Kapitel Kapitel 8
Der Abbé d`Herblay trat durchs Tor des Palais du cardinal auf die Rue Saint Honoré hinaus und holte tief Atem. Dieu merci, sein Gespräch mit Richelieu war weit besser verlaufen als er befürchtet hatte! Seiner verfluchten Rolle als Bittsteller gemäß hatte er sich wohlweislich gescheut, im Kavaliershabit vorm Herrn Kardinal zu erscheinen, und daher, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, seine priesterliche Soutane angelegt, obwohl er dabei innerlich mit den Zähnen knirschte. An allen Mauern klebten diese verdammten Flugblätter, Leute drängten sich zuhauf davor, schüttelten entsetzt die Köpfe, flüsterten ängstlich miteinander, schimpften lauthals oder befleißigten sich bissiger Kommentare, die Aramis inständig wünschen ließen, seinen scharfen Degen zur Hand zu haben. Bei allen Teufeln, er kam sich vor wie bei einem Spießrutenlauf! Wenigstens war der Empfang im Palais du cardinal erträglich. De Bernajoux und de Caderousse, die beiden wachhabenden Gardisten am Eingangstor, hatten zwar den ehemaligen Musketier trotz seiner geistlichen Montur sofort wiedererkannt, doch ihre süffisanten Worte hielten sich, Gott sei`s gedankt, in Grenzen! Und Richelieu war ein Mann von Wort. Er scheute sich nicht, Aramis` Verdienste zu würdigen, und auch der Comte de Rochefort versicherte, er fühle sich dem Abbé dafür zutiefst verbunden. Aber dennoch, es war nicht zu verkennen!, herrschte in Richelieu`s Kabinett eine gespannte Atmosphäre, und diese galt keineswegs Aramis` Person sondern vielmehr seinem Orden. Schon öfters hatten die Jesuiten infolge ihrer überragenden Effizienz und ihres politischen Engagements zu Spekulationen und Gerüchten Anlass gegeben, und an gegnerischen Schriften über sie herrschte wahrlich kein Mangel. Immer wieder wurden sie das Ziel öffentlicher Angriffe, sei`s von calvinistischer, jansenistischer oder libertinistischer Seite, und insbesondere ihr Erfolg auf dem Bildungssektor, der eine Vielzahl bedeutender Gelehrter hervorbrachte, zog den Neid und die Missgunst ihrer Konkurrenten auf sich. Auch Richelieu begegnete ihnen mit Argwohn, denn er betrachtete die Societas Jesu, ebenso wie die Hugenotten, als einen politischen Fremdkörper, als einen Staat im Staate, der gegenüber der französischen Krone auf größtmögliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit pochte. Kein Wunder also, dass er seinem latenten Misstrauen mit Worten Ausdruck verlieh, als der Abbé, um den Grund seines Besuches gefragt, die infame Schmähschrift aufs Tapet brachte, deren Exemplar vor seinen Augen auf Richelieu`s Schreibtisch lag. Diable, nun folgte eine hitzige Diskussion, Rochefort übernahm die Rolle des Staatsanwalts, er, Aramis, den Part des Verteidigers, und sie lieferten einander vor Richelieu`s Richterstuhl ein Duell, bewaffnet mit den schärfsten Argumenten, über dessen Ausgang der Kardinal entschied. Halleluja, dem Allmächtigen sei`s gedankt, dieser ließ sich zu einem Vergleich bewegen, nämlich, von staatlicher Seite her nichts gegen den schwer inkriminierten Orden zu unternehmen, bis seine infamen Verleumder in Person gefunden waren.
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