Herz und Seele Frankreichs von RoostersCromedCDF
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 1 BewertungenKapitel Kapitel 11
Der Pitbull warf noch einen letzten Blick auf Aramis, „Wir sehen uns gleich, du dreckiger Parasit!“, ätzte Kleindienst zurück in die Zelle, ehe er ausspuckte und die Tür hinter sich zuschlug.
Aramis hatte seinen Kopf gesenkt, um die Wut, die mittlerweile seine Angst vollständig verdrängt hatte, zu verbergen. Er hatte die Szene, die sich gerade vor ihm abgespielt hatte, kaum fassen können und seine Achtung vor Constance stieg ins Unermessliche. Es war ihm ein absolutes Rätsel, wie diese Frau in eine Rolle hineinschlüpfen konnte und so darin aufging, dass selbst ein Kaliber wie Kleindienst ihr aus der Hand fraß und nicht ihre wahren Absichten dahinter durchschaute. Ihm dämmerte, dass Constance hier jeden Tag aufs Neue ihr Leben riskierte, womöglich auf gefährlichere Weise als er oder seine Brüder es jemals vermocht hätte. Oh ja, er wusste in demselben Moment, warum D’Artagnan diese Frau so sehr liebte! Es machte Aramis wütend, dass Constance sich dermaßen erniedrigen musste, einen Mann wie Kleindienst auf solche Weise zu umgarnen. Aber er hatte sich im Griff gehabt und alles, was er Kleindienst gezeigt hatte, war lediglich der verletzte und geschlagene Mann, der vor Kälte und Schmerzen zitterte.
Nun ja, das war nicht die schwerste Übung!, dachte Aramis bitter.
Seine Gedanken wanderten wieder zurück an dieses völlig unerwartete Geschenk des Himmels. Er konnte immer noch nicht begreifen, dass Constance hier gewesen war und es war ihm hier und jetzt gleichgültig, dass sie ihre Spionagetätigkeit für Ludwig vor ihnen verheimlicht hatte. Er verstand nur zu gut, dass dieser verdammte Krieg von jedem von ihnen ein Opfer forderte, das nur allzu oft auf Kosten von Vertrauen und Ehrlichkeit ging. Aber der Trost, den sie ihm gerade gespendet hatte, legte sich wie Balsam auf seine Seele und diese wenigen Momente mit ihr hatten ihm ein wenig Kraft verliehen und das Gefühl, hier nicht mutterseelenallein zu sein.
Als Aramis aufblickte, hatte das frühe Licht des Tages die Zelle ein wenig erhellt und er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er sich der Dunkelheit dieser Hölle erneut würde stellen müssen. Er hatte sich nicht getäuscht, es dauerte nur wenige Minuten bis Kleindienst und drei weitere Sturmmänner zurückkamen, um ihn zu holen. Aramis hatte sich, sobald er ihre Schritte gehört hatte, langsam mit seinem Rücken die Wand hochgeschoben, um ihnen zumindest stehend in die Augen blicken zu können.
Kleindienst grinste schal, er hatte wohl durchaus Aramis Intention verstanden, reagierte aber nicht weiter darauf. Mit einem Nicken befahl er seinen Männern, ihn in die Mitte zu nehmen und den Kreuzgang entlang zurück in das Verhörzimmer zu bringen. Sie wählten diesmal nicht die erste gläserne Tür, die in die ehemalige Kapelle führte, sondern gleich die hintere und geleiteten ihn die 3 Stufen hinunter in den schäbigeren Teil. Thernes erwartete sie bereits, auf seinem Rollsessel sitzend. Aramis entging nicht, wie entspannt und ausgeruht er aussah, trotz der frühen Morgenstunde.
Die Sturmmänner platzierten Aramis auf einem weiß lackierten Metallsessel und fesselten ihn hinter der Lehne mit Handschellen, die sie trotz der Bandagen an seinen Händen und Handgelenken äußerst festzogen.
Der Raum war deutlich wärmer als die Räume, in denen Aramis die letzten Stunden verbracht hatte und er fror zum ersten Mal seit Stunden nicht mehr, bis auf seine nackten Füße, die nach wie vor die Kälte des alten Steinbodens anzogen. Die Wärme, die ihn durchströmte, könnte aber auch am beginnenden Fieber liegen, so genau wusste Aramis es nicht.
„Ich sehe, Sie konnten sich ein wenig erholen!“
Aramis merkte, dass Thernes ihn von oben bis unten musterte und zufrieden nickte.
„Das Fräulein Konstanze hat sich um dieses Ungeziefer gekümmert, so wie Dr. Rausch es angewiesen hat!“, ergänzte Kleindienst von der Treppe her Thernes Überlegungen.
Thernes drehte sich abrupt um. „Fräulein Konstanze ist schon hier? Sie hat mit Dr. Rausch gesprochen?“
„Jawohl, Herr Hauptkommissar!“
Aramis sah für einen kurzen Moment einen seltsamen Ausdruck über das Gesicht von Thernes laufen und ihm kam es so vor, als würde Thernes die Antwort Kleindiensts irritieren. Doch dieser Moment war sogleich wieder vorüber und Thernes wandte sich wieder mit einem unverbindlichen Plauderton, ganz so, als wäre diese Situation die normalste der Welt, an Aramis.
„Nun gut, wenn es Ihnen wieder besser geht, dann können wir ja unsere Unterhaltung fortführen, sofern Sie das möchten!“
Eigentlich nicht, dachte Aramis, verkniff sich aber eine laute Antwort, sondern hielt lediglich Thernes Blickkontakt. Die Art und Weise, wie dieser seufzte und die Frage gestellt hatte, verriet Aramis, dass Thernes sich auch keine wirkliche Antwort von ihm erwartet hatte.
„Also gut, lassen Sie es uns noch einmal versuchen: Wo sind ihre Scharfschützenstellungen in Paris verteilt?“
Aramis schwieg weiterhin und er signalisierte Thernes damit deutlich, dass er nicht einmal darüber nachdenken wollte, eine Antwort zu geben.
„Wo ist der König?“, versuchte Thernes es erneut.
Auch jetzt verzog Aramis lediglich ein wenig den Mund und hielt beinahe trotzig den Blick von Thernes stand. Natürlich wusste Aramis, dass er dadurch Thernes reizte und dass dies in seiner Lage wohl das Letzte war, was er wollen sollte. Er fürchtete nach wie vor, dass Thernes seine Methoden haben würde, um ihn doch irgendwann zum Reden zu bringen. Seit Constance ihm indirekt bestätigt hatte, dass Thernes die Palette an Handlungsoptionen noch lange nicht im wahrsten Sinn des Wortes ausgeschlachtet hatte, war ihm klar, dass er hier lediglich auf Zeit spielte, aber diesen Dienst würde er seinen Brüdern erweisen, auch wenn er ein beklommenes Gefühl der Unausweichlichkeit hatte.
Thernes kräuselte verstimmt seine Lippen und legte den Kopf ein wenig schief, während er Aramis musterte. Aramis konnte sich nur vorstellen, was er sah. Seine Prellungen, die sich vermutlich von seinem Gesicht über den Hals zogen, um unter dem schmucklosen braunen Hemd zu verschwinden, seine dunklen Augenringe, seine verklebten Locken, die ihm immer wieder ins Gesicht fielen und wahrscheinlich auch die tiefe Erschöpfung und das lauernde Fieber. Sein Anblick schien Thernes zu gefallen, denn er wirkte seltsam erregt.
„Ich sehe, wir kommen hier nicht wirklich voran.“, stellte Thernes jetzt trocken fest. „Sie benötigen einen nachdrücklicheren Anreiz, nicht wahr?“, fragte er rein rhetorisch in einem völlig neutralen, beiläufigen Ton und nickte Kleindienst zu.
Aramis sah das schmutzige Grinsen, das Kleindienst Gesicht überzog und blitzartig stieg die mühsam unterdrückte Furcht in ihm auf, als der Rottenführer mit einem Messer, das er aus einem Holster gezogen hatte, auf sich zukommen sah. Kleindienst Ausdruck war eine Maske der Bösartigkeit, als er das lange, spitze Messer direkt an Aramis' Brustbein ansetzte und den Druck immer mehr erhöhte. Aramis spürte, wie es die Haut durchschnitt, als wäre sie Papier und zuckte unwillkürlich zurück.
Als hätte Kleindienst auf diese Reaktion gewartet, ließ der Druck augenblicklich nach und die Scheide des Messers fuhr mit einem Ruck die Knopfleiste seines braunen Hemdes entlang und schnitt es in einer Bewegung auf. Aramis konnte fühlen, wie ein kleines Blutrinnsal über seine mittlerweile vollständig entblößte Brust lief. Aramis weigerte sich, nach unten zu blicken, stattdessen fixierte er mit seinem Blick Kleindienst, um wenigstens ein klein wenig erahnen zu können, was er mit ihm vorhatte. Er versuchte, sich zu sammeln und schluckte schwer, als Kleindienst hinter ihn trat, doch der Gestapo-Mann nahm ihm lediglich die Fesseln ab und bugsierte ihn grob zu einer der dicken Steinsäulen. Aramis' Arme wurden in die Höhe gerissen und mit den Handschellen an den Eisenringen, die die Säule umspannten, fixiert.
Es war eine unangenehme Position, zumal die Basis der Säule deutlich breiter war als ihr Kapitell. Seine Wange wurde an den rauen Stein gepresst und als sein Blick nach unten fiel, erkannte er, dass das, was er gestern noch für Rost gehalten hatte, ihn Wahrheit getrocknetes Blut war. Aramis atmete bei dieser Erkenntnis scharf ein und spannte sich unwillkürlich an.
Da Aramis durch die Fesselung gezwungen war, zur vernagelten Fensterfront zu schauen, konnte er unmöglich sehen, was Thernes hinter ihm machte, doch er hörte, wie dieser mit seinem Rollsessel nach hinten fuhr und der Vorhang, der den Alkoven verbarg, zur Seite geschoben wurde. Aramis hörte, wie Thernes mit Gegenständen, die er sich nicht einmal vorstellen mochte, klapperte und schepperte und er hatte die dumpfe Vorahnung, dass der Kommissar ihn damit umso mehr auf die Folter spannen wollte – Welch beschissenes Wortspiel!, schoss es Aramis durch den Kopf.
Thernes schien schließlich gefunden zu haben, was er gesucht hatte, denn Aramis konnte die schweren Schritte, die dieser jetzt auf ihn zumachte, beinahe körperlich spüren. Er spannte sich unwillkürlich an!
Aramis blieb beinahe das Herz stehen, als Thernes sich plötzlich von hinten an ihn presste und er spürte, wie dieser Mistkerl seinen Schoß an seinem Becken rieb. Aramis versuchte verzweifelt, jedoch erfolglos, sich dem Druck des verhassten Mannes zu entziehen und versteifte sich noch mehr.
Doch Thernes kam immer näher und hauchte ihm mit anzüglicher Stimme ins Ohr: „Ein letztes Mal – Sagen Sie mir, wo sich die Stellungen der Scharfschützen befinden!“
Aramis blieb ihm die Antwort schuldig, weniger aus Frechheit als vielmehr aus Entsetzten, als sich Thernes unvermittelt von ihm weg schob. Erleichterung durchflutete Aramis, dass dieser Kelch an ihm vorüber gegangen war. Angespannt wartete er, was Thernes als Nächstes tun würde, doch nichts geschah! Sekunden dehnten sich zu Stunden und Panik breitete sich wie ein Steppenbrand in Aramis aus. Er schloss verzweifelt die Augen und presste seine Wange an den kalten Stein. Sein Herz raste mittlerweile und die Angst hatte sich wie ein schwarzes Gespinst um seine Seele gelegt. Er empfand mittlerweile jeden Atemzug als Zeuge seiner Verletzlichkeit und ohne es bewusst zu wollen, formten seine Lippe ein tonloses Gebet: „Santa María, Madre de Dios, ruega por nosotros pecadores, ahora y en la hora de nuestra muerte…“
Der Schmerz kam so blitzartig, so überwältigend heftig und scharf, dass Aramis für einen Moment vollständig die Luft wegblieb. Nach wenigen Sekunden gelang es ihm schließlich stöhnend einzuatmen, als bereits der nächste Schmerz den vorherigen überdeckte. Er biss sich auf die Lippen, um nicht laut zu schreien, er konnte jedoch nicht verhindern, dass sich ein dumpfes Grollen seinen Weg gebahnt hatte. Sein Verstand suchte fieberhaft nach einer Erklärung für diesen schneidenden Schmerz, während seine Nerven in Flammen standen. Ihm schien es, als würde die Haut von seinem Rücken gerissen werden und blankes Fleisch zurücklassen. Drei weitere Schmerzexplosionen folgten und dann war es endlich vorbei. Aramis hatte sich soweit es ging an die Säule gepresst, seine Hände zu Fäusten geballt, während er mühsam seine Atmung unter Kontrolle zu bringen versuchte. Er fühlte, wie warmes Blut seinen Rücken entlang rann und der Schmerz zugleich im Rhythmus seines Herzschlages pulsierte.
Aramis konnte nicht wissen, dass gerade ein Ochsenziemer 5 fingerdicke, zum Teil aufgerissene Striemen in einer rudimentären Sternform auf seinem Rücken hinterlassen hatte. Er konnte nicht wissen, wie sehr Thernes diese Form des Verhörs liebte, besonders seit ihm der Führer persönlich einen seiner kostbaren Auerochsen hatte schießen lassen.
Thernes erinnerte sich gerne an den Ausflug nach Bialowieza an der nordöstlichen Grenze des Großdeutschen Reichs, wo Göring im Auftrag Hitlers den germanischen Auerochsen wieder hatte auferstehen lassen wollen. Wen kümmerte es da, dass Wehrmachtssoldaten zum Zwecke der Säuberung mehr als 100 Dörfer niedergebrannt und 7000 Menschen getötet, vertrieben oder deportiert hatten. Die Anstrengungen hatten sich für Thernes zumindest aus Jägersicht gelohnt, denn der ursprüngliche Wald war zum idealen Lebensraum der alter Stierrassen und wilden Tarpanen geworden und die hohe Aggressivität der Tiere hatte die Jagd tatsächlich zu einem besonderen Ereignis gemacht. Thernes hatte an diesem Tag einen prächtigen Stier erlegen dürfen und er hatte, nachdem er Teile der bluttriefenden, warmen Leber gegessen hatte, höchstpersönlich den über 1m langen Penis aus dem Kadaver herausgelöst und ihn zu einem der besten Präparatoren nach Berlin gebracht. Dieser hatte ihn sorgfältig getrocknet und präpariert, nicht ohne vorher die Eichel so zu verflachen, dass sie in fertigem Zustand beinahe messerscharfe Kanten vorweisen konnte. Das andere Ende des Ziemers wurde sorgfältig mit Lederbändern umwickelt, damit ein geschmeidiger Griff entstand. Thernes war immer wieder hingerissen von den Möglichkeiten, die der Ochsenziemer eröffnete!
Aramis zitterte inzwischen am ganzen Körper, ob vor Schock oder aufgrund der Schmerzen, die sich in seinen Rücken fraßen, wusste er nicht. Jeder Atemzug bereitete ihm Mühe und er wünschte sich verzweifelt, dass das flammende Brennen aufhören würde. Er hatte nicht mitbekommen, dass Thernes sich bewegt hatte, aber plötzlich stand er in seinem Gesichtsfeld, den blutigen Stock, Peitsche, Was zur Hölle war das? locker in seiner Hand hin und her pendelnd.
Thernes beugte sich ganz nah an ihn heran, Aramis konnte seinen Atem spüren und die weit offenen Pupillen sehen, die dessem Gesicht einen teuflischen Ausdruck verliehen.
„Und nun, mein lieber kleiner Soldat, nun wirst du mir sagen, wo genau die 6 Lastwagen hingefahren sind!“, flüsterte er Aramis ins Ohr.
Aramis war völlig verwirrt und glaubte, sich verhört zu haben. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich die Bedeutung der Worte ihren Weg durch den Nebel seines Schmerzes in sein Bewusstsein gebahnt hatten und als er endlich verstand, blieb Aramis beinahe das Herz stehen. Es konnte nicht sein! Es war völlig unmöglich, dass Thernes von jener Nacht wissen konnte und die bittere Erkenntnis, dass er von irgendjemanden aus seinem Umfeld verraten worden war, schmerzte in diesem Moment beinahe mehr als sein geschundener Körper!