Kapitel Einsicht
Kardinal Jean Armand Duplessis de Richelieu stand vor einer schwierigen Wahl: Auf dem Tisch in dem Zimmer, das er als Arbeitskabinett beschlagnahmt hatte, hatten die Diener des Hauses ein reichhaltiges Frühstück aufgefahren, und obwohl er normalerweise nur sehr leicht frühstückte, fing sein Magen angesichts der reichhaltigen Auswahl vernehmlich zu knurren an. Sollte er nun seine spartanische Gewohnheit über Bord werfen oder sich mit einer Tasse heißer Milch und einem Brötchen begnügen? Letzteres wäre fast eine Beleidigung des Hausherrn, der nicht an Wurst, Fleisch, Eiern und Käse gespart hatte, wie die Berge auf dem kleinen Tisch bewiesen. So ließ sich Richelieu schließlich seufzend nieder und zuckte mit den Schultern: „Bleiben wir diplomatisch, zumal wir heute nicht mehr weiterreisen werden“, er reichte seinen Teller Rochefort, der neben dem Tisch stand, „legt mir Schinken und Ei darauf, ich bitte Euch.“
Der Graf runzelte prompt die scharfgezeichneten Brauen und verzog seine schmalen Lippen zu einem sarkastischen Lächeln. Diese subtile Zumutung sah Richelieu wieder einmal ähnlich! Parbleu, seit jenem versuchten Attentat auf den Herrn Kardinal zu Fleury versah er, Rochefort, nicht nur seine üblichen Pflichten als herzoglicher Stallmeister und Geheimdienstchef Seiner Eminenz, sondern verrichtete nun aus Sicherheitsgründen permanent auch die Dienste eines selbsternannten Leibwächters, ebenso wie diejenigen eines persönlichen Kammerdieners und Mundschenks! Teufel noch eins! „Monseigneur,“ erwiderte er anzüglich, während er an den Tisch trat und demonstrativ das Silberbesteck ergriff, „bitte verzeiht, wenn ich mir folgende Bemerkung erlaube: Schinken und Ei erweisen sich, besonders in Kombination mit Käse und sonstigen Fleischwaren, erfahrungsgemäß als äußerst sättigend bis höchst schwer verdaulich. Ein Magen, welcher jedoch seit langem gewohnt ist, morgens nur ein ganz leichtes Frühstück aufzunehmen, könnte sich durch das unvermutete Brechen dieser gesunden Regel nur zu rasch in seiner Kapazität empfindlich überfordert fühlen! Doch Natron soll bei Sodbrennen helfen, habe ich gehört.“
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