Kapitel An honourable man
Als ihre Kutsche bei strömendem Regen durch die Straßen von Southwark rumpelte, war Charlotte zwar müde, aber dennoch in gehobener Stimmung. Trotz des schlechten Wetters hatte die Reise nur anderthalb Tage gedauert, was vor allem der durch reichliche Entlohnung geförderten Bereitschaft des Kutschers, ohne Pause durchzufahren, zuzuschreiben war. Und nun war sie in London und konnte das Werk ihrer Rache beginnen.
„Wohin darf ich Euch bringen, Mylady?“
Sie überlegte kurz. „Zu Lord und Lady Fowley, Bishopsgate Street.“ Den ehrenwerten Lord und seine Frau kannte sie noch aus der Zeit ihrer Ehe mit Lord Winter, und anders als die meisten anderen hatten sie sich nach dem plötzlichen Tod ihres unglücklichen Gemahls nicht der allgemeinen Hexenjagd auf sie angeschlossen, was in erster Linie daran lag, dass Lord Fowley und Lord Winter erbitterte Feinde gewesen waren.
„Sehr wohl, Mylady.“
Zuerst musste sie versuchen, François ausfindig zu machen. Das würde möglicherweise nicht ganz einfach sein, denn sie hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt für ihre Suche. Zwar hatte sie vom Comte de Rochefort erfahren, dass François eine andere Identität angenommen hatte und sich als Tuchhändler ausgab, aber sie kannte weder seinen Decknamen noch wusste sie, wo er sein Quartier bezogen hatte. Nun ärgerte sie sich, dass sie damals, als Rochefort sie auf François’ überstürzten Aufbruch nach London angesprochen hatte, ihm – enttäuscht, verletzt und wütend – so brüsk zu verstehen gegeben hatte, dass sie nichts mehr von ihm wissen wollte. Rochefort hätte ihr vielleicht noch Informationen geben können, die ihr jetzt nützen würden. Sei’s drum! Sie kannte genug Leute in London, denen nichts entging; gerade Lady Fowley war eine unverbesserliche Klatschbase, die aber unfehlbar alles über jeden in der Stadt wusste, dank eines weitgespannten Netzwerkes zahlreicher weiterer unverbesserlicher Klatschbasen, dessen Leistungsfähigkeit und Funktionalität Kardinal Richelieu vor Neid hätte erblassen lassen. Wenn irgendjemand etwas über einen jungen Mann wusste, der kürzlich wie aus dem Nichts in der Londoner Gesellschaft aufgetaucht war, dann sie. Charlotte lächelte zufrieden, während die Kutsche nun über die London Bridge fuhr, hinein ins Herz der Stadt.
Nach der Anmeldung geht es weiter!
Dieses Kapitel und viele weitere sind verfügbar für Mitglieder. Jetzt anmelden!
Noch kein Account? Jetzt registrieren!