Juliherausforderung 2004 von Silvia
Durchschnittliche Wertung: 3.5, basierend auf 6 BewertungenKapitel Juliherausforderung 2004
Sozusagen zum "Vorbereiten" kommt hier schon einmal die Herausforderung für den Monat Juli 2004. Folgende Aufgabe habe ich mir für Euch ausgedacht:
Baut aus fünf beliebigen, möglichst unterschiedlichen Leseproben (zu finden sind sie hier) eine Geschichte. Natürlich soll die Geschichte nicht nur aus den Leseproben zusammengesetzt sein, sondern auch noch ein bißchen "Füllwerk" drumherum aufweisen. Die Reihenfolge der Leseproben ist egal.
Ich bin gespannt auf Eure Ergebnisse.
P.S. Falls ein Autor nicht möchte, daß die Leseproben seiner Geschichten derartig "mißbraucht" werden, einfach eine kurze Notiz hier als Review anhängen, die anderen Autoren wissen dann, welche Leseproben sie nicht nehmen dürfen.
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Kapitel Das Turnier von
Anmerkung
:
Es gibt sicherlich viel zu dieser Herausforderung vorneweg zu sagen, aber das verschiebe ich besser auf unten. Hier will ich nur drei Dinge erwähnen, die ich für diese Geschichte fürchte:
1. Die Kritiken der (zahlenmäßig überlegenen) Athos-Fans,
2. Dass es nötig sein könnte, eine OOC-Warnung hinzuzufügen,
3. Dass die Geschichte mit ihrem diversen Unwahrscheinlich- aber dennoch Möglichkeiten nicht gefallen könnte.
Die Leser mögen beurteilen, wir sehen uns dann am Ende. ;)
Das Turnier
Abenddämmerung tauchte die Wiesenlandschaft in verräterisches Zwielicht. Schatten krochen aus ihren Verstecken und reckten ihre Finger gierig bis an den Saum des zurückweichenden Lichtes - Wie sehr es sich auch bemühte, die Dunkelheit war stets zuerst da. Bald schon verblasste der letzte schwache Sonnenstrahl am Horizont und die Ebene wurde gefangen im Dunkel. Mit der Nacht kamen Stille und Einsamkeit und harrten vertraut aneinandergeschmiegt dem nächsten Morgen.
Am Mittag noch hatte alles ganz anders gewirkt. Die abgeernteten Äcker und Felder um Paris herum waren voller Leben gewesen, voller Menschen, die sich hier zahlreich versammelt hatten, um ein großes Fest zu begehen, sich zu amüsieren und Abends in ihre Häuser zurückzukehren. Trubel und Heiterkeit hatten regiert, hatten die Festspiele bestimmt, hatten keine schlechte Stimmung in der bunten Menge zugelassen. Man hatte sich an Schaustellern und ihren Spielen belustigt, war flaniert, hatte kandierte Äpfel gekauft, in guter Stimmung sogar dem Bettler eine Münze zugesteckt und dann die "Ritter" beim Turnier angefeuert.
Jetzt waren die Wiesen verlassen, die Stände und Buden fest verschlossen, die Wege nicht länger befahren sondern bar jeder Menschenseele. In der Mitte des Festplatzes, wo der Boden durch viele Pferdehufe besonders aufgewühlt war, wo ein armer Bauer im nächsten Jahr nichts würde anpflanzen können und wo Sand jetzt die fruchtbare Erde ersetzte, hob sich groß, fast bedrohlich eine Tribüne vor den Nachtschatten ab.
Im fahlen Mondlicht schmolzen die vielen, bei Tage farbenfrohen Muster an ihren Wänden, am Zierrat, an den Vorhängen zu einem einheitlichen Grau zusammen und wirkten nicht länger herrlich, sondern abweisend. Vor der Tribüne befand sich die Reitbahn. Von der Küste hertransportierter Sand lag hell ausgebreitet über der Erde und markierte den Platz, wo der Höhepunkt des heutigen Tages stattgefunden hatte: Das Ritterturnier.
Das Lanzenstechen, in dem sich ein gewisser Monsieur *** besonders hervorgetan hatte, machte nur die eine Hälfte der Spiele aus. Zuvor hatte man eine Schlacht nachgestellt, Männer in Kostümen waren gegeneinander angetreten, hatten Waffen über ihren Köpfen geschwungen, Kampfgebrüll ausgestoßen, waren gegeneinander angetreten, bis eine Partei schließlich den Sieg davongetragen hatte. Die Verlierer halfen ihren geschlagenen Kameraden den Turnierplatz zu verlassen, manch einer war gar bewusstlos oder verwundet zu Boden gegangen und musste fortgetragen werden.
Weil es eine - von echten Soldaten - nachgestellte Schlacht war bedeutete dies nicht, sie wäre ungefährlich gewesen. Man hatte keine Rüstungen getragen, welche die ärgsten Stöße vielleicht abgefangen hätten, nein, man hatte Pagenkostüme bevorzugt und der einzige Schutz war ein gehärtetes Lederwams gewesen. Damit war man beweglicher, der Kampf für die Zuschauer interessanter. Die Waffen ihrerseits entsprachen ebenso wenig den Regeln als dem, was gefiel. Äxte, Kriegshämmer, Breitschwerter und auch Degen waren darunter gewesen. Rote Armbinden waren gegen blaue angetreten und hatten sich nicht das Geringste geschenkt, bis die Sieger feststanden.
Letzen Endes hatten sie alle verloren, doch das wussten die Zuschauer nicht, nicht die Bürger, nicht der Adel, bestimmt nicht die Majestäten, die von der Tribüne aus alles verfolgt und sich köstlich amüsiert hatten. Das wusste in diesem Moment mit unverrückbarer Sicherheit nur eine Person, eine junger Mann, der sich jetzt noch als einziger zu dieser späten Stunde auf der Reitbahn befand und mit leerem Blick die Tribüne betrachtete, von der aus man heute Nachmittag erheitert dem Kampf zugesehen und auch dann noch vergnügt gelacht hatte, als das Unglück bereits geschehen war... Ein Soldat hatte das Turnier heute nicht überlebt und er war der tapferste Kämpfer, der aufrichtigste Edelmann von allen gewesen. Doch die Spiele gingen weiter und scherten sich nicht um solche Werte.
Es war im Duell passiert, Einer gegen Einen. Ein tödliches Duell. Vielleicht ein Unfall - aber ein Mord in den Augen des Überlebenden selbst. Jetzt war er noch einmal zurückgekehrt, um zu begreifen. Wie betäubt stand der junge Mann vor der Tribüne und streifte sich langsam eine rote Armbinde ab. Er versuchte, sich an den Augenblick zurückzuerinnern, wo alle das Spiel verloren hatten. Wenn er sich nur selbst ebenfalls sagen könnte, dass es ein Unfall gewesen war...
Er war in Schwierigkeiten, das konnte man sagen. Seine Reputation war schwer angeschlagen, seine Glaubwürdigkeit beschädigt, das Vertrauen in seine Person erschüttert. Schlimmeres konnte ihm, einem loyalen Diener der Krone, der ungezählte Male sein Leben für die Ehre von König und Königin eingesetzt hatte, kaum wiederfahren. Das Übelste an der Situation aber war, dass er absolut nicht verstand, was mit ihm geschah. Irgendjemand hatte mit teuflischem Geschick seinen Ruf beschädigt, ja nahezu zerstört, und er wusste nicht, wie das hatte geschehen können. Sogar seine Vertrauten und eingeschworenen Freunde begannen, sich von ihm zurückzuziehen.
Er war ein Musketier - doch jetzt hatte Monsieur de Tréville ihn suspendiert.
("Der Doppelgänger" von Wolf Mathis)
Eine sehr milde Strafe im Anbetracht der Umstände. Eigentlich war die Suspendierung gar keine Strafe in dem Sinne, sondern ein Mittel, um ihm Zeit zu verschaffen. Zeit, einen Mord zu verstehen. Einen, den er selbst begangen hatte... an einem Freund...
Einige Stunden früher...
Rochefort wartete seit über einer Stunde schon vor dem Arbeitszimmer seiner Eminenz darauf, vorgelassen zu werden. Jetzt unterdrückte er nur mühsam ein Gähnen und ging einige Schritte, um die bleierne Müdigkeit aus seinen Knochen - zumindest ein wenig - zu vertreiben. Gestern war ein anstrengender Tag auf den Feldern vor der Stadt gewesen und erst spät war der Stallmeister nach Hause gekommen, nur um heute Morgen schon wieder viel zu früh von einem nervös auf Eile drängendem Boten geweckt zu werden mit der Order, keine Minute zu zögern und sofort zum Kardinalspalais aufzubrechen.
Nun, zumindest durfte sich Rochefort noch ankleiden, bevor er dann tatsächlich losmarschiert war um den Befehlen seines Dienstherrn mehr oder weniger prompt nachzukommen. Doch seit er sich bei Richelieu hatte melden lassen war nichts weiter geschehen: Er war nicht hereingerufen worden, er hatte sonst keinen Befehl erhalten und es war auch nichts vorgefallen, was darauf hingewiesen hätte, dass das Arbeitszimmer verweist und Seine Eminenz überhaupt nicht anwesend war. Der Graf hätte genauso gut eine Stunde länger im Bett bleiben können...
Rochefort passierte - zum, hm, vielleicht zehnten oder elften Mal? - den roten Samtvorhang, der das Fenster auf der rechten Seite schmückte und machte auf dem Absatz kehrt, der Säule auf der linken Seite erneut seine Aufwartung zu machen, als ihm unvermittelt ein Diener von hinten ansprach. "Monsieur mögen eintreten", sagte der Lakai mit einer tiefen Verbeugung und deutete auf das Arbeitszimmer. "Endlich...", konnte sich Rochefort nicht enthalten zu erwidern, als er mit festen Schritten, eine Hand lässig auf dem Degengriff, das Kabinett an dem Diener vorbei betrat.
Der Kardinal saß im Sessel hinter seinem wuchtigen Schreibtisch und studierte gerade einige Unterlagen. Er blickte auch dann nicht auf, als sein Stallmeister unmittelbar vor dem Tisch stehen blieb und nur leicht den Kopf zum Gruß neigte. Rochefort setzte eine steinerne Miene auf, von der er hoffte, man würde ihm weder seine Müdigkeit noch seinen Missmut ansehen können und wartete - mal wieder - während hinter ihm die Tür geschlossen wurde.
Nach einigen weiteren Minuten schien Richelieu endlich Notiz von seinem Untergebenen zu nehmen, legte das Papier, das er zuvor noch gründlich und mit einem leichten Stirnrunzeln gelesen hatte, beiseite und musterte stattdessen nun seinen Stallmeister, der dies mit gewohnter Geduld über sich ergehen ließ. Schließlich lehnte sich seine Eminenz im Sessel zurück und bedeutete seinem Gegenüber mit einer knappen Geste, zu sprechen.
Rochefort hob kurz die Schultern. Der Kardinal erwartete seinen Bericht des gestrigen Tages, als der Graf sich auf den umliegenden Feldern von Paris umgesehen hatte und erst so spät wieder in die Hauptstadt zurückgekehrt war, dass er sich auch jetzt beherrschen musste, nicht verräterisch müde zu blinzeln. Eine Meldung also, darum war er gerufen worden... Mit dem Ergebnis beginnen, dann den Hergang beschreiben.
Der Stallmeister straffte ein wenig seine Gestalt. "Es scheint sich nichts ungewöhnliches auf dem Festplatz zu tun. Die Schausteller wurden kontrolliert, es sind allesamt Scharlatane, Diebe und Gauner, aber keiner von ihnen ein Verschwörer, Spion oder Unruhestifter. Jegliche Sicherheit ihrerseits ist gewährleistet.
Nachdem ich den Auftrag erhalten hatte, Informationen über die Menschen und das Fest einzuholen, verließ ich gegen sechs Uhr morgens Paris. Es ist nur ein kurzer Ritt von etwa einer Stunde bis zum Turnierplatz, derselbst sehr überschaubar aufgebaut ist. Die Reitbahn ist unmittelbar vor der Tribüne, die Zelte für die Teilnehmer stehen dahinter. Wachen lassen sich leicht postieren und die Schausteller selbst versichern, dass es noch nie zu ernsten Zwischenfällen gekommen sei. Gegen Mitternacht kehrte ich nach Paris zurück", schloß der Graf seinen Bericht von der Festwiese und hoffte, damit entlassen zu sein. Leider erfüllten sich seine Hoffnungen nicht.
"Was ist mit den Teilnehmern selbst? Ich muss Euch nicht darauf hinweisen, Rochefort, dass diese prestigeträchtigen Ritterspiele mit echten Waffen ausgefochten werden - und dass uns bisher nicht alle Namen der Teilnehmer bekannt sind." Es gelang Richelieu ausgezeichnet, den Bindestrich in seinen Worten zu betonen und damit seinen Stallmeister ein wenig in Erklärungsnot zu bringen, der nun meinte: "Nun, wir wissen, dass etwa zwanzig Soldaten aus unterschiedlichen Einheiten an der Schlacht teilnehmen sollen. Angemeldet sind Männer aus der Garde des Königs, aus dem Regimentern von *** und ***, auch ein oder zwei Musketiere aus Trévilles Kompanie."
"Dann wissen wir nicht viel, nicht wahr?" meinte der Kardinal langsam und griff wieder nach dem Papier, das er zuletzt gelesen hatte. Rochefort erkannte, dass es sich um eine Liste handelte, eine Namensliste aller Soldaten in Richelieus eigener Garde. "Jussac und Cahussac werden ebenfalls teilnehmen", bestimmte Seine Eminenz nun. "Jemand sollte darüber informiert sein, was während der Schlacht selbst geschieht. Es sind bereits einige Männer damit beauftragt, auch die Namen der übrigen Soldaten zusammenzutragen. Denn obwohl wir so vieles nicht wissen, eines haben wir schon herausgefunden: Irgendwo unter den Teilnehmern befindet sich ein Verräter."
Rochefort erwiderte nichts. Es stimmte, schon vor Wochen hatten die Agenten seiner Eminenz herausgefunden, dass es während der nachgestellten Schlacht auf dem Turnier zu einem... Unfall kommen sollte. Ein bedauerlicher Zwischenfall, vielleicht löste sich plötzlich eine stachelbewehrte Eisenkugel von ihrer Stange und flog unaufhaltsam in die Zuschauermenge oder zur Tribüne. Vielleicht rutschte jemandem seine Axt aus der Hand? Ein Unfall, der nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet war, aber der eine Panik auslösen konnte, durcheinanderlaufende Menschenmengen, unkontrollierbar...
"Allerdings zeichnet sich schon jetzt ab, dass eine Kompanie sich weigert, Auskunft zu erteilen...", fuhr Seine Eminenz fort und unterbrach die Gedanken seines Stallmeisters. Rochefort musste nicht nachfragen, um zu wissen, dass die Musketiere des Königs gemeint waren. Der Kardinal hatte es selbst gesagt, es handelte sich um "prestigeträchtige Ritterspiele". Der Ruhm der Gewinner fiel auch auf ihre Kommandanten zurück, wenn der König nach dem Turnier die Sieger beglückwünschte. Niemand wollte die Teilnehmer zu früh benennen, um... Zwischenfällen vorzubeugen. Anscheinend gelang es Tréville besser als den Übrigen, die Namen geheim zu halten. Der Stallmeister nickte.
"Es mag einige Zeit dauern, bis meine Spione sich soweit zutritt ins Hôtel de Tréville verschafft haben, dass sie unauffällig beobachten können, was sich im Innersten der Kompanie abspielt. Von außen erreichen mich immer die gleichen Berichte. Mein Vorschlag wäre es, eine Person zu verwenden, die zum einen beinahe uneingeschränkten Zutritt auch ins Arbeitszimmer des Hauptmanns hat, zum anderen keinerlei Verdacht erregen kann, da sie bereits Teil der Kompanie ist."
"Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt. Ihr sprecht vom Leutnant der Musketiere?"
"Ja, Eminenz. Ihr habt dieses Patent einem jungen Mann ausgestellt, den Ihr genauso gut in die Bastille oder aufs Schafott hättet schicken können. Jetzt wäre der richtige Augenblick, um den Preis für Eure Gnade einzufordern."
("Quo Vadis?" von Marenvs)
Der Kardinal zog erneut die Stirn in Falten, als er diesen Gedanken näher betrachtete. Dann jedoch schüttelte er den Kopf. "Nein, Rochefort, es gibt noch eine bessere Möglichkeit. Einen Spion, der doch nichts verraten wird, den Ihr sicherlich nicht dazu zwingen könnt etwas über seine Kompanie auszuplaudern, nützt uns nichts. Aber ein weiterer Teilnehmer auf unserer Seite... Jemand, der seine Kameraden kennt und sie darum in Schach halten kann." Ein dünnes Lächeln stahl sich in die Miene des ersten Ministers. "Ihr werdet einen Weg finden, Monsieur d'Artagnan davon zu überzeugen, dass es nicht zu seinem Schaden ist an dem Turnier teilzunehmen!"
'Er muss nicht unbedingt wissen, warum er kämpft. Das meintet Ihr wohl, Monseigneur', erwiderte Rochefort spöttisch in Gedanken und verneigte sich zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Anscheinend würde er nicht sobald den verdienten Schlaf nachholen dürfen...
Als Rochefort das Arbeitszimmer verließ und die Tür hinter sich zuzog, wäre er beinahe mit Jussac zusammengestoßen, der aufgeregt den Gang hinuntergestürmt kam. Der Leutnant der Gardisten schien reichlich atemlos. Er murmelte ein hastiges "Verzeiht" in Richtung des Stallmeisters und wollte dann das Kabinett Seiner Eminenz betreten, doch der Diener von zuvor hinderte Jussac an seinem Vorhaben. "Monsieur, Ihr könnt nicht einfach-"
"Ich kann und ich werde!" herrschte Jussac den erschrocken zusammenfahrenden Diener an. "Zwei meiner Männer wurden soeben auf der Straße gefunden, der eine verletzt, der andere tot - und ich kenne den Täter, also lasst mich vor, um Meldung zu erstatten und mir einen Haftbefehl zu holen!"
Jussac schob den Diener einfach beiseite und trat in das Arbeitszimmer ein, ohne Rochefort auch nur noch einen flüchtigen Blick zu schenken. Nachdenklich geworden brach der Stallmeister auf.
Schon zwanzig Minuten nachdem die Unterredung zwischen dem ersten Minister und seinem Stallmeister stattgefunden hatte, klopfte Rochefort an eine Tür in der Rue des Fossoyeurs. Auch wenn die Spione nicht immer Erfolg hatten mehr über die inneren Angelegenheiten der Musketierkompanie herauszufinden, so konnten sich doch wenigstens genau sagen, wer sich gerade wann und wo befand - und der Leutnant der Einheit war gerade zu Hause.
D'Artagnan öffnete selbst, sein Diener schien wohl nicht anwesend zu sein. Merkliche Überraschung stahl sich in die Miene des Leutnants, als er seinen Besucher erkannte, doch er zögerte nicht, den Stallmeister hereinzubitten, welcher der Einladung auch sogleich folgte.
Der Leutnant schien keinen Besuch erwartet zu haben, zumindest erweckte seine Mansardenwohnung nicht den Eindruck, besonders herausgeputzt zu sein. Eher im Gegenteil, das Zimmer, welches Rochefort nun betrat wirkte eher unordentlich. Auf einem Tisch lagen Papiere wahllos verstreut, wenige schienen gerade erst geschrieben worden zu sein, anderen warteten schon länger darauf, dass man sie las, auf einigen war Geschirr von den letzten zwei oder drei hastig hinuntergeschlungenen Mahlzeiten abgestellt. Zwei Stühle waren nicht an den Tisch herangerückt, sondern standen schräg dazu und überhaupt erreichte man die Tür zum nächsten Zimmer nur, wenn man zuvor über einige andere, kleinere Gegenstände hinwegstieg.
Rochefort schmunzelte belustigt, als sich d'Artagnan verlegen räusperte, auf dem Tisch ein paar Teller beiseite schob und dem Stallmeister anschließend einen Platz anbot. Der Graf setzte sich auf einen freien Stuhl und wartete, bis der Leutnant aus der Küche zwei Becher und eine Flasche Wein geholt hatte, aus der er nun einschenkte. Anscheinend kam er nicht auf den Gedanken, dass Alkohol im Dienst vielleicht nicht erlaubt sein könnte und Rochefort für seinen Teil war es im Augenblick nicht unrecht nach seiner allzu zeitigen Audienz beim Kardinal wenigstens etwas in den Magen zu bekommen - auch wenn es sich dabei nur um ein rotfarbenes Getränk handeln mochte.
Bisher war noch kein Wort gefallen, erst, als sich d'Artagnan gesetzt hatte und mit dem Stallmeister kurz anstieß, nur um dann seinen Becher unangetastet zur Seite zu stellen, meinte der Leutnant nach einem kritischen Blick zu seinem Gast hin: "Ihr seht nicht sehr erholt aus, Graf."
Rochefort entging nicht, dass d'Artagnan damit der Frage nach dem unerwartetem Hiersein des Stallmeisters aus dem Weg gegangen war. Er macht eine wegwerfende Handbewegung und trank einen kräftigen Schluck von seinem Wein, bevor er erwiderte: "Der Dienst für Seine Eminenz ist bisweilen sehr ermüdend, müsst Ihr wissen."
D'Artagnan seufzte leicht und drehte den Becher in seinen Händen, ohne sich zum Trinken entschließen zu können. "Ich weiß, warum Ihr hier seid", meinte der Leutnant schließlich und hob den Blick vom Wein zu seinem Gegenüber. "Aber es waren die Gardisten des Kardinals, die den Streit begonnen haben."
Rochefort ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Sollte d'Artagnan hier auf etwas anspielen, dass auch Jussac zuvor nur zusammenhangslos berichtet hatte? Der Stallmeister beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. "Dieser Zwischenfall war in der Tat nicht sehr erfreulich. Einer der Männer ist sogar tot, der andere verwundet. Was denkt Ihr, wie Seine Eminenz auf diese Nachricht reagiert hat?"
"Athos ist unschuldig!" D'Artagnan war von seinem Stuhl aufgesprungen und ballte eine Hand zur Faust. Mit kaum verhohlener Wut fuhr er fort: "Es waren die beiden Gardisten, die sich auf ihn stürzten. Er stand allein und hat sich lediglich verteidigt, sonst wäre er jetzt der Mann, den wir betrauern müssten."
Rochefort gratulierte sich in Gedanken, der richtigen Spur gefolgt zu sein. Er lehnte sich etwas auf dem Stuhl zurück und wartete, bis sich auch der Leutnant wieder einigermaßen beruhigt und gesetzt hatte. "Dies wäre kaum weniger unglücklich gewesen, in der Tat. Möglicherweise befand sich Athos in diesem Fall tatsächlich im Recht, es gab Augenzeugen", sagte der Stallmeister dann betont ruhig. "Einige meinten, der Musketier wäre absichtlich provoziert worden. Könnt Ihr Euch vorstellen, warum?"
Eine Weile erwiderte d'Artagnan nichts, er schien sich sehr beherrschen zu müssen, Rochefort nicht für das "Möglicherweise" in seiner Rede anzufahren. Dann jedoch hob der Leutnant kurz die Schultern. "Vielleicht richtet Ihr diese Frage besser an Euren geschätzten Dienstherren, Monsieur. Er wird unter Umständen wissen, weshalb seine Gardisten den besten Fechter unter den Musketieren am Morgen des Ritterturniers provoziert haben", grollte der Leutnant.
Rochefort war sehr zufrieden. Hier hatte er also schon einen Vertreter unter den Musketieren bei den Spielen gefunden. Der Stallmeister stellte seinen geleerten Becher auf dem Tisch ab. "Nun, dann solltet Ihr Euren werten Dienstherren wiederum fragen, Monsieur, warum der beste Fechter der Kompanie, der darüber hinaus für seine sprichwörtliche Gelassenheit bekannt ist, sich so bereitwillig von zwei Gardisten zu einem Händel anstacheln ließ. Sollte Athos am Ende etwas gewusst haben, das uns unbekannt ist?"
"Sprecht nicht in Rätseln!" forderte d'Artagnan aufgebracht und der Stallmeister tat ihm den Gefallen. "Diese beiden sollten am Turnier teilnehmen und sie waren beileibe nicht die unerfahrensten Soldaten. Sie hätten gewinnen können. Ich glaube, hier sind wir auf eine gegenseitige Provokation gestoßen, Monsieur le lieutenant. Allerdings ist es Monsieur Athos, der unversehrt geblieben ist und heute seinen Platz einnehmen wird. Nein, seine Eminenz war nicht sehr erfreut, als er davon hörte..."
"Droht Ihr nun mit einer Verhaftung, Monsieur le comte?" fragte d'Artagnan herausfordernd, aber Rochefort schüttelte nur leicht den Kopf. "Das wird sicher nicht nötig sein..."
"Wenn was geschieht?" hakte der Leutnant nach und musterte ein weiteres Mal seinen Gegenüber mit einem prüfendem Blick. Rochefort hatte heute Morgen bereits eine für die meisten Männer weitaus einschüchternde Musterung überstanden, so neigte er nur leicht den Kopf und lächelte dünn. "Diese Rauferei heute Morgen war ein bedauerlicher Zwischenfall und man sollte die Beteiligten zur Verantwortung ziehen. Allerdings ist Seine Eminenz bereit, über diesen Vorfall hinwegzusehen, nicht zuletzt, weil er von der Freundschaft weiß, die uns beide verbindet, d'Artagnan, und weil Ihr wiederum Athos' Freund seid."
"Was also kann ich in dieser Angelegenheit tun, damit Monseigneur gänzlich von einem Inhaftierungsgedanken abrückt?" gab der Leutnant leise zurück und sowohl ihm, als auch Rochefort war die Antwort bereits bewusst.
"Nur eine rote Armbinde tragen", antwortete der Stallmeister und d'Artagnan nickte langsam.
Das große Zelt, in denen die zehn Soldaten des blauen Armbandes untergebracht waren zeugte von reger Betriebsamkeit. Jeder der Teilnehmer war damit beschäftigt, sein Kostüm überzuziehen und einen letzten kontrollierenden Blick auf seine bevorzugte Waffen - ob nun Breitschwert, Kriegshammer oder auch Axt - bei den Ritterspielen zu werfen. Man klopfte sich gegenseitig auf die Schulter und wünschte sich viel Glück, man rief sich ermutigende Worte zu und war alles in allem davon überzeugt, gegen die Roten nicht verlieren zu können.
Schon jetzt prahlte man mit Heldentaten und überlegte, wo es sich nach der Schlacht am besten feiern ließ. Stühle wurden hin- und hergerückt, dienten mal als Podest, dann wieder als Kleiderständer, selten als Sitzgelegenheit. Das alles ging mit einem ungeheurem Lärm vonstatten, der in einer Schenke tatsächlich nicht hätte lauter sein können. Nur mit dem Unterschied, dass es jetzt noch nicht Abend, sondern erst früher Nachmittag war, man sich in einem Zelt hinter der Ehrentribüne befand, vor der sich gleich zur Einstimmung fürs Lanzenstechen eine improvisierte Schlacht ereignen sollte.
Die Stimmung war geradezu feucht-fröhlich, mal lachte, man wettete auf Sieg und scherzte über die schon jetzt gewissen Verlierer. Nur in einer Ecke des Zeltes war es sehr still, was bei dem allgemeinem Krach nicht weiter auffiel. Allein ein Soldat, der vor seinem Stuhl stand, über den er Mantel und Wams gelegt hatte, um sie gegen ein gehärtetes Leder zu tauschen, ließ sich von dem siegessicheren Posen und Worten seiner Kameraden für diese Schlacht nicht mitreißen.
Missmutig betrachtete Athos die Waffe in seiner Hand. Der Degen war nicht gut ausgewogen, der Korb ein schlichtes Bügelgefäß, die Parierstangen zeigten Zeichen von Abnutzung - wie die Klinge selber. Schartig und stumpf war sie, ohne jeden Glanz, ein Gebrauchsgegenstand für einen Soldaten, nicht mehr.
Athos war weit mehr als ein einfacher Soldat. Er war Musketier in den Diensten des Königs, und als solcher gehörte auch das Repräsentieren seines Standes zu seinen Pflichten. Mit dieser Waffe, die er langsam durch die Luft schneiden ließ, konnte er das nicht.
Sein alter Degen war zerbrochen. Es war natürlich im Kampf geschehen, einer der großen Leidenschaften des verdienten Musketiers, im Kampf gegen zwei Gardisten von Kardinal Richelieu, die ihn provoziert hatten. Das war ihr erster Fehler.
("Die Klinge" von Wolf Mathis)
Ihr Zweiter war es gewesen, sich tatsächlich auf ein Duell einzulassen. Auch gegen beide Gegner, die ihn feige zugleich angriffen, focht Athos wie ein wahrer Meister und war in jedem Moment überlegen. Den Schlag des ersten parierend und ihm einen Tritt versetzend, der den Gardisten zurücktaumeln ließ, hatte der Musketier für wenigen Augenblicke nur noch mit einem Angreifer zu rechnen. Die wenige Zeit, die er gewonnen hatte, nutzte der Graf bestens um die schlecht gesetzten Hiebe des zweiten Gardisten mit eigenen, wohlgeführten Angriffen zu erwidern. Es genügten zwei Stöße, dann lag sein Gegner am Boden und blutete aus einer üblen Schulterwunde.
Bis dahin war der Erste wieder aufgesprungen und führte aus Wut einen so wilden und unbedachten Schlag gegen Athos, dass der Musketier die Attacke zwar leicht abwehren konnte, doch seine Klinge dabei entzweibrach. Der eigene Schwung des Gardisten ließ ihn stolpern - genau in den Stumpf von Athos' Degen.
Ihr dritter Fehler war es gewesen, diesen Kampf heute Morgen anzuzetteln, doch dafür konnte der Graf den Gardisten keine Manieren mehr beibringen, sie waren bereits besiegt. Dieses Händel hatte nur wenigen Augenblicke in Anspruch genommen. Er hatte der Garde des Kardinals einen verwundeten und einen toten Soldaten eingebracht, Athos selbst diese Klinge hier, die ihm der Zeugmeister aus dem Bestand der Musketierkompanie gegeben hatte.
Nein, mit diesem stumpfen Gegenstand, mehr als eine Keule zu gebrauchen, denn als ein Schwert, konnte Athos nicht das Zelt verlassen um ein Turnier zu bestreiten! Er ließ die Klinge ein weiteres Mal durch die Luft schneiden und vermisste dabei den sirrenden Ton, den sein alter Degen bei dieser Bewegung gemacht hatte. Stirnrunzelnd ließ Athos die Waffe sinken und schnippte mit dem Zeigefinger gegen das glanzlose Metall. Ein helles Klingen, wie von einer Stimmgabel hätte zu hören sein müssen, doch das Geräusch, das auf den Test des Grafen folgte, klang nicht melodisch sondern erstickt dumpf. Dieser Degen sang nicht, er ritzte nicht einmal in die Haut des Musketiers, als Athos mit dem Daumen über die Schneide fuhr. Wahrscheinlich hätte selbst ein Schleifstein hier nichts mehr retten können, die Klinge blieb schartig. Nein, so konnte er keinesfalls an dem Wettkampf teilnehmen!
Es sollte sich bei dieser Waffe zwar um einen Degen handeln, aber Athos glaubte mehr und mehr einen nutzlosen Stock zu führen. Genauso gut konnte er mit bloßen Händen die Reitbahn betreten. Weniger gelassen als üblich, ließ Athos einen verärgerten Blick durch den Zeltraum schweifen. Die übrigen Teilnehmer schienen alle äußerst zufrieden mit ihren Waffen und begannen, allmählich aufzubrechen.
Doch auch Monsieur de Cambert neben ihm griff gerade eher trübselig nach einem Spieß, der an die Zeltwand gelehnt war. Cambert war ein Soldat aus Athos' Kompanie, mit dem der Graf bislang nur wenige persönliche Worte gewechselt hatte. Man unterhielt sich vielleicht beim gemeinsamen Wachdienst, ansonsten hatte der Graf nicht viel mit dem anderen Musketier zu schaffen, von dem Athos nur wusste, dass er ein junger Mann von etwa 25 Jahren war, der mit einem Empfehlungsschreiben seines Vaters, sowie des Generals ***, der den Soldaten aufs höchste gelobt hatte, in die Kompanie eingetreten war.
Sonst hatte sich dieser Musketier noch nicht sonderlich hervorgetan, war eher unauffällig, hielt sich im Hintergrund. Auch sein äußeres Erscheinungsbild zeigte keine besonderen Merkmale: Er hatte braune Haare und Augen von der gleichen Farbe, ein schmales, nicht sehr markantes Gesicht, war kaum sechs Fuß groß und stand immer ein wenig gebeugt. Ob diese Körperhaltung besondere Lässigkeit zum Ausdruck bringen sollte war schwer zu sagen, zumal Cambert sonst nicht den Eindruck erweckte, irgendeine persönliche Haltung zu haben. Es war schon erstaunlich genug, dass dieser junge Mann heute der zweite Vertreter für die Musketiere Seiner Majestät war.
Jetzt allerdings sah Cambert von dem Spieß, den er auswiegend in der Hand hielt, auf und musterte mit einem kurzen Seitenblick Athos' Degen. Er runzelte die Stirn, eine Reaktion, die ihm der Graf nicht verübeln konnte.
"Ihr seht ganz Recht, es ist eine furchtbare Klinge", meinte Athos, was Cambert zu einem kurzen - oder doch eher erschrockenem? - Schulterzucken veranlasste. Sein Blick hob sich von der stumpfen Waffe zu Athos' Gesicht, doch schien der jüngere Musketier seinem Gegenüber nicht in die Augen, sondern ein wenig links davon aufs Ohr zu sehen, als er erwiderte: "Ganz Recht, sie hat wohl furchtbare Schlachten geschlagen und wird in Eurer Hand sicher das ruhmreichste Schwert heute sein."
Athos hob leicht eine Augenbraue, dann lächelte er nachsichtig. "Das wage ich zu bezweifeln, Monsieur. Diese Klinge ist nicht die meine und hat mit Sicherheit niemandem je gute Dienste geleistet."
Cambert erwiderte das Lächeln zurückhaltend. "Warum, wenn die Frage erlaubt ist, führt Ihr diese Waffe dann?"
Athos seufzte leicht und lehnte den Degen gegen seinen Stuhl. "Meine ist im Kampf zerbrochen und ich konnte so schnell keinen Ersatz finden. Man hat mir diese Klinge angeboten." Der Graf sprach nicht weiter, Cambert hatte selbst schon richtig erkannt, was es mit dieser Waffe auf sich hatte.
Tatsächlich nickte der andere Musketier nun verstehend und richtete seinen Spieß auf, der fast ein wenig zu groß wirkte für die schmalen Hände des jungen Mannes. Es war nicht leicht zu sagen, ob er seine Waffe festhielt oder sich eher darauf stützte. Mit einer fast unglücklichen Geste strich Cambert leicht über die Stange. "Nun, Monsieur, zumindest habt Ihr einen Degen wählen können. Mir riet man zu diesem... Stück Holz. Ich werde sicher nicht lange an der Schlacht teilnehmen - aber es ist zur Belustigung des Volkes, das der König zufrieden wissen will."
Das Zelt leerte sich, bald schon würde das Turnier beginnen und wie es schien, sollten die Musketiere heute nicht als strahlende Sieger, eher als 'Mitgewinner' den Platz verlassen. Athos hielt einige aufmunternde Worte für angebracht. "Aber bedenkt doch, Cambert, was für einen Vorteil Euch diese Waffe verschaffen kann. Ihr könnt Eure Gegner auf Distanz halten und sie angreifen, während sie Euch ihrerseits nicht erreichen können."
Der junge Mann sah erst verwundert zu seinem Gegenüber, dann musterte er mit neuem Interesse seinen Spieß. "Ihr habt Recht... Ja, möglicherweise ist dies doch nicht die falsche Wahl gewesen. Ich danke Euch, Monsieur Athos, Ihr gebt mit den Mut zurück. Aber Ihr selbst..." Cambert deutete auf den Degen, der noch immer am Stuhl lehnte. "Es muss eine Beleidigung für einen so großartigen Fechter wie Euch sein, nur solch einen schlechten Ersatz zu haben."
Athos lachte leicht auf und hob beschwichtigend eine Hand. "Seid unbesorgt darum. Ich werde die Klinge drehen und den Griff als Knüppel verwenden, wenn ich meinen Gegner nicht anders Respekt abgewinnen kann", scherzte er, obwohl ihm ganz und gar nicht danach zumute war.
"Nein", Cambert schüttelte bestimmt den Kopf und fixierte wieder irgendeinen Punkt hinter dem Ohr seines Gegenübers. Sie waren mittlerweile allein im Zelt zurückgeblieben und Athos vermutete, dass auch die beiden Musketiere nicht mehr lange plaudern konnten. Der junge Musketier fuhr jedoch munter fort: "Ihr solltet eine bessere Klinge verwenden, eine, die Eurer würdig ist." Ein kleines, fast schelmisches Grinsen stahl sich in die Camberts Miene. "Wie wir alle anständige Edelleute sind, ist heute niemand unbewaffnet auf dem Turnier erschienen. Er wird sich hier im Zelt wohl ein Degen finden lassen, den Ihr verwenden könnt, Monsieur."
"Ich soll eine fremde Klinge... stehlen?", schnappte Athos fast nach Luft und musterte mit einem eisigen Blick seinen Gegenüber, der für einen Moment ein wenig blasser zu werden schien, dann jedoch entschuldigend den Kopf neigte. "Natürlich nicht, verzeiht, ich habe mich falsch ausgedrückt. Eine Waffe leihen. Ich wäre geehrt, wenn ich Euch meinen Degen anbieten dürfte."
"Das würdet Ihr tun?" Ein weiteres Mal war Athos überrascht. Er selbst hätte seinen Degen nicht so freimütig hergegeben, zumal nicht dann, wenn es in eine solche Schlacht gehen sollte, wo mehr Hieb- als Stichwaffen gebraucht wurden und eine leichte Klinge allzu schnell zu Bruch gehen konnte. Dennoch nickte Cambert nun eifrig, ging zu seinem eigenen Stuhl und zog unter seinem Mantel, der über der Lehne hing einen Degen hervor, der, auch noch in seiner Scheide steckend, überaus gut gearbeitet und sehr kostbar anmutete.
Der junge Musketier reichte die Waffe weiter an den Grafen, der einen Moment zögerte, sie anzunehmen. Cambert jedoch schien darauf zu bestehen und so zog Athos die Klinge aus ihrer Hülle. Sie vibrierte leicht und ihr Sirren, als der Graf mit der Waffe durch die Luft schnitt, erinnerte an eine eigentümliche, aber wohlklingende Melodie. Die Schneide war scharf und funkelte, der Korb war mit kleinen Verzierungen gearbeitet und ein blaues Band umspielte den Griff, um in einer lockeren Kordel zu Enden. Der Degen war perfekt ausbalanciert, wie Athos schnell bemerkte. Wenn er sich nach diesem Turnier eine neue Klinge kaufte, dann sollte sie wie jene sein, die der Graf nun in der Hand hielt.
"Sie gehört Euch, wenn Ihr es wünscht", unterbrach Cambert die Gedanken seines Kameraden, der einen kurzen Blick auf seinen eigenen, schartigen Degen warf und anschließend noch einmal die Waffe in seiner Hand schwang, die dabei einen überaus reinen Klang ertönen ließ. Doch dann schüttelte Athos den Kopf und reichte die Klinge zurück. "Das kann ich nicht annehmen, Monsieur. Es ist Euer Degen, er könnte im Kampf zerbrechen."
Der junge Musketier lächelte auf eine recht eigentümliche Weise. "Es ist nur eine Waffe. Es mag geschehen, dass sie zerbricht, aber anders als einen Menschen kann man sie wieder flicken. Es wäre mir eine große Ehre, den Degen Euch für diese Schlacht überlassen zu können."
Athos musterte einen Moment länger seinen Gegenüber, der seine Worte tatsächlich Ernst zu meinen schien. Schließlich nickte er, zum einen stolz, diese Waffe führen zu können, die mit Sicherheit einzigartig unter ihresgleichen war, zum anderen besorgt, was sie und ihn nun auf dem Schlachtfeld erwarten mochte...
D'Artagnan hatte es mit seinen Waffen vielleicht besser getroffen - allerdings nicht mit seinen Kameraden. Die meisten Soldaten hier im Zelt schienen Kardinalisten zu sein und der Leutnant zwang sich, Augen und Ohren gegenüber so manchem Spottwort zu verschließen. Er durfte sich jetzt nicht zu einer unbedachten Handlung hinreißen lassen, hier ging es schließlich nicht um ihn... Auch wenn Jussac und Cahussac es nicht lassen konnten, so manche spitzfindige Bemerkung zu machen!
Wie auch im Zelt ihrer heutigen Widersacher, war die Stimmung bei den Soldaten mit den roten Armbändern ausgelassen. Genau wie Athos, ließ sich d'Artagnan von den Späßen, den Posen und den Worten seiner... "Kameraden" allerdings nicht mitreißen, sondern legte sich eiligst sein gehärtetes Lederwams an, schnürte sich das rote Band um den Arm, griff nach seinem Degen und verließ dann das Zelt ohne einen Blick zurückzuwerfen.
Der Leutnant hatte vor, sich auf geradem Weg zum Turnierplatz zu begeben und dort zu warten, bis diese verfluchte Schlacht beginnen würde. Nach den Spielen würde er schon noch einiges zu hören bekommen von seinen Freunden, von den anderen Musketieren, bestimmt von Tréville, wie er auf der Seite des Kardinals hatte kämpfen können...
Nun, er musste ja nicht sonderlich gut kämpfen und seinen Feinden zum Sieg verhelfen. Solange er sich auch nicht zu auffällig schlecht anstellte, sodass man ihm nicht nachsagen konnte, er hätte mit Absicht verloren. Hauptsache, Athos blieb auf freiem Fuß... hoffentlich würde d'Artagnan nicht ausgerechnet seinem Freund im Duell gegenüberstehen!
In diese wenig erfreulichen Gedanken vertieft merkte der Leutnant erst spät, dass er, statt auf den Turnierplatz, er geradewegs daran vorbeigegangen war. Jetzt befand er sich inmitten der Menschenmassen, die über die Festwiese schlenderten, sich an den Schaustellern und deren Darbietungen erfreuten und dabei viel Geld auf dem Platz ließen. Reichlich unzufrieden mit sich selbst wollte d'Artagnan schon auf dem Absatz kehrt machen, als sich ihm unvermittelt eine Hand auf die Schulter legte.
Der Leutnant fuhr herum, eine Hand schon am Griff seines Degens, als er erkannte, wer da um seine Aufmerksamkeit bemüht gewesen war. "Rochefort, was..." D'Artagnan hatte die Frage noch nicht zuende formuliert, als der Stallmeister sie auch schon mit einer kurzen Geste beiseite winkte und dem Leutnant bedeutete, ihm zu folgen.
Mit einem enerviertem Seufzen kam der Musketier dieser Aufforderung nach. Was wollte Rochefort nun schon wieder? Hatte seine Eminenz spezielle Wünsche, wie "seine" Soldaten sich auf dem Platz benehmen sollten?
Der Stallmeister führte d'Artagnan geradewegs in die ruhigere Gasse zwischen zwei Buden. Dort sah sich Rochefort nach allen Seiten um, ob sie niemand gesehen hatte und dem Leutnant der Musketiere fielen, wie auch schon heute Morgen, die dunklen Ringe unter den Augen des Stallmeisters auf. Die Müdigkeit schien allerdings nicht der Grund für die offensichtliche Beunruhigung des Grafen zu sein, der nach einigen weiteren Blicken erst zufrieden mit der Umgebung schien und nun fragte: "Ihr kommt gerade aus dem Zelt, nicht wahr?"
D'Artagnan bejahte verwundert und fragte sich, worauf der Stallmeister hinauswollte. Doch bevor er selbst eine Frage stellen konnte, sprach Rochefort schon weiter: "Ist Euch irgendetwas... aufgefallen?"
Der Leutnant runzelte leicht die Stirn. "Was meint Ihr, Graf? Sprecht Ihr von der außerordentlich guten Stimmung unter den Teilnehmern oder darüber, dass sich ein Jeder in ein lächerliches Kostüm zwängen muss, um das Volk zu erheitern?"
Rochefort ging nicht auf diesen Sarkasmus ein. "Ja, die Kostüme. Zu ihnen gehören auch die Waffen. Habt Ihr darunter eine besondere Klinge bemerkt?"
Ohne länger zu überlegen schüttelte d'Artagnan den Kopf. Er hatte einige Soldaten mit Breitschwertern gesehen, aber diese Waffen wirkten eher plump als besonders und konnte nicht gemeint sein. Er selbst war der Einzige in seiner "Truppe", der heute mit seinem Degen antreten wollte. "Was bedeutet "eine besonderes Klinge"? Ungefähr drei Männer führen heute Schwerter, aber sie wirkten nicht sehr einzigartig. Warum wollt Ihr das wissen?"
Allmählich verlor der Leutnant die Geduld mit der Geheimniskrämerei seines Gegenübers und auch Rochefort schien das nun klar zu werden. Hastig erklärte er nun: "Hört zu, d'Artagnan: Ihr müsst während der Schlacht nach einem Soldaten Ausschau halten, der einen Degen führt, einen sehr edel anmutenden. Eine auffällige und sicher einzigartige Klinge. Ich weiß nicht genau, wie sie aussieht, aber ich bitte Euch um eins: Ihr müsst um jeden Preis verhindern, dass dieser Soldat zu nahe an die Tribüne gelangt und dort seine Waffe zu rücksichtslos führt."
Der Musketier nickte aus einer ersten Regung heraus verwirrt, dann jedoch hob er abwehrend eine Hand. "Was redet Ihr da, Rochefort? Was hat es mit diesem Soldaten auf sich?"
"Es ist nicht der Mann, es ist die Waffe. Aus einer zuverlässigen Quelle habe ich erfahren, dass sie das Werkzeug für ein Verbrechen sein soll." Erneut sah der Stallmeister prüfend die Gasse in beiden Richtungen hinunter, bevor er sich wieder mit eindringlicher Stimme an seinen Gegenüber wand. "Schon seit einigen Wochen ist uns bekannt, dass es auf dem Turnier zu einem Unfall kommen soll, doch wir wussten weder wann, noch wo oder wie. Jetzt haben meine Agenten einen Mann gestellt, der geredet hat. Es soll während der Schlacht geschehen, in der Nähe der Tribüne und diese Waffe ist das Werkzeug. Jeder könnte sie führen, bewusst oder unbewusst. Ihr werdet den Degen erkennen und ich bitte Euch nur um diesen Gefallen. Es geht hier nicht um Seine Majestät oder den Kardinal allein. Dieses Mal müssen wir zusammenarbeiten."
"Warum bittet Ihr nicht Jussac und Cahussac um Hilfe?" gab d'Artagnan mit ebenso leiser Stimme zurück.
Rochefort machte eine ungeduldige Handbewegung. "Die Zeit reicht nicht mehr, die Aufstellung für die Schlacht beginnt bereits. Ich habe Euch hier zufällig getroffen. Werdet Ihr auf die Waffe achten, sie dem Soldaten entwenden und in Sicherheit außerhalb des Turnierplatzes bringen, damit sie keinen Schaden anrichtet?"
Wieder nickte der Leutnant und diese Mal war es ihm Ernst. "Ihr habt mein Wort."
"Gut." Rochefort schien sehr erleichtert. "Dann geht jetzt, der Schaukampf soll gleich beginnen."
Nach und nach hatten alle Soldaten, die Träger der roten und blauen Armbinden, ihre Plätze in einer Reihe nebeneinander vor der Tribüne eingenommen. Eine gespannte Stille lag über dem Turnierplatz, die Zuschauermenge schien den Atem anzuhalten. Endlich sollte das große Ereignis beginnen.
Auf der Tribüne selbst erhob sich nun seine Majestät und alle Teilnehmer verneigten sich ehrfurchtsvoll, während sie einer kurzen Ansprache des Königs lauschten - oder mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt waren. D'Artagnan war gerade noch rechtzeitig auf der Reitbahn erschienen um sich am äußeren Ende der Kette neben einem seiner "Kameraden" einzureihen.
Während sich nun die Soldaten verbeugten, spähte der Leutnant dabei unauffällig zur Seite, um vielleicht schon einen Blick auf einen "besonderen Degen" zu werfen. Er erkannte unterschiedlichste Waffen, jeder Teilnehmer hatte nach seinem Geschmack ausgewählt. Aber einen zweiten Degen, wie er selbst einen trug, hatte er noch nicht ausfindig gemacht. Andererseits konnte er auch nicht bis an das Ende der Reihe sehen, er hatte bisher nicht einmal Athos ausfindig gemacht, der irgendwo unter den Blauen stehen musste.
Schließlich beendete der König seine Rede und die Kämpfer begaben sich in Schlachtordnung. Nichts war abgesprochen worden, nichts schien irgendwie geplant - Für ein nachgestelltes Gefecht würde es hier gleich sehr rau zugehen. Die beiden Parteien nahmen gegenüber Aufstellung in einer Entfernung von vielleicht 100 Schritten. Wenn sie mit gleicher Geschwindigkeit losliefen, sobald das Signal zum Angriff gefallen war, würden sie genau vor der Tribüne wieder zusammentreffen und die Schlacht konnte beginnen.
D'Artagnan musste dann möglichst schnell diesen einen Degen ausfindig gemacht haben und seinen Träger in ein Duell verwickeln, ihn irgendwie entwaffnen. Um diese Entwaffnung machte sich der Leutnant weniger Sorgen, er vertraute völlig auf seine Fechtkünste. Ihn beunruhigte nun mehr, schneller als einer der anderen Soldaten diesen Mann zu erreichen und ihn zum Kampf zu stellen. Rochefort hatte nicht einmal sagen können, ob es sich um einen Blauen oder um einen Roten handeln würde!
Nun, zumindest in seiner Partei schien bis auf d'Artagnan kein Soldat einen Degen zu gebrauchen. Das schloss also schon zehn Männer aus, während zehn weitere übrig blieben. Jetzt befanden sich die Betreffenden allerdings am gegenüberliegendem Ende des Platzes und es ließen sich nur schwer Einzelheiten ausmachen. Allenfalls ein Spieß ragte aus der Menge der Waffen besonders auffällig hervor.
Dann erfolgte das Signal. Ein lauter Fanfarenstoß ließ die Parteien mit lautem Kampfgebrüll aufeinander zulaufen. Viele der Männer schwangen dabei ihre Waffen über den Köpfen und es war ihnen anzusehen, dass sie sich auf die zünftige Rauferei, die nun folgen sollte, geradezu freuten. Die Zuschauer riefen ebenfalls alle durcheinander und feuerte die Soldaten an. Auf der Tribüne neigte sich der König zu seinem ersten Minister und sagte irgendetwas zu ihm.
D'Artagnan ließ sich einige Schritte zurückfallen und suchte gehetzt mit den Augen das Schlachtfeld ab. Die vorderen Kämpfer der beiden Gruppen waren bereits aufeinandergetroffen, Waffen klirrten, ein wilder Tanz begann. Die nachrückenden Soldaten suchten sich jeder einen Weg nach vorne, bis sie einen Gegner gefunden hatten. Der Kampf wogte vor und zurück, in den ersten Augenblicken gewann noch niemand einen Vorteil.
Der heftige Aufprall der Parteien verlief ungebremst weiter und auch der Leutnant der Musketiere erreichte jetzt den äußeren Rand der Schlachtlinie. Noch immer hatte er nicht die gesuchte Waffe erblicken können, überhaupt schien er der einzige zu sein, der mit dem Degen in der Hand angetreten war.
Aus den Augenwinkeln bemerkte d'Artagnan eine Bewegung und sprang hastig einen Schritt zur Seite, während er gleichzeitig seine Klinge hochriss. Augenblicke später erzitterte seine Klinge unter dem heftigem Hieb eines anderen Schwertes. Der Leutnant hatte nicht bemerkt, dass einer der blaugeschmückten Kämpfer seitlich auf ihn zugelaufen gekommen war und ihn nun attackierte.
Mit einem Fluch auf den Lippen stieß d'Artagnan die andere Klinge zurück und duckte sich unter dem nächsten Schlag, Er hatte verdammt noch mal keine Zeit, sich mit diesem Mann zu balgen! Hastig sah sich der Leutnant um. In seiner Nähe standen Jussac und Cahussac, der eine mit einer Axt bewaffnet, der andere mit einem Morgenstern und kämpften gegen zwei andere Gegner.
Die nächste Attacke gegen d'Artagnan folgte und dieses Mal machte der Leutnant gar nicht erst den Versuch, sie mit seinem Degen aufzufangen. Der Schlag des viel schwereren Schwertes hätte seine Klinge ohnehin unweigerlich beiseite gedrängt. Stattdessen trat er eilig zwei weitere Schritte beiseite und rückte dadurch mehr in die Nähe der beiden Gardisten des Kardinals. Jussac trieb seinen Gegner schon vor sich her, bald würde er sich ihm entledigt haben, Cahussac hielt sich auch noch standhaft gegen seinen Angreifer.
D'Artagnan hätte seinen Degen in diesem Moment gerne eingetauscht gegen eine stabilere Waffe, doch auch diese Klinge hatte ihre Vorteile gegenüber einem Schwert: Er konnte den viel leichteren Degen schneller zum Einsatz bringen. Bevor der Blaue zu einem weiteren, schwungvollem Schlag ausholen konnte, hatte der Leutnant schon einen Ausfall angedeutet, was seinen Gegner überhastet reagieren ließ, indem er stolpernd zurückwich.
Doch statt nachzusetzen, warf der Leutnant nur einen kurzen Blick zur Seite. Jussac triumphierte gerade über seinen Kontrahenten und schickte ihn mit einem Stoß des Axtstiels in dessen Magen derart zu Boden, dass sein Angreifer keuchend liegen blieb. Das war der richtige Moment! Ohne zu zögern trat d'Artagnan so vor Jussac, dass der Gardist zwischen ihm und dem Gegner des Leutnants stand. Unvermittelt war der Musketier so frei von dem Blauen, während Jussac einen neuen Gegner gefunden hatte.
D'Artagnan überließ es dem Gardisten und dem Blauen, diesen Kampf allein auszutragen, er selbst wirbelte auf dem Absatz herum und überquerte den Turnierplatz wieder auf der Suche nach einer bestimmten Klinge. Die Schlacht hatte sich noch um keinen Deut verlagert, mal wichen die Roten, dann wieder die Blauen zurück. Noch standen, bis auf Jussacs ersten Gegner, alle Soldaten und fochten ihre Duelle aus.
Die Schlacht zeichnete sich durch ein Zentrum und die Ränder ab und der Leutnant lief nun weiter ins Getümmel in der Mitte. Er hatte etwas aufblitzen sehen, eine Klinge, die feiner war, als die übrigen Schwerter, und sie schien noch nach einem würdigem Gegner zu suchen, denn sie rang nicht mit einer anderen Waffe. Dieser Degen lag ruhig in der Hand seines Besitzers, der gelassen den Turnierplatz absuchte nach einem Kontrahenten, der ebenfalls wie er selbst, nicht in ein Duell verwickelt war.
D'Artagnan war heran und der Mann, der eine blaue Armbinde trug - von gleicher Farbe wie die Kordel, die am Griff seines Degens baumelte - wandte sich zu ihm um, als der Leutnant angriff.
Mehr als überrascht fing Athos die Attacke auf, die so ungestüm gegen ihn geführt wurde und erkannte in seinem Angreifer nur Augenblicke später d'Artagnan wieder. Bevor der Graf jedoch seiner Verwunderung irgendwie Ausdruck verleihen konnte, musste er schon den nächsten Hieb seines Freundes gegen ihn parieren und mehr aus einer lange einstudierten Bewegung, als wirklich gewollt konterte Athos nun selbst mit einem Stoß.
D'Artagnan wich dem Schlag aus und setzte zu einem weiteren Angriff an, den Athos mühelos abwehrte und mit einer schnellen Folge aus Hieben und Stichen erwiderte. Anscheinend sollte hier ein vor langer Zeit ausgemachtes Duell am Karmeliterinnen Kloster noch einmal ausgefochten werden und der Graf stellte zufrieden fest, dass er keinen besseren Gegner in diesem Turnier hätte finden können. Seine Angriffe wurden pariert und d'Artagnan gab sich nicht eine Blöße, wie es schon viele andere Gegner unter den Angriffen des Grafen getan hätten.
Zwar wunderte es Athos nicht wenig, warum d'Artagnan nun ebenfalls an dieser Schlacht teilnahm, da er zuvor nicht sehr begeistert von dem Gedanken an Ritterspiele im allgemeinen gewesen war, aber der Graf musste auch anerkennen, dass dieses Duell hier nicht so leicht entschieden sein würde. Jetzt wurde die Schlacht interessant.
Er schwang ein weiteres Mal Camberts herrliche Klinge und sie sirrte in der Luft, bevor sie mit einem hellen Klang auf d'Artagnans Degen traf. Für einen Moment gelang es Athos, die Waffe des Leutnants zu binden, der recht beeindruckt von dem anderen Degen zu sein schien und ihn sekundenlang musterte. Dann jedoch befreite er umso entschlossener seine Klinge und setzte wieder Athos zu.
Der Graf ließ seinen Freund angreifen und parierte die Schläge nur. Er kannte d'Artagnans Fechtstil gut, sehr gut sogar, doch heute schien es der Leutnant auf eine andere Weise zu versuchen zu wollen, seinen Gegner zu besiegen. Mit jedem Hieb studierte Athos seinen Kontrahenten und schließlich meinte er, eine Taktik zu erkennen. Mehrmals hätte d'Artagnan die Möglichkeit gehabt, direkte Angriffe zu führen, vielleicht sogar Athos' Deckung zu durchbrechen. Doch er beschränkte sich lediglich darauf, die andere Klinge nur kurz zu berühren, beinahe nur zu streifen und mit seiner eigenen Waffe einen Schlag anzubringen, der dem Grafen vielleicht den Degen aus der Hand gerissen hätte.
Athos schüttelte innerlich den Kopf. Sein Freund würde auf diese Weise nicht gegen ihn gewinnen können, dazu hielt der Graf seine Waffe zu sicher in der Hand. Das Spielchen könnte ewig so weitergehen, aber Athos beschloss nun, d'Artagnan zu mehr Leistung zu reizen. Es sollte sich doch zeigen können, wer mit mehr Geschick und Können am Ende gewann und der Graf wusste, dass sein Freund zu sehr viel mehr fähig war.
Athos gab seine rein defensive Haltung auf und machte nun seinerseits einen Ausfall nach dem anderen. Er zwang d'Artagnan dazu, sich mehr auf die eigene Verteidigung zu konzentrieren und forderte ihn heraus, jede Möglichkeit zu nutzen, selbst anzugreifen, sonst würde der Leutnant schon bald verloren haben.
Doch Athos musste nach einigen Attacken feststellen, dass d'Artagnan die Schlänge zwar parierte, aber es vermied, allzu heftig einen Gegenangriff zu führen. Jetzt begann der Leutnant sogar langsam zurückzuweichen, obwohl es nicht nötig gewesen wäre.
Der Graf erhaschte einen raschen Blick zu den Seiten. Sein Freund und er befanden sich im Zentrum der Schlacht, es gab bald nicht mehr viele Möglichkeiten für d'Artagnan, irgendwohin auszuweichen ohne in das Duell zweier anderer Männer zu stolpern.
Athos war so sehr in diesen Gedanken versunken, daß er für einen Augenblick unachtsam wurde. Dies entging d'Artagnan natürlich nicht, und er wußte diesen Vorteil auszunutzen. Zuerst setzte er eine Finte ein, auf die Athos in seiner Unachtsamkeit einging und holte dann zu einem direkten Angriff auf Athos' Brust aus. Dieser war durch die Finte dazu verleitet worden, nach links zu parieren, während d'Artagnan geradewegs in die Mitte zielte.
Athos erkannte seinen Fehler, als er d'Artagnans Degen nach vorne schnellen sah.
("Das Duell" von Louise)
Gerade rechtzeitig riss der Graf seine Klinge hoch und konnte den Hieb abwehren, nicht zuletzt deshalb, weil d'Artagnan - anscheinend selbst überrascht davon, Athos' sonst immer brillante Deckung aufgerissen zu haben - seine eigene Waffe noch in der Bewegung zur Seite lenkte und dabei fallen ließ. Der Stoß verfehlte knapp Athos' Brust und beide Duellanten hielten für einen Augenblick den Atem an, noch nicht völlig begreifend, wie haarscharf sie hier einem traurigem Ende entgangen waren.
Athos und d'Artagnan hatten ihren Kampf unterbrochen und standen sich nun ein wenig atemlos gegenüber. Langsam ließ der Graf seinen Degen sinken und d'Artagnan machte keine Bewegung, seine eigene Klinge aufzuheben. Leise, sodass seine Stimme vom allgemeinen Kampflärm um sie herum beinahe verschluckt wurde, meinte der Leutnant stattdessen: "Verzeiht, aber ich musste versuchen, Euch zu entwaffnen und habe Euch darum angegriffen..." Selbst in seinen eigenen Ohren klangen die Worte zusammenhangslos und darum setzte d'Artagnan nun umso nachdrücklicher hinzu: "Bitte, gib mir den Degen, Athos."
Die Eindringlichkeit mit der sein Freund sprach, ließ Athos zwar verwundert die Stirn runzeln, aber er zögerte keinen Augenblick, Camberts Klinge an d'Artagnan zu übergeben, der sie vorsichtig, fast behutsam entgegennahm. "Was ist mit der Waffe?" fragte Athos ebenso angespannt, wie der Leutnant eben noch gesprochen hatte.
D'Artagnan sah auf und schüttelte den Kopf. Athos verstand, der junge Mann wusste es selbst nicht recht oder wollte es ihm erst später sagen. Um sie herum tobte noch immer die Schlacht, mittlerweile schienen die Blauen die Oberhand zu gewinnen und die Roten zurückzudrängen. Es kümmerte die beiden Freunde nicht weiter, wie dieser Kampf wohl ausgehen mochte, für sie war er ausgestanden. Sie nickten sich zu.
Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden liefen die beiden Musketiere los und entfernten sich vom Zentrum der Schlacht vor der Tribüne hin zum Ende des Platzes, wo nur wenige Zuschauer standen. D'Artagnan trug den Degen, Athos rannte voraus und wich dabei mehr als einmal in Duelle verwickelten Gegnern aus. Beinahe wäre er gestürzt, als ein Soldat mit blauer Binde von einem Hieb getroffen zurücktaumelte und dabei gegen den Grafen prallte. Doch Athos taumelte nur kurz und wurde gleich darauf von d'Artagnan am Arm gepackt, der seinen Freund im Laufen einfach mit sich zog und ihn erst losließ, als Athos wieder sicher auf den Beinen stand. Ohne Waffen konnten sie nicht länger hier bleiben und ohne jegliche Verteidigung war es in dieser unerbittlich geführtem Schlacht ratsamer, sich zurückzuziehen.
Für die nächsten paar Schritte blieben die beiden Musketiere auch unbehelligt von weiteren Attacken oder Zusammenstößen und näherten sich immer weiter dem Rande des Kampfplatzes. Doch dann schien ihr Glück sie zu verlassen.
Für die allmählich weiter vorrückenden und siegessicheren Soldaten auf der Seite der Blauen musste es so aussehen, als würde einer der ihren, Athos, von einem Mann mit roter Armbinde verfolgt werden. Feige verfolgt, denn ihr Kamerad trug augenscheinlich keine Waffe mehr und befand sich auf dem Weg zum Rande, sich in Sicherheit zu bringen. Die Zuschauer schienen das ähnlich zu sehen und es erhob sich ein unzufriedener Lärm in ihren Reihen, der die Aufmerksamkeit auch eines Blauen in der Nähe erregte, der sich gerade seines Feindes entledigt hatte, in dem er ihn mit einem Schlag seines Schwertgriffs ins Gesicht ins Reich der Träume geschickt hatte.
Durch die Zurufe der Menschen wurde dieser Soldat auf die beiden Flüchtenden aufmerksam und wie viele andere meinte auch er, eine unehrenhafte Verfolgungsjagd zu erkennen. Ohne zu zögern setzte er sich selbst in Bewegung und schwang dabei sein Breitschwert über den Kopf.
Athos hatte in der Zwischenzeit endlich die Grenze des Reitplatzes erreicht und wandte sich an der wimpelgeschmückten Absperrung, einem Zaun, zu d'Artagnan um, der einige Schritte zurückgefallen war, weil der Leutnant einem, zu dessen Gegner springendem Soldaten ausweichen musste, der d'Artagnan kurz zum Halten und zu einer leichten Richtungsänderung gezwungen hatte.
Dies verschaffte allerdings dem heranstürmendem Soldaten aus den Reihen der Blauen die Zeit, den Musketierleutnant einzuholen, der seinerseits noch nicht bemerkt zu haben schien, dass ihn jemand attackieren wollte und darum zu spät reagierte, als ein mit der stumpfen Breitseite geführter Hieb auf ihn niederging.
D'Artagnan gelang es noch, den Arm hochzureißen um sein Gesicht zu schützen, bevor ihn die Wucht des Aufpralls zu Boden riss und ihm der Degen aus der Hand geschleudert wurde. Heißer Schmerz flammte in seinem Arm auf und für einen Moment wurde dem Leutnant schwarz vor Augen. Über ihm holte sein Angreifer bereits zu einem neuen, nicht tödlichen, aber trotzdem wirkungsvollem Schlag aus.
Doch als die Klinge niedersauste, verfehlte sie ihr Ziel. Athos hatte d'Artagnan und seinen Gegner erreicht, im Lauf noch Camberts Degen aufgehoben und damit die Attacke aufgehalten, bevor sie den Leutnant treffen konnte. Reichlich verdutzt blickte der Angreifer nun seinen vermeintlichen Kameraden, dem er doch eigentlich hatte helfen wollen, an und ließ sein Schwert sinken. D'Artagnan setzte sich auf und wandte sich zu seinem Freund um. Sofort erkannte er den Grund, weshalb der Blaue die Freunde nicht weiter bedrängte.
Ein weiterer Kampf kam einfach nicht in Frage. Camberts Degen war bei der Parade zerbrochen, doch die Klinge hatte sich nicht sauber an einer Bruchstelle abgetrennt - das Metall musste schon vorher brüchig gewesen sein, doch die Waffe was so gut gearbeitet gewesen, dass es Athos im Zelt nicht aufgefallen war und die Hiebe eines anderen Degens, d'Artagnans Waffe, hatten die Klinge nicht brechen können. Dazu war mindestens ein Breitschwert nötig gewesen.
Nun war der Degen regelrecht zersplittert. Einige der scharfkantigen Bruchstücke waren weit geflogen, man sah es an vereinzelten Zuschauern, die erschrocken von den Metallstücken zurückwichen, die in ihrer Nähe gelandet waren. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte sich dieses Ereignis inmitten der Schlacht, unmittelbar vor der Tribüne ereignet!
Doch zum Glück hatte der Aufprall, der die Klinge wie Glas auseinander platzen ließ, die meisten der spitzen Geschosse mit Wucht in den Sandboden des Turnierplatzes getrieben. Kein Splitter schien einen Menschen getroffen zu haben, keinen Zuschauern, keinen Soldaten - Bis auf das größte Bruchstück, der Klingenspitze, die sich tief in die Seite des Grafen gebohrt hatte.
Einen Moment sah Athos verdutzt auf das Stück Metall, das ihm aus den Rippen ragte und ganz harmlos wirkte, dann jedoch taumelte der Musketier langsam zurück. Seine Beine gaben unter ihm nach und er brach zusammen. Mit einem erschrockenem Aufschrei sprang d'Artagnan auf die Füße und achtete nicht mehr auf das, was hinter ihm geschah.
Die Schlacht war beendet und wie es abzusehen gewesen war, hatten die Männer mit den blauen Armbinden gewonnen. Die Roten verließen soeben den Platz, während sich der König erhoben hatte und lobende Worte für die Sieger fand. Niemand kümmerte sich um das, was am Rande des Turnierfeldes geschah. Die Zuschauer erholten sich von ihrem Schrecken und wandten sich den Feierlichkeiten vorne bei der Tribüne zu. Der Soldat mit dem blauen Stück Stoff wirbelte herum und lief nach vorne, wahrscheinlich, um Hilfe zu holen.
Einzig ein junger Mann mit roter Armbinde blieb zurück und erkannte, was sich wirklich zugetragen hatte - dass alle verloren hatten.
D'Artagnan näherte sich dem verwundeten Athos langsam und betrachtete ihn nachdenklich. Der Musketier war noch jung: bestimmt keinen Tag älter als dreißig Jahre. Überdies war er von außergewöhnlicher Schönheit. Er war sehr schlank und nicht sonderlich groß - das war vermutlich auch der Grund, warum er dem tödlichen Stoß [von vorhin] so geschickt hatte entgehen können - doch von sehr ebenmäßiger, gut gebauter Statur. Lockiges, blondes Haar fiel ihm auf die geraden Schultern hinab. - D'Artagnan schrak zusammen, als der verletzte Musketier leise stöhnte. Er kniete neben ihm nieder und nahm die Wunde in Augenschein. Die Klinge war tief eingedrungen, d'Artagnan befürchtete, daß sie bis in die Brust vorgestoßen war. Ohne Versorgung hing das Leben dieses Musketiers an einem seidenen Faden, der jeden Moment zu zerreißen drohte.
("Die Rue Férou" von Silvia)
Der Leutnant konnte nicht fassen, was er sah. Der sonst in jedem Duell überlegene Graf, der stolze, aufrechte Athos, der edelmütigste Mann, der je gelebt hatte - war gefallen. Vorsichtig schob d'Artagnan eine Hand unter den Kopf seines Freundes und hob ihn leicht an. "Verzeiht, verzeiht mir...", brachte er mit erstickter Stimme hervor und machte sich nicht die Mühe, seine Tränen wegzuwischen, die ihm langsam über die Wangen liefen.
Athos war nicht bewusstlos, schwach öffnete er die Augenlieder und fand die Kraft für ein verzerrtes Lächeln. "Mein... Sohn...", sagte er leise, fast tonlos, bevor seine Stimme erstarb. Die Lippen des Grafen bewegten sich stumm, doch d'Artagnan konnte nichts verstehen.
Der Leutnant griff nach der Hand des Grafen und mit einer letzten, verzweifelten Hoffnung bemerkte d'Artagnan, wie sein leichter Druck erwidert wurde. "Du darfst nicht sprechen, Athos. Spare deine Kraft, Hilfe wird schon bald hier eintreffen. Und Morgen werden wir den Sieg feiern...", flüsterte der Gascogner seinem Freund zu.
Athos blinzelte langsam und für einen furchtbaren Moment glaubte d'Artagnan, der Graf würde die Augen nicht wieder öffnen. Doch dann sah Athos seinen Freund wieder an und schien seine letzte Kraft zu sammeln. "Ja...", gab er mit einem leisen Lächeln zurück. Dann ließ der Druck seiner Hand nach und seine Augen erloschen...
Einige Stunden später...
Es war seine Schuld! Seine verfluchte Schuld, dass Athos Tod war! Er hätte diesen verdammten Degen gleich wegwerfen sollen, er hätte als erster Laufen sollen, er hätte den Angreifer früher bemerken müssen, er hätte die Armbinde abreißen sollen, er hätte an diesem Turnier niemals teilnehmen dürfen! Er hatte seinen Freund durch seine Dummheit... ermordet.
D'Artagnan barg das Gesicht in den Händen. Es war ein Unfall gewesen, doch warum fühlte es sich an, wie Mord? Für alle hatte es so ausgesehen, als hätte ein Soldat mit roter Armbinde einen Gegner mit blauem Band, der unbewaffnet und wehrlos war, bis an den Rande des Platzes verfolgt. Bis dem Blauen ein Kamerad zur Hilfe eilte, doch da war es bereits geschehen gewesen.
Natürlich glaubten Aramis und Porthos nicht, dass d'Artagnan ihren Freund absichtlich getötet hatte. Aber warum hatte der Leutnant auf der Seite des Kardinals diese Schlacht bestritten und sich gezielt Athos als Gegner ausgesucht? Warum hatte er ihm den Degen abgenommen, die einzige Verteidigung des Grafen?
D'Artagnan hatte nicht die Worte gefunden, seinen Freunden zu erzählen, wie es so gekommen war. Er hatte selbst noch nicht recht begriffen, was überhaupt geschehen war. Er erinnerte sich nur noch dunkel daran, dass irgendwann, während er Athos noch in den Armen hielt und das Blut des Grafen langsam den Sand um ihn herum dunkel färbte, Hilfe gekommen war - zu spät. Man hatte Athos auf einer Bahre weggetragen für einen winzigen Moment hoffte d'Artagnan, alles sei nur ein Irrtum, sein Freund würde jeden Moment aufwachen.
Irgendwann war er aufgestanden - oder hatte man ihn hochgezogen? - und war zurück zum Zelt hinter der Tribüne geführt worden. Eine Menge Fragen hatte man ihm gestellt, er hatte keine beantworten können. Irgendwann sprach Monsieur de Tréville ein Machtwort. Eine Suspendierung. Sie verschaffte d'Artagnan Zeit, die er nicht bei den Fragestellern verbringen musste.
Die Festspiele waren weitergegangen, als sei nichts geschehen. Im Grunde war auch nichts geschehen, durch Athos' Opfer war schlimmeres verhindert worden. Was für eine Ironie! D'Artagnan konnte sich nichts schlimmeres vorstellen, als für den Tod seines Freundes verantwortlich zu sein.
Langsam ließ der Leutnant die Hände sinken und schüttelte den Kopf. Was sollte nun werden? Darüber konnte er jetzt nicht nachdenken. Aber ein letztes konnte er mit seiner geschenkten Zeit noch tun: Seinem Freund die letzte Ehre erweisen und Wache an seinem Totenbett halten...
D'Artagnan wandte sich von der Tribüne ab und überließ den Schatten den Turnierplatz.
Wenige Minuten, nachdem d'Artagnan den Ort des Unglücks verlassen hatte, rüttelte eine Hand unsanft an der Schulter des Grafen de Rochefort. Der Stallmeister hatte sich in einem der Zelte, die nun verwaist auf der Rückseite der Tribüne lagen endlich zur Ruhe gelegt und ließ sich auch jetzt nur ungern wecken. Der Schlaf war zumindest eine Ausflucht gewesen, für einige süße Stunden nicht mehr an die letzten Ereignisse denken zu müssen.
Doch anscheinend wollte irgendjemand Rochefort diese Ruhe nicht gönnen und wiederholte sein Rütteln umso nachdrücklicher. "Wacht auf, Graf!" befahl nun auch noch eine herrische Stimme, die der Stallmeister schneller wiedererkannte, als es ihm lieb war. Ohne sich aufzusetzen oder auch nur die Augen zu öffnen, sagte er: "Kommt Morgen wieder, Monsieur. Ich will, ich muss schlafen!"
"Wenn Ihr auch morgen noch so friedlich schlafen wollt, dann solltet Ihr jetzt für wenigstens eine Stunde oder zwei wach sein", erwiderte die Stimme gereizt und Rochefort hielt diese Drohung nicht bloß für übertrieben. Manchmal sollte man sich nicht mit einem überaus zornig klingendem Hauptmann der Musketiere anlegen...
"Also gut." Der Stallmeister schlug nun doch die Augen auf und schwang die Füße von der Bahre, die ihm bisher als Nachtlager gedient hatte. "Wie kann ich Euch helfen, Monsieur de Tréville?"
Der Hauptmann lächelte humorlos und trat einen Schritt zurück. "Gehen wir spazieren." Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich Tréville um und verließ das Zelt. Einen Augenblick lang war Rochefort versucht, sich einfach wieder hinzulegen, entschied sich dann jedoch dagegen. Dieser Gascogner würde nicht locker lassen, ehe er seinen Willen bekommen hatte. Also stand der Stallmeister auf, streckte sich ausgiebig und trat dann hinaus in die kühle Nacht. Vor dem Eingang wartete Tréville und nickte Rochefort nun zu, vorauszugehen.
"Wohin?" fragte der Stallmeister leicht verschlafen und fand dies alles äußerst lästig. Gut, der Hauptmann hatte heute einen seiner Männer verloren und wie es schien, durch einen Unfall, an dem sein Leutnant beteiligt war. Vielleicht war Rochefort nicht ganz unschuldig daran, also beschloss der Graf, sich heute eine etwas ruppigere Behandlung gefallen zu lassen, wenn er dann nur irgendeine Nacht wieder ruhig schlafen konnte.
"Wäre der Turnierplatz für den Anfang ein lohnendes Ziel?" gab Tréville spitz zurück.
Rochefort zuckte gleichgültig mit den Achseln und marschierte los. Der Hauptmann schloss zu ihm auf und ging neben dem Grafen her. Schweigend überquerten sie die Absperrung vor dem Platz und dem Stallmeister war klar, wohin der Weg führen würde. Nicht in ein unnützes Duell, sondern geradewegs zum Rande des Platzes, wo mit ein wenig Erde ein blutroter Fleck verscharrt worden war.
Tatsächlich erreichten die beiden Männer bald den Ort, den wahrscheinlich keiner von ihnen gern aufsuchte. Sie blieben stehen und nach einer weiteren Minute des Schweigens, in der jeder seinen eigenen, trüben Gedanken nachhing, meinte Tréville schließlich. "Hier ist heute ein guter, ein edler Mensch gefallen."
"Ja", gab Rochefort leise zurück und schämte sich nicht, dass seine Stimme nicht so fest klang, wie sonst üblich. Auch dem Hauptmann schien dies nicht zu entgehen und wesentlich freundlicher als noch zuvor, auch selbst noch von den Ereignissen erschüttert, fragte er nun: "Wollt Ihr mir berichten, wie es dazu gekommen ist? Ihr müsst etwas wissen, Ihr wart es, der meinen Leutnant davon überzeugt hat, an diesem Turnier teilzunehmen."
Der Stallmeister nickte langsam. Und dann erzählte er, was er wusste. Angefangen bei seiner Audienz mit dem Kardinal, was er von Jussac hörte, wie er d'Artagnan überzeugt hatte, am Turnier teilzunehmen. Wie er zum Kardinalspalais zurückgekehrt war, um den Haftbefehl zu verhindern und einen anderen Vorschlag zu machen. Wie er von dem Degen erfahren hatte und was er den Leutnant der Musketiere bat, zu tun. "Für einen Moment, als Athos auf dem Turnierplatz erschien mit dem gesuchten Degen in der Hand, da dachte ich tatsächlich, er wäre der Mann, den ich dingfest machen sollte..." Schließlich beendete Rochefort seinen Bericht und war froh um die Dunkelheit der Nacht, die sein Gesicht vor Tréville verbarg.
"Ich danke Euch", meinte der Hauptmann nach einigen Momenten schließlich und schweigend gingen die Männer zurück zu dem Zelt, in dem Rochefort eben noch geschlafen hatte und es auch jetzt gern wieder getan hätte, wenn er nicht gewusst hätte, dass er nun kein Auge mehr zumachen würde. Vor dem Eingang blieb er stehen und sah in den Nachthimmel hinauf. Dunkle Wolken verdeckten Mond und Sterne. Morgen würde es sicher Regen geben und die Spuren, welche die Festlichkeiten auf den Äckern hinterlassen hatten, fortspülen.
"Was davon war nun Zufall, was Schicksal und was tatsächlich geplant?" Sinnierte der Graf laut. "Wir werden es vielleicht nie erfahren, allein eine höhere Macht weiß die Antworten... Wer schuldig war, und wer nicht", gähnte er hinter vorgehaltener Hand, hauptsächlich, um das Zittern seiner Stimme zu überspielen.
"Ventredieu! Kommt mir nicht mit der Philosophie, Rochefort, darauf versteht Ihr Euch ohnehin nur bedingt… Außerdem wolltet Ihr schlafen." - "Nun… vielleicht." gestand Rochefort, der spürte, daß seine Augen wieder zufallen wollten. "Aber denkt daran, daß wir in Saint-Rémy eine Messe für Monsieur de la Fère lesen lassen… So viel hat er trotz allem verdient." - "Das hat er", bestätigte Tréville mit einem betrübten Nicken, "und ich muß gestehen, daß mir davor graut, auf dem Rückweg nach Paris in La Fère die Nachricht von seinem Ableben überbringen zu müssen… [...]" - "Was geschehen ist, war weder Eure noch meine Schuld", erwiderte Rochefort fest, "folglich werden wir uns nicht schämen müssen, seinen Angehörigen mitzuteilen, was vorgefallen ist… Angenehm wird es dennoch nicht werden, aber wir werden es schon durchstehen… Schlimmer als die letzten Wochen kann es keinesfalls werden…" - "Das wohl nicht", sagte Tréville mit einem freudlosen Lachen, "aber schlimm genug."
("Das Geheimnis von Les Baux" von Maike)
Eine ganze Weile sagte der Hauptmann nichts mehr. Doch schließlich räusperte er sich und schien aus seinen eigenen Gedanken ins Hier und Jetzt zurückzukehren. "Vieles von dem was Ihr sagt, erscheint mir merkwürdig. Die beiden Gardisten haben an diesem Morgen... Athos provoziert. Mit Absicht, nehme ich an. Doch sie konnten nicht wissen, dass dieser Musketier an den Ritterspielen teilnehmen würde. Und doch scheint es, als hätten sie sehr bewusst Athos ausgewählt, um ihn zu einem Duell herauszufordern."
Rochefort runzelte leicht die Stirn. "Was, wenn sie es doch wussten?"
"Was hätte ihnen das für einen Vorteil gebracht? Zwar sagt Ihr, Ihr hättet vor d'Artagnan behauptet, diese beiden Gardisten sollten am Turnier teilnehmen, doch das war offensichtlich nicht der Fall - und sie hatten auch keinerlei Auftrag, Widersacher zu schwächen. Oder irre ich mich da?"
"Nein, ich glaube nicht, dass es darum ging... Aber was..." Rochefort schüttelte kurz den Kopf und versuchte sich an dem Schleier aus Müdigkeit und Schuldbewusstsein vorbei zu konzentrieren. "Was, wenn sie es wussten - und ihre einzige Absicht darin bestand, Athos' Degen zu brechen?"
"Athos' Degen zu brechen, damit er sich beim Zeugmeister eine schlechtere Klinge holte... Nun, dadurch wäre vielleicht ein Vorteil für alle anderen Teilnehmer gewonnen gewesen", überlegte Tréville.
"Das sicherlich", fuhr Rochefort, sehr viel wacher als zuvor fort. "Aber Athos hat nicht mit dieser schlechten Klinge gefochten, sondern mit einer... außergewöhnlichen Waffe. Sie war sehr auffällig - und sie war ein Werkzeug, wie ich noch rechtzeitig erfuhr, um d'Artagnan davon in Kenntnis zu setzen. Aber woher hatte Athos diese Waffe? Er war sicherlich nicht der Verbrecher, den ich gesucht habe. Nein... er hat sich die Klinge geliehen. Und jetzt ist auch offensichtlich, weshalb sein eigener Degen zuvor zerbrechen musste!"
"Damit ihm der Mann, den Ihr auf diesem Turnier tatsächlich gesucht habt, einen Degen leihen konnte, der wie Glas unter dem Hieb eines Schwertes splitterte und die Bruchstücke unkontrolliert in alle Richtungen flogen", vollende Tréville. "Wir hätten nur darauf achten müssen, welcher Teilnehmer das Zelt nach dem Turnier ohne seinen Degen verließ. Jetzt ist es zu spät..."
Wie schon d'Artagnan zuvor wurde nun auch dem Stallmeister und dem Hauptmann die Ironie der Ereignisse bewusst. "Vielleicht nicht ganz zu spät", meinte Rochefort dann jedoch langsam. "Irgendwer muss etwas gesehen haben. Wir werden den wahren Mörder finden!" schloss der Stallmeister. Er fühlte sich nicht besser durch diese Worte und auch Tréville wusste, dass eine späte Verhaftung Athos nicht wieder lebendig machen würde.
Aber so bekam der Tod des Grafen vielleicht mehr Sinn - und vielleicht fanden durch die Suche nach einem Mörder die Musketiere ihre Entschlossenheit und ihren Mut wieder, die sie seit heute Nachmittag verloren zu haben schienen. Besonders Cambert war, neben Aramis, Porthos und d'Artagnan, erschüttert gewesen. Er hatte mit seinen Kameraden und für Athos auf der Seite der blauen Armbinden gewonnen und sich mit seinem Spieß mehr als tapfer, sogar sehr geschickt geschlagen. Cambert hatte die Gegner auf Distanz gehalten und sie angegriffen, ohne dass sie ihrerseits ihn erreichen konnten...
ENDE
Anmerkung 2:
Hallo, da bin ich nochmal. Und ich trau mich's kaum zu fragen, aber: Wie war's?
An dieser Stelle möchte ich allen "Spendern" für ihre Leseproben danken, die ich hier verwenden durfte. Es hat richtig Spaß gemacht, die Stücke aus den Geschichten in einen neuen Kontext einzuarbeiten.
Danken möchte ich auch meinen Meerschweinchen, sie haben sich alle Ideen geduldig angehört und sich durch noch so große Verrücktheiten nicht die Laune verderben lassen. *g*
Gleichzeitig möchte ich mich bei den Athos-Fans entschuldigen, was ich ihrem Liebling angetan habe und hoffe, man wird mir verzeihen. Leider sind Athos' letzte drei Worte nicht sonderlich bedeutungsvoll, aber bis auf "aua, autsch, ohweh!" ist mir auch keine passende Alternative eingefallen.
Ebenso ein großes Sorry an die Rochefort-Fans für den etwas übermüdeten Stallmeister.
Entschuldigen möchte ich mich auch für diverse Formulierungen, die vielleicht unpassend, weil etwas flapsig, gewirkt haben könnten. Entschuldigung auch an Doro und Ath, deren Kapitel hierfür zwei Tage bei mir liegen bleiben mussten...
Der Satz, den ich aus der Leseprobe "Das Geheimnis von Les Baux" von Maike herausnehmen musste, lautet: "Ich werde seinem Sohn nicht in die Augen sehen können" - Ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich DAS erklären sollte. *g*
Ich weiß nicht, ob es ein Metall gib, das man als Klinge verwenden kann und dass bei einem schweren Schlag in tausend Teile zerspringt. Ich weiß auch nicht, wie solche Ritterturniere genau ablaufen. Noch dazu weiß ich nicht immer etwas mit Rechtschreibung und Grammatik anzufangen. Im Grunde habe ich von nichts eine Ahnung gehabt und einfach alle Löcher mit viel "Narrativum" ausgestopft. Manches ging auch nicht anders, sonst hätte es mit den Leseproben nicht mehr gepasst.
Ich hoffe sehr, die Geschichte war trotzdem in sich stimmig und ich habe die Herausforderung zu Silvias Zufriedenheit erfüllen können. ;)
Viele Grüße,
Maren
Kapitel Was ist Wahrheit? von
Ich traue mich kaum, das hier zu posten, nachdem ich Marvens Geschichte gelesen habe, aber ich tue es trotzdem. Nehmt es als einen leicht verworrenen Einfall. Dies ist eine Kurzgeschichte, darum habe ich sie mit offenem Ende gestaltet.
Was ist Wahrheit?
Und sie entschied, dass das Kind nicht bei ihr aufwachsen sollte, denn sie hatte ihren Herrn und Gemahl, den König betrogen....(Susan Cooper: The grey King)
Vergangenheit
Entschlossen hob sie den Kopf. Nicht zum König, der das Urteil aussprach, sondern zu dem Mann, der abseits vom König stand und dessen Blick sie auf sich ruhen fühlte. Ihre Augen trafen sich. Sie sah den Triumph, und es kostete sie unglaubliche Kraft, diesem Blick standzuhalten. Es mußte ein Leichtes für ihn gewesen sein, den König von ihrer Schuld zu überzeugen, als er endlich einen festen Beweis vorweisen konnte. Der König haßte sie seit dem Tage, an dem die Königin ihrem Beispiel gefolgt und über die Gräben von Versailles gesprungen war, dabei stürzte und Frankreich des Dauphins beraubte. Wer hatte Richelieu von der Botschaft erzählt, die sie am Morgen nach England geschickt hatte? Wer konnte davon wissen? Ihr Gesicht blieb stumm, starrte Richelieu an, während sie ihre Gedanken ordnete. Zweifellos würde man in der Zwischenzeit ihre Gemächer durchsuchen. Sie konnte ein leichtes Lächeln nicht verbergen, als sie daran dachte, was der Kardinal wohl erwartete und wie enttäuscht er sein würde, wenn er entdeckte, daß nichts von politischer Bedeutung unter ihren Sachen war. Wie konnte er in Besitz der Botschaft gekommen sein? (Die Verbannung)
Sie lächelte kühl. Das was zählte war bereits erreicht und in England. Er Kardinal hatte niemals die Wahrheit erfahren, niemals gewusst worum es wirklich ging. Und mit etwas Glück würde er es niemals erfahren.
***
Gegenwart
Die Attentäter waren gut, dass musste er ihnen lassen. Und sie waren ihm völlig unbemerkt zu dem Haus gefolgt. Erst als er den Raum betrat in dem Charon, wie er ihn in Gedanken immer noch nannte, schlief, erahnte er die Verfolger. Ein einziger Blick sagte ihm auch, dass Charon nicht erwachen würde. Er schlief immer noch den Schlaf tiefster Erschöpfung. Er lag dort, den Kopf auf die Verschränkten Arme gebettet, die langen schwarzen Locken breiteten sich darüber wie eine düstere See aus. Er konnte Charon nicht wecken, oder zulassen, dass sein Schlaf gestört wurde, nicht wenn diese Wunde jemals heilen sollte.
Er eilte hinaus, den Feinden entgegen. Sie waren zu fünft, aber sie hatten nicht Widerstand gerechnet. Er hatte zwei niedergestochen ehe sie ihn bemerkt hatten, die anderen drei griffen umso heftiger an. Er zerbrach einem den Degen mit einer besonders harten Attacke, stieß dem zweiten die Klinge in den Unterleib und steckte von dem letzten Verbleibenden einen Streifschlag ein. Es kümmerte ihn nicht. Nicht einer von ihnen würde über diese Schwelle kommen, so wahr er Rochefort hieß. Nach einem weiteren heftigen Schlagabtausch ging der letzte zu Boden.
Rochefort lehnte sich keuchend gegen den Türrahmen. Er musste die Leichen hier verschwinden lassen. Niemand sollte irgendeine Aufmerksamkeit auf dieses verfallene Haus hier richten. Was für ein Versteck für Charon! Aber besser als gar keines, erst einmal. Etwa eine Stunde später ruhten die fünf Toten sanft und stumm in der Seine und Rochefort ging noch einmal nach Charon sehen. Wie er vermutet hatte, war Charon nicht aufgewacht. Er hatte sich nicht einmal gerührt. Rochefort spürte die Wunde an seinem Arm kaum als er sich neben den schlafenden hockte. Selbst jetzt, im tiefsten Schlafe, strahlte Charon eine unheimliche Präsenz aus, die den ganzen Raum zu füllen schien. „Schlafe in Frieden, ich passe auf dich auf.“ Sagte Rochefort leise.
***
Das etwas nicht stimmte, spürte er bereits als der das Kardinalspalais betrat. Biscarrat, der Wachhabende Offizier, musterte ihn merkwürdig und sagte: „Graf de Rochefort, seine Eminzent wünscht Euch zu sprechen.“ Rochefort nickte und folgte ihm. Er hatte ein ungutes Gefühl dabei aber er konnte nicht ausweichen.
Richelieu musterte Rochefort streng und bot ihm keinen Platz an. Hinter seinem Schreibtisch sitzend, die Arme aufgestützt nahm er sich mehrere Minuten Zeit Rochefort zu studieren. Dann sagte er streng: „Ich erwarte Erklärungen Graf. Euer in den letzten Monaten ist mehr als merkwürdig.“
Rochefort sah ihn irritiert an. „Ich verstehe nicht Euer Eminenz...“
„Wirklich nicht?“ fragte Richelieu zynisch. „Vor etwa sieben Monaten habt ihr einen Halbtoten jungen Mann aus der Seine gerettet. Ihr nennt ihn Charon, nach dem Fährmann des Totenflusses. Seitdem wart ihr nicht weniger als 17 Kämpfe verwickelt, die alle durch die Person....dieses Mannes ausgelöst wurden. Ihr verweigert jede Erklärung zur wahren Identität dieses Mannes und ihr wirkt....abgelenkt wenn Ihr nicht in seiner Gesellschaft seid. Da es ein außergewöhnlich schöner junger Mann sein soll, haben sich natürlich längst Gerüchte verbreitet, deren Inhalt alles andere Schmeichelhaft ist. Und vor über einer Woche habt Ihr und Charon Euch entschieden eine Kirche im Norden dieser Stadt aufzusuchen.... die in der selben Nacht abbrannte. Seitdem ist Euer Freund verschwunden und Ihr wirkt abgelenkter als sonst. Und ich erwarte eine Erklärung.“
Rochefort atmete tief durch. „Euer Eminenz, Charon hat eine Feindin in dieser Welt. Eine Feindin die ihn vernichten will und die teuflische Mittel einsetzt um ihn zu töten.“
Der Kardinal hob die Augenbrauen. „Ach ja? Und Eure eigene Involvierung in diese Frage, Rochefort? Ich erwarte den wahren Namen des jungen Mannes zu hören.“
Rochefort schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht Euer Eminenz, Ich gab mein Wort.“
„Ihr versteht mich nicht recht, Rochefort.“ Erwiderte Richelieu streng. „Wenn Ihr nicht bereit seid den Namen zu enthüllen und alles was sonst mit... Charon zusammenhängt, werdet Ihr meine Dienste verlassen müssen.“
Rochefort erbleichte nicht, noch schüchterten ihn diese Worte ein. „Euer Eminenz ich hätte niemals geglaubt Euch dies zu sagen, aber es gibt etwas das mir mehr Wert ist als der Dienst bei Euch, mein Rang hier in Paris und selbst als mein guter Ruf. Wenn Ihr zur Bedingung für mein Bleiben macht, dass ich Charon verrate, dann bleibt mir nur zu sagen: Es war eine Ehre Euer Eminenz zu dienen.“
Mit diesen Worten verbeugte er sich und schritt hinaus. Draußen erwarteten ihn unruhige Stimmen. Anscheinend hatten diejenigen von seinen Freunden, die von der Geschichte Wind bekommen hatten, den Weg hierher gefunden. Zu seinem Erstaunen sah er auch Monsieur de Treville, seinen Freund aus seinen frühen Tagen in Paris.
"Teufel, Rochefort, wo seid Ihr gewesen? Ihr seid verwundet…"
"Wir sind nach Hause gegangen, als die Gardisten so seltsam zu uns herübersahen, aber als Du nicht wiederkamst, wollten wir schon wieder aufbrechen und nach Dir sehen…"
"Mon Dieu, Charles, Du zitterst ja… Was ist geschehen?"
Rochefort hob ein wenig die Hand. "Messieurs, ich bitte Euch, fragt nicht, fragt mich gar nichts! Und wenn Ihr auch nur ein wenig Freundschaft für mich empfindet, helft mir beim Packen." bat er.
Tréville und Jussac tauschten einen entgeisterten Blick, doch getreu der Bitte Rocheforts richteten sie keine weiteren Fragen an ihn. Der Diener hatte während der ein wenig ausgedehnten Begrüßung ruhig abgewartet. Rochefort wandte sich nun zu ihm um. "Mein Pferd steht in einem Mietstall, dort, am Ende der Straße… Eine kleine braune Stute, sie heißt Arlette, man wird sie Euch leicht zeigen können. Laßt sie satteln und bringt sie mit her!"
(Le printemps d'espérance)
„Sacrebleu! Was ist mit Euch Rochefort?“ entfuhr es de Treville.
Rochefort schüttelte den Kopf. „Fragt mich nicht, de Treville. Es ist nicht mein Geheimnis. Nicht an mir es Presizugeben. Aber die Antwort wird gegeben werden, zur rechten Zeit.“ Sagte er, während er zu seinen Räumen eilte.
Gegen Abend verließ Rochefort das Palais des Kardinals und er empfand kein wirkliches Bedauern dabei. Seine Freunde ebenso wie seine Feinde sahen ihm gleichmäßig verwundert nach und fragten sich wohin er gehen würde. Die meisten vermuteten nach Ile de France, auf den Landsitz seiner Familie dessen Erbe er ja war, sie irrten sich und sie wussten es nicht. Rocheforts Weg führte ihn zu einem halbverfallenen Haus nahe der Rue de Jerusalem.
***
Einem Mann der Brot für seine hungernde Familie stiehlt, hackt man die Hände ab,
Einen Mann der seinen eigenen Bruder tötet, schickt man in die Bastille,
einen Mann der die Wahrheit sagen wird, tötet man bevor er es wirklich tut.
The lost One.
Keiner hatte einen Boten gesehen, der den kleinen Papierfetzen auf den Nachttisch der Königin gelegt haben könnte. In ihr Gemach, zu dem nur ihre vertrautesten Dienerinnen Zutritt hatten. Die Schrift war schön, geschwungen, aber unregelmäßig, absichtlich wild. Doch das bemerkenswerteste: Die Worte waren nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit Blut. Diese Tatsache, mehr noch als die düsteren Worte, ließ die Königin erschauern. Doch nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hatte, siegten Stolz und Zorn über ihre Angst. Zorn, auf denjenigen, der es gewagt hatte, ihr solch einen Schrecken einzujagen. Ihr, Anna von Österreich, einer Königin von Gottes Gnaden! Eine Warnung? Eine Drohung? Wer verbarg sich hinter diesem Decknamen? (Das geheimnis der Katze)
The Lost One
„Man lasse den Hauptmann des Musketiere holen.“ Befahl die Königin.
***
Nachdenklich drehte Monsieur de Treville das Papier in den Händen. Es war die fünfte Drohung dieser Art innerhalb von wenigen Wochen. Immer die gleichen Worte, immer die selbe Schrift, immer näher an den königlichen Räumen. Erst war es im Vorzimmer gewesen und jetzt der letzte hatte auf dem Nachttisch gelegen. Die Königin war außer sich gewesen, dass er unfähig war dieses Rätsel zu lösen.
De Treville setzte sich schwer hinter seinen Schreibtisch und stützte den Kopf in die Hände. Die Worte des Königin waren mehr als ungnädig gewesen und auch der König war inzwischen mehr als verärgert. Sie waren unzufrieden, dass er den Schreiber nicht gefunden hatte. Besonders die Königin war zornig, sie fühlte sich viel bedrohter von diesen Briefen als ihr Gemahl, der beinahe neugierig schien welche Wahrheit der Schreiber zu verkünden hatte. Der Treville seufzte leise.
Er war in Schwierigkeiten, das konnte man sagen. Seine Reputation war schwer angeschlagen, seine Glaubwürdigkeit beschädigt, das Vertrauen in seine Person erschüttert. Schlimmeres konnte ihm, einem loyalen Diener der Krone, der ungezählte Male sein Leben für die Ehre von König und Königin eingesetzt hatte, kaum wiederfahren. Das Übelste an der Situation aber war, dass er absolut nicht verstand, was mit ihm geschah. Irgendjemand hatte mit teuflischem Geschick seinen Ruf beschädigt, ja nahezu zerstört, und er wusste nicht, wie das hatte geschehen können. Sogar seine Vertrauten und eingeschworenen Freunde begannen, sich von ihm zurückzuziehen.
(Der Doppelgänger)
Er sah auf, es gab keinen Grund zum verzweifeln, hatten bisher alle seiner Männer versagt, dann mussten eben andere Wege gefunden werden. Nachdenklich las er noch einmal die Botschaft. Aber sie gab ihm ebenso wenig Auskunft als all die anderen Male zuvor. Es bräuchte einen geübten Intriganten um diese Sache zu durchschauen.
Plötzlich durchzuckte den alten Gasogner ein Gedanke. Ein Intrigant, jemand der immer noch eine Intrige in der Hinterhand hatte.... ja das war es. Hatte der Kardinal nicht eben seinen besten Intriganten aus seinen Diensten entlassen? De Treville stand entschlossen auf. Er musste Rochefort wiederfinden, weit konnte dieser ja noch nicht sein. Und wenn an den Gerüchten Rochefort sei in merkwürdiger liebe zu einem schönen fremden Jüngling entbrannt, auch nur ein Hauch Wahrheit war, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn man die beiden in der Gerüchteküche der Hauptstadt nicht wiederfand.
***
Zur gleichen Zeit stand Biscarrat vor seiner Eminenz. Dieser hatte eine Abschrift jenes Papiers, das die Königin so sehr beunruhigte vor sich auf dem Schreibtisch liegen. „Die Königin hat Monsieur de Treville beauftragt den Schreiber zu finden.“ Sagte der Kardinal ruhig.
"Es mag einige Zeit dauern, bis die Spione sich soweit zutritt ins Hôtel de Tréville verschafft haben, dass sie unauffällig beobachten können, was sich im Innersten der Kompanie abspielt. Von außen erreichen mich immer die gleichen Berichte. Mein Vorschlag wäre es, eine Person zu verwenden, die zum einen beinahe uneingeschränkten Zutritt auch ins Arbeitszimmer des Hauptmanns hat, zum anderen keinerlei Verdacht erregen kann, da sie bereits Teil der Kompanie ist."
"Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt. Ihr sprecht vom Leutnant der Musketiere?"
"Ja, Eminenz. Ihr habt dieses Patent einem jungen Mann ausgestellt, den Ihr genauso gut in die Bastille oder aufs Schafott hättet schicken können. Jetzt wäre der richtige Augenblick, um den Preis für Eure Gnade einzufordern."(Quo vadis)
Der Kardinal nickte langsam. „Ja, das wäre im Bereich des Möglichen. Lasst ihn von unserer Besorgnis wissen, dass der Hauptmann durch die hastige Ungnade ihrer Majestäten vielleicht zu unbedachten Schritten neigen könnte. Mehr nicht.“
Biscarrat verbeugte sich und trat ab.
***
Monsieur de Treville hatte seine Quellen Informationen zu bekommen, wenn notwendig. Hier erwies es sich als Vorteil, dass seine Soldaten ihm blind ergeben waren und alles zutrugen was sie hörten, wenn er es wissen wollte. So brauchte es keine zwei Tage bis sie Rochefort aufgespürt hatten. „Er befindet sich meist in einem alten Haus, nahe des Friedhofes von St. Honoré. Das Haus steht direkt an der Friedhofsmauer, der Hinterausgang geht angeblich sogar zu dem Friedhof. Eine richtiggehende Ruine, Monsieur le Capitaine. Der Wirt der unweit seine Wirtschaft betreibt, sagt, dass Rochefort das Haus anscheinend nur zu Besorgungen auf dem Gemüsemarkt verlässt. Allerdings hat der Friedhofsmeister gesagt, gestern hätten zwei Personen bei Nacht des Haus verlassen und währen über den dunklen Friedhof gewandert. Eine Art Rendez vous im Mondenschein.“ Berichtete kein anderer als D’Artagnan dem Hauptmann.
Treville entlies ihn mit einer knappen Geste. Ein Haus nahe des alten Friedhofes. Merkwürdig, hatte dieses Gebäude nicht vor Jahren einmal in einer der Intrigen um den Herzog von Buckingham zu tun gehabt? Oder irrte er sich da? Nun die ganze Sache mit Buckingham war nun auch schon wieder viele Jahre her, er mochte sich gut und gerne irren.
Er nahm Hut, Mantel und Degen und machte sich auf den Weg zum Friedhof von St. Honoré.
***
Das Haus war sehr alt und tatsächlich in die Friedhofsmauer hinein gebaut worden. Auch wenn es nicht bereits dunkel gewesen wäre, hätte das Gebäude düster und verloren gewirkt. De Treville zögerte einen Moment bevor er an die Tür klopfte. Dumpf klang das Holz auf, aber es passierte gar nichts.
Eben wollte er wieder klopfen, als er eine vertraute Stimme jenseits der Friedhofsmauer hörte. „Ich bewundere wie du dich erholt hast, als ich die Verbrennungen gesehen habe, glaubte ich schon du würdest sterben...“
Es war ganz eindeutig Rocheforts Stimme. Ohne viel zu zögern umrundete de Treville den Friedhof und betrat ihn durch das Tor hindurch. Auf die Ferne meinte er zwei Stimmen zu hören, die eine war Rocheforts, die andere war dunkel und melodiös. Wieder erinnerte er sich an die Gerüchte über Rochefort, sollte er wirklich solchen widerwärtigen Verlockungen verfallen sein?
Er traf auf Rochefort der allein vor einem halb eingefallenen Grabmal stand. Dieser sah auf und musterte de Treville düster. „Was tut ihr den hier, Treville? Oder hat der König euch aus seinen Diensten entlassen?“
„Merkwürdig dass ihr das erwähnt Charles,“ antwortete de Treville ruhig. „Wo doch so seltsame Dinge geschehen. Es gibt viel Unruhe am Hof.“
Rochefort zuckte die Achseln. „Ich kümmere mich nicht mehr um den Hof, Treville. Ich bin frei davon, ein für alle Mal.“
„Ich brauche Eure Hilfe, Rochefort. Jemand schreibt merkwürdige Nachrichten an die Königin und ich braue Euch um ihn zu finden.“ Sagte Treville offen.
Rochefort Schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe kein Interesse.“ Sagte er, und gab vor sich für das alte Grab zu interessieren.
Treville wandte sich ärgerlich zu ihm um. „Und was wollt ihr tun, Charles? Den Rest Eures Lebens im Dunkeln mit Eurem kleinen Freund verbringen?! Ihr hattet einmal höhere Ziele.“
Schneller als Monsieur de Treville sehen konnte, hatte Rochefort seinen Degen gezogen. Beleidigt Charon nur noch einmal wo ich es hören kann und sie verscharren Euch genau auf diesem Friedhof.“ Sagte er drohend.
De Treville sprang erstaunt zurück und zog blank. „Parbleu! Ihr seid ja verrückt geworden Charles. Schaut Euch doch an was ihr hier treibt, wo ihr lebt, was meint Ihr was man von Euch in ganz Paris sagen wird?“
„Es ist mir gleich...“ setzte Rochefort an.
„Nein, mein Freund.“ Sagte eine dunkle melodiöse Stimme aus der Nacht. „Du hast schon zu viel wegen mir aufgegeben.“
Beide Männer fuhren herum. Aus der Dunkelheit kam ein Mann auf sie zu. Er war ungefähr sechs Fuß groß und von ebenmäßigem Wuchs. Er hatte den einen stolzen, gerade Gang und eine ebenso stolze Haltung. Sein Haar war lang und schwarz. Er blieb wenige Schritte von Treville entfernt stehen. „Ihr werdet mein Bote zum Hofe sein.“ Sagte er leise und bestimmt. „Den Ich habe diese Briefe geschrieben.“ Er hob gebieterisch die Hand und unterbrach einen Einwurf von de Teville. „Ich werde euch auch sagen warum: Anna von Österreich ist meine Mutter. Sie war sich bei ihrer Schwangerschaft nicht sicher ob dieses Kind vom König oder von einem Mann, dem sie sich leichtfertiger Weise hingegeben hatte, stammte. Sie täuschte eine Fehlgeburt vor, einen Unfall bei einem Sprung über einen Graben, bedauerlich und nicht zu ändern. Eine Vertraute von ihr lies mich nach England bringen wo ich aufwuchs. Doch nach Jahren war sich meine Mutter nicht mehr so sicher, dass Ihr Geheimnis noch unentdeckt war und sie sandte Attentäter die meine Zieheltern und mich töten sollten. Ich entkam, meine Zieheltern kamen um und so kam ich nach Frankreich um die Wahrheit über diese Frau zu enthüllen. Mein erster Versuch endete damit, dass ich beinahe in der Seine ertränkt wurde und Rochefort mich rettete.“ Er hielt einen Moment inne und zog einen schmalen Ring von seiner linken Hand. „Hier, diesen Ring lies jene Vertraute der Königin damals bei mir. Weißt ihn dem König vor und berichtet ihm, warum der Schreiber jener Briefe getan hat was er tat.“ Mit diesen Worten übergab er dem erstarrten de Treville den Ring. Ohne ein weiteres Wort wandten er und Rochefort sich um und gingen davon, tiefer in den alten Friedhof hinein. Treville sah ihnen nach und meinte zu bemerken, dass Rochefort Charon den Arm um die Schulter gelegt hatte, aber die Dunkelheit mochte ihn da täuschen.
Er starrte wieder auf den Ring, den Verlobungsring der Anna von Österreich und fragte sich wie der König reagieren würde, wenn er diese Wahrheit hörte, oder ob er nicht besser schwieg. Er ahnte nicht, dass ein ehrgeiziger Gascogner, alles was gesagt worden war, mitgehört hatte....
Kapitel Eine falsche Entscheidung von
Die falsche Entscheidung.
An dem trüben Morgen 1626 herrschte im Hotel de Treville das übliche Durcheinander. In den Wachstuben und dem Vorzimmer drängten sich Musketiere und tauschten lautstark Neuigkeiten, Gerüchte und Klatsch aus. Besonders laut lachte eine Gruppe von Musketieren, die sich um einen jungen Mann, der seiner Erscheinung nach gar nicht zum Korps sondern der Leibgarde des Monsieur des Essarts gehörte. Aber er schien hier bestens zu Hause zu sein und war gerade dabei seinen berüchtigten Spott auf seine Eminenz loszuwerden und da er nicht weniger als zwei der berüchtigtsten Leibgardisten seiner Eminenz im Duell bezwungen hatte, genoss er den Respekt der anwesenden Truppe. Wie immer lachten sie sich halbtot über die scharfzüngigen und geschliffenen Witze auf seine Eminenz, dessen Leibgarde und dessen Geliebte. Die drei besten Freunde des jungen Mannes, waren ebenfalls Anwesend, Aramis und Porthos lachten herzlich über jede gelungene Spitze und jede neue Gemeinheit, während Athos zwar zuhörte und über die gröberen Scherze durchaus einmal die Augenbrauen hob, aber nicht zu einem Lachen oder auch nur einem Lächeln zu bewegen war.
Die großartige Stimmung hatte gerade ihren Höhepunkt erreicht als ein Musketier von ungefähr dreißig Jahren in die Wachstube geeilt kam. Er rannte beinahe, und hatte rücksichtslos einige Männer die draußen standen zur Seite geschubst. Athos stand auf als der Mann hereinstürzte. „Eure fast fünfzehn Jahre im Dienst unbenommen Nathaniel, sie sollten Euch aber noch nicht den letzten Rest guten Benimms geraubt haben.“
„Aber die Garde des Kardinals kann es durchaus.“ Erwiderte der Angesprochene matt. Erst jetzt bemerkten alle Anwesenden, dass der Mann bleich wie die Wand war. Er taumelte und musste sich gegen die Wand lehnen. Porthos sprang herbei und stützte ihn. Vorsichtig half er ihm, sich auf einen Stuhl zu setzen. „Seid ihr verwundet Nathaniel, was ist passiert?“
Nathaniel nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Verwundet ja, Wundarzt später, es wird mich nicht umbringen.“ Sagte er mühsam. Er rang nach Atem, und sprach erst nach einigen Augenblicken weiter. „Leutnant Silvanus, d’Ouviere und ich waren zum Ponte Neuf unterwegs nach dem Dienst und sind von einem Leibgardisten gefordert worden.“ Setzte er mühsam hinzu.
„Nur einer?“ kam der erstaunte Ruf aus allen Ecken des Raumes.
Nathaniel nickte. „Ja. Einer. Eine halbe Portion, vom Aussehen her. Mittelgroß, fast fragil und zu hübsch. Blond. Ein blonder Hübschling wie man ihn eher bei den schönen Damen erwartet. Er forderte uns alle Drei. Nacheinander wie er sagte.“ Wieder kämpfte er um Atem. „Der Leutnant fragte ihn was sein Streit mit uns wäre und wer er sei. Darauf sagte er, sein Name sei Velcan und er gehörte zur Garde seiner Eminenz und fragte wie viele Beleidigungen auf sein sauberes Korps der Herr der Leutnant den hören müsse, bevor er bereit sei sich um dessen Ehre zu schlagen.“
Fassungslose Mienen und saftige Flüche begleiteten diese neue Frechheit der Leibgarde. Athos stellt die nächste Frage: „Und was ist dann geschehen? Wollt ihr sagen, dass ein einzelner Mann euch alle drei hintereinander besiegt hat? Das wäre die schlimmste Schande die dieses Korps jemals erduldet hat!“
Nathaniel nickte wieder. „So war es aber. Er begann gegen den Leutnant. Ich dachte dass der Leutnant für diese halbe Portion nicht lange brauchen würde, aber ich habe mich geirrt. Dieser Velcan er war so schnell, fast wie ein Tänzer und so tödlich. Was für ein Kämpfer. Der Leutnant ging nach der zweiten Parade schwer verwundet zu Boden. D’Ouviere starb am ersten Treffer und ich, wurde erst verwundet und verlor dann meinen Degen. Er sagte mir ich solle zurückgehen zu meinen Kameraden und Trost bei ihnen suchen. Ich habe Silvanus geholfen und bin dann hergekommen...“
In der Wachstube erhob sich laute Unruhe. Flüche, Verwünschungen und wilde Racheschwüre klangen durcheinander. Nicht weniger als sechs Musketiere machten sich auf der Stelle auf den Weg den Frechdachs zu suchen und Mores zu lehren. Während bereits nach einem Wundarzt gerufen wurde, sah Athos wie Porthos den sechs davonziehenden lange nachsah. „Das wird wohl nicht gut gehen.“ Murmelte er düster.
***
Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell sagt man und dieses Mal erwies es sich als besonders wahr. Die vier Kameraden hatten ihren jeweiligen Dienst beendet und waren zum Abend im „Parpaillot“ eingekehrt, als ein sehr fröhliches Lachen und Becherklirren ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie brauchten sich nur einmal umzuwenden als sie eine ganze Rotte Leibgardisten dort sitzen sahen. Unschwer erkannten sie Jussac, Bernajoux und Biscarrat, die gerade miteinander anstießen. Der vierte, der in ihrer Mitte saß, war ein fragil gebauter junger Mann, den man ob seines Bartlosen Gesichtes hätte für einen Jüngling halten können. Aber die klare Reife seiner Züge und noch viel mehr seine Augen die sehr ernst und erwachsen waren, legten ein Alter von wenigstens fünfundzwanzig Jahren nahe. „Auf dich, Velcan.“ Sagte Bernajoux eben. „Du hast den Herren Musketieren wundervoll gezeigt, dass ein grüner Junge aus den Gascogne eben nicht alles ist.“ Herzliches Gelächter begleitete die Worte.
Der junge Mann jedoch wehrte ab. „Zu viel der Ehre Bernajoux. Auch wollen wir die Musketiere, da sie doch selbst anwesend sind, nicht beleidigen.“ Sagte er. Seine Stimme war sanft und von der seltenen Klarheit an der der Kenner eine gute Stimme sofort erkennt.
„Wollt ihr etwa behaupten, dass wir uns unserer Ehre nicht zu wehren wissen?“ D’Artagnan hatte schnell und heißblütig gesprochen. Niemals würde er zulassen, dass jemand auf die königlichen Musketiere spuckte, schon gar nicht irgendein dahergelaufener Leibgardist.
„Nein.“ Erwiderte Velcan lächelnd. „Aber dass ich von dem Schlägertrupp den euer Ehrenwertes Korps ausgeschickt hat und der mir in der Rue de Tiquentonne aufgelauert hat, etwas ermüdet bin, während die Herrn sich den ganzen Tag nur mit Aufregung und Flüchen ermüdet haben.“
Nun war d’Artagnans jugendlicher Zorn voll entfacht. „Wir werden einen Spaziergang miteinander unternehmen müssen, Monsieur. Jetzt und sofort. Eure Ermüdung ist keine Ausrede für Eure Worte.“ Fauchte er.
Biscarrat wollte bereits eingreifen und D’Artagnan zurecht weisen, aber Velcan legte ihm die Hand auf den Arm. „Nein, mein Freund, wenn der junge Monsieur darauf bestehen, reiten wir zum Luxembourg und tragen es dahinter aus. Wenn mir die Herren noch einmal die Ehre erweisen und meine Sekundanten sein würden.“
Athos war einen schnellen Schritt vorgetreten und hatte sich vor D’Artagnan gestellt. „Es ist nicht sehr ehrenhaft einen nachweislich Ermüdeten Mann zu fordern.“ Sagte er leise und streng zu seinem jüngeren Freund.
D’Artagnan hätte sich vielleicht von den besonnenen Worten seines Freundes beruhigen lassen, doch die Chance ging dadurch verloren dass Velcan aufstand und sagte: „Ihr erweist Eurem Ruf ein Spiegel der Ehre zu sein, wieder einmal Gerechtigkeit Monsieur.......Athos. Doch ich werde nicht bis morgen um auf die Forderung Eures Freundes zu antworten.“
Athos ruhiges Nicken in Richtung von Velcan verriet, dass er dessen Worte sehr wohl respektierte. „Porthos, wenn Ihr der andere Sekundant sein könntet.“ Sagte er leise.
Doch Porthos, der sonst so unerschütterlich war, stand bleich und stumm an seinem Platz. „Ich kann nicht Athos.“ Sagte er rau. „Ich kann nicht.“ Damit wandte er sich um und eilte hinaus.
Ein spöttischer Zug erschien auf Jussacs Miene, aber ehe er etwas sagen konnte, wandte sich Velcan zu ihm. „Wenn Euch meine Freundschaft etwas bedeutet Jussac, den schweigt bitte zu diesem Vorfall und verschweigt ihn auch.“ Sagte er sehr ernst. „Ihr würdet mir damit einen großen Dienst erweisen.“
***
Der Platz hinter dem Luxembourg war verlassen um diese Tageszeit. Normalerweise war die Dämmerung nicht der ideale Zeitraum um sich zu schlagen. Doch den beiden Kontrahenten schien dies egal zu sein. Sie hatten einander gegenüber Position bezogen und maßen einander mit den Augen. Für Momente stand die Zeit still, dann brach D’Artagnan seine Klinge frei und führte eine rasche Attacke auf seinen Gegner. Für Momente sah es so aus, als hätte er einen leichten Erfolg damit, doch statt dessen parierte Velcan beide Angriffe hintereinander und nutzte D’Artagnans geöffnete Deckung zu einem blitzschnellen, mörderischen Gegenangriff. Von einem sauberen Stoß in den Oberkörper getroffen ging D’Artagnan zu Boden.
Velcan trat zurück und steckte die Waffe wieder in die Scheide und verbeugte sich höflich. „Ich hoffe damit ist unsere Auseinandersetzung für heute beendet. Er kann seinen Degen behalten, kein besserer könnte ihn führen, denke ich.“ Sagte er beinahe sanft.
Aramis, der zu D’Artagnan geeilt war und die Wunde untersucht hatte, sah auf. „Wer seid ihr?“ fragte er leise.
Ein merkwürdiges Lächeln glitt über das Gesicht von Velcan. „Man nennt mich Velcan, Monsieur Aramis. Ich bin Gardist seiner Eminenz, möge Gott ihn Frankreich erhalten, und mehr habe ich Euch nicht zu sagen. Kümmert Euch um Euren Freund, er wird es brauchen, ich kenne meine Hiebe.“ Damit wandte er sich ab und ging zu seinen Kameraden Bernajoux und Biscarrat die ihn in die Mitte nahmen und mit ihm fortgingen.
***
D’Artagnan war schlimm verwundet worden und lag unter der Obhut von Athos Vermieterin in der Rue Feroù. Als Athos und Aramis am nächsten Morgen im Hotel de Treville ankamen, hörten sie bereits von weitem das Donnerwetter von Monsieur de Treville. „Und vor allem Wünsche ich zu hören Porthos, warum ihr Eurem Kameraden nicht wenigstens als Sekundant beigestanden habt!“
Athos sah Aramis an. Die Geschichte war also schon heraus. Wer immer sie verbreitet hatte, er hatte Vordergründig die Kardinalsgarde im Verdacht. Aramis nickte zustimmend, mit hochgezogenen Augenbrauen. Er kam nicht mehr dazu etwas zu sagen, denn sie hatten des Vorzimmer erreicht und hörten von drinnen de Trevilles zornige Stimme. „Schickt die beiden Herren gleich herein.“
Während sie eintraten, hatte de Treville sich bereits wieder Porthos zugewandt. „Und wollen der Herr mir inzwischen sein merkwürdiges Verhalten erklären?!“ grollte er.
Porthos sagte eine Weile gar nichts zu diesem Vorschlag. Erst, als dem Hauptmann anzumerken war, dass er nahe vor der Entscheidung stand, seine wachsende Ungeduld entweder in Verärgerung oder in ernsthafte Besorgnis umschlagen zu lassen, begann er zögerlich: "Mon capitaine... Darf ich Euch offen eine Frage stellen?"
"Fragt nur." gestattete Monsieur de Tréville, wenn auch mit ein wenig verwunderter Miene. Athos sah seinen Hauptmann fest an. "Glaubt Ihr an Gespenster, mon capitaine?"
"Ob ich... Was zum Teufel soll diese Frage?"
"Vergebt, wenn ich zu aufdringlich bin... Doch es ist von höchster Wichtigkeit für mich, Eure Antwort auf diese Frage zu hören."
"Nun... Begegnet bin ich noch keinem Gespenst." sagte der Hauptmann mit ein wenig ratloser Miene. "Und eigentlich rechne ich auch nicht damit, so rasch eines zu treffen, wenn ich ehrlich bin..."
" Weiß Gott, ich hätte auch nie damit gerechnet, mon capitaine, und doch... Es ist albern, ich weiß... Ihr werdet mich noch für verrückt halten... Jedoch... Ich habe einen Geist gesehen."
"So, so." sagte Monsieur de Tréville, und hätte er als Hauptmann der königlichen Musketiere nicht eine gewisse Würde zu wahren gehabt, hätte er nun wohl sehr ungebührlich gelacht. (Neiges d’antan) „Nun gut.“ Sagte er schließlich. „Diese Erscheinung wird euch hoffentlich nicht daran hindern, die Ehre Eurer Kompanie und auch die Eure, wiederherzustellen. Ihr werdet diesen Velcan fordern und besiegen Porthos, ich vertraue darauf, dass Ihr ihn bezwingen könnt.“
Porthos sah für einen Moment zu Boden und war totenblass geworden. „Ich möchte Monsieur le capitaine inständig bitten mir dies nicht zu Befehlen..... ich kann nicht gegen diesen Mann kämpfen.“ Sagte er leise.
De Treville sah ihn streng an. „Monsieur Porthos, ein Musketier kann sich nicht aussuchen gegen wen er kämpft. Wenn Ihr mir nicht eine gute Begründung für eure Weigerung liefert, bleibt der Befehl bestehen.“ Er wandte sich den Ankömmlingen zu. „Die Herren können Monsieur Porthos nach bester Kraft unterstützen. Eine Schande ist dies!“
Porthos ging mit den beiden Freunden hinaus. Draußen jedoch ging er mit keinem Wort auf Ihre Fragen ein, sondern ging einfach weiter. „Lasst mich.“ Murmelte er.
***
Einige Tage später war Porthos verschwunden. Er erschien nicht zur Wache, nicht im Hotel de Treville und niemand sonst hatte ihn irgendwo sonst gesehen. D’Artagnan, der geradeso wieder auf den Beinen war, sandte Plachet aus Porthos oder Mousqueton zu suchen.
Der Diener erfüllte den Auftrag mit gewohnter Geschicklichkeit. Er entdeckte Mousqueton gegen Abend vor Porthos Wohnung, wie er sie gerade verließ. Er sah sich so vorsichtig um, das Planchet entschied ihm unauffällig zu folgen. Mousqueton eilte durch die Straßen von Paris mit einer Geschwindigkeit, die es Planchet schwer machte ihm zu folgen. Es wurde bereits dunkel als Planchet schließlich sah wie Mousqueton auf eine Kirche zuging. Die Kirche erkannte er ohne Mühe, es war Saint Eustache. Mousqueton eilte auf eines der Seitenportale zu.
Planchet wich unwillkürlich in einen Hausschatten zurück und sah von dort aus zu, wie erst ein Besen und dann eine schmächtige Gestalt, die das Kehrwerkzeug wie eine Hellebarde umklammert hielt, aus dem Halbdunkel der Kirche ins Freie traten. Anscheinend wollte diese Person, nicht zulassen, dass der Andere Saint-Eustache betrat und obgleich ein Besen im Ernstfall nicht viel gegen einen Degen auszurichten vermochte, wich der Mann kein Stück zu Seite. Als er nun auch noch laut genug rief, dass es bis zum Louvre zu hören sein musste: "Ketzer! Ihr werdet diesen geheiligten Ort nicht betreten!", fuhr es Planchet wie ein Blitz durch den Sinn: Das war Bazin! Er kannte diese Stimme gut, die sich allzu leicht überschlug, wenn sie sich über etwas erregte, besonders, wenn es um die Religion ging. (Der Diener)
„Bazin.“ Hörte er Mousqueton sagen. „ich bitte dich doch nur diesen Brief zu übergeben, mehr nicht.“
„Mein Herr wird hier nicht gestört werden.“ Ereiferte sich Bazin. „Er wird endlich von seinem sündigen Leben lassen.“
Planchet musste lächeln. Ja das war typisch Bazin. Er trat aus dem Schatten heraus. „Mousqueton ich kann deinen brief überbringen. An wen soll er gehen.“
Mousqueton fuhr herum und sah Planchet aus beinahe tränengefüllten Augen an. „Es ist nicht wichtig. Einem der drei anderen Herren, welchem ist gleichgültig. Oh, mein armer Herr... das wird sein Tod sein. Er sprach die ganze vom Wasser, einem See.“ Er begann die Hände zu ringen, das der Brief geknautscht wurde. „Es wird schrecklich enden.“
Bleichen Gesichtes nahm Planchet den Brief aus Mousquetons zitternden Händen und wandte sich an Bazin. „Du magst von uns sonst denken was du willst, jetzt verhalte dich wie ein künftiger Geistlicher und kümmere dich um Mousqueton.“ Sagte er bevor er sich umwandte und davoneilte.
***
D’Artagnan hielt bereits nach Planchet Ausschau als er von Dienst kam und fand ihn auf der Schwelle der Hintertür sitzend. „Was den Bursche? Hattest du nicht einen Auftrag?“ fuhr er ihn an.
Planchet sah ihn an. „ich habe ihn ausgeführt, aber Herr.... er ist eine Ungeheuerlichkeit, ein solche Tragödie.... ausgerechnet Monsieur Porthos, der ein solch vortrefflicher Musketier war.“ Murmelte er
D’Artagnan ging die Art Planchets, aus allem ein dramatisches Stück sondersgleichen zu machen, langsam ziemlich auf die Nerven, aber er beherrschte sich, denn ein Rüffel hätte nur dazu geführt, daß er noch länger auf eine Antwort warten müßte. So sagte er nur, als Planchet noch immer keine Anstalten machte, die "Ungeheuerlichkeit" näher zu erklären und sich stattdessen mit einem zerschlissenen Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte: "Höre Planchet! Wenn du mir nicht bald sagst, was dich durcheinander gebracht hat, werde ich mein Haus betreten und mich ausruhen, denn der Dienst für den König ist bisweilen sehr ermüdend - für meine Beine und meine Geduld!" (D’Artagnan mon amour)
Planchet reichte ihm mit zitternder Hand den Brief.
D’Artagnan öffnete ihn hastig und las die Zeilen die in Porthos schwerer Handschrift verfasst waren:
Meine Freunde,
wenn Ihr diese Zeilen erhaltet, werde ich einen letzten Versuch unternehmen, den Konflikt mit Velcan außerhalb des Kampffeldes beizulegen. Den gegen ihn fechten kann ich nicht. Ich bitte Euch nicht um Verständnis, denn wie sollt Ihr verstehen was ihr nicht wisst? Ich kann Euch nur bitten mich nicht für feige zu halten, weil ich mit Velcan die Klingen nicht kreuzen kann. Sollte ich Velcan nicht überzeugen können, dann werde ich den einzigen Ausweg wählen der dann noch bleibt.
Immer der Eure
Porthos.
Ohne sich noch um den dasitzenden Planchet zu kümmern, rannte D’Artagnan los um Athos zu finden.
***
Missmutig betrachtete Athos die Waffe in seiner Hand. Der Degen war nicht gut ausgewogen, der Korb ein schlichtes Bügelgefäß, die Parierstangen zeigten Zeichen von Abnutzung - wie die Klinge selber. Schartig und stumpf war sie, ohne jeden Glanz, ein Gebrauchsgegenstand für einen Soldaten, nicht mehr.
Athos war weit mehr als ein einfacher Soldat. Er war Musketier in den Diensten des Königs, und als solcher gehörte auch das Repräsentieren seines Standes zu seinen Pflichten. Mit dieser Waffe, die er langsam durch die Luft schneiden ließ, konnte er das nicht.
Sein alter Degen war zerbrochen. Es war natürlich im Kampf geschehen, einer der großen Leidenschaften des verdienten Musketiers, im Kampf gegen zwei Gardisten von Kardinal Richelieu, die ihn provoziert hatten.(Die Klinge)
Nun blieb ihm nur diese Waffe, ein alter Degen, den er einmal erbeutet hatte.
Erschrocken sah Athos auf, als die Tür aufflog und D’Artagnan hereingeeilt kam. „Athos wir müssen etwas unternehmen.“ Und mit hastigen Worten sprudelte der Gascogner die ganze Geschichte hervor.
***
Athos war nicht der Mann einen Freund in einer schwierigen Lage allein lies. Wenn sein Freund nicht gegen Velcan kämpfen konnte, wie es verlangt war, dann würde er es eben unmöglich machen indem er Velcan vorher tötete. Zwar hatte er ihn nur einmal fechten sehen und hielt ihn für einen genialen Kämpfer, aber dies lies ihn nicht zögern.
Gemeinsam mit D’Artagnan ging er zum Palais des Kardinals. Die Garde draußen wurde von Jussac geführt. Dieser grüßte sie spöttisch. „Sind die Herren Musketiere hier nicht auf dem falschen Posten?“ fragte er.
Athos trat einen Schritt vor. „Ich bin hier um den von Euch, der sich Velcan nennt, zu fordern. Hier und jetzt.“
„Hört hört!“ einige der Gardisten schienen den Gedanken sehr amüsant zu finden. Sie brauchten noch nicht einmal gehen um den geforderten zu holen. Er erschien selbst am oberen Ende der Treppe. „Hier bin ich Monsieur Athos. Es wird mir eine Ehre sein.“
Sie standen einander gegenüber. Der alte Degen von Athos gegen den Rapier von Velcan gelegt. Die Zeit stand still, dann schnellte Velcan vor und eröffnete den tödlichen Tanz. Athos parierte den Hieb, und griff mit einem Ausfall an. Es war ein Duell wie man es nicht alle Tage sah, beide Kämpfer waren meister der Klinge, beide waren schnell und brillant in ihren reaktionen auf die Finten des anderen. Dennoch gewann Velcan systematisch die Oberhand, begann sich auf die Schwächen seines Gegners einzuspielen, schneller und tödlicher als Athos lieb sein konnte. Athos blutete bereits aus zwei Wunden, und Velcan ging zu einer letzten, finalen Attacke über, als das Musketier mit einem gewagten Ausfall der Klinge seines Feindes auswich und ihm den alten Degen tief in die Brust trieb. Mit einem Aufschrei stürzte Velcan zu Boden.
„Velcan....Nein!“ hallte ein Schrei über den Platz. Porthos war soeben auf den Platz gekommen und eilte zu dem gestürzten der in einer sich rasch vergrößernden Blutlache lag. „Oh nein, Velcan bitte, du musst durchhalten.“
Ein schwaches Lächeln glitte über die Züge des getroffenen. „Es ist zu spät Großer. Aber die Ehrenschuld... die ist beglichen. Gib meinen Rapier Athos...er war der bessere hier....“ keuchend holte er Atem. „Lass mich im Meer Begraben.... da wo Mutter liegt.... leb wohl......Bruder.“ Noch einmal Bäumte er sich auf, dann sank er zurück.
Mit Tränen in den Augen hielt Porthos den Leichnam in den Armen. Schließlich als er aufsah, war sein Blick von Schmerz und Zorn gezeichnet. „Ihr habt meinen Bruder getötet, Athos, warum? Was hatte er Euch getan? Warum musstet Ihr ihn erschlagen?“
Fassungslos starrte Athos auf den Toten. Seine ganze Erschöpfung, wich einem tiefen, entsetzlichen Schmerz. „Euer Bruder?“ fragte er tonlos.
Porthos ging in die Hocke und hob den Toten auf. „Er war mein Kleiner Bruder, und der Kardinal..... er war sein Pate ist es da verwunderlich, dass er in der Garde diente? Oh Velcan.... warum?“ Er schluckte hart und unterdrückte eine raues Schluchzen. „Aber das Ihr es sein würdet Athos.... dies ist das Ende unserer Freundschaft. Ich kenne euch nicht mehr.“ Er wandte sich ab und ging mit dem Toten auf den Armen davon.
***
Monsieur de Treville betrat Athos Unterkunft leise. Der bleiche Mann lag noch mit seinen Verwundungen flach. „Was kann ich für Euch tun, Monsieur le Capitaine?“ fragte er mit schwacher Stimme.
De treville legte langsam eine Waffe, einen Rapier auf dem Tisch ab. „Ich soll Euch das bringen. Er gehörte Eurem Gegner. Athos... ich wollte Euch sagen, dies war nicht Euer Fehler, es war der meine. Ich hätte diesen Befehl nicht geben dürfen.“
Athos hatte sich bei dieser Rede seines Hauptmanns auf seinem Bett aufgesetzt und sah nun Tréville an. Diesen durchlief bei dem Blick in Athos‘ erloschene Augen ein kalter Schauer, ihn durchzuckte die Befürchtung, dass sein Besuch womöglich umsonst sein könnte, dass diese Verzweiflung keine Tröstung mehr finden und ein Weiterleben tatsächlich sinnlos erscheinen konnte. Fieberhaft durchsuchte er sein Hirn nach Worten, die diesem Leiden gemäß sein könnten, die dem Musketier zumindest einen Hauch Lebensmut hätten zurückgeben können, aber er fand nichts.. Athos schloss die Augen, schüttelte leise den Kopf, stand auf und verließ den Raum (L’amour perdu)
Kapitel Rächer, Retter, Trampeltiere von
Achtung: Nicht alles in dieser Story ist 100% ernst gemeint. Die Blendungsmethode allerdings ist historisch bekannt. Vielen Dank an diejenigen deren Leseproben ich "verunstaltet" habe.
Der Titel ist, nebenbei gesagt, eine Verdrehung des Filmtitels "Rächer, Retter und Rapiere."
Rächer, Retter, Trampeltiere
Es war spät am Abend. Monsieur de Treville war bereits dabei seine letzten Arbeiten zu beenden um dann für diesen Tag den Dienst zu beenden. Es war längst still geworden im Hotel de Treville, die Musketiere deren Stimme, Flüche und Schritte es am Tage erfüllten waren längst abgezogen um die Wirtshäuser aufzusuchen. Dabei erfüllten sie die Straßen mit hallenden Stiefeltritten, die Plätze mit fröhlich derben Flüchen, die Gaststuben mit lauten Stimmen und die Wirte mit Grausen.
Eben als Monsieur de Treville einige Papier weglegte, hörte er Stimmen außerhalb des Kabinetts. Francois, sein Adjutant sprach laut und aufgeregt mit jemandem. Wahrscheinlich ein später Besucher dem er erklärte, dass er Morgen wiederkommen sollte. Nichts neues unter der Sonne. Wahrscheinlich nur ein übereifriger Provinzler der es nicht abwarten konnte. Der Capitaine wandte sich wieder seiner Arbeit zu, so dass der Anschwellende Lärm im Vorzimmer ihn regelrecht aufschreckte.
"Aber, Monsieur", hörte Tréville seinen Adjutanten François entsetzt rufen. Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen und ein Mann stürmte mit gezogenem Degen herein. Völlig überrascht sprang Tréville auf und legte die Hand auf seinen Degen. Doch der späte Besucher steckte seinen Degen zurück in die Scheide und verneigte sich nur. Hinter ihm stürmte François in das Arbeitszimmer. In der rechten Hand hielt er seinen Degen, in der linken seinen Dolch. Beide Waffen zielten auf den Eindringling. Dieser wirbelte herum, in seiner Hand blitzte plötzlich wieder sein Degen auf und binnen weniger Sekunden war der Adjutant Monsieur de Trévilles entwaffnet. Völlig entgeistert blickte der Adjutant auf seine plötzlich leeren Hände. Der Fremde steckte seinen Degen zurück in die Scheide. (Athos)
Ein zweites Mal verbeugte er sich vor Monsieur der Treville, der nun zum ersten Mal die Gelegenheit bekam, ihn genauer zu betrachten. Er war sehr hochgewachsen, deutlich über sechs Fuß groß aber von sehr schlankem Wuchs. Sein Haar war mitternachsschwarz und gegen die Mode ohne jene Locken, die bei den Frauen so beliebt waren. Die Augen waren beryllgrün und schienen hart wie zwei Edelsteine. Ansonsten war sein Gesicht bleich, als hätte er gerade eine schwere Verwundung oder Krankheit überstanden. Als er sprach erwies sich seine Stimme als ein reicher, tiefer Bariton, der sehr angenehm zu hören war. „Vergebt die Unzeit zu der ich erscheine, Monsieur le Capitaine.“ Sagte er. Er hatte eine sehr gebildete Weise zu sprechen. „Ich werde Euch nicht lange behelligen.“
De Treville verschränkte die Arme über der Brust. Er hatte schon so oft Soldaten, disziplinierten ebenso wie wilden und unbeherrschten Gegenüber gestanden, dass diese Szene ihn nicht im mindestens erschütterte. „Ihr müsst ein wahrhaft dringendes Anliegen haben, dass ihr derart hereingestürmt kommt. Es ist in jedem Falle keine Art sich für Musketiere zu empfehlen, auch wenn das vorhin ein beeindruckendes Stück Fechtkunst war.“ Sagte er gelassen. Er hatte noch kein genaues Gefühl für sein Gegenüber, aber das würde sich einstellen je länger sie sprachen.
In jedem Falle reagierte er nicht aus der Fassung gebracht, was dafür sprach, dass er schon des öfteren komplizierte Diskussionen geführt hatte. Sein Blick schien sich an etwas knapp über Trevilles Schulter zu fixieren. „Euer Adjutant ist kein guter Fechter,“ tat er das Lob ab. „Und ich bin mit einer einfachen Bitte hier: Ich bin auf der Suche nach einem eurer Offiziere, der sich wahrscheinlich in dieser Stadt aufhält.“ Sagte er ruhig.
Das war ein an sich merkwürdiges Ansinnen. Die meisten Musketiere fand man ohne bei deren Hauptmann nachfragen zu müssen. „Wen sucht ihr und vor allem warum?“ erkundigte sich Treville bei ihm und versuchte den Blick des Mannes festzuhalten.
Der Blick des Mannes wendete sich zur Seite. Irgendwie schien er Treville nie direkt anzusehen. „Es ist eine persönliche Angelegenheit.“ Sagte er. „ich suche nach Leutnant d’Artagnan in einer persönlichen Angelegenheit.“
Dieses Ansinnen überraschte de Treville nun wirklich. „Er ist nicht schwer zu finden.“ Erwiderte er. „er ist hier wenn er im Dienst ist und er ist im „Fils de France“ wenn er nicht im Dienst ist. Ihr könnt ihn an sich nicht verfehlen. Wenn Ihr bis morgen früh wartet, dann könnt ihr ihn sicher hier antreffen.“
Der Mann verbeugte sich leicht. „Ich danke euch Monsieur le Capitaine. Ich werde euch nicht länger behelligen.“ Sagte er höflich und wandte sich um.
Das ganze Gespräch hatte Monsieur de Trevilles Neugier geweckt, von der Vorstellung am Anfang über die Bemerkung Francois, der keinem Musketier etwas nachstand, sei ein schlechter Fechter bis hin zu seinem sehr gebildeten Benehmen. Er schien nicht älter als dreißig Jahre zu sein, eher etwas jünger und dennoch hatte er eine Haltung die für sehr viel Lebenserfahrung sprach. „Wer seid ihr, Monsieur?“ fragte er daher.
Der Mann wandte sich wieder zu ihm um. „Wer ich war, ist bedeutungslos geworden. Heute nennt man mich Cyrius.“
„Nach dem Perserkönig?“ fragte de Treville verdutzt. Er hatte schon oft Decknamen gehört, die Hälfte seiner Truppe verbarg sich hinter einem mehr oder weniger gelungenen Decknamen. Und er hatte auch diese Worte oft genug gehört, die Worte mit denen die Männer erklärten, dass ihre Vergangenheit zerstört war und sie nur mit einem neuen Leben beginnen konnten indem sie ihr altes begruben. Doch bei diesem hier war es anders, das konnte er spüren.
„Genau.“ War die ganze Antwort die er bekam. Der Mann verbeugte sich erneut, dann wandte er sich um verlies das Kabinett. Für einige Augenblicke war Monsieur de Treville versucht ihm zu folgen und ihm anzubieten ihn zu begleiten. Aber er untersagte sich selbst dies sofort wieder. Ein Hauptmann der Garden, der die Tavernen seiner Truppe frequentierte! Während der dem Mann, der sich rasch durch das Vorzimmer und den Gang draußen entfernte, nachsah, meinte er einen Schatten zu sehen der sich an der Seite des Mannes bewegte, aber dies war wahrscheinlich nur eine Täuschung durch das schlechte Licht.
***
Die drei Unzertrennlichen saßen im „Fils de France“ zusammen und feierten. Ihr Freund d’Artagnan war nicht bei ihnen, da er eine recht besondere Art von Stelldichein heute Abend hatte. Sie waren so verstrickt in eine Debatte, dass sie beinahe überhörten wie der Name ihres Freundes hier fiel. „Man hat mir gesagt, ich könnte Leutnant d’Artagnan hier finden.“
Ein Fremder Mann sprach mit dem Wirt. Er stand dort, gegenüber dem Gastwirt, eine Hand auf dem Heft seiner Waffe. Der Wirt zitterte. „Duelle sind hier verboten, Monsieur... und er ist nicht hier...“ stammelte er.
Aramis hatte sich bereits erhoben. „Was wollt ihr überhaupt von ihm?“ fragte er mit der gelangweilten Höflichkeit die ihm in Zeiten schlechter Laune eigen war.
Der Kopf des Mannes wandte sich mit einer ruckartigen Bewegung, die an einen Raubvogel erinnerte, zu ihm. „Ich wünsche ihn zu sprechen.“ War die knappe Antwort.
Mit Schwung erhob sich Porthos. „Dann könnt ihr ihn eben nicht sprechen.“ Grollte er. „Wenn Ihr so unhöflich seid keine Gründe nennen zu wollen.“
Der Fremde sah auf, ein paar grüne Augen musterten Porthos kurz und eindringlich. „Dies ist nicht eure Sache, werter Herr. Doch wenn ihr mir helfen würdet Monsieur d’Artagnan rasch zu finden, wäre ich euch sehr verbunden. Ich kann euch versichern, dass es sich um eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit handelt.“
„Das glaube ich euch sofort, ihr Spitzel eines eifersüchtigen Günstlings.“ Grollte Porthos seinen Degen ziehend. „Aber ihr werdet ihn nicht finden.“
Geschmeidig wie eine Schlange glitt der Fremde zur Seite, ein heftiger Stoß brachte den Wirt außer Reichweite der Auseinandersetzung, und zog ebenfalls blank. Er führte einen Rapier. Der nächste Schlag von Porthos fand eine saubere Parade die blitzschnell in einen Angriff überging. Nur wenige Augenblicke später, ohne dass er wusste wie es zuging, fand Porthos sich entwaffnet, seinen Degen unter den Füßen seines Gegners und schaute in die Spitze von dessen Rapier. Vor Schreck entging ihm das Zittern in der Klinge, das eine große Erschöpfung oder Ermüdung bei seinem Gegenüber verriet.
„Und nun sagt mir noch einmal: Wo finde ich Monsieur d’Artagnan, Leutnant der Musketiere seiner Majestät?“ fragte der Fremde erneut. (Das Erbe von Artagnan)
„Dies werden wir Euch nicht sagen.“ Athos hatte sich erhoben. „Und da Ihr es offensichtlich an den Manieren, die einen Edelmann ausmachen fehlt, bin ich gezwungen Euch diese zu lehren.“ Der Graf hatte die Forderung so gelassen ausgesprochen, als ginge es um nichts besonders wichtiges.
Der Blick des Mannes wanderte in seine Richtung, ging jedoch an ihm vorbei. „Gut. Wenn Ihr es so wünscht, dann sofort.“
„Wollt Ihr nicht erst einige Sekundanten finden?“ erkundigte sich Athos.
Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, Monsieur. Ich kann aus eigenen Gründen niemand hierher bitten. Darum werde ich mich ohne Sekundanten schlagen.“
Athos neigte leicht den Kopf. „Dann benötige ich ebenfalls keine. Gehen wir zum Luxembourg, dahinter herrscht angenehme Ruhe um diese Tageszeit.“ Er wandte sich zu Aramis und Porthos um. „Geht und findet d’Artagnan.“ Sagte er leise. „Er könnte in Gefahr sein, kommt dann mit ihm zum Luxembourg.“
***
Athos und sein Gegner schritten Seite an Seite durch die Nacht. Manchmal hatte Athos das Gefühl, sein Kontrahent kenne Paris schlecht. Denn mehrmals verharrte er, wie um sich zu orientieren oder achtete darauf wohin Athos ging. Allerdings war der Graf zu höflich um dies anzusprechen. „Wie ist Euer Name?“ fragte er statt dessen.
„Cyrius.“ War die ruhige Antwort. „Hat dies irgendeine Bedeutung für Euch?“
„Ich weiß gern mit wem ich mich schlage.“ Erwiderte Athos.
Sie erreichten den Platz hinter dem Luxembourg. Es war still dort. „ist Euch dieser Platz recht?“ fragte Athos.
Cyrius schaute sich um, und irgendwie hatte Athos das Gefühl dass sein Gegner den Platz gar nicht wirklich sah. Aber er nickte. „Perfekt.“ Sagte er.
Die beiden Kontrahenten standen einander Gegenüber. Die Rapiere gegeneinander gelegt standen sie dort und maßen einander mit den Augen. Athos erschien es, dass die beryllgrünen Augen seines Gegners durch ihn hindurch sahen. Er zögerte nicht länger und griff an. Klirrend krachten die Rapiere aufeinander. Innerhalb von Momenten sah Athos, dass er es mit einem guten Fechter zu tun hatte. Allerdings war der Stil des Mannes eigenwillig. Er schien Angriffe oft erst Momente bevor sie kamen zu erahnen und parierte dann rasch, dabei Kombinierte er Figuren und Bindungen die nicht zusammengehörten mit einer Virtuosität die an sich nur überraschen konnte. Athos fragte sch wo sein Gegner dies gelernt haben mochte.
Athos war so sehr in diesen Gedanken versunken, daß er für einen Augenblick unachtsam wurde. Dies entging seinem Gegner natürlich nicht, und er wußte diesen Vorteil auszunutzen. Zuerst setzte er eine Finte ein, auf die Athos in seiner Unachtsamkeit einging und holte dann zu einem direkten Angriff auf Athos’ Brust aus. Dieser war durch die Finte dazu verleitet worden, nach links zu parieren, während sein Kontrahent geradewegs in die Mitte zielte.
Athos erkannte seinen Fehler, als er den Degen seines Feindes nach vorne schnellen sah. (Das Duell)
Athos rettete sich in dem er nach unten unter der Klinge wegtauchte, der Stoß seines Feindes ging ins Leere, er musste nicht damit gerechnet haben. Was Athos einen Chance zum Gegenangriff gab. Von unten her führte er einen Stoß gegen den Brustkorb des Gegners. Es war ein geradliniger Treffer, ohne einen Laut ging sein Widersacher zu Boden.
Ein greller Schmerz begleitete Cyrius Fall. Sein Körper schlug hart auf dem Boden auf und ein Versuch wieder auf die Füße zu gelangen missglückte ihm.
Er bemerkte wie der Graf sich neben ihn hockte und wusste, dass er mit Schonung nicht rechnen konnte. Dieser Mann würde seinen Freund verteidigen. Mühsam erzwang er den gehorsam seiner Stimmbänder. „Ihr werdet mich töten, ich weiß das.“ Sagte er langsam. Mit seiner linken Hand griff er nach seinem Hals und fingerte nach der Kette die dort hing. Es war an sich ein Frauenschmuckstück, dass er jedoch nie im Leben abgenommen hatte. Mit einem Ruck riss er sie jetzt ab, auch wenn er spürte wie die Kraft ihn verlies. „Sie gehörte....meine Mutter.“ Flüsterte er. „Gebt sie meinem Bruder ....sagt ihm dass ich tot bin.“
Er sah wie die Augen des Grafen sich beim Anblick des Schmuckstücks weiteten. „Oh mein Gott, gnädiger Himmel.“ Flüsterte er. Dann sprang auf seine Füße und rief: „Grimaud!“ (Der Sohn eines Musketiers) Aber der Ruf verhallte ungehört in der Stille der Nacht.
***
D’Artagnan hasste es aus einem Rendezvous geholt zu werden. Und er hasste es nicht zu wissen warum. Während er mit Portos und Aramis durch die Straßen eilte, lies er sich zum fünften Mal beschreiben was vorgefallen war. Ohne dass er jedoch viel klüger daraus wurde. „Wir werden es schon herausfinden.“ Sie kamen dem Luxembourg immer näher. Auf Entfernung konnten sie die letzten Schlagwechsel des Duells sehen. Dann fiel Athos Gegner. Allerdings schien der Graf neben dem Mann verwundet in die Knie zu brechen.
Aramis und d’Artagnan fanden Athos neben einem verwundeten Mann auf dem Boden kniend. Sie warnen ihrem Freund gerannt, da sie ihn nach dem großartigen Schlag, den er seinem Widersacher versetzt hatte, nicht wieder aufstehen gesehen hatten und um ihn fürchteten. Im ersten Moment glaubten sie, dass Athos verwundet wäre und nicht wieder auf die Füße kam, doch dann sahen sie, dass er eine Hand auf eine Wunde des Mannes der vor ihm am Boden lag, presste, um die Blutung zu verlangsamen. „D’Artagnan, Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Ihr Grimaud finden könntet“, sagte er leise.
Völlig überrascht blieb d’Artagnan stehen. Es brauchte keinen zweiten Blick auf den Mann am Boden, um zu erkennen, dass er ernsthaft verwundet war. Stehend mochte er Athos um etwa einen Kopf überragen, war aber von schlanker, fast fragiler Statur, dass man ihm kaum zutraute ein so tödlicher Fechter zu sein, als der er sich in dieser Schlacht erwiesen hatte. Sein dunkles Haar, das er ungewöhnlich lang trug, war blutverschmiert. „Athos, das ist doch...“ stammelte d’Artagnan entsetzt.
Keuchend kam Porthos nun ebenfalls bei ihnen an. Er musste sie auf Entfernung gesehen haben.
Athos wandte ihm halb den Kopf zu. „Findet Grimaud, schnell. Er hat nicht viel Zeit.“ Der letzte Satz bezog sich auf den Verwundeten. Porthos, der die Anweisung auch gehört hatte, fragte nicht lange und lief los. (Mon camerade)
“Athos….” D’Artagnan kniete entsetzt neben dem Verwundeten nieder.
Der Graf nickte. „Ich weiß, ich habe das Schmuckstück gesehen.“ Erwiderte er. „Ich denke er wird durchkommen, wenn Porthos sich beeilt.“
Aramis sah fassungslos vom einen zum anderen. Athos Haltung zu seinem Kontrahenten schien sich völlig gewandelt zu haben. „Ich verstehe nicht. Wer ist der Mann und was will er von Euch d’Artagnan?“
Der Gascogner reagierte nicht auf die Worte, sondern fasste vorsichtig die Hand des Verwundeten. „Ich bin hier, Cyrius. Keine Sorge, du wirst durchkommen.“
Erst jetzt zeigte der Verwundete so etwas wie eine Reaktion auf d’Artagnans Anwesenheit. „Charles? Du bist hier? Dann ist es gut. Ich kam nach Paris um dich zu finden.“
„Scht, nicht sprechen, das strengt zu sehr an.“ Sagte d’Artagnan.
„Nein, es ist schon gut. Unser Onkel... er ist tot. Er wird keinen weiteren Verrat mehr begehen. Ich folgte ihm bis La Güera in Nordafrika und habe ihn dort gestellt.“ Es schien dem Verwundeten wichtig, diese Botschaft ausgesprochen zu haben. Im Hintergrund kamen Porthos, Grimaud und eine Kutsche.
D’Artagnan hockte immer noch regungslos neben Cyrius. Porthos und Grimaud hoben den Verletzen vorsichtig hoch. Als sie ihn jedoch in die Kutsche heben wollten, hörten sie plötzlich ein scharfes Fauchen, aus der Dunkelheit. Ein gefährliches, scharfes Fauchen. Bis auf d’Artagnan griffen alle zu den Waffen. Der Gascogner jedoch blieb ganz ruhig stehen. „Legt Cyrius in den Wagen und tretet dann zu Seite.“ Sagte er leise. „Lasst ihn -,“ er deutete in die Dunkelheit, „einfach in die Kutsch springen und erschreckt euch nicht allzu sehr.“
Porthos und Grimaud taten wie ihnen geheißen und legten Cyrius in der Kutsche ab. Als sie beiseite gingen, glitt ein Schatten aus der Dunkelheit und huschte an ihnen vorbei. Mit einem Satz sprang die Raubkatze in die Kutsche und setzte sich neben ihrem Herren nieder.
***
Der Wundarzt wäre vor dem nachtschwarzen Raubtier beinahe schreiend davongelaufen und es bedurfte eine Drohung von Porthos damit er Cyrius dennoch behandelte. Das unheimliche Tier wich nicht einen Schritt von der Seite seines Herrn.
„D’Artagnan vielleicht wollt Ihr uns erklären, was das alles bedeutet?“ Aramis Stimme klang ungeduldig.
Athos hingegen, immer noch die Ruhe selbst, gab d’Artagnan den Anhänger. „Er sagte es sei für seinen Bruder, wenn ich das Wappen richtig deute, seid Ihr das.“ Sagte er ernst.
D’Artagnan nickte. „Cyrius ist mein Bruder.“ Sagte er. Und zu Aramis gewandt fügte er hinzu. „Wenn Ihr unbedingt Antworten verlangt, dann wisst folgendes: Mein Bruder wurde von einem Onkel der wesentlich reicher war als meine Eltern bereits als Kind adoptiert. Wir wussten nicht, dass mein Onkel heimlich Hochverrat beging und mit den Spaniern enge Verbindungen pflegte. Als dies alles Entdeckt wurde, entkam mein Onkel und mein Bruder.... er wurde zur Blendung verurteilt. Sie führten eine glühende Säbelklinge so dich an seinen Augen vorbei, dass die Hitze ihn blendete. Es hinterlässt keine Sichtbaren Spuren aber ist wirkungsvoll.“ Er schluckte kurz. „Und jetzt... nach all den Jahren ist er nach Paris gekommen um mich wissen zu lassen, dass er die Ehre unserer Familie reingewaschen hat, und die seine auch.“
Athos sah d’Artagnan verwirrt an. „Ihr meint er kann nicht sehen? Aber wie kann er dann noch fechten?“ Er konnte nicht fassen, dass er sich mit einem blinden Mann geschlagen haben sollte.
„Er erlernte es zum zweiten Mal, er kämpft nach Gehör. Er hört die Klinge durch die Luft sausen, eure Füße wenn Ihr euer Gewicht verlagert und er weiß was das alles bedeutet. Es war ein Wunder, eine ungeheure Leistung, schiere Willenskraft. Und wo er nicht sehen kann, da sieht sein Schatten für ihn.“ Mit diesen Worten deutete d’Artagnan auf die Pantherkatze die neben seinem Bruder saß.
Der Wundarzt sah auf. „Euer Bruder wird noch einige Wochen die Wunde merken, aber auf jeden Fall überleben.“ Sagte er ruhig. „Wenn er sich schont kann er in einem Monat wieder den Rapier schwingen.“
D’Artagnan nickte erleichtert und sah seine Freunde streng an. „Wenn Ihr mich das nächste Mal beschützen wollt, dann fragt mich vorher vor wem, ja?“