicht sterben lassen dürfe.“ Aramis seufzte. „Obwohl damit wenigstens meine Probleme weg gewesen wären. Dann wäre ich in einem besseren Leben und in einer anderen Welt, und … schon gut.“ Beschwichtige er, als er die entsetzten Mienen seiner drei Freunde wahrnahm. „Ich bin ja noch hier.“ Mit Athos Hilfe setzte er sich auf. „Was ist jetzt mit meinem Essen?“ Portos grinste. „Jetzt weißt du mal, wie das ist, wenn ihr immer mein Hungergefühl ignoriert.“ Aramis schaute ihn aus großen sanften Augen an. „Ich werde ab jetzt deine Gelüste nicht mehr übergehen.“ Athos und D’Artagnan mussten lachen. „Er ist tatsächlich wieder der Alte.“ „Das befürchte ich auch.“ Knurrte Portos und verschwand, um etwas zu Essen aufzutreiben. D’Artagnan nahm einen Stuhl und setzte sich zu Aramis ans Bett. „Nun erzähl mal. Was ist an dem Abend passiert? Hast du uns wirklich einen Brief geschrieben?“ Aramis schüttelte den Kopf. „Nein, aber Mylady sagte mir, dass ihr alle einen bekommen hättet.“ „Also trug die ganze Sache tatsächlich ihre Handschrift.“ Meinte Athos. „Ja.“ Aramis erzählte seinen Freunden, was sich an jenem Abend zugetragen hatte. Zwischendurch kam auch Portos wieder mit dem Essen.
So vergingen die Wochen und Aramis’ Genesung schritt voran. Schließlich ging es ihm wieder so gut, dass er seine Kameraden zum Hauptquartier der Musketiere begleiten konnte, wenn auch nicht dienstlich, sondern nur privat. Monsieur Treville hatte seinem Schützling Urlaub verordnet und ihm deutlich gemacht, er wolle ihn erst wieder im Dienst sehen, wenn der Arzt es ihm ausdrücklich erlaubt habe.
Eines Nachmittags saßen die vier Musketiere bei Athos im Zimmer.
Da klopfte es. „Monsieur Athos? Monsieur Treville schickt mich. Es wurde ein Brief für Monsieur Aramis bei ihm abgegeben.“ Athos ging zur Tür, bedankte sich und übergab ihn seinem Freund. „Woher weiß Treville, dass …“ setzte Aramis beunruhigt an. „Das dürfte nicht schwer gewesen sein.“ Meinte Portos. „Wahrscheinlich hatte der Bote order, all unsere Unterkünfte abzuklappern, bis er uns gefunden hat.“ Nachdem Aramis gelesen hatte, wurde er bleich und setzte sich auf den Stuhl am Fenster. „Nun ratet mal, von wem der Brief ist.“ D’Artagnan verdrehte die Augen. „Wie könnten wir das wissen.“ Aramis holte tief Luft. „Er ist von Mylady. Die Nachricht meiner Genesung ist also auch bei ihr angekommen. Sie fordert mich zum Duell heraus.“
Die drei Musketiere guckten ihren Kameraden entsetzt an. „Was willst du machen?“ Aramis wirkte nachdenklich. „Ich werde annehmen.“ D’Artagnan sprang vom Stuhl auf. „Bist du des Wahnsinns?“ „Sie ist eine exzellente Fechtkünstlerin“ gab Athos zu bedenken. „Ich habe es ihr einst gelernt.“ Portos pflichtete ihm bei. „Und durch den Vertrag hat sie teuflische Kräfte hinzu erworben, die ihr auch nach der Vernichtung des Paktes geblieben sind.“ Aramis ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. „Ich werde gegen sie antreten.“ Athos sah seinen Freund nachdenklich an.
„Du weißt, das wird ein Kampf auf Leben und Tod.“
Kapitel Die Entscheidung
Da Duelle auf Erlass des Königs in Paris verboten waren, organisierte Kardinal Richelieu ein Fechtturnier, zu dem die besten Fechtmeister des ganzen Landes eingeladen waren. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und die Musketiere und Gardisten, welche nicht an dem Turnier teilnahmen, waren für die Sicherheit ihrer Majestäten und der Gäste verantwortlich. Unsere vier Kameraden nahmen alle am Turnier teil, waren sie doch die besten Musketiere des Königs. Von der Garde des Kardinals nahmen ein gewisser Rochefort und ein weiterer Gardist namens Fumière teil, Mylady als eingeladener Gast.
Der Kardinal wollte durch fingierte Zufälle Aramis und Mylady aufeinander treffen lassen, so dass sie ihr Duell austragen konnten.
So würde keiner etwas von dem wahren Hintergrund ihres Aufeinandertreffens erfahren.
Aramis war ungewöhnlich still in den Tagen vor dem Turnier.
Als wolle er seine Kraft sammeln und für nichts anderes vergeuden.
Man sah ihn oft für sich trainieren, wobei ein Außenstehender eher annehmen würde, er tanze oder spiele mit seinem Degen, so leichtfüßig und elegant wirkte seine Fechtkunst.
Schließlich war der große Tag herangekommen.
Das Turnier begann.
Es waren dutzende von Fechtern aus ganz Frankreich angereist. Schließlich wollte sich kein Fechtmeister ein Turnier zu Ehren ihrer Majestät des Königs von Frankreich entgehen lassen.
Nach einigen Runden, in denen auch unsere vier Musketiere an der Reihe waren, gab es schon viele Verletzte.
Die georderten Ärzte hatten alle Hände voll zu tun.
Aramis war unruhig, wusste er doch nicht, wann er auf Mylady treffen würde.
Nach einer kleinen Pause für alle Teilnehmer stand Kardinal Richelieu auf und eilte zum Turnierplatz. Nachdem er um Ruhe gebeten hatte, gab er die folgenden Turnierpaarungen bekannt.
„Messieurs et Mesdames. Als nächstes darf ich eine hochinteressante Paarung ankündigen. SIE ist eine der besten Fechtdamen unserer Zeit, ER einer der besten Musketiere des Königs. Lady de Winter und Monsieur Aramis.“
Aramis schluckte.
Nun war die Stunde der Wahrheit gekommen.
Es gab kein Zurück.
Bedächtig schritt der Musketier zu Kardinal Richelieu.
Gleichzeitig mit Mylady blieb er stehen und verneigte sich vor dem Kirchenoberhaupt.
„So, nun kämpft um euer Leben, René d’Herblay. Zeigt, ob ihr wirklich ein Valinar seid. Eure Gegnerin ist euch überaus ebenbürtig. Wenn auch ebenso gegensätzlich.“
Aramis sah Mylady in die Augen.
Was er in ihnen sehen konnte, stockte ihm den Atem.
In den teuflisch grünen Augen loderte tiefster Hass.
Mylady indes konnte dem Blick nicht mehr standhalten.
Wie war es nur möglich nichts als Liebe in Aramis’ Augen zu lesen?
Oder stand auch ein Fünkchen Wehmut in ihnen?
„Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun…“ Ihr fiel dieser Bibelvers ein.
Sie senkte den Blick.
Der lang andauernde Kampf zwischen den Elben und den Gesandten des Teufels neigte sich dem Ende zu.
Die Entscheidung lag in den Händen des letzten Nachkommen der Elben und der mächtigsten Botin des Bösen seit Sauron.
Langsam kreuzten sich ihre Klingen.
Auf dem Turnierplatz herrschte Totenstille. Wie zwei hungrige Wölfe umkreisten sich Mylady und Aramis. Es schien, als traue sich niemand so recht den Gegner anzugreifen.
Plötzlich schnellte Mylady nach vorne und attackierte ihren Gegner. Dieser konnte im letzten Moment ausweichen und die Wucht des Schlages abfangen. Aramis war überrascht, wie viel Kraft in den Hieben Myladys lag, war sie doch unübersehbar eine Frau; noch dazu ein sehr zierliches Wesen. Welche Kräfte musste sie nur mit Hilfe des Paktes gehabt haben. Entschlossen griff er seinerseits an. Er konnte nicht mit Kraft trumpfen, also setzte er auf seine Geschicklichkeit. Verbissen kämpften die beiden Kontrahenten eine ganze Weile. Sie waren beide hervorragende Kämpfer, so dass keiner die Oberhand im Kampf übernehmen konnte. Jeder hatte mehrmals die Chance seinen Gegner überlegen zu sein. Schließlich wendete sich das Blatt. Aramis konnte Mylady durch eine Reihe von gezielten Angriffen aus dem Rhythmus bringen. Unvermittelt drehte er sich gleich einer Schraube in Richtung Mylady. Dicht neben ihr hielt er inne und griff mit dem Degen von unten an. Da Mylady, irritiert durch das Manöver des Musketiers, ihre Arme schützend im oberen Bereich des Körpers hielt, war sie ohne Deckung und Aramis Degen verletzte sie am Oberschenkel. Unweigerlich fühlte sie nach ihrer Wunde, wodurch unser Musketier ihr ein weiteres Mal zusetzten konnte und sie am Arm verletzte. Wütend wich Mylady einen Schritt zurück, um nur wenig später mit voller Kraft anzugreifen. Durch die Wucht, mit denen die Degen aufeinander trafen, verlor Aramis das Gleichgewicht. Taumelnd versuchte er sich wieder zu fangen, musste sich aber dabei kurz am Boden abstützen. Das nutzte seine Gegnerin sofort aus und verpasste ihm einen Degenstrich quer über den Rücken. Keuchend vor Schmerz sackte er in die Knie. Triumphierend hechtete Mylady zu Aramis, um ihren Todesstoß zu setzten. Sie hatte ihre Rechnung allerdings ohne den Musketier gemacht. Als Mylady die Klinge sah, welche in ihre Richtung ragte, war es zu spät. Sie konnte nicht mehr bremsen. Die Waffe bohrte sich tief in ihre Rippen. Langsam kippte sie nach vorne, während Aramis den Degen aus ihrem Körper herauszog.
Als Mylady in Aramis Augen sah, schrak dieser zurück.
Diese Verletzung würde sie nicht töten.
Sie machte seine Gegnerin im Gegenteil noch gefährlicher, als sie ohnehin schon war.
Mit übermenschlicher Kraft stand sie wieder auf. Wie eine Furie ging sie auf den erschöpften Aramis los. Dieser war derart überrumpelt, dass ihn die Wucht ihres Angriffes umriss.
Athos, Portos und D’Artagnan hielten den Atem an. Wie konnte diese Frau, oder was auch immer dieses Wesen sein mochte, solche Kräfte mobilisieren? Derweil rollten die zwei Kämpfenden über den Boden. Man sah nur ein Gewirr von Körpern und Degen. Auf einmal stand Mylady auf. Unsere drei Musketiere versuchten zu erkennen, was passiert war.
Aramis registrierte nur das Blut, welches über seine Hand lief, mit der er sich den Bauch hielt.
Myladys Degen hatte ihn unterhalb der Rippen getroffen. Mit immenser Anstrengung gelang es ihm aufzustehen. Seine Knie zitterten.
Er musste husten.
Blut lief ihm über die Lippen.
Seine Lunge musste verletzt sein.
Wieder fiel er.
Er suchte Mylady.
Siegessicher riss sie ihre Arme in die Höhe.
Das war Aramis Chance.
Mit letzter Kraft schleuderte er seinen Degen.
Mylady spürte, dass die Waffe kam.
Doch diesmal war sie zu langsam.
Die Hände noch in die Luft gestreckt versagten ihre Beine den Dienst.
Röchelnd sank sie zu Boden.
Aramis hatte sie mitten ins Herz getroffen.
Athos, Portos und D’Artagnan jubelten. Der lang währende Kampf fand ein Ende.
Das Volk der Valinar hatte gesiegt. Ihr Erbe war seiner würdig gewesen…
Myladys Leiche wurde weggetragen.
Athos erinnerte sich der Verletzungen, die Aramis erlitten hatte. Besorgt eilte er zu seinem Freund. Dieser kauerte noch immer auf dem Boden. Als Athos näher kam, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Aramis’ Wunden waren kaum mehr zu sehen. Die Stichwunde im Bauch war nur noch oberflächlich und der ehemals tiefe Kratzer am Rücken fast vollständig verheilt.
Lächelnd legte der Valinar seine Hand auf Athos’ Schulter. „Sagtest du nicht, ich solle mir selbst helfen?“ Athos nickte verdattert. „Du kannst es wirklich?“ Aramis blieb ihm eine Antwort schuldig und schritt vom Platz.
Das Turnier ging noch lange.
Ein Sieger wurde gekürt und gefeiert.
Von alledem bekam unser Musketier nichts mehr mit.
Er hatte Fabienne und Sharmine gerächt.
Die Prophezeiung hatte sich erfüllt.
Seine Aufgabe war beendet.
Leise betrat er das Kloster.
Er wusste, was seine Bestimmung werden sollte.
Betend kniete Aramis vor dem Altar.
„Herr, es ist vollbracht.“
Kapitel Abschied
Einige Tage später.
Die Musketiere Athos, Portos und D’Artagnan wurden zu Monsieur Treville bestellt.
„Ich habe eine Nachricht für Euch.“ Er hielt ein Schreiben in der Hand. Langsam reichte er es Athos. Dieser las es den Anderen vor.
‚Sehr geehrte Monsieur Treville.
Einst habt Ihr mich gütigst in die Garde der Musketiere aufgenommen. Ihr wusstet, welche Gründe mich aus meiner Heimat forttrieben. Es war mein Versprechen, das ich meiner damaligen Verlobten Fabienne de Jarjaye gab: Rache an ihrem Mörder zu üben. Dieses Versprechen habe ich gehalten und vollbracht. Es gibt für mich nun keinen Grund mehr Eure Großzügigkeit in irgendeiner Form auszunutzen. Daher möchte ich meinen Dienst mit sofortiger Wirkung quittieren. Meine Bestimmung ist es das Leben eines Geistlichen zu führen. Bitte teilt meinen mir überaus lieb gewonnenen Freunden und Kameraden Athos, Portos und D’Artagnan meinen Entschluss mit. Sie mögen mich in guter Erinnerung behalten und mir nicht zürnen, dass sie dies alles auf solch förmliche Weise erfahren. Ich stehe trotz allem jederzeit bereit, sollte es von Nöten sein.
Ergebens, Euer René d’Herblay’
Schweigend standen Monsieur Treville, Portos und D’Artagnan um Athos herum. Mit zitternden Händen gab er den Brief seinem Hauptmann zurück. Wortlos drehte er sich um und verließ das Zimmer. Betroffen schauten sich Portos und D’Artagnan an. Aramis war Athos wie ein Bruder ans Herz gewachsen. Er würde sicher lange brauchen, um darüber hinweg zu kommen.
Athos sattelte sein Pferd und galoppierte davon. Er hätte fast arme Bürger umgerissen, die sich nur mit einem Sprung an den Straßenrand in Sicherheit bringen konnten. Doch Athos bemerkte dies nicht einmal. Blind preschte er in eine Richtung, von der er hoffte, Aramis zu begegnen. Am Ziel angekommen, sprang er von seinem erschöpften Pferd und rannte durch das Schmiedeeiserne Tor.
Und tatsächlich…
Unweit von ihm entfernt stand Aramis in ein Gebet vertieft.
Eine Aura des Friedens schien ihn zu umgeben.
Vorsichtig trat Athos zu seinem Freund. Auf einmal durchströmte ihn eine Welle der Zuneigung für diesen so wundersamen Valinar. Er hatte nie zuvor ein Wesen gekannt, welches eine derartige Faszination auf ihn ausübte.
Aramis unterbrach sein Tun und blickte unseren Musketier tief in die Augen.
„Ihr habt die Nachricht also erhalten.“ Athos nickte und senkte den Blick.
„Du bist dir sicher, dass Du bei den Brüdern des Jesuitenordens eintreten möchtest?“ Athos wagte es nicht Aramis in die Augen zu schauen. Zu groß war seine Angst dem Blick seines besten Freundes nicht standhalten zu können. Dieser seufzte. „Du weißt, wie sehr ich mit mir haderte, all die Jahre.“ Traurig schüttelte er den Kopf. „Mir ist es nicht vergönnt, zu lieben. Ich bringe den Damen meiner Wahl nur Unglück. Was soll ich tun? Ich kann nicht mit dem anderen Geschlecht, jedoch bin ich ihm auch nicht abgeneigt. Und die Ungerechtigkeit in diesem Land macht mir zu schaffen. Ich könnte nicht als Musketier weiterleben und unschuldige Menschen angreifen müssen. Sie gar verletzen oder töten müssen.“ Aramis kniete vor dem Grab Sharmines nieder. „Nein, Athos. Es ist meine Berufung in das Amt des Herren einzutreten und ein Geistlicher zu werden.“ Athos konnte nicht verhindern, dass Tränen seine Wangen herab liefen. „Wir werden dich nicht vergessen.“
Ein letztes Mal umarmten sich die zwei Freunde.
So viele Abenteuer hatten sie miteinander erlebt. Sollte es endgültig vorbei sein?
Und doch wussten sie, dass sie einander nie verlieren würden.
Denn ein Freund bleibt immer ein Freund.
Was auch passieren würde.
Freunde bleiben immer füreinander da.
Schweigend gingen Aramis und Athos zurück durch das Tor.
Aramis bestieg seine treue Stute.
Langsam ritt er den Weg hinab.
Kurz bevor er hinter der Biegung verschwand, drehte er sich um, zu einem letzten Gruß.
Noch lange stand Athos da.
„Gott hat mir Aramis als Freund gegeben, und er hat ihn mir wieder genommen.“