Einkaufen von Percy 

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Kapitel Einkaufen

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„Du liebe Güte!“ Der Freund stand in der Küche, öffnete nacheinander Kühlschrank und Vorratsschränke und kratzte sich am Kopf. „Man könnte meinen, ich beherberge eine Neunköpfige Raupe.“ Er hob die Stimme, rief ins Wohnzimmer, so dass es seine Gäste hören konnten: „Wir sollten EINKAUFEN gehen!!!....ALLE!!!“

Er würde sie alle mitnehmen, nicht dass sie in seiner Abwesenheit Unbill veranstalteten.

„Oh, wir gehen zum Krämer?“ Athos, der entspannt auf dem Sofa ruhte, hob mäßig interessiert den Blick. „Mon ami, Ihr solltet Euch wirklich einen Diener anschaffen! Wer schleppt sonst all die schweren Weinflaschen nach Hause?“

„Pah!“ Der Freund straffte die Schultern. „In unserem Jahrhundert heißt es „Selbst ist der Mann“! Die Einkäufe erledigt man persönlich und bringt sie auch nach Hause!“

Athos war noch nicht gewillt, seine bequeme Lagerstatt aufzugeben. „Ach, hier, nehmt diesen Ring und versetzt ihn im Pfandhaus, dann habe ich mein Scherflein dazu getan! Ich warte dann hier auf Euch, bis Ihr wieder da seid.“ Er gähnte und schob das Kissen unter seinen Schultern zurecht.

„Nichts da, Ihr kommt mit! Alle vier!“ Der Freund musterte sie streng. „Und zieht Euch moderne Kleidung an, wir wollen nicht mehr…..Aufsehen als nötig erregen!“

Seufzend suchten sie die immer noch als nicht standesgemäß betrachteten Kleidungsstücke zusammen und zogen sich um.

„Den Ring nehmt bitte wieder an Euch, Athos. Es gibt hier in der Nähe kein Pfandhaus und so alt, wie er ist, ist er viel zu wertvoll für einen bloßen Wocheneinkauf! Nein, ich dulde das nicht!“ Er hob abwehrend die Hand, zog sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und klappte es auf, seine EC-Karte hervorziehend. „Hier, damit bezahlt man heute oft.“

Porthos nahm die Karte, drehte sie in seiner Hand. „Und damit wird bezahlt? Wieviele von diesen Dingern habt Ihr denn, mon ami?“

„Für das eine Konto? Nur diese Karte! Wenn wir bezahlen, wird die Karte….eingelesen….hm….also, damit wird dann automatisch von meinem Konto abgebucht und der Einkauf bezahlt. Klingt jetzt etwas kompliziert.“

Porthos war begeistert: „Dann könnt Ihr Euch ja nur mit diesem kleinen Ding alles kaufen, was Euer Herz begehrt!“

„Ähm, nun ja, alles nun nicht. Nur so viel, bis das Konto leer ist und die erlaubte Kreditlinie überschritten ist.“ Er verzog das Gesicht.

„Oh, und dann? Was passiert dann?“

„Dann gibt es einen dringlichen Anruf meines Bankberaters, doch bitte kurzfristig das Konto auszugleichen.“

„Oh! Mon ami, wie unangenehm! Ihr solltet ihn lieber fordern und ihn mit den passenden Argumenten willfährig machen, auf dass er alle Forderungen gegen Euch fallen lässt!“

Der Freund seufzte: „Ach, das wäre schön, Porthos! Glaubt mir, wenn das in unserer Zeit möglich wäre, hätte ich schon längst Fechtunterricht genommen! Aber sollte ich das versuchen, lande ich im Knast!“

Porthos schüttelte den Kopf. „Ihr macht Euch das Leben unnötig schwer in Eurer Zeit! Dabei könnte alles so einfach sein!“

„Ihr seid ein Philosoph, mein lieber Porthos! Doch jetzt: Auf, auf, es geht los, sonst haben wir heute Abend weder etwas zu essen noch zu trinken im Haus!“

 

Gehorsam trabten alle ins Freie und wollten schon das Hoftor ansteuern, da hielt der Freund sie zurück: „Nein, wir laufen nicht, wir nehmen das Auto!“ Er wies einladend auf sein KFZ.

„Ich würde dann lieber laufen, wenn es Euch nichts ausmacht, mon ami.“ meinte Athos bockig.

„Wenn ich Euch nun sagte, dass der Supermarkt 15 Kilometer entfernt ist? Und wir einiges einzukaufen haben? Schaut mal, im Auto gibt es ja auch noch Stauraum, so dass wir die Einkäufe nicht tragen müssen!“

Athos seufzte ergeben: „Eure Argumente sind unschlagbar, mon ami!“

Der Freund entriegelte die Türen, doch bevor d’Artagnan auf den ihm, wie er glaubte, gebührenden Beifahrersitz gleiten konnte, schob Porthos ihn Richtung hintere Tür: „Einen Moment, mein lieber Herr Gascogner! Mir ist nicht entgangen, dass man die Vordersitze verstellen kann je nach Körpergröße des Fahrgastes! Da ich unzweifelhaft der Größte in unserer Runde bin, sollte wohl ich derjenige sein, der die größere Beinfreiheit genießen kann!“ Er setzte sich resolut auf den Beifahrersitz und bemerkte beiläufig: „Mon ami, Euer Auto ist zu klein!“ Hinter ihm nahmen Athos, Aramis und d’Artagnan auf der Rückbank Platz und der Gascogner maulte: „Stimmt, hier hinten ist es viel zu eng!“

Der Freund verdrehte die Augen: „Sagt der Kleinste von uns allen, prächtig! Ihr seid ziemlich verwöhnt, meine Herren! Aber ich sage immer: Besser schlecht gefahren als gut gelaufen! Wegen Euch schaffe ich mir keinen Bus an!“

Die Stimmung war verhalten, der Freund war genervt, weil er seine Gäste mitschleppen musste wie ein Vater seine Kleinkinder, Athos sah es als unstandesgemäß an, einkaufen zu gehen und hätte lieber weiter auf dem Sofa geruht, d’Artagnan nervte sein Sitzplatz auf der Rückbank, Aramis hätte lieber seine Kavalierskleidung anbehalten statt der neumodischen schneiderischen Zumutung und Porthos merkte, dass er allmählich ein kleines Hüngerchen verspürte.

Am Supermarkt angekommen stiegen die Musketiere entgeistert aus dem Auto: „Was? So viele Blechkarossen gibt es hier?“, „Und was ist das für ein häßlicher Gebäudekomplex? Einfach ein Klotz……so etwas haben wir in unserer Zeit nicht verbrochen. Da hat der kleinste Bürger und Bauer noch dafür gesorgt, dass es zumindest etwas an seinem Haus gibt, das das Auge erfreut!“, „Und all die Menschen……sagt nicht, die wollen alle zum Krämer! Der Ärmste, er kann die Massen doch nie im Leben alle bedienen!“

Der Freund lachte: „Willkommen in der Hektik des 21. Jahrhunderts! Heutzutage hat fast jeder ein Auto, das ist ganz normal. Und ja: Das Gebäude IST hässlich! Und es gibt ihn fast nicht mehr, den kleinen Krämer mit dem Lädchen in der Nebenstrasse. Das hier ist ein Supermarkt. Mit Selbstbedienung. Nur an den Kassen sitzt Personal. Also auf geht’s!“ Er löste einen Einkaufswagen aus der Box, drückte ihn Porthos in die Fäuste und meinte nonchalant: „Und Ihr dürft den Einkaufswagen schieben!“

 

An der Süßwarenabteilung hielt der Freund an und grinste: „Hier gibt es einige sündige Ecken. Süßwaren, Wein…… Wollt Ihr Euch mal umschauen, was es so gibt? Schokolade zählen wir beispielsweise schon fast zu den Grundnahrungsmitteln…..“ Die Gäste aus dem 17. Jahrhundert flanierten an den Regalen entlang. D’Artagnan bemerkte grinsend: „Das wäre etwas für Planchet! Er mag Süßes noch mehr als ich! Eigentlich müssten ihm schon alle Zähne ausgefallen sein bei seinem Konsum!“

Plötzlich hörten sie im nächsten Gang ein Kleinkind quengeln: „Aber Mama, ich will doch nur mal probieren!!!“ „Nein, Mark-Sebastian, das darf man nicht!“ Darauf Mark-Sebastian: „Aber ich will, ich will, ich will!!!“ Die Mutter blieb hart: „Nein, das gibt es nicht! Es wird nichts gegessen, bevor wir nicht durch die Kasse sind!“ Mark-Sebastian erlitt einen hysterischen Schrei- und Heulanfall. Zwischen Atemholen und herzerweichenden Schluchzern deklamierte er: „Aber Mama-haaaaaa, wenn der Onkel da das doch auch daaaa-haaaaaarf?!“

Der Freund fuhr zusammen. Der Onkel? Welcher Onkel? Himmel! Wo war Porthos? Er wirbelte herum, rannte in den nächsten Gang, Athos, Aramis und d’Artagnan auf den Fersen. Dort stand Porthos, in seiner Hand eine XL-Tafel Schokolade, die er weit geöffnet hatte und in regelmäßigen, kurzen Abständen ein Stück Schokolade nach dem anderen in seinem Mund verschwinden ließ: „Nu‘ habt Euch mal nich’ so, Madame! Gönnt dem Junior ‘n kleines Stückschn…..mhhhh, soooo lecker!“ Porthos beugte sich vor, hielt dem tränenüberströmten Kind die Tafel hin: „Da, mein Kleiner, nimm! Die Mama meint das gar nicht so und kriegt gleich auch ein Stück!“ Der Kleine schnappte blitzschnell zwei Hände voll Schokolade und schob sich eine ordentliche Portion in den Mund. Was man hatte, hatte man! Der Junge strahlte, Porthos ebenfalls: „Siehst du, Kleiner, da sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!“ Er wandte sich der Mutter zu: „Madame, etwas von dieser Köstlichkeit für Euch? Bitte greift zu, es ist genug da!“

Aus den Augen der Mutter schossen Blitze: „Ja, das sehe ich! Sie wissen wohl nicht, dass Sie mir da gerade Monate und Jahre meiner Kindererziehung kaputt machen?“

Der Freund wappnete sich. Jetzt musste er dazwischen gehen, bevor noch mehr passierte. Er stellte sich nonchalant zu der Frau und zu Porthos, als ob er sich lediglich an ihrem Gespräch beteiligen wollte, gab seiner Stimme einen jovialen Klang: „Ah, da ist ja unser Freund!“ Sie blickte ihn eisig an: „Und wer sind Sie? Gehören Sie etwa zusammen? Ihr Freund kann hier doch nicht einfach mitten im Supermarkt die Schokolade aufreißen und sie essen!!......“ Sie schnappte nach Luft: „Und das vor den Augen meines Sohnes!“

Porthos schob sich ungerührt ein weiteres Stück Schokolade in den Mund, reichte die Packung höflich an Athos weiter, der sich zusammen mit Aramis und d’Artagnan ebenfalls bediente. Die Frau verdrehte die Augen: „Also so was? Was sind Sie denn für ein……Trupp?.....Verein?.......Machen Sie etwa eine Kegeltour und haben schon über den Durst getrunken? Also wirklich!!“

Die Musketiere schauten den Freund komplett unschuldig an. Warum diese Diskussion? Die Schokolade schmeckte großartig! Die Frau blickte den Freund ironisch an, der am liebsten im Boden versunken wäre. „Na los, nehmen Sie doch auch davon, Sie sind der einzige, der noch nicht davon gegessen hat! Jetzt ist es eh egal!“ Sie packte ihren Sohn und zog ihn mit sich fort, während sie über die Schulter zischte: „Nehmen Sie bloß die Packung mit zur Kasse, sonst informiere ich die Marktleitung wegen Ladendiebstahl!“ „Ja….ja, machen wir!“ entgegnete der Freund matt, griff wie in Trance nach der Schokoladenpackung und schob sich das letzte Stück Schokolade in den Mund. Porthos hatte recht, sie schmeckte einfach wunderbar……und beruhigte die Nerven!

 

Nachdem Porthos darauf bestanden hatte, zumindest ein Dutzend Tafeln Schokolade mitzunehmen, begaben sie sich zur nächsten Warengruppe. Praktischerweise – oder unglücklicherweise, der Freund war sich nicht sicher – war dies nun die Spirituosenabteilung.

Athos und Aramis wandelten hochkonzentriert an den Regalen vorbei, Porthos und d’Artagnan nahmen das ganze nicht wirklich ernst, flachsten lieber: „Ha, mon ami, in Deutschland gibt es nennenswerte Weine? Hier ist ja ein ganzes Regal davon! Ist das jetzt Lokalpatriotismus oder nicht?“

Der Freund runzelte die Stirn. Er war beileibe kein Weinkenner, wußte aber in etwa, was ihm schmeckte. „Pah, mittlerweile brauchen sich die deutschen Winzer auch nicht mehr verstecken hinter ihren französischen Kollegen. Wir nehmen mal eine kleine Kollektion mit.“

Woraufhin Porthos gütlich hinzufügte: „….oder eine große! Wir wollen ja schließlich ausgiebig testen, nicht wahr, mon ami?“

Der Einkaufswagen füllte sich rasch mit etlichen Weinflaschen. Nun gut, alles, was das Konto hergab! Der Freund resignierte ob der Mengen.

 

„Jetzt noch Fleisch kaufen!“ Der Freund steuerte die Metzgertheke an. „Worauf habt Ihr denn so Appetit?“

An der Theke angekommen, konstatierte Aramis: „Das ist wirklich erstaunlich!“ Er wedelte mit seinem Taschentuch in der Luft herum. „Hier sind ja gar keine Fliegen! Und streng riechen tut’s auch nicht!“

Die Verkäuferin hinter der Theke warf dem glutäugigen Mann einen scharfen Blick zu. „Was haben Sie denn erwartet? Fliegen wären ja wohl ein ernstes Hygieneproblem bei unseren frischen Fleisch- und Wurstwaren! Kommen Sie aus dem Ausland, daß sie das so erstaunt?“

„Äh, ja, Teuerste, ich komme geradewegs aus Paris!“ Aramis deutete eine kleine Verbeugung an, versuchte, nonchalant zu wirken. Diese äußerst hygienische Auslage hatte ihn tatsächlich zuhöchst überrascht, aber als Mann von Welt wollte er sich natürlich nichts anmerken lassen.

Die Verkäuferin räusperte sich. Ein Franzose! Na ja, in diesem Land ging es gewiß ein wenig lockerer zu als in Deutschland. Sie kam zur Sache: „Was darf’s denn sein?“

Der Freund stupste Aramis an: „Na los, bestellt was Ihr mögt!“

Aramis musterte die Auslage, fand offenbar nicht das, was er suchte und näselte: „Habt Ihr Kapaun, Gnädigste?“

Die Verkäuferin stutzte irritiert: „Ka….was?“

„Kapaun! Ein kastrierter Hahn!“ dozierte Aramis. „Sehr schmackhaft und zart! Das müsst Ihr doch kennen, Schönste!“

Das Wort „Schönste“ stimmte die Verkäuferin zumindest so milde, dass sie mit einem unverbindlichen Lächeln erwiderte: „So ausgefallene Delikatessen sollten Sie dann wohl in Frankreich bestellen, die essen ja lauter seltsame Dinge, hab ich gehört. Ich kann Ihnen hier Hähnchen oder Pute oder Maispoularde anbieten.“

Der Freund grinste: „Was meint Ihr, dann nehmen wir doch von den Hähnchen und ein paar Putenschnitzel?“

Aramis meinte resigniert: „Naja, ich hoffe, Ihr habt ein gutes Rezept für Coq au vin, dann sollten wir das wohl zart bekommen.“

Porthos trat vor: „Und dann auf jeden Fall noch zwei Lammschlegel und zwei Hasen und…….ein Schweineschinken wäre trefflich, was meint Ihr, mon ami?“

Der Freund senkte die Stimme: „Porthos, das passt ja alles gar nicht in meinen Kühlschrank! Und so viel können selbst wir alle nicht auf einmal essen!“

Die Verkäuferin seufzte: „Lamm in größeren Portionsstücken gibt es nur auf Vorbestellung, Wild sollten Sie beim Jäger Ihres Vertrauens kaufen.“

Der Freund bedankte sich mit einem Lächeln. „Dann packen Sie uns noch was von dem Rindergulasch ein. Das gibt einen Schmortopf in der großen Kasserolle!“

Porthos ließ nicht locker: „Aber reicht das denn, mon ami?“

Der Freund grinste: „Jaha, es gibt ja auch noch Beilagen! Und wir können jederzeit noch was kaufen in den nächsten Tagen.“

Die Verkäuferin packte alles in Tüten, reichte es über die Theke und zwinkerte dem Freund zu: „Männer an der Fleischtheke sind jedes Mal ein Erlebnis!“

Der Freund lachte: „Oh ja, vielleicht sollten wir am Wochenende grillen, dann kommen wir wieder vorbei.“ Er wußte nicht, ob sie das als Drohung oder als Versprechen aufnahm.

 

Athos schlenderte gelangweilt in den nächsten Gang, schaute auf eine Vielzahl rechteckiger, bunt verpackter Waren. Er trat ein wenig näher, plötzlich interessiert und nahm eine Packung aus dem Regal.

„Ach, mon ami, ist das etwa Kahwe?“ Der Freund sortierte im Kopf das ungewohnt betonte Wort. „Ja, ja, das ist Kaffee. Größtenteils sind die Kaffeebohnen bereits gemahlen und dann einvakuumiert, um Aromaverlust zu vermeiden. Daher die perfekt eckige Form.“ Er sah Athos die Ecken des Pakets mit den Fingern abfahren. „Aha, und da drin ist dann das wunderbar duftende Pulver, das Ihr des morgens aufbrüht?“ „Ja, genau! Und es gibt viele verschiedene Mischungen von unterschiedlichen Herstellern. Sucht Euch doch eine aus, die probieren wir morgen früh.“

Athos nickte und wandte sich konzentriert dem Kaffeeregal zu, nahm hier eine Packung, las dort einen Aufdruck.

Eine Kundin, die ebenfalls vor dem Regal stand, beobachtete aus den Augenwinkeln den gutaussehenden, hochgewachsenen Mann. Du liebe Güte, er hatte wunderschöne, schwarze, lange Haare, die in anmutigen Wellen auf seine Schultern fielen und einen verwegenen Bart. Seine Haltung war perfekt, mit einer geschmeidigen Bewegung ergriff er eine Packung und las mit sonorer Stimme: „Milder, ausgewogener Geschmack, perfekt abgestimmtes Aroma, vollmundig……. Was meint Ihr, mon ami, das klingt recht vielversprechend.“ Er betrachtete wohlwollend die Packung, woraufhin die Kundin diese Marke im Geiste ihrer Einkaufsliste hinzufügte.

Er ging ein wenig weiter, bewegte sich anmutig und kraftvoll. Die Kundin konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Der Mann merkte nichts, war in die Betrachtung einer weiteren Packung versunken. „Oh, mon ami, dieser hier klingt noch besser: „……besonders volles Aroma für außergewöhnlichen Kaffeegenuss, aromatisch und ausgewogen,…. ein wenig stärker als der andere…..“ Er kam zu einem Entschluss: „Lasst uns diesen hier nehmen, ich freue mich jetzt schon auf eine wunderbare Tasse dieses herrlich belebenden Getränks!“ Die Kundin hing an seinen Lippen und sobald Athos eine Packung der ausgewählten Marke in den Einkaufswagen gelegt hatte und sich abwandte, ergriff sie eine Packung, dann zwei und schaute dem Mann mit verklärtem Blick nach. Ob hier wohl gerade ein Werbeauftritt für diese bestimmte Kaffeemarke geprobt wurde? Egal, wenn der Mann diesen Kaffee trank, musste sie dieses wunderbare Erlebnis auch haben.

 

In der Drogerieabteilung griff der Freund im Vorbeigehen nach einer Packung Klopapier, woraufhin Porthos kommentierte: „Ja, nehmt ein wenig von diesem herrlichen Luxus, das freut meinen Hintern jedes Mal. So schön komfortabel!“ Ein Mann der vorbeiging, konnte nicht anders und brach in Gelächter aus, während er um die Regalecke im nächsten Gang verschwand.

Bevor Porthos sich wegen des Heiterkeitsausbruchs echauffieren konnte, zog der Freund ihn hastig weiter. Er hatte einen neuen, viel schlimmeren Brennpunkt entdeckt. Aramis stand vor dem Regal mit der Monatshygiene. Bekam große Augen, seine Wangen leuchteten in einem zarten Rosaton. „Oho, mon ami……“ Er senkte vertraulich die Stimme. „Ist das….also ich meine….ist das…..etwas für das schöne Geschlecht?“

Der Freund stellte sich neben ihn, schob die Hände in die Hosentaschen. „Japp, das sind Tampons!“ Er gab seiner Stimme einen sachlichen Klang.

„Auf der Packung sind sie ja abgebildet, mon ami!“ Aramis kicherte leise. „Das sind Gebilde aus Watte und sie sind geformt wie……er schaute an sich und dem Freund hinunter „……wie…unser anatomisches Gegenstück?“ Er errötete noch mehr. Der Freund seufzte und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Also wenn ich lediglich so bestückt wäre, würde ich mir Gedanken machen!“ Er grinste Aramis an, hob eine Hand hoch und beschrieb mit Daumen und Zeigefinger eine Distanz. „Die sind nur etwa so lang……“ „Oh!“ Aramis hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Das war dann wohl kein passender Vergleich. Aber die Damen benutzen es zu….bestimmten……Tagen?“ „Genau!“ Der Freund wußte nicht, was er dazu noch sagen sollte, Aramis hatte die Benutzung erahnt.

Der Musketier überlegte: „Vielleicht sollte ich Madame de Chevreuse eine Packung mitbringen…. Oder Madame d’Aiguillon…..?“ Der Freund hob abwehrend die Hände: „Verschont mich, ich will gar nicht wissen, wieviele da auf Eurer Liste stehen!“

Von der gegenüberliegenden Seite des Ganges erklang d’Artagnans freche Stimme: „Aber ich, mein lieber Aramis! Sprecht weiter! Oder besser: Kommt mal rüber, ich habe hier noch etwas Spannendes gefunden, woran Ihr und Eure Freundinnen Spaß haben könntet!“

Aramis und der Freund traten zu dem Gascogner. Der Freund realisierte, daß hier, ordentlich aufgereiht, verschiedene Kondompackungen an Haken hingen. D’Artagnan hielt bereits eine in den Händen. Sofort schnappte der Freund sie ihm weg. „He! Was soll das, mon ami?“

„Nicht die! Die sind zu klein!“ Er hatte die Packung schnell gegen eine andere ausgetauscht und d’Artagnan in die Hand gedrückt. Die beiden Musketiere schauten ihren Freund an, zogen grinsend die Brauen hoch.

„Ja, nun, also……“ Der Freund stammelte, kam in Erklärungsnot. „Also die sind wirklich unbequem……“

Athos und Porthos traten auch dazu, besahen sich das Regal und ahnten, was das war, insbesondere da einige Schlagworte auf den Packungen keine Fragen offen ließen.

„Sieh an, was für eine Weiterentwicklung!“ Athos betrachtete eine Packung. „Zu unserer Zeit wird alles mögliche dafür verwendet, wobei Schafdarm noch das Eleganteste ist.“ Porthos platzte indiskret heraus: „Ja, man erzählt sich, dass der König sich sogar welche anfertigen lässt, die innen mit Samt gefüttert sind!“

„Iiiih!“ Der Freund schüttelte sich, „Bitte sagt mir nicht, ob die Dinger mehrfach verwendet wurden und überhaupt je gewaschen werden konnten…..“ Sein Kopfkino machte gerade absonderliche Kapriolen. Hier half nur Seriosität. „Nun gut, diese Kondome sind hauchdünn und werden nur einmal verwendet. Daher sind auch mehrere davon in so einer Packung. D’Artagnan pfiff leise und  anerkennend: „Das nenne ich mal vorausschauend!“

Porthos griff nach einer Packung mit der Aufschrift „XXL“, drehte sie in Händen und wollte sie öffnen, woraufhin der Freund blitzschnell seine Hand auf Porthos‘ Finger legte: „Nana, wir wollten doch keine Packungen im Supermarkt öffnen!“ „Nicht vor der Kasse, mein lieber Freund!“

D’Artagnan gab seiner Stimme einen strengen Ton, „Ihr wißt doch, sonst kommen die Gardisten des Marktes!“

„So in etwa….“ murmelte der Freund und ergänzte um des lieben Friedens willen: „Dann nehmen wir einfach mal die zwei Packungen mit, dann könnt Ihr die zuhause in Ruhe……anseh…..uppssaa!“ Er sprang nach vorne. Hinter ihm war eine resolute Seniorin mit Rollator aufgetaucht, die ihren Stock schwang, nachdem sie dem Freund eins auf den Hintern verpasst hatte. Er drehte sich entsetzt zu ihr um, die Musketiere schwankten zwischen Amüsement und ernsthafter Verteidigung ihres Freundes. „Na hören Sie mal, meine Dame! Sie können mir doch nicht auf den Hintern hauen!“ Der Freund war baff. Die Seniorin beäugte ihn mißmutig, schaute hoch, versuchte ihn zu fokussieren. „Jungchen, in eurem Alter sollten solche strammen Kerle wie ihr sich nach Hause begeben und eure Frauen beglücken! Keine Kondome kaufen! So was! Zu meiner Zeit….“ Sie redete sich in Rage, schaute einen nach dem anderen an, bereit, mit ihrem Stock den Argumenten Nachdruck zu verleihen. „Zu meiner Zeit, da gab es das nicht! Da hatte man viele, viele Kinder! Also: Hopp, nach Hause mit euch allen und steht hier nicht bei diesem Teufelszeug herum!“ Der Freund packte den Stock resolut, bevor sie ihn noch einmal zum Nachdruck verstärken einsetzen konnte, schob die Alte samt Rollator aus dem Gang Richtung Kasse und versicherte ihr:: „Aber gewiß doch, gewiß doch!“ „Na, dann ist ja gut! Erfüllt eure eheliche Pflicht!“ Vor sich hin murmelnd schob sie davon. Der Freund drehte sich um. Die Musketiere grinsten ihn an. D’Artagnan boxte ihm freundschaftlich auf den Arm. „Sollte dabei so ein plärrender Mark-Sebastian herauskommen, würde ich lieber diese hier empfehlen!“ Der Freund lachte leise. „Also rein in den Einkaufswagen mit den beiden Packungen!“

 

An der Kasse staunte die Kassiererin nicht schlecht, was die fünf Männer alles aufs Band legten. Dem Freund wurde ganz mulmig, als er die Endsumme hörte. Egal, Karte durch und weiter, entschied er und zückte die EC-Karte.

„Sammeln Sie Treuepunkte?“ fragte die Kassiererin. D’Artagnan lachte ein wenig verlegen auf: „Aber hallo, so eine indiskrete Frage hätte ich hier aber nicht erwartet…….“ Sie sah ihn verständnislos an und Porthos nahm ihre manikürte, mit Gelnägeln versehene Hand, führte sie an seine Lippen und schnurrte: „Meine Hübsche, nehmt es meinem Freund nicht übel. Er kann nicht treu sein. Ich dagegen würde nie wieder eine andere ansehen, wäret Ihr nur mein!“

Die Kassiererin schnappte errötend nach Luft, entzog ihm widerstrebend die Hand und riss doppelt soviele Treuepunkte von der Rolle wie nötig. Händigte sie dem Freund aus. Dann ließ sie noch einmal die gleiche Menge Punkte durch die Hand gleiten und reichte sie Porthos, komplett in Trance und mit einem schmachtenden Lächeln.

In der Zwischenzeit hatten sich Aramis, d’Artagnan und der Freund nützlich gemacht und die Einkäufe wieder in den Wagen geladen. Athos empfand es als unter seiner Würde und hielt den Einkaufswagen in Position, während er eine formidable Pose abgab. Der Freund hätte nie gedacht, dass man mit solcher Eleganz an der Kasse stehen konnte.

Während des Einräumens wisperte d’Artagnan dem Freund leise zu: „Was sind das denn für kleine Billets, die die Dame Euch und Porthos da zugesteckt hat?“ Seine Wangen waren ein wenig gerötet und seine Augen glitzerten.

„Oh, das?“ bemerkte der Freund nachlässig. „Das sind besagte Treuepunkte, die sammelt man in so einem Heftchen hier…“ Er zog zwei aus dem Ständer und legte sie zu den Einkäufen. „Und wenn das Heftchen voll ist mit 20 Treuepunkten, dann kann man es einlösen!“

„Oho!“ D’Artagnan wisperte nur noch, seine Wangen glühten. „Und dann könnt Ihr die Schöne auf ein Rendezvous einladen? Und Porthos kann das dann ebenfalls?“

Der Freund sah ihn verständnislos an, konnte kurz d’Artagnans Gedankengängen nicht folgen.

Schließlich ergänzte der Gascogner: „Könnt Ihr die Dame nicht noch fragen, ob sie auch noch Treuepunkte für mich hat? Ich würde auch gerne sammeln!“

Eine Frau schob ihren Einkaufswagen dicht an die beiden Männer heran, beugte sich herüber und drückte d’Artagnan einen ähnlich langen Streifen Treuepunkte in die Hand: „Hier! Nehmen Sie meine! Ich sammel nicht!“

D’Artagnan stand wie vom Donner gerührt. „Äh, ja, merci!“ Der Freund begriff, zog ein drittes Heft heraus und klappte es grinsend auf: „Seht Ihr? Da kann man für praktische Werkzeuge sammeln! Immer gut! Aber um die Dame müsstet Ihr Euch selbst bemühen, die gibt’s nicht dazu!“

Nachdem auch Porthos mit dem Flirten fertig war, schob der Freund den Wagen zielstrebig zum Bäcker: „Jetzt holen wir uns noch Teilchen. Ich brauch was für die Nerven! Und dann zuhause erstmal Kaffee!!!“

Damit waren dann alle einverstanden und der Nachmittag war gerettet.