Nocturne von Aramis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 3 BewertungenKapitel Nocturne
Aramis stand am Fenster und starrte hinaus in den rieselnden Regen – der Himmel war grau und wolkenverhangen, kein Sonnenstrahl drang durchs dichte Gewölk, und ebenso düster sah es auch in Aramis` Seele aus. Es war ihm nicht bewusst, wie lange dieser erbärmliche Zustand schwärzester Melancholie nun schon dauerte – vermutlich hatte er damals eingesetzt, als Athos und Porthos ihren Dienst quittierten und die Musketiere des Königs für immer verließen. Ihr unverhoffter Abschied traf Aramis wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und offensichtlich hatte er diesen Schicksalsschlag noch immer nicht verwunden. Ebenso furchtbar, wenn nicht noch bitterer, hatte er den Verlust seiner Geliebten, Madame de Chevreuse, empfunden, im Zuge ihrer überstürzten Flucht nach Spanien – Aramis war ihr, halb irr vor abgrundtiefer Besorgnis, Tag und Nacht hinterher geritten, in halsbrecherischem Tempo, nur um von Marie, als er sie endlich eingeholt hatte, auf offener Straße eine demütigende, kalte Abfuhr zu kassieren. Wenn er daran zurückdachte, stiegen immer noch ungestüme Wellen heißen Zorns in ihm hoch – bei allen Göttern, hielt sie ihn denn für ein so dermaßen minderes und verachtenswertes Subjekt, dass sie ihrem unglücklichen Liebhaber, angesichts ihres unwiderruflichen Entschlusses, ihm ihre Liebe aufzukündigen, nicht einmal ein letztes klärendes Gespräch vergönnen wollte?! Ein paar flüchtige Zeilen in einem nichtssagenden Brief, das war alles, was sie ihm zukommen ließ, gepaart mit ihrer Ungehaltenheit und ihrem unverhohlenen Ärger, als er sie endlich erreicht hatte, nach tagelangem mörderischem Gewaltritt – sangdieu! Das war zuviel für seinen Stolz! Etwas in ihm riss damals buchstäblich entzwei, wie eine bis zum Übermaß gespannte Saite, die Schleusen öffneten sich, und sein Innerstes schien mit einem Mal wie von eisig kalten, reißend hohen Wellen überflutet – er kannte dieses Gefühl nur zu gut! Immer, wenn man ihn verletzte, stiegen die Wogen und brachen sich ihre Bahn, mit schrecklicher Gewalt, sich in ein sturmgepeitschtes Meer ergießend, in dem er, einem Schiffbrüchigen gleich, hilflos zu ertrinken drohte –
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