Entspannung von Percy
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 2 BewertungenKapitel Entspannung I
„Ach, mon ami, Ihr kennt das in Eurer komfortablen Zeit wahrscheinlich überhaupt nicht mehr, aber ich fühle mich oft sehr gestresst!“
Aramis rieb sich die Schläfen, schloß die Augen und seufzte.
Der Freund grinste, stellte seine Kaffeetasse ab und meinte leichthin: „Wenn Ihr Euch da mal nicht täuscht! Auch in unserer Zeit gibt es Stress. Ich kann gut nachvollziehen, wie Ihr Euch fühlt.“
„Ach, Stress!“ Porthos schob das letzte Stück seines Brötchens in den Mund, angelte über den Tisch nach dem Brötchenkorb und nuschelte: „Der ist doch nur so gestresst, weil er seine ganzen Liebschaften nicht unter einen Hut bringen kann!“
Aramis öffnete die Augen, ein Blitz traf Porthos und eisig kam die Retoure: „Mein Verleger….! Ihr wisst ja überhaupt nicht, was er mir immer für einen Druck auferlegt! Abgabetermine……man kennt das ja!“
D’Artagnan stützte die Ellenbogen auf den Tisch, legte die Hände übereinander, sein Kinn darauf und folgerte mit unschuldigem Augenaufschlag: „Ja, die Buchhandlungen quellen schon über mit Euren Werken! Man erhält nichts anderes mehr….“
„Ihr seid unmöglich! Banausen!!!“ Aramis wollte aufspringen und den Raum verlassen, doch der Freund legte ihm die Hand auf den Arm: „Wartet. Ich glaube, ich weiß da etwas, das Balsam ist für Eure gestressten Nerven.“
„Ja?“ Aramis schaute ungläubig.
„Ja, wenn Ihr erlaubt, lade ich Euch alle zu einem Entspannungstag in die Sauna ein.“
„Sauna?“ fragte Athos. „Was dürfen wir uns darunter vorstellen?“
„Oh, Sauna, ja, das ist eine uralte Tradition aus Skandinavien, insbesondere Finnland. Im Wesentlichen ist es eine Methode, durch starke Temperaturschwankungen die Abwehrkräfte des Körpers zu stärken. Nebenbei entspannt es auch ungemein.“
„Was muss ich mir denn darunter vorstellen?“ fragte Aramis leicht beunruhigt.
„Oh, nichts Wildes.“ beruhigte der Freund. „In Finnland benötigt man nur eine kleine Hütte mit einem ordentlichen Ofen und nebenan einen See. Die Hütte wird ordentlich aufheizt, also richtig heiß, und im Winter hackt man in das Eis des Sees ein Loch, damit man darin baden kann….“
„WAS???? So kalt??? Sind die wahnsinnig, die Finnen?“ D’Artagnan starrte den Freund entsetzt an. „Ins Eiswasser??? Das Temperaturempfinden des Südfranzosen ließ ihn schaudern.
Der Freund grinste. „Ja, die Finnen sind da echt die Harten…..das habe ich auch noch nicht gebracht, von der Sauna ins Eiswasser…… ich mag das etwas sanfter, keine Sorge. Haltet Euch einfach an mich.“ Er breitete die Arme aus, lächelte: „Wie Ihr seht, ich lebe noch!“
„Freunde, ich denke, das sollten wir ausprobieren!“ Athos nickte den anderen ermutigend zu. „Und wenn es entspannend ist, solltet Ihr davon auf jeden Fall Gebrauch machen, Aramis!“ In Athos‘ Stimme klang leichter Tadel. „Man weiß ja kaum noch, wie man mit Euch reden soll, ohne daß man den Eindruck hat, mit einem stacheligen….. Igel….zu sprechen…..“ Athos suchte nach den passenden Worten, während d’Artagnan und Porthos bereits zustimmend nickten. Aramis schnaubte geziert, ließ sich dann aber zu einem knappen: „Na schön, wie es Euch gefällt, mes amis!“ herab.
Kapitel Entspannung II
Kurze Zeit später stiegen sie am Saunapark aus dem Auto des Freundes. An der Rezeption mieteten sie sich gleich Bademäntel und Handtücher für alle und der Kassierer reichte jedem einen Spindschlüssel, den man am Handgelenk befestigen konnte.
Während sie die Treppe zum Umkleideraum emporstiegen, schärfte ihnen der Freund ein: „Die Schlüssel nicht verlieren, sonst darf derjenige im Bademantel zurückfahren.“
Im Umkleideraum angekommen, entkleidete sich der Freund mit der größten Selbstverständlichkeit, packte seine Kleider und Schuhe in den Spind und hüllte sich in den flauschigen, weißen Bademantel. Seine Freunde aus der Vergangenheit starrten ihn mit großen Augen an.
„Was?“ fragte der Freund verwirrt.
„Also….mon ami….“ druckste Aramis. „Euer Hemd dürftet Ihr schon anbehalten….“
Im Nebengang entledigte sich ein älterer Herr ebenfalls seiner Kleidung, schloß den Spind ab und wanderte entspannt, mit all seinen Handtüchern beladen, zur nächsten Tür.
D’Artagnan grinste. „Soso, das ist also hier der Dresscode, wie Ihr es nennt, ja?“
Rasch legte er seine Kleider ab und in den Spind, maß Aramis mit einem herausfordernden Blick, während er genußvoll provokant den Bademantel überstreifte.
Aramis‘ Wangen glühten, doch er brachte ein trotziges „Als ob mir das etwas ausmachen würde!“ zustande.
Rasch wurden die Sachen in den Spinden verstaut, jeder hatte sich in seinen Bademantel gehüllt und zwei Handtücher über dem Arm. „Na dann los. Auf in die Sauna.“ meinte der Freund, schlenderte los und ließ einer ebenfalls nur mit Bademantel bekleideten Dame den Vorrang auf dem Weg zur Tür.
Hinter sich hörte er Athos scharf die Luft einziehen, zeitgleich wurde sein Arm gepackt. „Das ist jetzt nicht Euer Ernst, mon ami!“ Athos Stimme war brüchig.
„Was denn? Was habt Ihr?“ Der Freund wandte sich gereizt um, Athos‘ Griff um seinen Arm war alles andere als sanft. Vorwurfsvoll schaute er auf die zu Klauen gekrümmten Finger, die sich in seinen Bizeps bohrten.
Athos versuchte, seiner Stimme Festigkeit zu verleihen, doch in seinem Blick stand die blanke Panik. „Na, die Dame…….Ihr habt uns….mir….mit keinem Wort erwähnt, daß es hier auch Frauen gibt……“
„Ja, und?“ Der Freund wußte beim besten Willen nicht, worauf Athos hinauswollte. D’Artagnan und Porthos stießen sich bereits feixend an, Aramis verdrehte die Augen. „Natürlich gibt es hier Frauen. Wie überall. Das ist eine gemischte Sauna, ganz normal und unspektakulär.“
„UNSPEKTAKULÄR?“ Athos senkte die Stimme. „Unspektakulär? Das ist ja …..furchtbar……also, ich meine……“ Ihm fehlten die Worte.
„Also so furchtbar finde ich das nun allerdings nicht, mon cher Athos!“ Porthos reckte den Hals, denn gerade ging eine recht hübsche Frau zu ihrem Spind, genau an ihnen vorbei. „Seht das doch positiv: Der hübsche Ausblick! Und das ist so….zwanglos!“
„Also, gibt es denn keine Möglichkeit…..also ich meine……wären die Damen nicht lieber unter sich?“ Athos rang nach Worten.
„Da muss ich Euch enttäuschen, mein Lieber.“ Der Freund grinste. „Die Damen, die lieber unter sich sind, gehen zur Damensauna am Montag.“
„Na, das ist doch ein Wort! Wann ist denn Herrensauna?“ In Athos‘ Augen glomm ein Funke Hoffnung auf.
„Die gibt es nicht.“ zerstörte der Freund grinsend den letzten Strohhalm des Musketiers. „Es gibt nur die Damensauna und die gemischte Sauna!“
„Kommt, Athos, da müssen wir durch!“ Aramis hakte Athos resolut unter.
„Ja, als ob das so schlimm wäre….“ wisperte Porthos d’Artagnan zu, der zustimmend nickte und sich das Grinsen nicht verkneifen konnte.
„Im Übrigen,“ dozierte der Freund, „Hat das Saunieren überhaupt nichts mit Nacktheit im geschlechtlichen Sinne zu tun. Hier geht es um Entspannung und körperliche Wellness, wobei Kleider sowohl störend, als auch unhygienisch sind!“
„Jawohl, Herr Doktor!“ D’Artagnan schlug zustimmend die Augen nieder, grinste aber trotzdem ein wenig ungebührlich.
Kapitel Entspannung III
Wenige Minuten später waren sie ohne weitere Katastrophen beim ersten Saunagang angekommen. Der Freund hatte wohlweislich für den Anfang die mild temperierte Biosauna gewählt. Die über 90 Grad Celsius heiße finnische Sauna sparte er sich für später auf.
„Also hier kann man es aber aushalten!“ Porthos streckte sich auf seinem Handtuch auf der oberen Bank aus und war in wenigen Augenblicken eingeschlafen.
„Hoffentlich fängt er nicht an zu schnarchen…..“ murmelte Aramis und zog das Handtuch zurecht, noch immer ein wenig unbehaglich. Man hätte ja noch ein weiteres Handtuch mitnehmen können…? Ein kurzer Blick zu d’Artagnan und dem Freund belehrte ihn eines besseren. Sie saßen so bequem auf ihren Handtüchern, als ob sie im „Pomme de pine“ säßen, unterhielten sich ganz leise, da sie noch die einzigen Gäste in dieser Sauna waren. Athos beteiligte sich am Gespräch und meinte bedauernd: „Jetzt ein Glas Wein wäre auch nicht zu verachten!“
„Wir können zwischendurch etwas trinken gehen.“ Der Freund grinste. „Es wird aber antialkoholisch, das ist beim Saunieren gesünder.“
„Schade!“ seufzte Athos. „Diese….Wärme…Hitze….macht schon Durst.“
Allmählich kamen einige weitere Saunagäste, der Raum füllte sich und der Freund registrierte erfreut, dass seine Freunde sich ganz automatisch den erwünschten Saunaregeln anpassten und in entspanntes Schweigen versanken. Herrlich war das, wie die trockene Wärme durch seinen Körper drang. So bewußt entspannte er zuhause kaum, da es immer irgendetwas zu tun gab.
„So, ich bin dann gar!“ Der Freund grinste, erhob sich und nahm sein Handtuch auf. „Kommt jemand mit zum Abkühlen?“
Sofort erhoben sich Athos, Aramis und d’Artagnan. Porthos schnarchte selig auf der oberen Holzbank. Der Freund übersah die flehenden Blicke der anderen Saunagäste und ließ ihn schlafen. Den konnte er später „einsammeln“, überlegte er amüsiert.
Nebenan wies er auf die einzelnen Abkühlmöglichkeiten: „Zunächst, für die Warmduscher unter uns – und dazu zähle ich mich auch – eine normale Dusche mit Kalt- und Warmwasser mit stufenloser Temperaturverstellung. Ich fange immer lauwarm an und stelle es allmählich kälter.“ Er grinste schief. „Der Klassiker ist aber eher die Kaltwasserdusche oder der Wasserschlauch, die nehme ich dann danach. Dann gäbe es noch die Kübeldusche, wo aus einem Kübel ein Schwall Kaltwasser herunterstürzt und zuletzt das eiskalte Tauchbecken.“
„Du liebe Güte, das klingt ja wie eine Foltermethode!“ Athos schauderte unterdrückt.
„Naja, anfangs ist es furchtbar, aber wenn man sich gründlich abkühlt, fühlt man sich danach phänomenal, insbesondere, wenn man dann noch schwimmen geht.“
Skeptisch traute sich jeder in den Duschbereich, folgte dem Beispiel des Freundes. Dieser hantierte gerade mit dem Kaltwasserschlauch: „Herzfern beginnen, erst die Beine, dann die Arme, dann den restlichen Körper…..“ als Porthos auftauchte, Aramis resolut zur Seite schob und mit einem „Puh, war das heiß, ich brauche unbedingt Kühlung!“ zum Tauchbecken marschierte, hineinsprang und unter lautstarkem Trompeten und Prusten mehrfach untertauchte. „Aaaaah, herrlich!“ röhrte Porthos.
Der Freund kniff entsetzt die Augen zusammen. Ruhe und Entspannung im Saunabereich war die Regel. Porthos verstieß gerade gegen alles, was heilig war…….
Schließlich entstieg Porthos dem in arge Turbulenzen versetzten Becken, ging zur Kübeldusche und kippte sich unter erneutem Gebrüll den Eimer Eiswasser auf den Schädel. Aramis, Athos und d’Artagnan sahen fragend zum Freund, der errötend flüsterte: „Okay, und dann gibt es noch die ganz Harten……. Ich geh dann mal zu den Weicheiern…..“
Und als ob es nicht schlimm genug gewesen wäre, kam auch noch einer der Saunameister in den Duschbereich, steuerte geradewegs auf den Freund zu: „Hallo! Schön, dich auch mal wieder hier zu sehen!“ Der Freund wußte, was ihm bevorstand und wappnete sich. „Ja, äh, es war viel zu tun und kaum Zeit…..man kennt das ja….“ Der Saunameister nickte verständnisvoll, wurde ein wenig ernster. „Und ein paar Freunde hast du auch mitgebracht. Nett!“
D’Artagnan hatte genau zugehört und mischte sich, ein wenig verärgert, ein: „Na hört mal, mein Herr, Ihr könnt doch unseren Freund hier nicht einfach plump duzen!“
Dem Saunameister klappte die Kinnlade herunter, der Freund packte seinen Sweatshirtärmel und zog ihn mit sich, um die Ecke und außer Sicht- und Hörweite. „Komm mal mit, lass uns unter vier Augen sprechen!“
Die Musketiere schauten ihnen nach. D’Artagnans Augen funkelten: „Habt ihr das gesehen? Unser Freund – was für ein Kerl! Er fordert ihn sicher zum Duell wegen dieser Impertinenz!“
Athos war nicht überzeugt: „Was? Zum Duell? Nackt??? Womit denn???“
Aramis und Porthos unterdrückten einen Heiterkeitsausbruch, da erschien der Freund wieder, lächelte und meinte nonchalant: „Alles geklärt! Wir sollen nur darauf achten, etwas leiser zu sein, da sich sonst die anderen Saunagäste gestört fühlen könnten.“
„Leiser?“ Porthos schaute höchst unschuldig drein. „War ich etwa laut? Ist mir gar nicht aufgefallen!“
„Äh, ja, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, ab ins Schwimmbecken, das ist nach dem Abkühlen jetzt ganz angenehm warm!“
Porthos steuerte schon den Beckenrand an, da vertrat ihm der Freund den Weg: „Wehe, Ihr springt da mit einer Arschbombe vom Beckenrand! Dann fliegen wir direkt hier raus!“
Aramis strich hinter den beiden vorbei, schnurrte wie ein Kater: „Und ich sag’s Euch, mon ami, bei dem Arsch gibt das eine gewaltige Detonation!“
Athos und d’Artagnan lachten leise und machten, dass sie zu den Stufen der Badetreppe kamen. Der Freund hörte nur noch „Ooooh.“, „Aaaah.“, „Wie herrlich!“ und beide waren bereits in langen Zügen ins Becken hinausgeschwommen.
Auch Porthos, Aramis und der Freund folgten ihnen und in der nächsten Viertelstunde hörte man keinen Mucks mehr von ihnen allen. Die Gäste aus der Vergangenheit bewunderten das schöne Schwimmbecken, schwammen nahe an den Rand und betrachteten fasziniert die glitzernden Lichteffekte auf und unter Wasser. Der Freund fand es nun allmählich auch entspannend und nahm sich vor, häufiger in die Sauna zu gehen. Das tat gut!
Nach einiger Zeit entstieg einer nach dem anderen den Fluten. In Bademäntel gehüllt, legten sich Porthos und d’Artagnan dösend auf zwei Liegestühlen neben dem Schwimmbad, Aramis dagegen kam, nachdem er sich abgetrocknet und in seinen Bademantel gehüllt hatte, zurück zum Beckenrand, wo er fasziniert ins Becken schaute, einen träumerischen Ausdruck in den Augen. Der Freund trat sachte zu ihm, folgte seinem Blick und sah Athos, wie er geschmeidig unter Wasser an ihnen vorbei tauchte. Sein schwarzes Haar war seidig im Wasser aufgefächert, eine rabenschwarze, wogende Wolke, sein Körper wurde von den Unterwasserscheinwerfern aufs vorteilhafteste angestrahlt, mühelos glitt er durch das türkisblaue Wasser.
Aramis seufzte, konnte den Blick nicht abwenden. „Ist er nicht schön, mon ami?“ wisperte er.
Der Freund schaute ebenfalls gebannt ins Wasser: „Ja…..ja, absolut!“
Aramis blickte ihn offen an: „Solch ein Anblick erfreut mein Dichterherz, müsst Ihr wissen! Ich spüre jetzt schon, wie ich Verse schreiben werde, sobald ich ein wenig Muße und Feder und Papier habe!“
Der Freund nickte, lächelte ihm zu. Tatsächlich fehlten ihm die Worte. Warum konnte ein Mann des 17. Jahrhunderts etwas derart Wundervolles sagen, während er nur starren und schweigen konnte?
„Seht Ihr, mon ami? All die Sagen von Meerjungfrauen……ich glaube, dass ein Fünkchen Wahrheit in ihnen steckt, denn seht Ihr nicht, wie ich auch, dort im Wasser einen Meermann? Vielleicht sogar Neptun höchstselbst?“
„Ja, Ihr habt Recht, Aramis! Ich sehe es auch! Ein Wasserwesen, schön und geheimnisvoll!“
Aramis strahlte, hakte sich sachte bei dem Freund unter: „Seht Ihr? Jetzt habe ich Euch auch zum Dichter gemacht!“