Kapitel Calais
„Monsieur, je vous déconseille fortement d’entreprendre ce voyage. Si jamais vous arrivez à Paris, vous serez plus mort que vivant.“
François-Aurélien du Ponthou, Comte de Wardes, schüttelte unwillig den Kopf. Gewiss, in seinem Inneren teilte er die Bedenken des Wundarztes, der in den vergangenen fünf Tagen seine gesamte Kunst aufgeboten hatte, um ihm das Leben zu retten. Doch der Auftrag, den zu erfüllen er versäumt hatte, wog schwerer als die vier Degenstiche, die ihn beinahe das Leben gekostet hatten, und so drängte es ihn zum Aufbruch, obwohl er wahrlich noch nicht wieder im richtigen Zustand war, die weite Reise von Calais nach Paris zurückzulegen.
„Ich habe Euch nicht um Euren Rat gebeten, sondern darum, meine Verletzungen zu versorgen.“
„Ich tue mein Bestes, Monsieur.“ Der Arzt hatte den Verband um de Wardes’ Oberkörper entfernt und bepinselte die Stichwunden in Brust und Bauch mit einer Tinktur aus Heilkräutern, deren Geruch dem Comte Übelkeit verursachte. Er starrte verbissen an die Decke und versuchte, tief und gleichmäßig weiterzuatmen, doch es gelang ihm nicht, die grausige Erinnerung an das Gefühl zu verscheuchen, wie mit dem letzten coup seines Gegners die Degenklinge quer durch seinen Leib gedrungen war. Vor seinen Augen begann es zu flimmern, und er ließ sich kraftlos auf das schmale Bett zurücksinken.
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Kapitel En route
Endlich. Sie fuhren.
Das gedämpfte Rumpeln der Wagenräder betäubte seine Sinne, in gleichförmiger Eintönigkeit, ließ ihn zum wiederholten Male einnicken, doch jede Unebenheit, jeder Stein auf der sich schier endlos dahinziehenden, von holprigen Fahrrinnen zerfurchten Landstraße weckte den Schmerz von neuem und riss ihn aus dem Schlaf, trotz der weichen Kissen und Decken, mit denen sein Diener ihn vor der Abfahrt noch versorgt hatte.
Lubin saß neben dem Kutscher auf dem Bock, bis an die Zähne bewaffnet in seinen Mantel gehüllt, und auch im Wageninneren hatte er Degen und Pistolen seines Herrn für diesen griffbereit postiert, des verfluchten jungen Kerls und seines ebenso rabiaten Dieners eingedenk, die ihn auf dem Weg zum Haus des Gouverneurs so schmählich gedemütigt und den Herrn Grafen beinah getötet hatten! Solch ein schändlicher Überfall aus heiterem Himmel sollte kein zweites Mal von Erfolg gekrönt sein, dies hatte er sich und seinem Herrn geschworen! Und so ließ Lubin vom Kutschbock aus seinen Blick grimmig rings umherschweifen, in gespannter Aufmerksamkeit und beständigem Argwohn, ob sich wohl zwischen den Bäumen jenes Wäldchens, durch das der Wagen eben fuhr, oder hinter den Mauern der einsamen, heruntergekommenen Kaschemme am Straßenrand gefährliche Wegelagerer verbergen mochten –
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Kapitel Place Royale, No. 6
De Wardes war, seinen Rachegelüsten und seiner Sehnsucht nach Charlotte zum Trotz, vernünftig genug, nicht wieder aufs Pferd zu steigen, und so benötigten sie noch zwei volle Tage bis nach Paris. Als sie schließlich am Abend ihres fünften Reisetages durch die Porte Saint-Denis fuhren, drückte er seinem Diener zwei Billets in die Hand.
„Bring dieses zu Monsieur le cardinal und das andere zu Mylady de Winter. Und falls es irgend möglich ist, lass dir sofort eine Antwort geben. Ich muss beide sehen, je eher, desto besser.“
„Jawohl, Monsieur le comte!“, erwiderte dieser und nahm die beiden Billets submissest entgegen. Die Kutsche hielt mit sanftem Ruck, und Lubin schickte sich an, den Auftrag seines Herrn unverzüglich auszuführen.
„Nein, warte!“ Der Graf rief seinen Diener zurück, in plötzlichem Entschluss. „Begib dich ins Palais du Cardinal und überbringe Seiner Eminenz mein Schreiben! Lady de Winter jedoch werde ich selbst aufsuchen!“
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Kapitel Au Palais du Cardinal
„Ich bin hocherfreut, Monsieur le comte, Euch unter den Lebenden zu sehen!“, versetzte Richelieu trocken, als de Wardes, in der Residenz seines mächtigen Dienstherrn angelangt, dessen Audienzzimmer betrat. „Ich hoffe, Eure Rückreise nach Paris war einigermaßen erträglich?“
„Jawohl, Eure Eminenz!“, versicherte der Graf, die Augen niederschlagend, während er seinen verwundeten Körper unwillkürlich straffte, im Bemühen, jede mögliche Regung dumpfen Schmerzes sofort und im Keime zu ersticken.
Der Kardinal sah ihn an, ernst und beunruhigt. „Ich bin über die Vorgänge in Calais wohlunterrichtet!“, sagte er leise. „Ihr braucht mir daher die empörenden Umstände Eures beklagenswerten Unglücks nicht näher zu beschreiben. Seid versichert, Euren Widersacher wird die gerechte Strafe ereilen!“
„Eure Eminenz“, erwiderte de Wardes erregt, „ich gestehe, gerade um dies wollte ich Euch bitten! Doch nicht allein für mich, sondern ebenso in Lady de Winters Namen! D’Artagnan, der rohe Schurke, hat sie schändlich hintergangen und bedroht, ja, er hält womöglich gar ihr Leben nun in Händen! Ich bitte Euch, erlaubt mir, Rache an dem Schuft zu nehmen! Gewährt mir, mich mit ihm zu duellieren! Ich will ihn strafen, züchtigen, ihn seine Verbrechen büßen lassen, bei meiner Ehre, und wenn’s das Letzte ist, was ich hier auf Erden tue!“
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Kapitel La "Pomme de Pin"
Rochefort hatte sich umgehend auf den Weg gemacht, in der Rue des Fossoyeurs jedoch niemanden angetroffen. Als nächstes versuchte er sein Glück in der Rue Férou, wo, wie er wusste, der Musketier Athos wohnte, doch auch dieser war nicht zu Hause.
„Tant pis pour vous, Monsieur d’Artagnan“, knurrte er zwischen den Zähnen. „Dann muss ich Euch eben aus der Schenke holen!“ Kurze Zeit später stand er vor dem Gasthaus ‚La Pomme de Pin‘, aus dem Gesang und lautes Stimmengewirr drangen.
Der Comte stieß die massive Eingangstür auf und trat in den Schankraum, wortlos, die Linke auf den Knauf seines Degens gestützt. Sogleich verstummte aller Lärm an den Tischen, die Blicke der weinseligen Zecher, deren größter Teil blaue Kasacken trug, hefteten sich starr auf ihn, in ungläubigem Erstaunen - der Spürhund Seiner Eminenz hier im Revier der Musketiere?! Einer der Soldaten war schon drauf und dran, sich schwankend zu erheben, um dem Eindringling die Stirn zu bieten, doch seine Kameraden zogen ihn sofort wieder nieder auf die Sitzbank, unter enerviertem Zischen und mit finsterem Blick hin zum Comte. Unbeeindruckt, mit kühlem, verächtlichem Lächeln, schritt Rochefort auf den feisten Schankwirt zu. „Monsieur“, versetzte er sanft, „ich suche einen gewissen Monsieur d’Artagnan! Ich gehe doch richtig in der Annahme, dass er sich hier in Eurem Etablissement befindet, womöglich in Gesellschaft der Herren Musketiere Athos, Porthos und Aramis?“
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Kapitel Jardin du Luxembourg
Der folgende Tag verlief für alle am Duell Beteiligten in stetig zunehmender Anspannung, je näher der Abend rückte.
De Wardes hatte Charlotte noch einmal aufgesucht, um sie über seine Pläne in Kenntnis zu setzen und ihr seine Liebe zu versichern. Anders als er befürchtet hatte, versuchte sie nicht, wie Frauen es in Sorge um ihre Liebsten gewöhnlich taten, ihn zu beschwichtigen oder gar von seinem Vorhaben abzubringen - hätte sie ihn aus Angst um sein Leben angefleht, sich nicht zu duellieren, hätte er es kaum übers Herz gebracht, sich über ihren Wunsch hinwegzusetzen. Doch ganz im Gegenteil: Als er davon sprach, auch in ihrem Namen Rache an d’Artagnan zu nehmen, fiel alle engelhafte Sanftheit von ihr ab, und eine grimmige Anspannung ergriff ihren ganzen Körper. Scharfe Linien erschienen in ihrem schönen Gesicht, ein finsterer Ausdruck legte sich um ihren Mund und ihre blauen Augen wurden dunkel vor Hass.
„Venge-moi de cet infâme!“, murmelte sie, und er zuckte unwillkürlich zusammen, als sie seine Hand so fest drückte, dass es schmerzte.
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Kapitel Sur le terrain
Schließlich kehrte Athos mit seinen Freunden zu de Wardes und Rochefort zurück; er hatte Porthos und Aramis untergehakt, und obwohl Aramis’ Miene deutlichen Widerwillen ausdrückte, ließ er sich widerstandslos mitziehen.
„Monsieur“, sagte Athos, an de Wardes gewandt, „Ihr habt gehört, dass unser Freund d’Artagnan seine Missetaten zutiefst bedauert. Ich, als sein Sekundant, ersuche Euch daher, in Eurem Herzen abzuwägen, ob Ihr Euch imstande seht, ihm gnädig zu verzeihen und auf einen Waffengang zu verzichten.“
„Und Ihr habt gehört“, erwiderte Rochefort an de Wardes’ Statt, „dass Monsieur le comte ihm den Überfall in Calais vergibt, nicht aber sein impertinentes Verhalten gegenüber seiner Verlobten Lady de Winter, welches darüber hinaus auch Monsieur de Wardes zutiefst beleidigt! Es ist nur recht und billig, dass Monsieur d’Artagnan endlich einmal für sein unausgesetztes Fehlverhalten und sein egoistisches Handeln geradestehen muss! Und wenn Ihr Euch erfrechen wollt, dies zu verhindern, so wisst, dass Ihr dann als nächstes mit mir die Waffen kreuzen werdet!“
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Kapitel Au bout
Die Freunde sahen de Wardes und Rochefort zusammen den Schauplatz verlassen. Porthos warf einen Blick in den dunkelnden Himmel. „Wollen wir auch - ?“
Athos und Aramis nickten schweigend. D’Artagnan reagierte nicht, er stand da, mit leerem Blick, die Arme um den Körper geschlungen, als sei ihm kalt. Porthos ging zu ihm, fasste ihn am Arm und zog ihn mit sich. Keiner sprach ein Wort, während sie langsamen Schrittes den Jardin du Luxembourg verließen. Auf der Straße angekommen brach Porthos das Schweigen: „Ich weiß nicht, wie Euch ist, aber ich brauche jetzt ein Glas Wein. Seid meine Gäste!“
„Wein“, wiederholte Athos gedehnt. „Ja, ich glaube, danach ist uns jetzt allen zumute. Habt Dank, Porthos, wir nehmen Eure Einladung gerne an.“ Er blickte seine Freunde an, d’Artagnan nickte scheu, Aramis kreuzte abwehrend die Arme vor der Brust. „Ich wüsste nicht, was es zu feiern gibt!“, erwiderte er barsch, ohne jedes Bemühen, seine Ablehnung wie sonst in höfliche Worte zu kleiden.
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Kapitel La fuite
Ziellos, in kaum bezähmbarer Ungeduld, lief Charlotte in ihrem exquisiten und in erlesenstem Geschmack möblierten Boudoir auf und ab wie eine zutiefst gereizte Löwin. Oh, wie sie dieses untätige Warten hasste! Die Sonne war untergegangen, der Abend hereingebrochen - nun musste es sich endlich erweisen, in klarer Gewissheit, ob das Duell siegreich vorüber, ihre Rache glücklich vollzogen war! Oh, die Vergeltung musste gelingen, der verfluchte Gascogner durfte niemals triumphieren! Sein Los war der Tod! Und mit ihm sollte auch ihr schreckliches Geheimnis in finsterste, schwärzeste Grabesnacht sinken, das Wissen um ihr Brandmal, das der Unverschämte so schändlich enthüllte!
Sie holte krampfhaft Atem und trat an ihre Kommode - ein kostbar geziertes Stilett lag darauf, mit edelsteinbesetztem Knauf und feiner damaszierter Klinge - sie ergriff es, ihre Finger schlossen sich so fest um die goldziselierte Waffe, dass die Knöchel weiß hervortraten. Warum war sie nicht imstande gewesen, jene Kanaille mit eigenen Händen zu erledigen, warum hatte diese Klinge hier den infamen Schuft verfehlt, als er ihr, frech und in herausforderndem Wagemut, seinen unverschämten Betrug grinsend offenbarte?!
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Kapitel Londres
Monsieur le comte,
ich danke Euch für Eure Nachricht und bin erfreut zu hören, dass Ihr dieses Mal wohlbehalten Euer Ziel erreicht habt und bereit seid, Eure Aufgabe wahrzunehmen.
Es dürfte Euch bekannt sein, dass die Aufnahme feindlicher Handlungen unmittelbar bevorsteht. Vor diesem Hintergrund ist es von höchster Wichtigkeit, dass Ihr umgehend Eure Tätigkeit aufnehmt. Insbesondere gilt es herauszufinden, ob man entschlossen ist, zugunsten der Hugenotten militärisch zu intervenieren. Ich ersuche Euch, umgehend den Standpunkt des Herrschers und des Ersten Ministers zu sondieren und mir darüber Bericht zu erstatten…
De Wardes ließ den Brief sinken, den ihm Seine Eminenz Kardinal Richelieu durch einen Kurier hatte zukommen lassen. Sein Blick schweifte gedankenverloren durch den noch spärlich möblierten Salon hinüber zum Fenster, durch das blasses Sonnenlicht drang. Er stand auf, trat ans Fenster und blickte hinaus auf die Themse. Feiner Dunst lag über dem Fluss und hüllte die Brücken und das gegenüberliegende Ufer in einen durchsichtigen grauen Schleier.
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