Mademoiselle Musketier von Mademoiselle Musketier
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 4 BewertungenKapitel Ein Mädchen das ficht
Schweres Draufschlagen, das, Gentleman. Wollen mal sehen, wer am längsten draufschlägt.
Der Herzog von Wellington (bei Waterloo)
„Kling klang, kling“, machten die Klingen. Ganz gleich. Obwohl die Kämpfer so verschieden waren. Gucken wir uns die beiden doch einmal genauer an. Der eine Mensch ist ein junger Mann mit ungefähr achtzehn oder neunzehn Jahren. Oder? Nein! Wenn man genau hinschaut, den großen Hut von dem Kopfe nimmt, merkt man, dass es ein Mädchen ist. Ich dachte nur, dass es ein junger Mann ist, da sie gefochten hatte. Komisch: ein Mädchen das ficht?
Kommen wir nun zum zweiten Fechter, der in dem kleinen Bau-ernhäuschen das junge Mädchen bezwingen wollte. Er war wirklich ein junger Mann, wahrscheinlich 32 Jahre. Plötzlich, ohne, dass der Gegner es hätte voraussehen können, holte das Mädchen zu einem tödlichen Schlag aus. Der junge Mann holte mit seinem Degen aus. Er wollte natürlich parieren. Doch, der Degen rutschte ihm ab. Kurz vor dem Herze jedoch blieb der Degen des Mädchens, von seinem Kämpfer gehalten, als hätte er sich es gerade anders überlegt, stehen.
Der junge Mann schien aber gar keine Angst zu haben. Er lag da und lachte, als hätte er gerade in der Lotterie gewonnen. Er nickte dem Mädchen anerkennend zu und sagte:
„Gut gemacht, Schwesterherz!“, dann fügte er ernst hinzu: „ Du bist reif, um für uns als Spionin zu arbeiten, Charlotte.“ Er ging einmal um sie herum, betrachtete sie durchdringend, und fügte hinzu: „Nur an deiner Verkleidung müssen wir noch ein biss-chen arbeiten, glaube ich. Also, ich erwarte Dich in 10 Minuten, hier, als Kardinalist.“ Das mag, welchen die diese Art von Ver-kleidung nicht kennen, recht merkwürdig erscheinen, doch Charlotte ging ohne irgendein Widerwort, um sich zu verkleiden. Ihr anscheinender Bruder, der übrigens Matthias hieß, rief ihr hinterher: „ Und vergiss nicht, Du musst aussehen, wie ein jun-ger Mann!“ Da sagte Charlotte leicht genervt: „Das sagst Du jetzt schon zum 10. Mal!“ Und als der Bruder weiter sprechen wollte, meinte Sie: „Wenn Du jetzt sagen wolltest, dass ich den großen Hut mit der großen Feder nehmen soll, um meine Haare darunter zu verstecken, dann, mein lieber Matthias, habe ich einen Tipp:“ und ein wenig genervt und vielleicht auch etwas giftig fügte sie hinzu: „Spar Dir die Luft!“ und ohne das Matthias Zeit gehabt hätte, etwas zu erwidern, rannte das hübsche Mäd-chen mit den Sommersprossen und den leuchtenden blauen Augen davon. Dabei flatterten ihre langen Haare, ja, lang, be-stimmt hüftlange Haare, die etwas heller als braun-blond waren, anmutig hinter ihr her. Matthias setzte sich auf das Gras: Char-lotte würde sich wirklich sehr gut als Spionin machen, dachte er.
Sie ist wie ihr bestimmt schon bemerkt habt, eine tolle Kämpfe-rin und kann sich wirklich sehr gut verkleiden. Sie konnte sich einzigartig schminken und besaß ein Set von Dingen, wie zum Beispiel eine Haarspange, bei der alle nur auf den großen Dia-manten achteten, sie konnten ha nicht wissen, dass darunter ein kleiner Dolch verborgen war. Sie besaß ein kleines Hand-täschchen mit doppeltem Boden.
Matthias sah auf die Uhr, die an der Kirche gegenüber dem Haus stand. Charlotte hatte noch eine Minute. Er wartete nur noch 15 Sekunden, da stand Charlotte, 45 Sekunden zu früh, auch schon vor ihr. Hätte Matthias nicht gewusst, dass es nur seine Schwester ist, hätte er instinktiv den Degen gezogen.
„Gut“, sagte Matthias, „Ich habe es mir überlegt.“ Er lachte. „Wir müssen nicht mehr an deiner Verkleidung arbeiten. Du siehst aus, wie ein ordentlicher Kardinalist auszusehen hat. Ich werde dich den anderen Musketieren vorstellen.“
Fassen wir doch nun einmal zusammen, was wir aus diesen wenigen Seiten schon über Matthias und Charlotte erfahren haben:
Charlotte ist ein Mädchen, dass, obwohl sie ein Mädchen ist, sehr gut fechten kann. Das in der Zeit der Musketiere, sprich im 17. Jahrhundert, ganz schön selten. Wir wissen, dass es in der Zeit der Musketiere spielt, da Matthias die Musketiere erwähnt hat. Er scheint ein Musketier zu sein. Außerdem wissen wir ein wenig, wie Charlotte aussieht. Hatte ich schon erwähnt, dass sie Sommersprossen hat? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hatte sie welche.
Über Matthias haben wir recht wenig erfahren. Jedoch seht ihr ihn auf dem Deckblatt. Es steht Matthias Lojarot drunter. Ich möchte ihn trotzdem einmal beschreiben. Er hatte schulterlan-ges blondes Haar und einen blonden Schnurrbart. Außerdem hatte er stechend blaue Augen, mit denen er ein wenig schielte, das fiel aber keinem auf, der ihn nicht kannte.
Wir haben etwas über die Landschaft erfahren. Und wir haben erfahren, dass Charlotte scheinbar bei den Musketieren aufge-nommen werden möchte. Das erscheint einem recht seltsam, da wir nicht wissen, jedenfalls da ihr nicht wisst, dass die Mus-ketiere eine Spionin brauchten. Jawohl, eine Spionin. Weiteres dazu erfahrt ihr in dem Kapitel „Das Gespräch mit dem Kardi-nal“. Jedoch blättert jetzt nicht vor. Denn die Pflicht des Lesers ist es, alles der Reihe nach zu lesen.
Kapitel Das Vorstellungsgespräch
Wenn fechten so einfach wäre, dann würde es Fußball heißen.
Paris lag recht nahe an dem kleinen Bauernhäuschen, in dem Matthias und seine Schwester wohnten.
Es war noch nicht mal eine Tagesreise. Jedoch, als diese Zeit verflossen war, hatte Matthias es geschafft, sich drei Mal zu duellieren. Doch das war bei ihm keineswegs einer neuer Re-kord, sondern eher normal. Er duellierte sich nämlich recht oft.
Einige Zeit später standen Charlotte und Matthias vor einer Ta-verne. Charlotte war jetzt wieder ein junges Mädchen. Sie sah jedoch hübscher aus, als je zuvor, denn sie strahlte wie ein Ho-nigkuchenpferd. Nun gingen die beiden hinein. Die Geschwister bestellten an der Theke ein Glas Wein. Als sie zahlen wollten, sagte der Wirt: „Das macht dann fünf Taler bitte. Sonnst noch ein Wunsch?“ „Ja“, meinte Matthias. „Führen Sie mich bitte zum oberen Geschoss in das Zimmer auf der linken Seite.“ „Bedau-re“ sagte, der Wirt indem er versuchte, bedauernd zu wirken, wobei er aussah, als hätte er gerade eine Mischung aus Zitro-nen- und Zwiebelsaft getrunken. Matthias seufzte und holte ei-ne Münze aus seiner Tasche. Charlotte sagte entsetzt: „Wie weit haben wir es nur schon gebracht, wenn die Wirte schon so bestechlich sind. Da kann jeder beliebige Kardinalist dem Wirt einen Dukaten geben, und schon kann er uns belauschen.“ Matthias lächelte und erklärte: „Es ist eine bestimmte Münze. Ein winziger Degen ist darauf abgebildet.“ „Na dann“ sagte Charlotte erleichtert. Der Wirt hatte nun endlich den Degen ent-deckt. Unwirsch ließ er einen Schlüssel über die Theke gleiten, um dann damit fortzufahren, diese mit der missmutigsten Mie-ne, der er fähig war, aufs gründlichste zu putzen.
Charlotte war furchtbar aufgeregt. Kein Wunder: Sie hatte ja ganze neun Jahre lang geübt. Wofür? Um bei den Musketieren als Spionin aufgenommen zu werden. Es war der Traum ihres Lebens gewesen, schon immer. Und trotzdem zeigte Charlotte nicht mal einen Anflug von Aufregung. Das hatte Charlotte schon mit 13 Jahren gekonnt. Nun war sie 18. Auch wenn Sie mit 8 Jahren noch ein furchtbar aufgeregtes Mädchen gewesen war. Natürlich hatte sie trotzdem immer kämpferische Gaben gehabt. Sie hätte nie zugegeben, dass sie gerne mit dem Fuß aufgestampf hätte. Stolz schritt sie daher, mit einer Würde, die ihr so schnell keiner nachmachen konnte. Sie konnte es sich jedoch nicht verkeifen, dass sie, als sie vor der Tür standen, tief Luft holen musste. Langsam, dann langsam drückte sie die Türklinke herunter. „Nun beeile Dich!“ versetzte Matthias. Da öffnete Charlotte mit einem letzten Ruck die Tür.
Im Raum standen zwei Holztische mit jeweils vier Stühlen. An dem einen Tisch saßen drei Männer, die Musketieruniformen trugen. Der andere Stuhl, der der letzte war, blieb frei. Als Mat-thias eintraf, sprangen die Drei in Musketieruniform auf und rie-fen wie aus einem Munde „Mathias Lojarot! was treibt euch den hier her!!?“ Mathias lächelte über die Überraschung seiner Ka-meraden. „Der Grund für mein Kommen, ist meine kleine Schwester. Ich habe sie neun Jahre lang in allem trainiert, was man für eine Spionin braucht. Ich nehme an, dass Ergebnis kann sich sehen lassen.“ Die Musketiere standen immer noch wie vom Donner gerührt. Das ist ein sehr guter Zeitpunkt, diese sich einmal genauer anzuschauen. Der erste hieß Michael Po-lin. Er hatte schwarze Haare, die schon ein wenig weiß waren. Seine Augen hatten etwas Jugendliches und guckten gleichzei-tig zu klug wie die einer Eule. Er war gewitzt und schlagfertig und hatte schon so manchem Kardinalisten gezeigt, was eine Harke ist. Es war schon recht wunderlich, dass er trotz seiner 50 Jahre immer noch ein Musketier war. Aber wahrscheinlich wollte man einen so tollen Fechter wie ihn nicht aufgeben. Denn er war wahrlich sehr, sehr gut. Der zweite Musketier hieß Friedrich De Jaron. Er hatte langes, schwarzes Haar, das ihm glatt bis auf die Schultern fiel. Er war sehr stolz auf es, da es sehr schön glänzte. Er wahr bestimmt 30 Jahre. Seine Augen waren kastanienbraun und strahlten Kampfeslust und eisern-starke Freundschaft zu Michael Polin und Willhelm Devin aus. Und jeder, der diese Drei sah, wusste: Die Drei bleiben sich treu, und komme was wolle sie wanken nicht. Wenden wir uns nun Willhelm Devin zu. Seine Haare hatten eine Farbe, die man nicht richtig beschreiben kann. Ich will es aber dennoch probie-ren: Es war eine Mischung aus straßenköterblond, grau und braun. Die Augen hatten ein unbeschreibliches Grüngelb. Er musste ungefähr 33 Jahre alt sein. Außerdem hing sein ganzer Stolz an einem kostbaren Wehrgehänge, das er nur zu beson-deren Anlässen trug. Nun muss man wissen, dass sich die Edelmänner damals nicht bei ihrem Vornamen nannten. Die drei Musketiere hatten Mathias ja auch nicht bei seinem Vor-namen genannt. Nein, sie hatten ihn bei seinem Nachnamen genannt. Normalerweise hieß er für sie De Jaron. Aber natürlich nannte Charlotte ihren Bruder bei seinem Vornamen. Nun wer-det ihr sicherlich denken: „Aber meine Eltern heißen doch ge-nauso wie ich!“ Da hat der kluge Leser Recht. Es konnte durch-aus passieren, dass Vater und Sohn, vor einem Postboten standen und eben der Bote fragte „ Wer von eich ist De Jaron? Ich habe einen Brief für ihn.“ Und Vater und Sohn sagten dann gleichzeitig: „Ich!“ Eben aus diesem Grunde einigten sich die Musketiere und, lieber Leser wir wollen uns auch einigen, Char-lotte bei ihrem Vornamen zu nennen. Weil alles andere wäre verwirrend hier. Michael hieß wie gesagt Polin und Willhelm Devin. Friedrich hieß für sie alle: De Jaron. Sie alle hatten sich acht Jahre lang nicht mehr gesehen.
Als sich Devin, De Jaron und Polin von dem ersten Schreck er-holt hatten, setzten sie sich wieder hin. „Nun“, sagte Polin „be-ginnen wir mit der Prüfung“. Eine Person, in die ihr euch ver-wandeln wollt, dürft ihr euch selber aussuchen. Die andere ge-ben wir vor.“ „Und danach, müsst ihr kämpfen“, fügte De Jaron aufgeregt hinzu. „Als erstes dürft ihr euch eine Gestalt aussu-chen.“ „Gut“, sagte Charlotte. „Ich habe mein Kostüm selbst da-bei“, fügte sie hinzu. Und sie gingen aus dem Zimmer hinaus.
Zehn Minuten später öffnete sich die Tür und ein Kardinalist kam herein. Devin sprang auf und schrie: „Wie seid ihr hier her-ein gekommen? Ach, was frage ich!“ Schon zog er den Degen und die anderen beiden taten es ihm nach. Sie wussten ja nicht, dass dieser „Kardinalist“ Charlotte war. Genauso wenig wussten sie, dass es alles mit De Jaron abgesprochen war. Da trat De Jaron vor und sagte: „Seid ihr etwa unfair geworden seit ich euch verlassen habe? Drei gegen einen? Nun, wenn sich drei streiten, freut sich der vierte!“ Mit diesen Worten stürzte er sich auf den „Kardinalist“ Charlotte.
Sie fochten erbittert. Eine geschlagene halbe Stunde lang. Langsam überlegte De Jaron, ob er vielleicht doch eingreifen sollte. Devin fing an seine Fingernägel zu putzen und Polin las in einem seiner Lieblingsbücher. Doch plötzlich – wie verabre-det – holte De Jaron zu dem tödlichen Schlag aus. Sie standen so, dass die Musketiere nicht sehen konnten, dass er nur ein Loch in die Uniform machte, die Haut aber nicht berührte, oder besser gesagt: nicht verletzte. Trotzdem quoll rote Flüssigkeit hervor, die man als Blut bezeichnen konnte und der „Kardina-list“ steckte seine Hand unter den Mantel und ging langsam zu Boden. Dort blieb der „Kadinalist“ exakt 30 Sekunden liegen. Dann sprang Charlotte auf und lachte über die dummen Ge-sichter von Devin, De Jaron und Polin, die verdutzt drein schau-ten. Dann warf Charlotte eine leere Blutkapsel unter ihrem Man-tel hervor und setzte Hut und Perücke ab. Da lachte auch die anderen vier. „Ihr müsst nicht weiter geprüft werden. Wir brau-chen genau euch! Ihr seid genau richtig!!!“ rief Devin ehrlich begeistert. Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich sagte, dass in dem Raum zwei Tische standen. An dem zweiten saßen nur zwei Musketiere. Wir hatten die anderen einfach ignoriert. Nicht, dass die beiden unhöflich gewesen wären, oh nein! Miragon und Cassin waren die Höflichkeit in Person. Aber sie hatten auch jemanden zu prüfen. Das Mädchen, das sie prüfen muss-ten, war vielleicht nicht ganz so gut wie Charlotte, aber zumin-dest so gut, dass Miragon und Cassin ganz zufrieden guckten. Es, das Mädchen, hieß Amalie Chichon. Wollen wir, um nicht durcheinander zu kommen, alle Mädchen, Frauen usw. bei ih-ren Vornamen nennen. Amalie hatte rötlich braune Haare und braune Augen. Ihre Haare vielmehr rot. Es war aber, wenn man ganz genau hinschaute, ein ganz kleiner Stich braun darin. Sie konnte sich sehr gut verkleiden und auch verstellen. Und des-wegen würden gewisse Musketieren und so einem gewissen Mädchen noch so gewisse p… aber das gehört nicht hier her – noch nicht.
„Monsieur De Jaron“, rief Miragon, „eine Spionin haben wir schon!“, „Ihr irrt, mein lieber Miragon! Wir haben bereits Zwei. Ihr wart wohl zu beschäftigt um dieses wunderbare Schauspiel hier nicht mitbekommen zu haben!“, brummte Monsieur De Ja-ron vergnügt. „Bringt sie bitte her, Monsieur Cassin“, rief De Ja-ron glücklich. Sie hatten schon alle sehr lange auf gute Spio-ninnen gewartet. Und da kam an einem Tag gleich zwei, die gut genug waren. Miragon kam mit Amalie herüber gelaufen. „So“, mischte sich Pollin ein. „Eurem ersten Auftrag steht nichts mehr im Wege. Den erledigt ihr am Besten gemeinsam. Als Kardina-listen sollt ihr in ein gewissen Haus hinter einem gewissen Tan-nenwäldchen gehen. Dieses liegt außerhalb von Paris. Wenn ihr gefragt werden, was ihr wollt, so antwortet, dass ihr etwas für den Kardinal holen sollt.“ „Nur der obere Stock ist für euch interessant“ mischte sich Lojarot ein. „Ihr guckt in jedes Zimmer. Und wenn ein Schild „Geheim“ darauf steht, erst recht. Jedoch dürft ihr nicht als Kardinalisten in das geheime Zimmer. Ihr müsst dort als junge Mädchen hinein gehen, falls der Kardinal dann doch einmal auftaucht.“ Nun ergriff Polin wieder das Wort: “Obwohl er Morgen eine Konferenz hat.“ Jetzt war Polin auch die Puste ausgegangen. Charlotte und Amalie guckten wie vom Donner gerührt. Es war schon recht heikel, in ein „geheimes Haus“ zu gehen, in dem der Kardinal höchst selbst schon jeden Moment auftauchen könnte, auch wenn es recht unwahrschein-lich war. Da Sprang Charlotte plötzlich auf und rief: „Kotzbom-benelement und Donnerknispel!! Ich bin dabei!!“
Kapitel Ein Brief
Thlaylis Erwiederung kam leise und keuchend, aber vollkom-men klar. "Mein Oberkaninchen hat mir gesagt, ich soll diesen Lauf verteidige, und bis es etwas anderes sagt, bleibe ich hier."
Richard Adams aus "Unten am Fluss"
Charlotte und Amalie brauchten eine ganze Woche, um sich vorzubereiten. Da musste die Kleidung genauestens sitzen und gut ausgesucht sein. Ebenso wichtig waren die kleinen Raffi-nessen. Die einfachen „Dinge“ wie Ringe mit Gift oder Halsket-ten, die, wenn man sie öffnet, in dem Medallion einen Minidolch freigaben. Hüte mussten ausgesucht werden und überprüft. Es müsste ein großer Hut sein wegen der Haare aber es durfte kein zu auffällig großer Hut sein. Und dann erst mal die ganzen Polster. Meine Güte, die Polster!: Nur weil ein junger Mann be-deutend kräftiger gebaut sein muß. Es gab jede Menge Polster. Beinpolster, Armpolster, Schulterpolster und damit man nicht aus den Schuhen rutschte, sogar noch Schuhpolster – um jetzt nur mal ein paar Polster zu nennen. Bei Charlotte war die Schwierigkeit, ihre mädchenhaften Sommersprossen mit Schminke zu verdecken. Aber die eigentliche Schwierigkeit je-doch war, dass es trotzdem noch echt aussehen musste. Ama-lie hingegen hatte das Problem, dass sie ihre Schulterpolster nicht fest bekam. Das war aber sehr wichtig, denn davon hing die gesamte Körperlänge ab. Mit gutem Willen jedoch geht al-les; und als der große Tag kam, war alles fertig, war alles be-reit. Die Aufregung war sehr groß. So groß, dass man es ei-gentlich nicht beschreiben kann. Ich will es aber dennoch ver-suchen. Sie war in etwa so groß: wenn einem der erste Schul-tag bevor steht, ist man sehr aufgeregt. Diese Aufregung ver-doppelt man und vermischt sie mit Angst. Ich würde sagen, drei Löffel Angst. Dann gibt man noch etwas von der Aufregung hin-zu, wenn man eine Schwester, einen Bruder, vielleicht auch ein Kaninchen bekommt, hinzu. Das Ganze gemischt nimmt man mal 10 und dann mal 5. Kurz gesagt, mal 15. Wenn man das ausgerechnet hat, hat man eine leise Ahnung, wie sich Charlot-te jetzt fühlte. Aber wie schon gesagt, Charlotte besaß die Ga-be, dieses Gefühl, diese Aufregung auch nur nicht im Gering-sten zu zeigen. Stattdessen übte sich ihre Stimme. Dunkel männlich musste sie klingen. Das war gar nicht so leicht, denn sie hatte normalerweise eine freundliche, recht hohe Mädchen-stimme. Es musste jedoch alles ganz genau stimmen. Voll-kommen musste es sein. Der kleinste Fehler und sie würden entdeckt und in die Bastille gesteckt…oder erhängt oder gefol-tert werden, damit sie ihnen alle Pläne und Geheimnisse der Musketiere verraten… oder irgendwie so etwas Schreckliches.
Da klingelte es an der Tür. Charlotte zuckte zusammen. Mit wie Espenlaub zitternden Knien wackelte sie zur Tür. Flüchtig warf sie noch einen Blick in den Spiegel. Jeder andere, vernünftige Mensch, wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass sich unter der Verkleidung ein Mädchen verbarg. Charlotte zupfte noch einmal ihre künstlich verdickten Augenbrauen zurecht. Wieder klingelte es; dieses Mal länger. Das wird Devin sein. Er wollte mich ja abholen, dachte Charlotte. Sie öffnete die Tür. Da stand er aber nicht. Da stand der Postbote. Als er Charlotte in Kardi-nalistengestalt sah, erstarrte er. Man sah ihm an, dass er einen kurzen Augenblick überlegte, wegzurennen. Dann jedoch ent-sann er sich eines anderen und fragte stotternd: „Äh, k-k-kann ich vie-vie-vie-vielleicht? Äh, Äh, ich mei-mei-meine, äh, äh, ist Madame Lojarot anwesend?“ Charlotte freute sich in sich hin-ein. Es war für sie wie eine Generalprobe und es klappte recht gut. „Das geht nicht, bedaure“ sagte Charlotte und guckte den Boten scharf an. Dann sagte sie mit ihrer tiefsten und drohend-sten Männerstimme: „Ihr kennt sie doch nicht etwa persönlich?“ „Nei-n-n-n äh -n-n.“ stammelte der Postbote und zitterte vor Angst. Man muß wissen, dass die Kardinalisten damals sehr gefürchtet waren. Jedoch vielleicht nicht so gefürchtet wie die Musktetieren, aber der Postbote kannte Charlotte mittlerweile relativ gut. Deswegen fürchtete er sich auch so sehr vor dem Kardinalist.
„Also nicht“, stellte Kardinalist Charlotte fest. „Wissen Sie sonst noch etwas über dieses Mädchen?“ fügte der Kardinalist Char-lotte abfällig hinzu. „N-N-ein.!!!“ meinte der Postbote und fügte schnell, fast überstürzt hinzu: „Die Post!“. Er warf ein schmutzi-ges Bündel auf den Boden. „Ja, ja“ murmelte Charlotte ruhig. „die Post“ und sie bückte sich, um die Briefe einzusammeln und zu lesen. „Sie sind aber alle privat!“ rief der Bote und erschrak sofort darüber, dass er das gesagt hatte, doch Charlotte meinte seelenruhig: „So so, privat.“ Dann vertiefte sie sich in die Briefe. Als sie wieder aufsah, bemerkte sie, dass der Postbote immer noch da war und wie ein Häufchen Elend da saß. „Ihr seid ja immer noch da!“ fuhr sie den armen Postboten an.“ Daraufhin entfernte sich der Bote eiligst indem er die Treppe hinab stieg. Gerade noch früh genug war Charlotte ihn losgeworden. Denn gerade kam Devin die Treppe hinaufgeschnauft. „Da bin ich schon!“, sagte Devin. „Schon?“ sagte Charlotte spöttisch. Je-doch dann wurde sie ernst und reichte Devin schweigend den einen der fünf Briefe, den sie bekommen hatte. Als den Devin das Schreiben sah, erstarrte er und seine Augen wurden immer größer. Mit tonloser Stimme meinte er: „Wir sollten so schnell wie möglich wegfahren!“ und erst dann fügte er etwas mutiger hinzu: „ Die Kutsche steht vor der Tür.“ Natürlich interessiert den Leser, was in dem Brief stand. Ich will ihn aber auch nicht all zu lange auf die Folter spannen:
Madame Lojarot,
fünf der treuesten Männer des Kardinals werden sich erlauben, auf Befehl des Kardinals, sprich meines Befehls hin, Euer ge-samtes Haus zu durchsuchen und wenn erforderlich, auch Din-ge zu konfiszieren.
Monsieur Bijarot.