Kapitel High Society
Heaven has no rage,
Like love to hatred turned,
Nor Hell a fury,
Like a woman scorned.
William Congreve, The Mourning Bride (1697)
*****
„My dear Sir Francis! Welch eine Freude, Euch an diesem Abend hier begrüßen zu dürfen!“
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Kapitel One of those events which change the destinies of states
La digue de Richelieu, der große Damm vor der Einfahrt zum Hafen La Rochelles, war nun errichtet, drohend ragten seine baumstarken, an ihren Enden spitz zugehauenen Pfähle über den Wellen auf, unüberwindliche Sperre und zugleich Deckung für die bewaffneten Boote des Königs, die diesen Schutzwall gegen feindliche Angriffe zu verteidigen hatten.
Jawohl, dachte der Comte de Rochefort, während er die Mole entlangschritt, um diese imposante Konstruktion zu inspizieren, Monsieur Thiriots Zimmerleute hatten ganze Arbeit geleistet! Und ebenso Monsieur Métezeau, architecte du Roi, der die Pläne für diese geniale Verteidigungsanlage entwarf! Mehr als viertausend Arbeiter waren im Einsatz, einen siebenhundertfünfzig Klafter langen und zehn Klafter hohen Damm zu errichten, der wahrlich seinesgleichen suchte! Und nun blieb nur noch zu hoffen, dass dieses Werk auch seinen so dringend gewünschten Zweck erfüllte, nämlich die englischen Schiffe von nun an strikt daran zu hindern, die belagerte Stadt mit Proviant und Munition zu versorgen! Und wenn diese Strategie aufging, woran wohl kein Zweifel bestand, dann konnte Jean Guiton, der sturköpfige Bürgermeister La Rochelles, nur noch kapitulieren, ausgehungert und bar jeder Unterstützung! Doch noch war es nicht soweit, und daher musste man sich in Geduld üben, bis der Hunger Wirkung zeigte –
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Kapitel Mylady
Lady de Winter murmelte einen überaus undamenhaften Fluch in den pelzbesetzten Kragen ihres Mantels. Ihre Reise nach England hatte von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Die Überfahrt hatte wegen widrigen Windes um ein Vielfaches länger gedauert als gewöhnlich, und diese Verzögerung hatte ihre Geduld und ihre Nerven aufs Äußerste strapaziert. Was mochte sich nicht alles schon ereignet haben, während sie auf diesem elenden Schiff festsaß und nichts tun konnte außer ruhelos wie ein gefangenes Raubtier vom Bug zum Heck und wieder zurück zu tigern?
Schließlich, nach schier endlosen Tagen auf See, war die englische Küste in Sicht gekommen. Doch kaum hatten sie die Isle of Wight umrundet, waren sie schon von einem kleinen, aber bewaffneten cutter in Empfang genommen worden. Zunächst hatte sie, nichts Böses ahnend, den jungen Kommandanten für einen Lotsen gehalten, der ihr Schiff sicher in den Hafen von Portsmouth steuern sollte, doch schon als er die gesamte Besatzung einschließlich ihrer Person einer gründlichen Musterung unterzogen hatte, waren ihr erste Zweifel gekommen. Aber es war ihr nicht gelungen, seine Absichten zu ergründen, und solange sie sich auf dem Schiff befanden, war es ganz und gar unmöglich, sich seinem Zugriff zu entziehen. Als sie schließlich im Hafen angekommen waren, er ihr Gepäck in das kleine Beiboot laden ließ und sie höflich aufforderte, ihm zu folgen, begriff sie, dass dies nichts anderes als eine gut getarnte Gefangennahme war. Sie beschloss, die erstbeste Gelegenheit zur Flucht zu nutzen.
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Kapitel One problem, two solutions
Nervös fuhr sich der Comte de Wardes mit der Hand über die Stirn, während er Kardinal Richelieus Nachricht genauer in Augenschein nahm. Was mochte er ihm diesmal mitzuteilen haben? Auch nach Buckinghams Niederlage auf der Île de Ré war der Konflikt zwischen England und Frankreich keineswegs beendet sondern spitzte sich aufs neue zu, und auch die politische Situation in London war verfahrener denn je. Die Fronten waren verhärtet, und jeder schien neben den politischen Interessen auch seine eigenen, persönlichen Ziele zu verfolgen, weshalb es ihm zuweilen schwerfiel einzuschätzen, wer auf welcher Seite stand. Mitunter überkamen ihn Unsicherheit und Zweifel an seinem eigenen Urteilsvermögen, die ihn umso mehr quälten, als er wusste, wie wichtig seine Arbeit war: er war zur Zeit Richelieus einziger Mann in England; was er nach Frankreich berichtete, mochte ausschlaggebend für die Politik seines Landes sein; eine Fehleinschätzung seinerseits konnte dementsprechend katastrophale Folgen haben…
Aus dem Bücherschrank holte er den dicken Band mit Shakespeares Gesammelten Werken, die er und Kardinal Richelieu verwendeten, um ihre Korrespondenz zu verschlüsseln. Er setzte sich an den Schreibtisch und begab sich daran, den Brief zu lesen:
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Kapitel Furioso
Misstrauisch spähte Charlotte durch das kleine Kutschenfenster. Allmählich kamen die ersten Häuser in Sicht, und sie spürte, wie ihre Anspannung wuchs. Nach ihrer Flucht hatte sie sich bis zum Morgen des folgenden Tages in einem Gasthof verborgen gehalten, bis sie es gewagt hatte, eine Kutsche zu mieten und nach Portsmouth zurückzukehren. Sie wusste, dass sie auf der Hut sein musste. Das Risiko, welches ohnehin mit ihrem Auftrag verbunden war, schreckte sie wenig, aber die Geschehnisse bei ihrer Ankunft im Hafen gaben ihr dennoch zu denken. Ihr wäre wohler gewesen, wenn sie wenigstens gewusst hätte, wer dahintersteckte.
Sie lehnte sich in die Polster zurück und grübelte. Wer war der junge Offizier gewesen, der versucht hatte, sie festzunehmen? Sie war sicher, dass sie ihm noch nie zuvor begegnet war. Entweder war er tatsächlich ein Angehöriger der englischen Marine – dann mochte auch seine Erklärung ihr gegenüber, dass zur Zeit alle ausländischen Reisenden auf diese Weise in Empfang genommen wurden, der Wahrheit entsprechen. Doch warum hatte er sie schon auf dem Schiff so seltsam gemustert, warum gerade sie für eine Ausländerin gehalten? Das war ihr in England noch nie passiert, und es gab nicht den kleinsten Anhaltspunkt dafür – weder ihr Aussehen noch ihre Kleidung, weder ihre Sprechweise noch ihr Auftreten. Hatte er also auf bloßen Verdacht gehandelt? Oder aber er hatte sich lediglich als Offizier ausgegeben, um sie zu entführen! Das erschien ihr plausibler, ließ das Warum aber weiterhin offen, ebenso wie die Frage, wer letztlich dahintersteckte. Ganz offenkundig jemand, der von ihrer Ankunft in England Kenntnis hatte und sie aus dem Verkehr ziehen wollte – und da fiel ihr bei bestem Willen niemand ein.
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Kapitel The tea hour is the hour of peace
Monsieur le comte,
wir möchten Euch darüber in Kenntnis setzen, dass Seine Majestät Abgesandte an den englischen Hof geschickt hat. Es handelt sich um die Musketiere Athos, Porthos, Aramis und d’Artagnan. Sie haben den Auftrag, König Charles I. ein Schreiben zu überbringen, in dem Seine Majestät ihn um Einstellung der feindlichen Handlungen gegen Frankreich ersucht…
Sorgenvoll stützte der Comte de Wardes den Kopf in die Hände. Die Dinge standen offenbar wirklich schlimm, wenn Louis XIII. sich persönlich zu einem solchen Schritt genötigt sah. Ob Richelieu ihm dazu geraten hatte? Wohl eher nicht, denn dass königliche Musketiere als Überbringer des Briefes ausgewählt worden waren, sprach dafür, dass die Initiative vom König selbst ausgegangen war.
Athos, Porthos, Aramis, d’Artagnan. Vier Namen, vier Degenstiche. D’Artagnan, der ihn damals in Calais beinahe umgebracht hätte, der sein Glück mit Charlotte zerstört hatte, den er dafür im Duell töten wollte und doch hatte davonkommen lassen. Athos, dieser rätselhafte Edelmann, der ihn auf so kryptische Weise vor Charlotte gewarnt hatte; Worte, über die er im Wirbelsturm der darauffolgenden Ereignisse nie tiefer nachgedacht hatte. Aramis, der vor einigen Wochen überraschend in England aufgetaucht und dann ebenso plötzlich wieder verschwunden war – immerhin hatte er folglich das gefährliche Spiel als Doppelagent, in das er da hineingeraten war, überlebt. Und Porthos, der schweigsame Riese. Wie sollte er ihnen gegenübertreten, wenn sich ihre Wege erneut kreuzten?
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Kapitel An honourable man
Als ihre Kutsche bei strömendem Regen durch die Straßen von Southwark rumpelte, war Charlotte zwar müde, aber dennoch in gehobener Stimmung. Trotz des schlechten Wetters hatte die Reise nur anderthalb Tage gedauert, was vor allem der durch reichliche Entlohnung geförderten Bereitschaft des Kutschers, ohne Pause durchzufahren, zuzuschreiben war. Und nun war sie in London und konnte das Werk ihrer Rache beginnen.
„Wohin darf ich Euch bringen, Mylady?“
Sie überlegte kurz. „Zu Lord und Lady Fowley, Bishopsgate Street.“ Den ehrenwerten Lord und seine Frau kannte sie noch aus der Zeit ihrer Ehe mit Lord Winter, und anders als die meisten anderen hatten sie sich nach dem plötzlichen Tod ihres unglücklichen Gemahls nicht der allgemeinen Hexenjagd auf sie angeschlossen, was in erster Linie daran lag, dass Lord Fowley und Lord Winter erbitterte Feinde gewesen waren.
„Sehr wohl, Mylady.“
Zuerst musste sie versuchen, François ausfindig zu machen. Das würde möglicherweise nicht ganz einfach sein, denn sie hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt für ihre Suche. Zwar hatte sie vom Comte de Rochefort erfahren, dass François eine andere Identität angenommen hatte und sich als Tuchhändler ausgab, aber sie kannte weder seinen Decknamen noch wusste sie, wo er sein Quartier bezogen hatte. Nun ärgerte sie sich, dass sie damals, als Rochefort sie auf François’ überstürzten Aufbruch nach London angesprochen hatte, ihm – enttäuscht, verletzt und wütend – so brüsk zu verstehen gegeben hatte, dass sie nichts mehr von ihm wissen wollte. Rochefort hätte ihr vielleicht noch Informationen geben können, die ihr jetzt nützen würden. Sei’s drum! Sie kannte genug Leute in London, denen nichts entging; gerade Lady Fowley war eine unverbesserliche Klatschbase, die aber unfehlbar alles über jeden in der Stadt wusste, dank eines weitgespannten Netzwerkes zahlreicher weiterer unverbesserlicher Klatschbasen, dessen Leistungsfähigkeit und Funktionalität Kardinal Richelieu vor Neid hätte erblassen lassen. Wenn irgendjemand etwas über einen jungen Mann wusste, der kürzlich wie aus dem Nichts in der Londoner Gesellschaft aufgetaucht war, dann sie. Charlotte lächelte zufrieden, während die Kutsche nun über die London Bridge fuhr, hinein ins Herz der Stadt.
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Kapitel The lion's den
Good Lord! Der Herr Premierminister schien wahrhaftig alles andere als amused! Der distinguierte Obersthofmeister im königlichen Palast von Whitehall verbeugte sich tief und ehrerbietig, doch Lord Buckingham würdigte ihn keines Blickes.
„Ich wünsche, umgehend den König zu sprechen!“, fauchte er unwirsch, während er mit knallenden Absätzen und klirrenden Sporen quer durchs Vorzimmer marschierte. „Die Angelegenheit ist äußerst wichtig, also melde mich sofort Seiner Majestät!“
„Mylord, der Zeitpunkt ist leider ungünstig, denn der König befindet sich gerade in einer Besprechung!“
„Ach!“ Der Herzog runzelte zornig die Brauen. „Tatsächlich? Und mit wem, wenn ich fragen darf?“
„Seine Majestät berät sich soeben mit dem Herrn Bischof von Kilchester und dem Herrn Kanonikus Pennyfather über die dringend notwendigen politischen Maßnahmen zur Stärkung der Staatskirche wider die heimlichen Wühlereien der Katholiken“, erklärte der Obersthofmeister beflissen und mit untertänigem Bückling. „Wenn Eure Lordschaft also die Güte hätte, ein wenig zu warten?“
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Kapitel Picking up the pieces
Am Morgen nach der ersten Wirtshausschlägerei seines Lebens war der Comte de Wardes nicht gerade in Hochstimmung. Er saß in seinem Schlafzimmer auf einem Stuhl, und sein Diener Lubin machte sich gerade daran, ihn zu rasieren.
„Gütiger Himmel, Monsieur le comte, was habt Ihr eigentlich gemacht?“
„Mich geprügelt.“ De Wardes hielt den Atem an, als Lubin mit dem Rasiermesser über einen Bluterguss an seinem Unterkiefer fuhr. Der Diener hielt erschrocken inne.
„Pardonnez-moi, Monsieur le comte…“
„Schon gut.“ De Wardes betastete die schmerzende Stelle vorsichtig mit den Fingerspitzen. „Lass es gut sein, Lubin, du brauchst mich heute nicht zu rasieren.“
„Aber, Monsieur le comte…“
„Ich habe nicht vor, mich heute irgendwo blicken zu lassen!“, beruhigte ihn sein maître.
Lubin räumte die Gerätschaften weg und brachte ein mit kaltem Wasser getränktes Handtuch, das de Wardes vorsichtig auf die blauviolette Schwellung unter seinem linken Auge drückte. Er wagte einen Blick in den Spiegel und widerstand dem Impuls, sich sogleich wieder abzuwenden. Nein, er sah nicht wie ein Sieger aus, und sah man einmal davon ab, dass er es schon als Triumph betrachten konnte, noch alle Zähne im Mund zu haben, hatte er auch keinen Grund, sich wie einer zu fühlen, auch wenn Charlotte ihm nach ihrer geglückten Flucht aus dem Jolly Roger innig gedankt hatte, dass er sie gegen den betrunkenen Seemann verteidigt hatte. Es war ihm regelrecht peinlich gewesen, dass sie ihn in den höchsten Tönen gelobt hatte, als hätte er Hektor von Troja bezwungen, dabei hatte er ja schlichtweg keine andere Wahl gehabt und musste überdies noch dem Wirt und den beiden Kurtisanen für ihr Eingreifen dankbar sein, anderenfalls wäre er wohl kaum mit ein paar blauen Flecken davongekommen. Doch Charlotte hatte ihn unbeirrt einen Helden genannt, sich besorgt nach seinem Zustand erkundigt und darauf bestanden, ihn mit ihrer Kutsche nach Hause zu bringen, als hätte sie ihre üble Auseinandersetzung im Jolly Roger völlig vergessen – was er nicht von sich behaupten konnte.
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Kapitel Confession
Devil! Lord Winter seufzte vernehmlich, und auf seiner Stirn stand eine tiefe Falte, während er nach seinem Haushofmeister klingelte. „Meine verehrten Herren, my dear John, ich glaube, wir haben nun alle miteinander einen kräftigen Schluck nötig! Darf ich Euch ein Glas Whisky anbieten? Einen exzellenten Glendalough, Single Malt? Oder mögt Ihr lieber Wein?“
John Felton, Lord Winters Adjutant, dankte seinem Dienstgeber mit untertäniger Verneigung, doch die vier Musketiere, insbesondere Aramis, warfen einander prompt einen alarmierten Blick zu, und so beeilte sich Athos, im Namen seiner Freunde zu antworten:
„Oh, vielen Dank, Mylord! Äh, jawohl, ein Glas Wein wäre uns in der Tat höchst willkommen!“
„Very well, Messieurs! Nehmt doch bitte Platz!“ Lord Winter wies mit einladender Gebärde auf die bequeme Sitzgruppe vor dem imposanten Kamin, in dem bereits das abendliche Feuer hellauf brannte und behagliche Wärme verbreitete. Doch sein Schein vermochte die düstere Stimmung nicht zu vertreiben, und auch der edle Portwein, den der hochherrschaftliche Butler des Hauses den Freunden in kunstvoll geschliffenen Kristallgläsern eigenhändig kredenzte, vermochte trotz seiner wahrlich hervorragenden Qualität ihre trübe Laune nicht zu bessern. War man doch erfolglos quer durch die halbe Stadt gelaufen und hatte sämtliche Gasthöfe Southwarks unweit der berühmten London Bridge, die dafür bekannt waren, vorzugsweise Reisende vom Festland zu beherbergen, ohne jeden Erfolg abgeklappert! Nein, keine schöne blonde Dame war hier in diesen alles andere als wohlfeilen Gaststätten abgestiegen, nicht mal eine alte, hässliche Vettel, sondern bloß geschäftige Handelsreisende, ausländische Studenten auf Wanderschaft, neugierige Weltenbummler oder halbwüchsige Söhne aus reichem Haus, die unter der strengen Aufsicht ihres Herrn Hofmeisters eine Bildungsreise zu absolvieren hatten. Bloody Hell, so kam man nicht voran! Und wie man sah, mied Mylady offenbar die gängigen Beherbergungsbetriebe, um ihre Spur umso sicherer zu verwischen! Lord Winter setzte enerviert sein Whiskyglas an die Lippen und nahm einen gehörigen Schluck. Verdammt, es war Gefahr im Verzug, er musste seine Schwägerin schnellstens finden! Good Heavens, der Himmel allein mochte wissen, was diese Verbrecherin gerade trieb! Und er, Lord Winter, konnte erst dann erleichtert aufatmen, wenn er sie mit Hilfe seiner französischen Freunde und seines jungen Adjutanten endlich gefasst hatte!
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Kapitel Ascending the scaffold
Es war später Nachmittag, und dieser Tageszeit entsprechend herrschte auf der London Bridge ein solcher Betrieb, dass der Comte de Wardes froh war, nicht zu Pferd oder mit einer Kutsche unterwegs zu sein. Zu Fuß konnte er sich immerhin noch halbwegs zügig durch die Menschenmengen schlängeln, die sich stadteinwärts wie auch stadtauswärts über die Brücke drängten. Er passierte das Traitor’s Gate und bemühte sich, nicht hochzublicken, wo auf Pfählen die Köpfe hingerichteter Verbrecher steckten; dennoch lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Wahrlich ein barbarischer Brauch, über den er mit jener stoischen Gemütsruhe, die den Londonern eigen war, mühsam hinwegzusehen gelernt hatte – doch jetzt, da er fürchten musste, dass sein eigener Kopf möglicherweise in nächster Zeit ebenfalls einen dieser Pfähle zieren würde, zerrte der Anblick gewaltig an seinen Nerven.
Weil er so angestrengt zu Boden sah, wäre er beinahe vor ein Fuhrwerk gelaufen, was er erst bemerkte, als das Pferd, ein riesenhaftes Kaltblut, dem er gerade einmal bis zur Schulter reichte, ihm indigniert ins Gesicht schnaubte und der Kutscher ungeduldig mit der Peitsche wedelte.
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Kapitel By mere chance
„Diable!“, fluchte Porthos gelinde desperat, „jetzt rennen wir schon den ganzen Tag kreuz und quer durch die Stadt, und noch immer keine einzige Spur von diesem Weib! Ich sage Euch, Freunde, das geht nicht mit rechten Dingen zu! Diese Hexe muss mit dem Teufel im Bunde stehen! Was sagt unser Herr Abbé dazu?“
„Mon cher Porthos, ich denke vielmehr, die Dame hat bloß einen äußerst sicheren Unterschlupf gefunden!“, gab Aramis seufzend zurück. „Aber verzagt nicht, meine Freunde, sie kann sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben! Irgendwann müssen wir auf sie stoßen!“
„Hm“, knurrte d’Artagnan grimmig, „ich könnte mir gut vorstellen, sie hat bereits bemerkt, dass wir ihr auf den Fersen sind! Womöglich veranstaltet sie grad ein heimliches Katz-und-Maus-Spiel mit uns und führt uns beständig in die Irre! Es ist ja äußerst seltsam, dass einfach niemand, kein einziger Gastwirt und keine einzige Zimmervermieterin, sie zu Gesicht bekommen haben will!“
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Kapitel No mercy
Die imposante London Bridge, tagsüber einer der belebtesten Orte der Stadt, lag still und verlassen im nächtlichen Dunkel. Niemand ließ sich blicken, kein Mensch kreuzte ihren Weg, nur eine magere Katze huschte an ihnen vorbei, als die vier Freunde mitsamt ihrem Gefangenen der ehemaligen Kapelle zustrebten, die in der Mitte der Brücke lag und seit ihrer Schließung im Zuge der kirchlichen Reformation unter König Heinrich VIII. als Geschäftslokal und Warenlager diente. Welch düsterer Anblick, welch frevelhafte Entweihung dieser vormals so heiligen Stätte! Unter den mächtigen steinernen Pfeilern rauschte die Themse, murmelte ihr dumpfes, unheilverkündendes De profundis, und auf ihren dunklen Wellen glitzerte fahles Mondlicht.
Der schwere Regen hatte seine Spuren hinterlassen, nass glänzte das Kopfsteinpflaster der Brücke, überall gluckerten Rinnsale und schimmerten große Pfützen. Die vier Freunde schritten zügig aus, doch bemüht, dabei keinen verräterischen Lärm zu machen, und verständigten sich bloß flüsternd oder durch stumme Zeichen. Der Verbrecher in ihrer Mitte hatte eingesehen, dass jeder Widerstand zwecklos war; gehorsam ließ er sich von Porthos’ herkulischer Faust, die ihn nach wie vor am Arm gepackt hielt, mitziehen, und d’Artagnans Degen im Rücken überzeugte ihn davon, dass es besser war, keinen Laut von sich zu geben, wenn ihm sein Leben lieb war. So näherte sich der kleine Trupp seinem Ziel, und als die steinerne Fassade der ehemaligen Kapelle vor ihnen auftauchte, zischte Athos dem Räuber zu:
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Kapitel Heaven has no rage like love to hatred turned
Trotz der nächtlichen Stunde, zu der sich, wie in den meisten Großstädten, auch auf den Gassen Londons allerlei lichtscheues Gesindel herumtrieb, gelangten die Freunde zusammen mit ihrem Schützling ohne weiteren Zwischenfall nach Southwark, wo der Comte de Wardes sein Domizil besaß. Auf Porthos’ lautstarkes Klopfen öffnete Lubin, de Wardes’ Diener, und erschrak zutiefst beim Anblick seines verwundeten Herrn. Doch als er an dessen Seite den jungen d’Artagnan gewahrte, da kannte sein Entsetzen keine Grenzen.
„Beim Allmächtigen!“, krächzte er und erbleichte, als sähe er eine Ausgeburt der Hölle vor sich. „Monsieur le comte, was in aller Welt…?! Hat dieser... Herr hier Euch etwa so zugerichtet?!“
„Mitnichten“, wehrte de Wardes mit rauer Stimme ab, „im Gegenteil, diese vier Herren haben mir das Leben gerettet! Eine Räuberbande überfiel mich auf offener Straße, und sie kamen mir sofort zu Hilfe. Doch nun genug geredet, Lubin! Schüre das Feuer im Kamin und bringe uns Portwein und Sherrybrandy in den Salon!“
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Kapitel Nor Hell a fury like a woman scorned
Draußen vorm Haustor jedoch hielt d’Artagnan abrupt an. Eine vollkommen ungewohnte, heillose Nervosität hatte ihn befallen, und er wusste nicht, wie er diese meistern sollte. „Zum Teufel, Athos, warum habt Ihr so rasch eingelenkt?“, zischte er, im Innersten desperat, und maß seinen Freund mit vorwurfsvollem Blick. „Ihr habt doch gesehen, in welch hilflosem Zustand sich der Comte de Wardes durch seine Verletzung befindet! Wie soll er sich in solcher Lage gegen einen neuerlichen Mordanschlag zur Wehr setzen?“ Er knirschte mit den Zähnen und ballte die Faust – ventrediou! Was konnte er bloß tun?!
„Das alles ist mir klar, und ich hatte den Eindruck, dass der Comte es auch weiß“, erwiderte Athos ruhig, aber bestimmt. „Aber er hat sehr deutlich gemacht, dass er unsere Unterstützung nicht wünscht, und da er hier der Hausherr ist, haben wir seinen Willen zu respektieren!“
„Selbst, wenn dieser Wille ihn das Leben kosten könnte?“, versetzte Aramis sarkastisch.
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Kapitel Time to consider
„Meine Herren, habt meinen tiefsten Dank!“ Lord Winter hob sein Glas, gefüllt mit edlem Portwein, und blickte leuchtenden Auges in die Runde. „Mit Eurer unschätzbaren Hilfe ist es uns endlich gelungen, meiner verbrecherischen Schwägerin habhaft zu werden! Ich habe meinem Adjutanten, Leutnant Felton, befohlen, sie auf der Stelle in meinem Schloss zu internieren, und ihrer Anklage vor Gericht steht damit nichts mehr im Wege! Möge dieser Prozess ihrem ruchlosen Treiben für immer ein Ende bereiten! Messieurs, à votre santé!“
Die Musketiere dankten und tranken ihrem Gastgeber in bemühter Genugtuung zu, doch trotz ihres Erfolges wollte in ihren Herzen keine rechte Siegesfreude aufkommen. Zu groß war das Unheil, das die Gefangene bereits über sie gebracht hatte, zu schwer wogen ihre begangenen Missetaten, um in lautstarkem Triumph zu schwelgen! Denn bei allen Teufeln, solange diese Frau lebte, war sie eine beständige Gefahr!
„Messieurs, ich gesteh’s, ich bin voller Neugierde!“, gab Lord Winter unumwunden zu. „Ich bitte Euch, erzählt mir! Wie ist es Euch gelungen, diese Teufelin zu überwältigen? Schon allein hier in dieser riesigen Stadt ihre heimliche Spur zu finden, ist ja eine wahre Meisterleistung!“
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Kapitel Premonitions
Die mächtigen grauen Wogen rollten schwer gegen den Schiffsrumpf, weiße Schaumkronen tanzten auf den ungestümen Wellen, und die Segel knatterten im scharfen Wind. Parbleu, je wilder die See tobte, desto bleicher wurde Aramis’ Antlitz, obwohl er nach Kräften bemüht war, sich seine empfindliche Übelkeit nicht anmerken zu lassen. Er stand an Deck, den Hut in der Hand, und winkte ebenso wie seine Gefährten Lord Winter zum Abschied zu, bis dessen Gestalt endgültig ihren Blicken entschwunden war. Jawohl, der Baron hatte es sich nicht nehmen lassen, seine Mitstreiter in eigener Person nach Portsmouth zu begleiten, und seiner tatkräftigen Vermittlung war es auch zu danken, dass die Reisenden binnen kürzester Zeit eine geeignete Passage nach Frankreich fanden. Die Hafenbehörde tat zudem alles, um ihre Abreise zu beschleunigen, ja, sie schien fest entschlossen, die vier Franzosen als feindliche Ausländer so rasch wie möglich aus England hinaus zu expedieren, und das war auch gut so, denn im Hafen verbreitete sich soeben wie ein Lauffeuer die Nachricht, Lord Buckinghams Ankunft stehe unmittelbar bevor. Es hieß, er habe mit Hilfe beträchtlicher Geldmittel aus der privaten Schatulle des Königs endlich die von ihm geforderten zusätzlichen Kanonen erhalten und sei nun mit ihnen auf dem Weg zu seiner Flotte, die hier im Hafen von Portsmouth schon die längste Zeit ungeduldig ihres Admirals harrte. Buckinghams bevorstehendes Eintreffen verlieh jedoch nicht nur seinen Streitkräften neuerlichen Antrieb sondern spornte auch die Musketiere zu größter Eile an, denn man wollte dem Herrn Herzog hier auf englischem Boden keinesfalls nochmals begegnen!
Aus tiefstem Herzen dankbar und von Rührung übermannt hatte der Baron seinen Mitkämpfern die Hand gedrückt und ihnen, besorgt angesichts des stürmischen Wetters, eine gute Reise gewünscht. Der gemeinsame Abschied verlief kurz, trotz aller Herzlichkeit, denn die Zeit drängte, und der Kapitän erwartete seine Passagiere schon voller Ungeduld: Lord Buckinghams Kriegsflotte war drauf und dran, ihre Anker zu lichten, und binnen kurzem würde es auf dem Meeresarm, der Britannien von Frankreich trennte, von schwerst bewaffneten englischen Kriegsschiffen nur so wimmeln!
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Kapitel Coming Home
Verlasst London und begebt Euch auf schnellstem Weg nach La Rochelle. Wir erwarten Euch hier.
Ein kurzer, unmissverständlicher Befehl; keine Erklärung, keine Begründung. De Wardes ließ das Schreiben Monsieur de Rocheforts sinken und stützte den Kopf in die Hand.
Eine Woche war seit dem Attentat auf Lord Buckingham vergangen, das ihn trotz all seiner verzweifelten Bemühungen um eine Fortführung von Charlottes Auftrag buchstäblich ebenso kalt erwischt hatte wie den Premierminister selbst. Danach hatte er sich erst einmal verborgen gehalten, weil ihm klar war, dass eine Enttarnung zu diesem Zeitpunkt gefährlicher denn je wäre, doch darum hatte er nie herausfinden können, was aus Charlotte geworden war, ob sie immer noch in Gefangenschaft war und ob zwischen ihr und dem Attentäter John Felton irgendeine Verbindung bestand.
Die Stimmung in der Stadt war, soweit er das beurteilen konnte, erstaunlich ruhig, als habe der Tod des verhassten Premierministers die Gemüter besänftigt; dennoch schien es den Londonern nicht ratsam, ihre Freude allzu öffentlich kundzutun. Hinter vorgehaltener Hand wurden Spottgedichte weitergeflüstert, ebenso wie Felton betreffende Lobpreisungen, die diesem freilich nichts mehr nützten. Im Jolly Roger, wo de Wardes ab und zu hingegangen war, um nach neuen Nachrichten zu fragen, hatte Will verboten, den Namen Buckinghams zu nennen, damit die Spottlieder der Matrosen ihm keinen Ärger mit der Obrigkeit einbrachten, und de Wardes schien es angeraten, vorerst äußerst vorsichtig zu sein und das Haus möglichst nicht zu verlassen; abgesehen davon hatte er auch einige Tage gebraucht, um sich körperlich wie seelisch von den Geschehnissen zu erholen.
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Kapitel Fate and Fatality
Ein Gardist trat ins Zelt, salutierte militärisch, und Kardinal Richelieu sah von seiner Korrespondenz auf. Seit Louis XIII. mit seinen Musketieren ins Feldlager vor La Rochelle zurückgekehrt war, hatte auch der Erste Minister Frankreichs und Generalissimus der königlichen Armee sein Quartier in Surgères verlassen, um dem König zu folgen. Die Nachricht von Lord Buckinghams Tod hatte im Lager wie ein Lauffeuer die Runde gemacht, und alles harrte nun in gespannter Erwartung der Dinge, die darauf folgen sollten. Entschlossen sich die Engländer zum Rückzug? Oder machten sie Buckinghams Drohung wahr, auf Teufel komm raus? Die Zeit drängte, denn in La Rochelle herrschten Nahrungsmangel und damit elender Hunger. Jawohl, die belagerte Stadt, die durch den großen Damm seit geraumer Zeit von jeglichem Zugang übers Meer und damit von aller Versorgung abgeschnitten war, würde sich wohl nicht mehr lange halten können!
„Monseigneur“, schnarrte der Gardist auf Richelieus fragenden Blick, „erlaubt mir, zu melden: Der Comte de Rochefort ist soeben aus Royan zurückgekehrt, zusammen mit dem jungen Edelmann, den Ihr erwartet.“
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Kapitel Brothers in fate
Nach der Unterredung mit Kardinal Richelieu wäre der Comte de Wardes am liebsten stehenden Fußes nach London zurückgekehrt, doch dies erwies sich als unmöglich. Wie ihm Rochefort bereits in Royan erklärt hatte, erwartete man im Feldlager die Ankunft der englischen Flotte vor La Rochelle; auf dem Meer wimmelte es von Kriegsschiffen, und kein vernünftiger Kapitän würde sich aus dem Hafen wagen, bevor die drohende Konfrontation nicht beendet war. Auf dem Landweg nach Calais oder Le Havre hingegen wäre er wochenlang unterwegs gewesen, und ob es in diesen Häfen eine Passage nach England gab, war ebenfalls äußerst fraglich. Er hatte also keine andere Wahl, als vorerst im Lager zu bleiben, was wiederum Rochefort und Richelieu sehr willkommen war. Mit beiden führte er in den folgenden Tagen noch mehrere lange Gespräche über seine Arbeit in England, seine Erfahrungen, seine Erkenntnisse, mögliche Szenarien, wie es nun nach Buckinghams Tod in der englischen Politik weitergehen würde, und was er zu tun hatte, wenn er nach London zurückgekehrt war. Charlottes Tod kam nicht wieder zur Sprache, doch er umgab de Wardes wie ein unheilvoller Schatten. Zwar hatte er dieses Mal nicht den Fehler begangen, verdrängen zu wollen, was geschehen war; wieder und wieder hatte er versucht, sich bewusst zu machen, dass sie unwiderruflich fort war und dass er allen Grund hatte, darüber erleichtert zu sein. Zeitweilig funktionierte das auch, nur manchmal kam ihm alles irgendwie unwirklich vor, und er hatte das Gefühl zu träumen, was jedoch harmlos war im Vergleich zu dem, was er tatsächlich träumte, wenn er schlief. Nacht für Nacht machte Charlotte vor seinem inneren Auge unzählige Verwandlungen durch, wurde vom Engel zur Nymphomanin, von der zärtlichen Liebhaberin zur mörderischen Furie, erschien ihm als Henker, als Dämon, als doppelköpfige Schlange… Als er wieder einmal im Morgengrauen schreiend von seiner Pritsche hochfuhr und sein Herz hämmerte, als wollte es seinen Brustkorb sprengen, seine Kehle heiser, Hemd und Haare schweißnass, wusste er: wenn er wollte, dass dies aufhörte, musste er versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, die weder Richelieu noch Rochefort ihm hatten beantworten können. Wer war Charlotte tatsächlich gewesen?
In der Kardinalsgarde wussten mittlerweile alle, dass der junge Mann, der unter ihnen im Lager wohnte, ein Agent Richelieus war; man beäugte den Zivilisten mitunter, ließ ihn aber ansonsten in Ruhe. Im Lager der königlichen Musketiere sah dies naturgemäß anders aus.
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Kapitel The snakepit
Auf der Rückreise hatte bereits der erste Herbststurm das Schiff durchgeschüttelt, und als der Comte de Wardes wieder in London eintraf, war schon das Laub von den Bäumen gefallen. Es war spürbar kälter, und die Luft roch nach Nebel und Kaminfeuer. Zu seinem eigenen Erstaunen hatte sich die Rückkehr angefühlt, als würde er nach Hause kommen – eine absurde Empfindung, wenn man bedachte, dass er sich im Feindesland befand, auch wenn es mittlerweile den Anschein hatte, als sei die Zeit der offenen Feindseligkeiten zwischen England und Frankreich vorbei. Die Expedition von Buckinghams Flotte nach La Rochelle, deren Ankunft er selbst miterlebt hatte, endete mit einem nahezu kampflosen Rückzug; sie hatte erfolglos versucht, Richelieus Damm zu durchbrechen, einige Kanonenschüsse waren ausgetauscht worden; doch angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit der französischen Armee hatten die Engländer kehrtgemacht, ohne eine Landung zu versuchen, und La Rochelle, schließlich und endlich durch den Hunger in die Knie gezwungen, hatte wenig später kapituliert. Dennoch hatte es noch Wochen gedauert, bis sich die Lage wieder soweit normalisiert hatte, dass er die Rückreise antreten konnte.
Das Gespräch mit Athos war, im Nachhinein betrachtet, eine Art heilsamer Schock gewesen; dadurch dass er nun die ganze Geschichte kannte, war es ihm möglich, dieses Kapitel seines Lebens abzuschließen. Natürlich kostete es ihn viel Kraft, wieder aufzustehen und einen neuen Weg einzuschlagen, aber über dem Schmerz und der Mühsal lag ein Gefühl der Erleichterung und Befreiung. Er war entschlossen, sich seine Aufgabe mehr denn je zu eigen zu machen – nun, da nichts sein Herz mehr an die Heimat band, konnte er ganz und gar zu Sir Francis werden.
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