Histoires de lettres von kaloubet und Aramis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 11 BewertungenKapitel Lettre d`Aramis
Aramis stand am Fenster seines behaglich eingerichteten Gemaches im Konvent der Societas Jesu zu Noisy-le-sec und blickte gedankenvoll hinaus in die weite, sonnendurchflutete Landschaft - ja, nun schien sich endlich eine sichere Lebensbahn für ihn geöffnet zu haben, ein klares Ziel vor seinem geistigen Auge Gestalt anzunehmen! Genug der Irrfahrten, der haltlosen Träume, Chimären und märchenhaften Luftschlösser, die er als Jüngling in poetischem Überschwang gebaut und ebenso vehement wieder niedergerissen hatte! Er war nunmehr, nach all dem mühseligen Herumgekrieche in den Niederungen des irdischen Daseins, mit Sicherheit auf dem richtigen Weg, dies fühlte er ganz deutlich! Und doch - wenn nur diese subtilen Zweifel nicht wären, die leise, sanft drängende Stimme in seinem Innern, die die Vergangenheit nicht zur Ruhe kommen ließ -
Brüsk wandte er sich um. Ja, er musste zugeben, das geräumige Zimmer, in welchem er nun lebte, glich kaum dem geistlichen Refugium eines geweihten Priesters! Im Gegenteil, man konnte bei dessen Anblick wähnen, unversehens in die militärische Unterkunft eines Soldaten geraten zu sein, so martialisch wirkte sein Ambiente! Als ob der Bewohner dieses Raumes sich nach wie vor mitnichten imstande sähe, seinem früheren Leben als Musketier des Königs abzuschwören -
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Kapitel Première réponse d´Athos
„Raoul, bitte, gib mir das Papier!“
„Ga…“, der kleine Junge, der gerade einmal acht Monate zählen mochte, wedelte erfreut mit einem zerknüllten Papierstück herum. Er saß auf dem Schoß seines Vaters, der sich an seinen Schreibtisch gesetzt und eigentlich vorgehabt hatte, auf den Brief seines Freundes zu antworten. Doch dieses Unterfangen wurde durch die Anwesenheit dieses kleinen, putzmunteren Kerlchens erschwert, das nicht gewillt war, die Aufmerksamkeit seines Vaters mit einem Papier zu teilen. Er hatte sich das Briefpapier geschnappt, erkundete nun interessiert seine Textur und entdeckte begeistert, dass es wunderbar knisterte, wenn man es zerknüllte.
„Nein, mein Freund.“, erklärte Athos geduldig, aber mit einer gewissen Strenge in der Stimme. „Das ist der letzte Pergamentbogen, den ich habe, den bekommst du nicht. Schau, hier …“, er schwenkte eine bunte Puppe vor den Augen seines Sohnes, der auch bereitwillig danach griff, wodurch der Papierbogen zu Boden segelte. Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens, weil er seinen unschuldigen Sohn ein wenig hinterging, aber auch Erleichterung, weil es wirklich der letzte Bogen war, bückte sich Athos, setzte Raoul auf den Boden und hob das Papier auf. Es war nun ein wenig feucht und knittrig, aber durchaus noch beschreibbar und der Graf seufzte erleichtert auf. Er wollte Aramis´ Brief so schnell als möglich beantworten, zu groß war seine Freude gewesen, endlich wieder Nachricht von diesem besonderen Freund zu bekommen. Da konnte er nicht warten bis Grimaud in Blois neues Briefpapier besorgt hätte, da musste dieser letzte Bogen herhalten, auch wenn ihm anzumerken war, dass sich der Haushalt Bragelonne um einen kleinen Störenfried erweitert hatte. Er blickte nachdenklich zu seinem Sohn, der nun friedlich auf dem Teppich zu seinen Füßen saß und mit der Puppe und den bunten Flicken spielte, die Céline, die Magd, ihm überlassen hatte. Obgleich … ob er die Umstände, die zu Raouls Anwesenheit hier geführt hatten, so einfach und ohne Umschweife seinem Freund mitteilen konnte? Hier war wohl eine gewisse Diplomatie vonnöten, doch war Diplomatie im Umgang mit seinen Freunden noch nie seine Stärke gewesen. Er runzelte die Stirn und griff zur Feder …
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Kapitel Soupçons
Mon cher Athos -
Aramis hielt inne und schloss die Augen, während die Feder in seiner Rechten reglos überm Blatt Papier verharrte. Wie seltsam! Er konnte sich wahrhaftig nicht erinnern, beim Schreiben jemals um Worte verlegen gewesen zu sein. Doch der Brief seines Freundes, so sehnlichst erwartet und dennoch so beklommen geöffnet, hatte ein Gefühl in ihm geweckt, das er längst überwunden und begraben geglaubt hatte. Mit einem Mal standen sie wieder vor seinem inneren Auge, die blühenden Wiesen und Wälder seiner Kindheit, drangen die altvertrauten, lang vergessenen Klänge an sein Ohr - das Rauschen der Waldbäume, das Plätschern des Baches, das Zirpen der Grillen im wogenden, duftenden Sommergras - und er, René, lag unterm strahlend blauen Himmel, ans weiche, warme Fell des einzigen Freundes seiner Kindheit, des Hofhundes Ponto geschmiegt, und sah die weißen Wolkenschiffe hoch über sich hinwegziehen, in weite, goldene Fernen -
Aramis holte tief Atem, fuhr sich mit der linken Hand enerviert über Stirn und Augen und senkte die Feder erneut ins Tintenfass. Nein, er wollte nicht mehr daran denken, das war endgültig vorbei. Solche Träume führten zu nichts, das Paradies war verloren, für immer verschlossen, man hatte ihn daraus vertrieben, damals als Kind, und ihn erbarmungslos unter die Menschen geworfen, wie einen abgeschiedenen Geist, verwunschen und fern von seinesgleichen. Es blieb ihm nur eins, nämlich, sich zu ermannen, nach vorne zu blicken und in die Welt zu ziehen, gegen Wind und Wetter, und kein Weg würde ihn zurückführen, ins wundersame, traumverlorene Reich seiner Kindheit -
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Kapitel Certitude
Obgleich es noch nicht sehr spät am Abend war, stand die Sonne schon recht tief über dem Dach des Schlösschens, und die kreisenden Tauben nahmen sich aus wie flatternde Schattenrisse. In Erwartung des Frühlings einander eifrig umgurrend, umschwärmten sie die beiden kleinen Türmchen und in ihre heiseren Rufe mischte sich das fröhliche Pfeifen der Spatzen, die begannen, erste Nester zu bauen. Doch der Mann, der gerade die Lindenallee hinaufging, die zum Schloss führte, hatte kein Auge für die gefiederten Frühlingsboten, seine Stiefel und Kleider waren schlammbedeckt, seine langen Haare nass und zerzaust und auf seinen bleichen Zügen lag Erschöpfung, gemischt mit ein wenig Stolz. Denn zu dem Anwesen gehörte eine Mühle, die Athos erst vor einem Jahr mit Hilfe eines alten Müllers wieder in Stand gesetzt hatte und die nun das Korn seiner Bauern mahlte und sie von den Mühlen seiner Nachbarn unabhängig machte – oder machen sollte, denn irgendetwas hatte sich wohl in der letzten Nacht unter dem Mühlrad verfangen und es blockiert. Der Müller war am frühen Morgen mit diesem Problem zu ihm gekommen und sie hatten sich den ganzen Tag abgemüht, es mit Stangen versucht, einen Jungen ins Wasser geschickt, der aber prustend wieder aufgetaucht war und erklärt hatte, er sehe dort unten nichts, am Mühlrad gedreht, doch nichts hatte gefruchtet. Bis Athos sich schließlich entnervt bis aufs Hemd ausgezogen hatte und unter den staunenden Augen der Dorfbewohner, für die die Anstrengungen der Männer eine spannende Abwechslung waren, selbst ins Wasser gesprungen war. Der Junge hatte Recht gehabt, in dem dämmerdunklen Grün, das dort unten herrschte, war nichts zu sehen. Außerdem war das Wasser jetzt im März noch bitterkalt, so dass er schon nach wenigen Minuten weder Füße noch Hände mehr spürte. Und doch brauchte er die Hände, denn da er nichts sah, musste er ertasten, was sich unter dem großen Rad befand. Er hatte mehrere Versuche benötigt, da war zuerst nichts, nur Schlamm und Modder, dazwischen Zweige und andere Dinge, von denen er nicht unbedingt wissen wollte, was es war, die aber zu klein waren, um das Rad zu blockieren. Da plötzlich, als er fast schon aufgeben wollte, weil er so erfroren war, weil seine Hände schon so zitterten, dass sie fast nicht mehr zu gebrauchen waren, da ertastete er ganz am Rand des Rades, zwischen der Mauer und dem Holz, einen Fuß. Einen kleinen Fuß, den Fuß einer Geiß, die ins Wasser gerutscht war und sich nicht mehr befreien hatte können. Er war wieder aufgetaucht und gemeinsam hatten sie ein Seil an der Geiß befestigt und das tote Tier schließlich mit vereinten Kräften und unter dem Hurra der Zuschauer nach oben gezogen. Die Bauern hatten ihm auf die Schultern geschlagen, hatten ihm Schnaps angeboten, eine wärmende Decke, hatten ihn nach Hause bringen wollen, was er abgelehnt hatte, es war nicht weit und sie hatten ihr Tagwerk zu beenden, doch nun klapperten ihm die Zähne und er freute sich auf ein heißes Bad, eine gute Suppe und ein warmes Bett, wenn möglich in dieser Reihenfolge. Da kam ihm auch schon Grimaud entgegen, mit einem sorgenvollen Ausdruck auf dem Gesicht und einer Decke. Er legte sie ihm mit einem vorwurfsvollen Seufzer um die Schultern, der eine ganze Litanei von besorgten Vorhaltungen enthielt, doch Athos warf seinem Diener nur einen scharfen Blick zu und dieser hob, reichlich unbeeindruckt, die Achseln. Mit einem Augenrollen erkundigte sich der Graf: „Bad?“
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Kapitel Réveil
Er hörte seinen Hund bellen, ausdauernd, so wie es Hunde tun, vor deren Augen eine Katze unerreichbar sitzt und sich mit lasziver Ausdauer und in der Gewissheit, in Sicherheit zu sein, die Pfoten leckt. Doch wenn er ihn so laut bellen hörte, dann musste er schon frei gelassen worden sein, denn die Nächte verbrachte er im Zwinger. Und wenn er frei gelassen worden war, dann war es schon lange nach sechs Uhr. Auch die anderen Geräusche im Haus deuteten darauf hin und nicht zuletzt die Sonne, die hell durch das Fenster schien, dessen Vorhänge sie gestern vergessen hatten zu schließen. Wie spät mochte es sein? Normalerweise stand er auf, wenn es Tag wurde, im Moment also gegen sechs Uhr, doch heute hatte er anscheinend verschlafen. Was verständlich war, wenn man bedachte, wann sie endlich eingeschlafen waren.
Er lächelte und streckte sich ein wenig unter der Decke, wohlig entspannt wie schon lange nicht mehr. Es war so schön gewesen, diese Nacht, sie waren zuerst übereinander hergefallen wie Verhungernde über einen Bissen Brot, hatten sich dann neu entdeckt, zärtlicher, liebkosender, hatten beide gemerkt, dass der, den sie in den Armen hielten, derselbe und doch ein ganz anderer war, dass sie beide älter, sanfter und ja, liebevoller geworden waren, herbstliches, warmes Feuer statt heißer, roter Feuersbrunst.
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