Fahrstunde von Percy 

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Kapitel Fahrstunde

D’Artagnan beobachtete ihn genau.

„Was macht Ihr da mit den Füßen? Zeitgleich mit Eurer rechten Hand?“ Irgendwie gehört das zusammen.“

Der Freund grinste. „Ihr habt recht. Da unten sind drei Pedale: Kupplung, Bremse und Gas. Von links nach rechts.“

„Das Gas macht am meisten Spaß!“ entschied d’Artagnan. Athos seufzte resigniert von der Rückbank.

„Die Bremse ist auch klar. Also durchparieren! Aber was ist diese Kupplung?“

Der Freund überlegte: Ich habe mehrere Gänge, die ich hochschalten kann, wenn ich beschleunige. Diesen Schaltknüppel kann ich aber nur bedienen, wenn ich ihn mit dem Fuß freigebe. Also fast wie Schritt, Trab, Galopp, Carrière.

„Aha! Fast wie Paraden beim Reiten, nicht wahr?“ Aramis lehnte sich nach vorne. Wenn eine neue Lektion kommt, muß ich mich der Aufmerksamkeit des Pferdes versichern.“

„Genau. So habe ich es noch nie betrachtet!“ Der Freund nickte anerkennend.

D’Artagnan legte ihm die Hand auf den Arm, schaute ihn treuherzig an: „Wißt Ihr, ich möchte es auch einmal probieren! Dieses Ungetüm aus der Zukunft reiten….äh….fahren!“

„Meint Ihr wirklich?“ Der Freund befand sich nun im Zwiespalt. Welch ein Spaß wäre es, d’Artagnan in die Fahrkunst einzuweihen, aber es war kein offizieller Verkehrsübungsplatz in der Nähe. „Ihr habt keinen Führerschein, natürlich nicht. Eigentlich dürft Ihr das gar nicht….“

Athos mischte sich ein: „Seht Ihr, d’Artagnan, es geht nicht, laßt es gut sein….“

D’Artagnan zog alle Register, lächelte den Freund an: „Och, bitte……Ihr habt „eigentlich“ gesagt…… Ihr wollt mich schon gerne fahren lassen, nicht wahr?“

„Hm, ja….äh, natürlich nicht!“ Seine Entschlossenheit bröckelte. Immerhin waren sie hier auf recht wenig befahrenen Landstraßen und Feldwegen unterwegs, da könnte man ja……..

D’Artagnan sah ihn immer noch unverwandt an. Große, braune Augen……verdammt, wo hatte er diesen Hundeblick gelernt? „Na, kommt, gebt Euch einen Ruck! Ich werde ganz vorsichtig mit Eurem Gefährt sein.“

Hm, nichts los auf den Feldwegen, er kannte sich hier gut aus…

„Na gut, da vorne ist ein Parkplatz. Da halte ich an und von dort fahren wir auf die Feldwege dahinter. Aber Ihr müßt mir versprechen, genau das zu tun, was ich sage! Ich habe hier das Kommando!“ Er musterte den Gascogner streng.

„Aber natürlich, mon ami! Ich werde Euch Folge leisten.“ Treuherziger Blick.

Der Freund rangierte den Wagen so, daß er mitten auf dem Parkplatz stand mit ausreichend Platz zu beiden Seiten. Dann tauschten er und d’Artagnan die Plätze.

„So, was nun?“ D’Artagnan trat mutwillig aufs Gas, der Motor heulte auf. Der Wagen rührte sich nicht. Enttäuscht schaute der Gascogner den Freund an, der ihn wutschnaubend anfuhr: „Was habe ich Euch gesagt? Ihr tut nur das, was ich Euch sage, verstanden? Ihr wolltet losfahren, gebt es zu!“

„Ja, …äh…..nun, ist das…..schlimm???“

„Schlimm?? Gefährlich ist das! Unter dieser Motorhaube sitzen 150 Pferdestärken! Die sollten kontrolliert bewegt werden!“

Auf dem Rücksitz japste Athos entsetzt auf, Aramis ergriff seine Hand, während Porthos anerkennend pfiff.

Der Freund atmete tief durch. „Reißt Euch zusammen, sonst wird das nichts mit der Fahrstunde! Wenn Ihr mein Auto beschädigt, dann…..“

D’Artagnan gab klein bei. Offenbar war dieses Auto ein wichtiges Statussymbol, er mußte wirklich vorsichtig sein, so sehr ihn die Neugier auch plagte. „Ich bin vorsichtig, versprochen! Ich mache ab jetzt nur das, was Ihr mir sagt!“

„Gut!“ Ihr habt drei Pedale. Kupplung, Bremse, Gas, von links nach rechts. Der linke Fuß ist für die Kupplung, der rechte für Bremse oder Gas. Verstanden?“ D’Artagnan nickte.

„Tretet die Pedale einmal einzeln hintereinander, ja, genau so. Füße sortiert? Gut. Jetzt kommt die rechte Hand dazu……“

Und er erklärte dem Gascogner den Schaltknüppel.

„Jetzt fahrt langsam im 1. Gang an. Kupplung treten, Gang einlegen, ja, genau so, der ist drin! Und jetzt Kupplung langsam kommen lassen und dazu Gas geben.“ Er machte das Wechselspiel der Pedale mit gegeneinander bewegenden Händen deutlich.

D’Artagnan spiegelte die langsamen Handbewegungen mit seinen Füßen, der Wagen rollte los – er hatte ihn NICHT abgewürgt!

„Wahnsinn! Er fährt! Das ist großartig!“ rief der Gascogner begeistert.

„In der Tat! Ohne Abwürgen! Ihr seid gut!“

„Was ist Abwürgen?“ D’Artagnan vergaß, Gas zu geben, hatte den Fuß bereits von der Kupplung genommen. Der Wagen stotterte, kam zum Stillstand und ging aus.

„Das….ist Abwürgen!“ Der Freund grinste. „Macht nichts, das passiert jedem mal. Probiert es einfach erneut.“

Jetzt fuhr der Musketier schon etwas beherzter los, gab zügig Gas und konnte direkt in den zweiten Gang hochschalten. „Sehr schön. Schaut, daß Ihr erst einmal um die 30 km/h fahrt….“ Der Freund grinste. Er würde dem Mann die höheren Geschwindigkeiten nicht zu früh zeigen, wer wußte schon, was dessen Temperament daraus machte.

„Athos, alles in Ordnung?“

„Ja…..ausgezeichnet……das Tempo ist ….gut.“

„Fährt d’Artagnan nicht schon schön geschmeidig? Ihr könnt Euch ganz entspannt zurücklehnen, mein Lieber!“

„Kann ich mal hochschalten in den dritten Gang? Dann kann ich etwas schneller fahren…..bitte!“

„Na gut, hier ist ein langes, gerades Stück, probiert es. Und da vorne an der Einmündung des nächsten Feldweges werdet Ihr langsamer und schaltet wieder runter in den 2. Gang!“

D’Artagnan gab Gas, schaltete hoch. An vorgeschriebener Stelle bremste er leicht ab, schaltete runter und lächelte konzentriert. Er wußte, daß er es gut machte.

Der Freund war zufrieden. „Wie gefällt es Euch?“

„Ganz wunderbar! Das könnte ich den ganzen Tag tun! Sagt, ich war ja jetzt schon bei 50 km/h und im dritten Gang. Könnte ich da nicht auch mal bis zum sechsten Gang hochschalten mit entsprechender Beschleunigung?“

„Auf gar keinen Fall, dann steige ich aus!“ ließ sich Athos vernehmen.

„Ihr habt es gehört! Geht leider nicht!“ Der Freund grinste zufrieden. „Ich zeige Euch lieber ein paar Feinheiten wie Rückwärtsfahren, Einparken……“

Nach einer guten halben Stunde hatten sie einige Manöver geübt und der Freund war erfreut, wie geschickt sich d’Artagnan anstellte. Folgsam konnte er sogar auch sein……

Entspannt befuhren sie einen schmalen Feldweg, als vor ihnen ein Auto auftauchte. Es war blau-silbern……

„SCHEISSE!!! Die Bullen!!!“ Der Freund wurde blaß. Geistesgegenwärtig befahl er d‘Artagnan: „Fahrt einfach weiter! Schön rechts halten! Ganz entspannt gucken!“

Der Gascogner schluckte: „Soll ich anhalten? Wird das ein Duell? Wir haben unsere Degen nicht dabei…“

„RUHE! Einfach weiterfahren und etwas mehr Gas, gleichmäßiges Tempo!“

D’Artagnan biß sich auf die Lippe, tat wie ihm geheißen, während hinter ihm eine Debatte entbrannte, ob das wohl die Kardinalsgardisten der Zukunft wären und was man nun zu tun gedachte.

Der Polizeiwagen passierte sie. Die beiden Polizisten sahen zu ihnen herüber, dann waren sie vorbei. Der Freund entspannte sich. „Einfach weiterfahren, d’Artagnan! Gleich sind wir um die Kurve und außer Sicht.“ Er atmete langsam aus und sah in den Rückspiegel. Erneut stockte ihm der Atem! Rote Bremslichter! „Mist! Sie drehen um! Irgendwas hat sie mißtrauisch gemacht! Schnell um die Kurve, dann sofort anhalten! Wir müssen Plätze tauschen, sonst bin ich meinen Führerschein los!“

Der Gascogner trat aufs Gas, absolvierte hinter der Kurve eine Vollbremsung. Er und der Freund stiegen aus dem Auto, rannten zur jeweils anderen Seite und sprangen wieder hinein. „Anschnallen! Und kein Wort! Ich bin gefahren, sonst niemand!“ schnappte der Freund hektisch, während er den Wagen auf Geschwindigkeit brachte und sich dabei anschnallte. Kaum hatte er dies gesagt, erschien hinter ihnen der Polizeiwagen in der Kurve. Kurze Lichthupe, dann der rot blinkende Text auf dem Dach des Fahrzeugs „Stop - Polizei“.

Der Freund atmete tief durch, brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen.

Der Polizeiwagen stand hinter ihnen, beide Beamte stiegen aus. Der erste beugte sich zum Fahrerfenster herunter: „Guten Tag, die Herren, allgemeine Verkehrskontrolle! Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte.“

Der Freund holte die Unterlagen aus dem Handschuhfach, reichte sie mit einem unverbindlichen Lächeln aus dem Autofenster.

Der Polizist besah sich das Foto auf dem Führerschein, vergewisserte sich, daß dieser Mann hinter dem Steuer saß. Dann wandte er sich an den Kollegen: „Ich könnte schwören, daß der Fahrer eben einen Bart gehabt hat…..“ Er schaute zweifelnd die vier bärtigen Beifahrer an, die ihrerseits höchst unschuldig zurückschauten.

„Glaubst du wirklich?“ Der Kollege überlegte. „Vielleicht war es ein Schatten auf seinem Gesicht? Oder er hat mit der Hand über den Mund gestrichen?“

Dem glattrasierten Freund brach allmählich der Schweiß aus. „Öh, ja, mache ich manchmal….dumme Angewohnheit…“ Und er strich mit den Fingern um seine Oberlippenpartie.

„Messieurs!!“ kam plötzlich Porthos‘ Stentorstimme vom Rücksitz. „Wollen wir nicht dieses kleine Intermezzo auf einen späteren Zeitpunkt verschieben? Wir haben einen wichtigen Termin, den es einzuhalten gilt!“

Athos und Aramis sahen Porthos mit unverhohlenem Entsetzen an, d’Artagnan und der Freund erstarrten.

„Oh, die Herren haben einen Termin?“ fragte der erste Polizist betont freundlich. „Darf man erfahren, was so dringlich sein kann, daß eine Verkehrskontrolle verkürzt werden muß?“

Porthos überhörte die feine Ironie (oder nahm sie gar nicht wahr, was wahrscheinlicher war) und konstatierte: „Selbstverständlich, Messieurs, dürft Ihr fragen. Und ganz gewiß werdet Ihr mir zustimmen, wenn ich Euch mit höchster Vertraulichkeit und Diskretion zu Verstehen gebe, daß man ein Stelldichein mit der Damenwelt nicht verpaßt…..“ Porthos zwinkerte bedeutsam.

„Ein Stelldichein…..mit der Damenwelt….“ stammelte der Polizist…..

„Die haben ein Date!“ grinste der Jüngere und stieß seinen Kollegen kameradschaftlich mit dem Ellbogen in die Seite.

„Oh ja! In der Tat“ Zum Entsetzen des Freundes lief Porthos nun zu großer Form auf. „Und noch dazu in höchsten Kreisen!“ Er nickte gewichtig, die beiden Polizisten lauschten beflissen.

„Wo mag das denn nur sein?“ wagte der Jüngere zu fragen.

Porthos war sich seiner Zuhörerschaft sicher. „Nirgendwo anders als im Palais Royal!“

Auf den Gesichtern beider Polizisten erschien ein Grinsen, so breit, wie es nur sein konnte. Der Jüngere brach in Gelächter aus. „….im Palais Royal……..“

Sein Kollege wahrte mit Mühe seine Würde. Er reichte dem Freund die Dokumente, klopfte auf die Autotür und brachte hervor: „Dann wünsche ich den Herren gute Fahrt und wo immer dieses…. Palais Royal….. auch liegen mag, fahren Sie vorsichtig. Schön auf Sicherheit achten.... im Verkehr!“ Er wandte sich ab und lachte schallend.

Mit glühenden Wangen fuhr der Freund los.

Als sie außer Sicht waren, sah sich Porthos siegessicher um: „Na, war das nicht ein formidabler Einfall?“

„Hmpf!“

„Was denn? Ihr solltet Euch doch freuen!“

„Jaja…… außer, daß die jetzt Gott weiß was von uns denken….“

„Was denn?“ fragte Porthos in aller Unschuld. „Wir haben einen Termin in höchsten Kreisen und Damen läßt man nicht warten, das gebietet die Höflichkeit…..“

„Ach, haltet den Mund, Porthos!“ schnappte der Freund. „Für die sind wir fünf Kerle mit Notstand und Termindruck auf dem Weg zum PUFF!“

„Was? Zum Puff?“ Porthos riß die Augen auf. „Aber das Palais Royal?.....“

„Mein lieber Porthos, in unserer Zeit gibt es kein Palais Royal, wie Ihr es gekannt habt, mit dem König, seinem Hofstaat und den wichtigen Staatsdienern! In unserer Zeit führen nur noch gewisse Etablissements des horizontalen Gewerbes den Namen Palais Royal, oder vielleicht Palais d’Amour, ganz wie es Euch gefällt!“

Das war das erste Mal, daß er Porthos komplett sprachlos erlebte, während d’Artagnan, Aramis und sogar Athos vor Erleichterung in übermütiges Gelächter ausbrachen. Dem Freund gelang es schließlich nicht mehr, ernst zu bleiben und er stimmte mit ein.

Lässig bog er auf die Bundesstraße Richtung Heimat ab und fragte seine Beifahrer: „Übrigens, was haltet Ihr davon: Sollte ich mir nicht einen Bart stehen lassen?“ Und er lachte mutwillig und beschleunigte.