Sans toit ni loi von kaloubet
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 99 BewertungenKapitel Arrestation
Am 17. September 1793 beschlossen die Abgeordneten des Konvents, dass alle Personen, die sich auf irgendeine Weise gegen die Republik stellten oder ihr die Anerkennung versagten, verhaftet werden sollten. Einmal verhaftet, machte das Revolutionstribunal in vielen Fällen kurzen Prozess ...
Das Feuer knisterte leise im Kamin, während draußen dicke Schneeflocken lautlos Wege und Bäume zudeckten. Sie waren den ganzen Tag auf der Jagd gewesen, hatten drei Fasane für das Abendessen mitgebracht, die die Köchin gerade zubereitete. Der Duft begann allmählich sich im ganzen Haus auszubreiten.
Mit einem wohligen Seufzer streckte Athos seine langen Beine dem Feuer entgegen und hielt Grimaud sein leeres Glas hin. „Ist der Vicomte schon bereit?“, fragte er dann mit einem Blick auf die festlich geschmückte Tafel, die durch die Tür zum Speisezimmer zu sehen war. „Er kommt gleich“, erwiderte der treue Diener. Dann, zögernd, setzte er hinzu: „Habt Ihr nichts bemerkt, als Ihr draußen wart? Es heißt, Sansculottes seien in der Gegend.“
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Kapitel En campagne
„Scheißwetter!“, schimpfte der Soldat und streckte die Hand aus, um zu prüfen, ob das Nasse, Kalte, das ihn an der Wange getroffen hatte, wirklich Schnee war. Er fand seine Befürchtungen bestätigt und wiederholte: „Scheißwetter!“. - „Was erwartet Ihr, es ist Dezember.“, lachte ein kleiner, drahtiger Mann neben ihm, dessen dunkle Gesichtshaut und schwarzen Haare ihn als Südfranzosen verrieten, was durch seinen gasconischen Akzent noch bestätigt wurde.
„Ja, aber das ist kein Wetter, um zu kämpfen.“, erklärte der erste Soldat, ein wahrer Hüne mit gutmütigen Gesichtszügen, die aber jetzt nur Abscheu verrieten. „Parbleu, d´Artagnan, wir liegen hier schon seit drei Monaten und kommen nicht voran. Der Schlamm ist schon übel genug, wenn uns jetzt auch noch Schnee und Eis bevorstehen, dann weiß ich nicht, wie Houchard diesen Feldzug noch gewinnen will. Die halbe Armee ist schon krank und die andere schnieft zum Steinerweichen.“
„Was wollt Ihr, den anderen geht es genauso. Und Ihr wisst, was uns erwartet, wenn die Alliierten gewinnen.“
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Kapitel Réveil
Aramis lehnte mit dem Rücken an der Wand und fühlte, wie die Kälte in ihm hochkroch. Er zog seinen Mantel fester um sich, doch das nutzte nur wenig, denn hier, in diesem Kellerloch, war es eisig kalt. Durch ein kleines, vergittertes Fenster fiel zwar ein wenig Licht, da es aber keine Fensterscheibe besaß, zog auch kalte Winterluft ungehindert herein. Sie hatten sie mitten in der Nacht hier hereingebracht, hereingestoßen traf es besser, mit ihren gebundenen Händen hatten sie sich nicht halten können, waren die drei Stufen hinuntergestürzt und auf dem Lehmboden aufgeschlagen. Eine Demütigung mehr, eine Prellung mehr, was zählte das. Grimaud war nicht mehr bei ihnen, Aramis hatte keine Ahnung, was mit ihm passiert war. Als sie aus dem Karren geklettert waren, war er plötzlich nicht mehr da gewesen. Vielleicht hatten sie ja eingesehen, dass er nur ein Diener war, vielleicht hatten sie ihn freigelassen.
Er änderte seine Sitzposition, zu lange in der gleichen Stellung schmerzte, vermutlich hatten sie ihm eine oder zwei Rippen gebrochen. Doch ging es ihm immer noch besser als Athos, dessen Kopf er vorsichtig auf seinen Schoß gebettet hatte. Er war noch nicht aus der Ohnmacht erwacht, in die sie ihn auf dem Karren geprügelt hatten, und Aramis begann sich Sorgen zu machen, ob er überhaupt noch erwachen würde. Obgleich – vielleicht wäre es sogar besser, er würde nicht mehr erwachen.
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Kapitel Jugement
Die Geschichte mit Cayenne habe ich nicht erfunden, ein gewisser Nicolas Custer hat das alles tatsächlich so mitgemacht. Nachzulesen in Wikipedia ...
Sie kamen am Nachmittag des dritten Tages, banden ihnen die Hände auf dem Rücken zusammen und zerrten sie auf die Beine, sechs Soldaten der Republik in Blauweißrot, nicht grausam, aber gleichgültig – sie hatten schon so viele diesen Weg gehen sehen. Der Weg zu dem tribunal révolutionnaire, dem Revolutionsgericht, war nicht weit, es befand sich im ersten Stock des Gebäudes, in dem sich auch der Kerker befand, sie mussten also nur zwei Treppen nach oben steigen. Die Soldaten führten sie in einen Saal, dessen Wände wunderschöne Wandmalereien schmückten, Hirten, Schafe, unbeschwertes Leben, sie zeugten allzu deutlich davon, dass dieses Palais vormals das Haus einer vornehmen Familie von Blois gewesen sein musste. Vermutlich lebte sie nicht mehr oder war emigriert. Das Mobiliar hatten die Revolutionäre ausgetauscht, anstelle von zierlichen Chaiselongues oder intarsienverzierten Möbelstücken hatte man mehrere derbe Bänke und ein großes, langes Pult in den großen Raum gestellt, hinter dem Pult saßen acht grimmig blickende Männer. Das war ihr Tribunal, ein Staatsanwalt, zwei Gehilfen und fünf Geschworene. Die Soldaten stießen sie in die Mitte des Raumes, in der eine kleine Fläche freigelassen war, anscheinend war für die Angeklagten keine Bank, kein Stuhl vorgesehen, denn das Verfahren ging in der Regel sehr schnell, das Urteil war bald gefunden, dafür brauchte sich niemand zu setzen. Das Pult des Gerichts stand auf einem erhöhten Podest, so dass sie zu ihm aufblicken mussten, die Soldaten positionierten sich hinter ihnen und Zuschauer gab es heute keine.
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Kapitel Fuite
Doch als sie am Fuß der Treppe standen und der Dinge harrten, die da kommen sollten, wurde wieder laut gegen die Tür gepocht. „Monsieur le comte“, rief eine Stimme, „seid Ihr da drin?“ Athos sah Aramis verdutzt an, dann antwortete er: „Ja.“ – „Weicht von der Tür zurück!“
Sie taten, wie ihnen befohlen worden war, da knallte es und die Tür zersprang in einem Regen aus Splittern. Herein hasteten mehrere Männer, allen voran Grimaud. „Monsieur le comte!, monsieur l´abbé, Dieu merci, Ihr lebt!“, rief er erleichtert in einem für ihn völlig ungewohnten wortreichen Ausbruch. „Schnell, folgt uns!“ Er hielt den beiden Gefangenen zwei Degen und zwei Pistolen hin, sie griffen danach und eilten den anderen Männern hinterher, die schon die Treppe wieder hinauf und durch die Tür gehastet waren. Vor der Tür lagen zwei Soldaten der Republik mit durchgeschnittenen Kehlen und als sie im Hof des ehemaligen Privatpalais standen, erkannten sie erst, wie viele Männer zu ihrer Hilfe geeilt waren. Es mussten mindestens hundert sein, zu ihren Füßen lagen die Soldaten des Palais in ihrem Blut. Ein großer Mann, mit einem langen Mantel und dem Gebaren eines Anführers, nickte, als er sie sah. „Weg hier.“, befahl er, „bevor die ganze Garnison auftaucht.“ Er hielt eine Pistole ausgestreckt auf einen Mann, einen Leutnant, und Aramis erkannte in ihm den Offizier, der die Soldaten hier befehligt hatte. Der Mann war unbewaffnet und hatte die Hände erhoben, sein Gesicht war verkrampft vor Angst. „Sag dem être suprême einen schönen Gruß.“, höhnte der Anführer der Rebellen und drückte ab. Der Leutnant sank langsam in sich zusammen, während sich auf seiner weißen Uniform ein dunkelroter Fleck ausbreitete. „Schnell jetzt!“, der Mann im Mantel drängte zur Eile und sie folgten ihm durch das große, nun offene Eingangstor, folgten ihm durch die nachtschlafende Stadt, in der erste Lichter in den Fenstern angingen, erste Kerzen entzündet wurden, um herauszufinden, was diesen Tumult verursacht hatte. Doch als die Soldaten der Garnison am Palais ankamen, waren die Rebellen schon tief in dem Wald verschwunden, der hinter der Stadt begann.
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Kapitel Discussions et découvertes
„Was sollte das?“ Aramis lehnte am Fenster des kleinen Zimmers, das Kerfaleque ihnen zugewiesen hatte und betrachtete seinen Freund. Athos saß mit überkreuzten Beinen auf einem der beiden Betten, eine halbvolle Weinflasche in der Hand, aus der er nonchalant einen Schluck trank, wobei er das Kunststück fertigbrachte, Aramis gleichzeitig mit hochgezogenen Augenbrauen zu mustern. Er hatte etwas trotzig Jungenhaftes an sich, das den Abbé irritierte, ja mehr als das, er merkte, dass er ihn am liebsten geohrfeigt hätte.
„Was?“, fragte Athos nun auch in einem provokant unschuldigen Ton, „Was werft Ihr mir vor?“
„Das weißt du ganz genau.“, zischte Aramis zwischen den Zähnen und musste an sich halten, um nicht wütend mit den Fuß aufzustampfen – eine schrecklich kindische Handlung, zu der er sich nur in äußersten Notfällen hatte hinreißen lassen - oder seinen Freund an den Haaren zu packen. „Du verdingst uns diesen Aufständischen ohne mich vorher zu fragen und nur, um deine absurden, selbstmörderischen Rachepläne durchführen zu können. Dir geht es nicht um die Sache der Chouans, dir geht es nur um dich und deine Rache. Auge um Auge, Zahn um Zahn, ich hätte gedacht, dass wir inzwischen ein wenig weiter seien.“
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Kapitel Arrivée
Nach fünf Tagen Fahrt fühlt er sich nur noch schmutzig und sehnte sich nach einem heißen Bad. Seine Glieder schmerzten und waren von der Bewegungslosigkeit steif wie die eines alten Mannes, so dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte, als sie anhielten und die Soldaten ihm von dem Wagen halfen. Er sah um sich, sie standen in einem Hof, der von mehreren einstöckigen Gebäuden umgeben war, doch es war weder ein Misthaufen zu sehen, noch hörte oder roch er Tiere. Dafür herrschte ein seltsam beißender Geruch, ein Geruch, den er nicht definieren konnte, der aber den Hals reizte, außerdem lag über allem, dem Boden, den Gebäuden und den Gerätschaften, die da und dort herumstanden, dunkler Staub. Von ferne war ein dumpfes ´Klonk, klonk´ zu hören, durchmischt mit Stimmen, immerhin gab es hier anscheinend andere Menschen, abgesehen von dem untersetzten, dunkelhaarigen Mann, der die beiden Soldaten gerade begrüßte. Die drei kannten sich, das war deutlich zu sehen, und nach dem Austausch einiger ungezwungener Freundlichkeiten kam der Mann zu Raoul, dessen Arme immer noch gebunden waren und der von einem der Soldaten festgehalten wurde. Der Mann musterte ihn, er mochte etwa dreißig Jahre zählen und hatte ein Gesicht, in das das Leben schon unzählige kleine Falten geschrieben hatte, das aber nicht unfreundlich blickte. „Wie nennt man dich, mein Junge?“, fragte er und auch seine Stimme klang, als sei er, Raoul, hier willkommen. Diese Freundlichkeit war jedoch mehr als er ertragen konnte, er merkte, wie sich sein Hals zuschnürte und hatte Mühe zu antworten: „Raoul. Raoul de Bragelonne.“
Der Mann nickte. „Das ´de Bragelonne´ vergisst du am besten gleich wieder. Raoul reicht, ich heiße Henry. Wenn du dich anständig benimmst und mir versprichst, keinen Fluchtversuch zu unternehmen, dann können wir bestimmt gut miteinander auskommen.“
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Kapitel Mission
Sie hatten den Weg nach Blois schweigsam zurückgelegt, beide gefangen in ihren düsteren Gedanken, in ihrer Sorge um ihre Freunde. Es war nicht nötig gewesen, über das zu reden, was sie gesehen hatten, sie wussten wie die neue Republik mit Rebellen umging, kannten die Mitleidlosigkeit der federführenden Montagnards, eine Mitleidlosigkeit, die im Großen wohl notwendig sein mochte, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen, die im Kleinen aber zu unnötigen Grausamkeiten führte und nun vielleicht den Tod ihrer Freunde zu verantworten hatte.
Gleich nach ihrer Ankunft hatten sie sich bei dem Capitaine gemeldet, doch es war zu spät am Abend gewesen, der diensthabende Leutnant hatte ihnen bedeutet, am nächsten Morgen wiederzukommen, Laval sei nicht mehr zu sprechen. Nach einer Nacht in einer einfachen Herberge standen sie nun wieder vor seinem Büro, vor einer großen, vergoldeten, prunkvollen Tür in einem wunderschönen Palais, das früher sicher einer Adelsfamilie gehört hatte, und zerkratzten das feine Holzparkett mit ihren groben Soldatenstiefeln.
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Kapitel Débris
´Klonk´. Mit einem dumpfen Geräusch traf die Spitze des Pickels auf den Stein. Seine Hände, seine Schultern schmerzten, aber er merkte es kaum. Ohne nachzudenken hob er den Pickel wieder an und ließ ihn auf die dunklen Gesteinsbrocken fallen, die, wie man ihm beigebracht hatte, aus Kohle bestand. Kohle, die man in Ziegeleien und Brauereien, bei der Herstellung von Seife oder Glas dringend benötigte, die aber auch in Öfen und Herden anhaltend brannte. Es war ihm gleichgültig, sie hätten ihn auch die Ställe ausmisten lassen können, die Böden kehren, die Aborte leeren, er hätte es getan ohne nachzufragen, ohne nachzudenken, denn in seinem Kopf gab es nur einen Gedanken, in seinem Herzen nur ein Gefühl: Sein Vater war tot, sie hatten ihn getötet, ihn auf die Guillotine geschickt und nie, nie mehr würde er seine Hand halten, nie mehr seine Stimme hören. Er war allein, so allein, und alles andere hatte kein Gewicht, war leer und schwarz und gleichgültig. Fast war er ihnen dankbar, dass sie ihm diese Aufgabe gegeben hatten, hier auf dem Abraumplatz mit vier weiteren Jungs, alle etwas älter als er: Sie mussten die großen Kohlestücke, die aus der Mine nach draußen transportiert worden waren, verkleinern und auf Schubkarren laden, um sie dann auf einen großen Haufen zu schütten, der einmal in der Woche auf Karren verladen und weggefahren wurde. Das Hauen und Pickeln, das Aufladen und Wegfahren war harte Arbeit, es hinderte ihn am Denken und der Schmerz und die Erschöpfung erlaubten ihm, nachts zu schlafen.
Henry hatte ihm, nachdem er aus seiner Ohnmacht erwacht war, eine Pritsche in einem Gemeinschaftsraum zugewiesen, einem großen, leeren Raum, erdgeschossig in einem der Wirtschaftsgebäude gelegen und der vermutlich früher, als das Anwesen noch als Bauernhof gedient hatte, eine Remise für Karren gewesen war. Außer ihm waren da noch fünf weitere Jungen, er war der Jüngste und in körperlichen Arbeiten der Unerfahrenste, doch niemand machte ihm sein anfängliches Ungeschick zum Vorwurf. Der Älteste, Rémy mit Namen, war ein Bauernsohn, in die Mine geschickt von seinen Eltern um ein wenig Geld zu verdienen, drei weitere, Antoine, Régis und Jérémy, waren, Söhne von Tagelöhnern, auch sie gaben das wenige, was sie verdienten, Henry, der es einmal im Monat ihren Familien zukommen ließ. Nur Jérôme, mit knapp sechzehn Jahren der Zweitälteste, war wie er ein Aristokratensohn, er war seit drei Jahren hier und hatte ihn unter seine Fittiche genommen. Da er ziemlich geschickt war in allem, was er anfasste, mit einem wachen Geist und großer körperlicher Kraft, wurde er von den anderen respektiert, was zur Folge hatte, dass sie auch ihn, Raoul, in Frieden ließen. Jérôme hatte ihn angelernt, ihm gezeigt, wie man mit einem Pickel umging, hatte ihm die Mine und die in den Berg getriebenen Stollen erklärt, auch wenn er bis auf Weiteres auf der Abraumhalde arbeiten sollte. Außer den Jungs arbeiteten ungefähr zwanzig Männer auf und in der Mine, Henry war der Aufseher, der Vorarbeiter, und sie unterstanden einem Mann, der einmal in der Woche nach dem Rechten sah. Früher hatte die Mine dem Comte de Bouines gehört, doch seit dieser die Guillotine bestiegen hatte, unterstand das Bergwerk Paris, wie Henry sagte. Der Mann war ein Abgesandter aus Paris ohne dass klar wurde, wer eigentlich in Paris das Sagen hatte. Irgendein Komitee vermutete Jérôme und Raoul war es sowieso gleichgültig.
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Kapitel Fatalité
Er drückte sich in die kleine Nische neben dem Hintereingang. Niemand hatte bemerkt, dass ein Musiker fehlte, niemand hatte sie gezählt und sein Verschwinden war unbeobachtet geblieben. So war es immer, die hilfreichen Geister, die es brauchte, damit ein Haus funktionierte, blieben namenlos, ungesehen. Dicht neben ihm, von einer einzelnen Kerze nur vage beleuchtet, schloss der Soldat, der hier als Majordomus fungierte, die Türe von innen, drehte sich dann um und verschwand durch eine andere Tür, die wohl, so vermutete Athos, in die Küche führte. Er wartete einen kleinen Moment und stieg dann die Treppe zu seiner Rechten wieder hinauf, die zu der Musikertribüne führte. Dort kauerte er sich nieder, legte seinen Geigenkasten auf den Boden und entnahm ihm einen langen Dolch und eine Pistole. Dann verschloss er den Kasten sorgfältig wieder, er wollte die Geige dem alten Henri, von dem er sie geliehen hatte, gerne wieder zurückgeben. Nur war er sich nicht sicher, ob ihm das auch gelingen würde. Er hatte es ihm gesagt, als er ihn in seiner Hütte kurz vor Blois besucht hatte, diesen alten Mann, der einst für seinen Vater gespielt und ihm das Geigenspiel beigebracht hatte, doch Henri hatte abgewinkt: „Lass mal, Jungchen, ich bin alt, ich kann sie eh nicht mehr spielen“, hatte er gesagt, was bei Athos ein seltsames Gefühl der Geborgenheit heraufbeschworen hatte, wann hatte ihn das letzte Mal jemand ´Jungchen´ genannt? Er war drauf und dran gewesen, dem Alten seine Pläne zu verraten, hatte sich im letzten Moment gebremst: Er durfte ihn auf keinen Fall in Gefahr bringen. Deswegen hatte er auch die Geige sorgfältig untersucht, aber nichts wies auf ihren Besitzer hin.
Er strich gedankenverloren ein letztes Mal über den Geigenkasten, es war schön gewesen, wieder einmal spielen zu dürfen, schön und schaurig zugleich, denn es beschwor Erinnerungen an glücklichere Zeiten herauf. Sie hatten häufig musiziert im Kreis der Familie, sein Vater hatte viel von Musik gehalten und seine Söhne mehr als ein Instrument erlernen lassen und auch er hatte Raoul Geige und Clavecin gelehrt. Doch die Zeit des Spiels war endgültig vorbei. Er richtete sich langsam auf, im Haus waren alle Geräusche verstummt, die Bewohner schienen sich bettfertig zu machen. Gut. Zeit für die Abrechnung.
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Kapitel Miséricorde
„Schscht“, er hörte leises Wispern, dicht an seinem Ohr, spürte sanfte Berührung, kühles Wasser auf seinem Gesicht und schlug die Augen auf. Träumte er? Die Erinnerung an Lavals toten Körper war klar und deutlich, wie konnte es sein, dass sie sich nun sanft und fürsorglich um ihn kümmerten? Er sah sich um, sah den kleinen Raum im Licht einer Fackel, bemerkte einen Soldaten der Republik, der neben ihm kniete und ihm den Rücken zuwandte, er schien etwas zu suchen – doch die Gestalt war vertraut, so vertraut … da wandte sich der Soldat um und Athos erstarrte. „Porthos?“, keuchte er, fassungslos. Wann hatte er den Freund das letzte Mal gesehen? Vor vier Jahren? Fünf Jahren? Da war er einfacher Landedelmann und Porthos Soldat des Königs gewesen.
„Schscht!“, wiederholte Porthos und fuhr fort ihn zu verarzten. Die Soldaten hatten ihm mit ihren Kolbenhieben Platzwunden auf Stirn und Schläfen beigebracht, ein oberflächlicher Riss zog sich über seine Wange, aber er hatte noch alle Zähne, wie er feststellte, als er mit der Zunge an ihnen entlangfuhr. Nicht, dass es wichtig gewesen wäre. Ein Summen hallte in seinem Kopf und sein linkes Ohr schmerzte, er erinnerte sich, dass der Schlag, den er darauf erhalten hatte, ihn in die Bewusstlosigkeit geschickt hatte. Auch klangen Porthos´ Stimme und überhaupt alle Geräusche seltsam gedämpft.
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Kapitel Secours
„Ein Arzt!“, schrie Porthos wie ein Verrückter und riss die Tür des Kerkers auf. Die Wachen legten auf ihn an, nahmen dann das Gewehr hoch, als sie ihn erkannten. „Ein Arzt!“, brüllte er wieder, „dieser gottverfluchte ci-devant hat mir den Dolch entrissen und ihn sich in die Brust gerammt! Holt einen Arzt!“, und damit rannte er die Treppe hoch und zum Hof hinaus.
Die Wachen sahen ihm entgeistert hinterher, um dann in den Kerker zu stürzen – doch dem Mann, der da in seinem Blut lag, konnte nicht geholfen werden. Porthos´ Schrei hatte weitere Soldaten aufmerksam gemacht, sie alle drängten in den kleinen Kerker, aber keiner kam dem Gefangenen zu nahe, zu eindeutig war das, was ihm geschehen war, zu groß die Scheu vor dem Tod, die selbst diese abgebrühten Soldaten verspürten.
„Platz da, geht auf die Seite!“, rief da ein Mann von weiter hinten, „lasst den Leutnant durch!“ D´Artagnan betrat den kleinen Keller und musterte seine Soldaten mit gerunzelten Brauen: „Was soll der Auflauf, was hat das zu bedeuten?“, fragte er, nachdem ihm ein Sans-Culotte von seinem Schreibtisch weggeholt hatte mit der dringenden Aufforderung: „kommt, kommt“, aber ohne sich weiter zu erklären.
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Kapitel Scènes d´Intérieur I
Maries weiche Hände streichelten ihn, ihr Haar berührte sanft seine Stirn, sie beugte sich vor um ihn zu küssen und er versank in ihren schönen blauen Augen, verlor sich darin, eine Feder im Wind … ihre Haare kitzelten, sie strich über seine Wange, über sein Ohr, es schmerzte – da wachte er auf, sah eine Frau über ihn gebeugt, aber es war nicht Marie. Marie … sei mein, behalt mich in deiner Welt, entführe mich, nimm mich mit … „Aie!“
„Verzeiht“, sagte sie leise, mit einer warmen, angenehmen Stimme, „aber Aramis bat mich, Eure Verletzungen zu säubern und zu verbinden.“
„Wer seid Ihr?“, fragte er und betrachtete verwirrt ihr durchaus hübsch zu nennendes, wenn auch nicht mehr junges Gesicht. Sie mochte etwa vierzig sein, hatte dunkle, braune Augen mit Lachfältchen, dunkles Haar und weiche, zärtliche Hände. Mein Gott, wann hatten ihn das letzte Mal Frauenhände berührt?
„Agnes de la Rochette, Euch zu dienen“, entgegnete sie mit einem reizenden und überhaupt nicht unterwürfigen Lächeln.
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Kapitel Scènes d´Intérieur II
Ein paar Tage verstrichen und die drei Bewohner des kleinen Hauses fanden zu so etwas wie einer ruhigen Routine. Athos konnte zwar bald aufstehen, aber er war noch sehr geschwächt und saß die meiste Zeit in einem bequemen, alten Sessel neben dem Ofen – was die Katze des Hauses ganz wunderbar fand, endlich ein Mensch für sie alleine – während Agnes und Aramis tagsüber ihre eigenen Wege gingen und sich am Abend zum gemeinsamen Essen wieder einfanden, beide oft mit schlechten Neuigkeiten, noch ein Bekannter, der verschwunden war, noch eine Tür, die geschlossen blieb. Manchmal blieb Agnes auch zu Hause, setzte sich neben Athos´ Sessel, strickte oder nähte etwas und beide unterhielten sich, wurden Freunde, während es draußen in dicken Flocken schneite.
Eines Abends nach dem Essen kam Agnes mit einem kleinen Kuchen und einer Flasche Champagner in den kleinen Salon, in dem Aramis und Athos am Tisch saßen und beide sahen erstaunt auf: „Was feiert Ihr?“, fragte Aramis.
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Kapitel Aux charbons
Er war aufgerückt, auf der Karriereleiter der Mine weiter nach oben geklettert, und bewegte sich deswegen nur noch auf allen vieren oder bestenfalls gebückt vorwärts: Sie hatten ihn zum Lehrhäuer gemacht, was bedeutete, dass er nun einem erfahrenen Hauer zur Hand ging, Kohle aus den Stollen transportierte und auch selbst schlug. Der Mann, mit dem er arbeitete, war ein wortkarger Zwanzigjähriger aus Arras, kaum größer als Raoul, was auch der Grund war, weshalb man beide zusammengespannt hatte: Der Stollen, in dem sie arbeiteten, war gerade einmal hüfthoch und armbreit, zu klein für größer gewachsene Männer. Die Mine selbst war nicht besonders groß, von einer horizontalen, größeren Strecke gingen mehrere Stollen ab, in denen immer zwei Männer arbeiteten, meistens zehn Stunden am Tag. Als er sie das erste Mal hinter Henry betreten hatte, den Schacht hinunter geklettert war, hatte er fliehen wollen, raus hier, raus aus dem Staub, aus der Dunkelheit, nur weg von diesem Ort, auf dem Tonnen von Erdreich lasteten, hoch ans Tageslicht, das ihm nie so begehrenswert erschienen war. Aber er hatte sich daran gewöhnt, kletterte nun tagaus, tagein die Leiter hinunter, atmete Kohlenstaub, zerbiss Kohle zwischen den Zähnen, wischte sie sich aus den Augenlidern. Die Arbeit war hart und anstrengend, manches Mal meinte er, die Leiter nach der Schicht nicht mehr hochzukommen, er lief wie ein alter Mann, hustete wie ein alter Mann, und spürte seine Arme nicht mehr, wenn er zehn Stunden Kohle zusammengescharrt oder aus dem Fels gehauen hatte. Auch die meisten anderen Jungs arbeiteten jetzt unter Tage, an ihrer Stelle verluden nun andere den Abraum, auch Frauen aus den naheliegenden Dörfern, aber Adlige waren keine mehr nachgekommen. Er hatte sich eingewöhnt, lebte mit den Bergmännern und hatte sich ihren Stolz zu eigen gemacht: Ihre Arbeit war gefährlich, hart und anstrengend, aber unentbehrlich. Nur die Stärksten und Mutigsten hielten durch, nur wenige wurden älter als dreißig. Er hinterfragte nichts, dachte nicht nach und der schweigsame Pieric, mit dem er arbeitete, wurde ihm, neben Jérôme, ein wahrer Freund, auf diese beiden konnte er sich verlassen, so unterschiedlich sie auch waren. Sie akzeptierten ihn und er wurde einer von ihnen, Kohle klebte unter seinen Fingernägeln, er riss dreckige Witze, er erfüllte sein Soll – hatte er je ein anderes Leben gehabt? Nur manchmal nachts, in der relativen Einsamkeit der Dunkelheit, wenn er trotz der Erschöpfung keinen Schlaf fand, sprang ihn der Schmerz an wie ein Tier, nahm ihm den Atem und ließ ihn wimmernd nach seinem Vater rufen. Er erstickte die Schreie unter seinem Kopfkissen, wischte die Tränen weg und hielt seinen Kopf am nächsten Morgen in den Bottich mit dem kalten Wasser um die Spuren zu verwischen, doch der leichte, wie zufällige Schlag auf die Schulter, mit dem Jérôme ihn bedachte, verriet ihm, dass sein Freund es bemerkt hatte. Er bemerkte es immer und dies hielt Raoul aufrecht, ließ den Schmerz wieder verebben, zumindest bis zur nächsten schlaflosen Nacht.
***
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Kapitel Recherches
In diesem Kapitel gibt es einen Absatz, der ansatzweise die schrecklichen Dinge beschreibt, die die ´colonnes infernales´ des Generals Turreau in den Dörfern der Vendée anrichteten. Manche sprechen von einem Genozid, wenn sie den Krieg der Vendée beschreiben. Ob das gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen, aber ob Oradour sur Glane oder die Vendée, es ist immer wieder dasselbe Grauen. Darf man so etwas in einer FF verwenden? Ich weiß es nicht, habe mich aber bemüht, einigermaßen die Fakten zu berücksichtigen. Kléber und Westermann waren Generäle der Republikaner, Westermann hat sich durch besondere Grausamkeit hervorgetan. In Cholet erlitt die armée royale et catholique tatsächliche eine Niederlage, obwohl sie zahlenmäßig den Republikanern überlegen war. Die Rebellen überquerten die Loire mit Frauen und Kindern und wanderten dann, ein langer Troß, nach Granville, weil sie sich dort Hilfe von den Engländern erhofften, die aber nie kam. So kehrten sie in die Vendée zurück. Die Strapazen dieses langen Marsches müssen für all die Menschen, Männer, Frauen und Kinder, die ihre Heimat verloren hatten, furchtbar gewesen sein.
Es schneite, den ganzen Tag schon, und der Schnee blieb liegen, machte das Fortkommen langsam und mühselig, die Luft feucht und kalt und die Straßen unkenntlich. Sie waren abgestiegen und führten ihre Pferde am Zügel, es dämmerte schon und der Weg war kaum zu erkennen, nur die Schneise zwischen den Bäumen ließ sie ahnen, wohin sie sich wenden mussten. Doch wurde diese Schneise immer enger, immer kleiner, und Aramis erinnerte sich, dass die letzten Wege vor dem Gut, auf das sie Kerfaleque geführt hatten, kaum breit genug für eine Kutsche gewesen waren. Sie waren nun schon den zweiten Tag unterwegs, den ersten hatten sie damit zugebracht, ein Pferd für Agnes zu kaufen, das seine aus dem Mietstall zu holen und, da sie nur zwei Pferde hatten, zu Fuß zu dem alten Mann zu gehen, bei dem Athos sein Pferd untergestellt hatte. Der alte Henri hatte ihnen Obdach für eine Nacht gegeben, jegliche Bezahlung vehement verweigert und sie zum Abschied herzlich umarmt, ohne nachzufragen, wohin sie ihr weiterer Weg führen würde. „Je weniger ich weiß, desto weniger kann ich preisgeben“, hatte er erklärt.
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Kapitel Réflexions
D´Artagnan stand langsam auf und streckte den schmerzenden Rücken. Es war spät, fast schon zehn Uhr abends, und er wollte nur noch eines: Etwas essen und dann ins Bett. Aus dem Nebenzimmer drangen Geräusche und er wusste, er würde da durchgehen müssen, durch die fröhliche Besprechung, die vor etwa zwei Stunden begonnen hatte. Turreau hatte seine Generäle zu sich gebeten und erklärte ihnen seinen Plan, den er d´Artagnan am Morgen schon kurz umrissen hatte: Die Vendée aufzuteilen in Planquadrate und Kolonnen von zweihundertfünfzig bis zu mehr als tausend Mann hindurchzuschicken. Die Order war einfach: Alles zu zerstören, alles zu töten, was auch nur den Anschein nach ein Rebell sein oder den Rebellen dienen könnte, kurz, ein Freibrief für grausamste Verfolgung und Exzesse jeglicher Art. Heute Morgen hatte der général en chef schon eine kleine Gruppe losgeschickt, das Dorf Genillé zu durchsuchen und mit Verdächtigen nicht zu zimperlich umzuspringen. Der Kommandant dieses bataillons war vorher zurückgekehrt und hatte Turreau Bericht erstattet, dieser schien zufrieden. Doch d´Artagnan hatte die Gesichter der Soldaten gesehen, die in den Hof gewankt waren, die Augen schwarz, die Gesichter verzerrt, die Uniformen blutbespritzt, nur wenige hatten zufrieden gegrinst, und er hatte Bescheid gewusst. In den Jahren, in denen er nun Soldat war, hatte er viel gesehen, er kannte Schmerz und Leid, die der Krieg verursachte, er hatte belagerte Städte betreten, in denen kaum noch ein Mensch lebte, er hatte in Schlachten gekämpft, die zum Blutbad geworden waren, hatte getötet, weil es ihm befohlen worden war. Auch Zivilisten waren dabei umgekommen, Männer, Frauen und Kinder hatten den Tod gefunden, weil sie zufällig dort waren, wo der Krieg sich austobte, weil der Moloch keine Rücksicht nahm und alles verschlang, was sich ihm in den Weg stellte. Aber noch nie in seinem ganzen Soldatendasein hatte man ihm befohlen, bewusst und willkürlich ein Dorf auszulöschen, noch nie die systematische Zerstörung eines ganzen Landstriches angeordnet. Ein Abgeordneter in Paris habe doch tatsächlich befohlen, nach dem Massaker die Vendée in Vengée umzubenennen, verflucht, der Mann sollte einmal herkommen und sich ansehen, was derartige Ideen wirklich bedeuteten! D´Artagnan brauchte das zerstörte Dorf gar nicht mit eigenen Augen zu sehen, die Gesichter der Soldaten sagten ihm, was vorgefallen war, die Befehle waren schließlich eindeutig genug gewesen. Was würde er tun, wenn ihm Turreau nun auch befähle, eine dieser Kolonnen zu übernehmen? Bis jetzt hatte es geheißen, er sei für die Ordnung in der Stadt Blois zuständig, er und das Bataillon, das schon vor der Ankunft Turreaus hier stationiert gewesen war. Der General hatte seine eigene Armee mitgebracht und teilte sie nun in jene Kolonnen auf, der jeweils ein Planquadrat zugewiesen wurde. Ein Planquadrat! Auf der Karte war das nichts, waren das nur Striche und Flächen, aber dort, in den Wäldern und auf den Feldern der Vendée, da wurden aus Planquadraten bestelltes Land, bewohntes Land, da wurden aus Rebellen Menschen, da wurde aus Taktik Grausamkeit. Nein, er wollte da nicht durchgehen, er wollte Turreau nicht in Erinnerung rufen, dass er existierte, dass er sich schon mehrmals ausgezeichnet hatte und dass er auf eine Beförderung hoffte. So wollte er sie nicht erlangen, dieser Preis wäre zu hoch. Im Gegenteil, angesichts der Ereignisse begann er sich zu fragen, ob Porthos nicht Recht hatte. Desertieren … und dann? Er war Soldat, war nie etwas anderes gewesen, was konnte er schon? Er besaß kaum Rückstände, hatte keine Aussicht auf ein Erbe, besaß kein Heim – all das war ihm die Armee gewesen in all den Jahren.
Verflucht seien alle Turreaus, verflucht die Bürokraten in Paris, die nicht wussten, was sie mit ihren gnadenlosen Forderungen anrichteten. Er konnte da jetzt nicht durchgehen, konnte sie sich nicht ansehen, die lachenden, siegessicheren Generäle, ein Dorf war ausgelöscht, viele Unschuldige hatten den Tod gefunden und sie verbuchten es als einen gelungenen Probelauf, das Wort hatte er vorher durch die geschlossene Tür gehört. Kurz dachte er daran, aus dem Fenster zu steigen, verwarf den Gedanken aber sofort als lächerlich, wenn ihn ein Soldat sähe, wäre sein Ruf dahin. Er setzte sich zurück an den Schreibtisch, starrte die Papiere an, die darauf lagen, verstand nicht mehr, was da geschrieben stand, und zog schließlich die Schreibtischschublade auf, in der Laval seinen Schnapsvorrat aufbewahrt hatte. Tatsächlich, eine Flasche Cognac stand darin und auch von den Macarons hatte Porthos ein paar übrig gelassen.
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Kapitel Réflexions II
„Kommt her!“ Aramis baute sich vor dem Haufen aus Stoff auf und tippte die herausragende Stiefelspitze mit seinem Schuh an. „Verflucht, Athos, kommt her und legt Euch zu uns.“ Ein Grummeln antwortete ihm, dann stand sein Freund langsam auf, suchte Halt an dem Felsen, gegen den er sich gelehnt hatte. „Seid su sweit. Stör nur“, nuschelte er und Aramis musste sich vorbeugen, um ihn zu verstehen. „Hat Euch der Schnaps das Gehirn gefressen?“, fragte er empört zurück, als er verstanden hatte, was sein Freund sagte, „Ihr werdet erfrieren, wenn Ihr hier bleibt, in Eurem Zustand dreimal.“
„Is nich schlimm“, erwiderte Athos und ließ sich wieder zurücksinken, „is nich kalt.“
„Kommt her, Ihr sturköpfiger Esel“, zischte Aramis nun ernsthaft erbost und griff nach Athos´ Arm, „so besoffen wie Ihr seid, schlaft Ihr ein und wacht nicht mehr auf.“
„Is nich schlimm“, wiederholte Athos, dessen Wortschatz ziemlich eingeschränkt zu sein schien, „is nicht schlimm.“
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Kapitel Le Chaos
Ein `Chaos´ bezeichnet im Französischen einen Ort, an dem große Steine oder Felsen übereinander liegen. Die grausamen Einzelheiten, über die die Generäle sich unterhalten, habe ich nicht erfunden ...
Der Bauer hatte ihm den Namen eines Freundes genannt, er wohne ungefähr einen Tagesritt von hier in einem kleinen Dorf, er solle sagen, Pierrot aus Fontaine habe ihn geschickt. Porthos klopfte am Abend des nächsten Tages an das stattliche, rotgestrichene Bauernhaus, der Freund ließ ihn ein, als er den Namen nannte, doch er sah ihn mit misstrauischen Augen an und wies auf die Scheune – da könne er übernachten. Wäre es nicht so spät und so kalt gewesen, wäre Porthos weitergezogen, aber so beobachtete er das Haus eine Weile, und als alles dunkel blieb, legte er sich schließlich schlafen, war aber noch vor dem Morgengrauen wieder auf den Beinen, sattelte sein Pferd und führte es aus dem Ort hinaus. Auf einer kleinen Anhöhe verharrte er, bis die Sonne aufgegangen war, von hier hatte man eine gute Sicht auf den kleinen Weiler und die Scheune. Sie kamen, als die Sonne gerade ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte, als das Dorf noch halb im Dunkeln lag. Sie waren zu viert und machten sich nicht erst die Mühe, am Haupthaus zu klopfen, sie gingen direkt auf die Scheune zu und rissen das Tor auf. Fast meinte er, ihre enttäuschten Rufe bis hier oben zu hören, aber das war natürlich unmöglich. Einer ging zum Haupthaus und holte den Bauern heraus, hoffentlich bekam der jetzt ordentlich Zunder, dann umkreisten sie den Hof und sahen nach unten. Sie suchten Spuren im Schnee, aber er war vorsichtig gewesen und hatte sein Pferd auf den Steinen geführt, auf denen der Schnee in den letzten Tagen weggetaut war. Erst viel weiter oben würden sie auf Spuren stoßen, aber bis dahin wäre er schon fort. Er beobachtete sie noch einen Moment, aber als sie aufstiegen und in die entgegengesetzte Richtung davonritten, machte auch er sich auf den Weg.
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Kapitel Cholet
Früh am nächsten Morgen brachen sie auf. Das Lager lag noch schlafend da, und nur Aramis, Agnès und Edouard umarmten sie zum Abschied, wobei Aramis seinen Freund einen Moment in den Armen hielt. „Soll ich nicht doch mit Euch kommen?“, wisperte er an seinem Ohr.
„Nein“, flüsterte Athos zurück, „wenn wir nicht wiederkommen, dann bringt die Menschen weg. Führt sie fort von hier, raus aus der Vendée. Das könnt nur Ihr.“
Aramis nickte ernst und drückte seinem Freund die Hand. „Verlasst Euch auf mich.“ Athos blickte ihn an und zog ihn noch einmal an sich, wer konnte sagen, ob sie sich nicht heute zum letzten Mal sahen? Dann warf er dem Kind einen Blick zu, zog eine kleine Branntweinflasche aus der bäuerlichen Joppe, die er von Joseph geliehen hatte, nahm einen Schluck und knurrte: „Los jetzt. Sonst geht die Sonne unter, bevor wir dort sind.“
Sie stiegen auf zwei Pferde, die Agnès bereit gehalten hatte, und während Athos sich noch fragte, ob Camille überhaupt reiten konnte, gab diese ihrem Pferd die Sporen und galoppierte voraus. Sie trug eine Hose unter ihrem Kleid und saß in Männermanier zu Pferde. Athos steckte die Flasche ein und galoppierte ihr nach, wo hatte die Frau so reiten gelernt? Das lernte man nicht als Bauersfrau.
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Kapitel Décisions
„Geht voran“, befahl Athos und machte dem Mann mit der Pistole ein Zeichen. Dieser nickte, schlug Licht und zündete eine Kerze an. Dann stieg er langsam die Stufen nach unten in einen schmalen Kellerraum, in dem mehrere Fässer an den Wänden lagerten. Der Raum war leer, der Boden bestand aus gestampfter Erde.
„Warum bringt Ihr uns hierher?“, fragte Athos, als sie schließlich alle unten angelangt waren. Das war die perfekte Falle, nur war der Alte auch darin gefangen. Der Mann drehte sich zu ihnen um und grüßte, als trüge er Hut und Mantel. „Erlaubt, dass ich mich vorstelle“, sagte er leise, aber mit vollendeter Diktion, „duc de Lansac, zu Euren Diensten.“ Und dabei zog er einen Siegelring aus der Hosentasche, den er Athos reichte.
„Pardon“, entgegnete Athos perplex und verneigte sich ebenfalls, „comte de la Fère. Es ist mir eine Ehre.“ Er gab dem Mann den Ring zurück. „Ist das nicht gefährlich?“
„Doch“, gab der Duc zu, „aber ich hänge daran. Das ist alles, was mir geblieben ist.“ Er betrachtete seine Gäste genauer und nickte zufrieden: „So hatte ich richtig vermutet, Ihr gehört zu uns.“
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Kapitel Chaleur
Er hatte weder den Hut noch den Mantel ausgezogen und auch kein Feuer gemacht, sondern sich einfach auf sein Lager gesetzt und nach dem Branntwein gegriffen. Nun trank er einen langen Schluck und starrte an die dunkle Wand aus Stein. Was war das? Die Hölle? War er gestorben und hatte es nicht gemerkt? Gab es auf dieser schauerlichen Welt keine Hoffnung mehr, gab es nur noch Leid und Tod? War das die Apokalypse und sie waren mitten drin? Wieder trank er einen Schluck, da hob sich der Vorhang aus Tuch, der als Tür diente, und ein Mensch schlüpfte herein. Schnell wie der Gedanke hob er die Pistole, nur um sie gleich darauf sinken zu lassen. „Was wollt Ihr?“, knurrte er.
Sie reagierte nicht auf seine unhöflichen Worte, sondern sah sich suchend nach einer Stelle um, an der sie das Brot und die Äpfel deponieren könnte. Doch die kärglich eingerichtete Unterkunft, in der es gerade einmal ein Lager und die Feuerstelle gab, wies ansonsten blanken Boden auf, trocken zwar, aber sandig. Also legte sie beide Dinge schlussendlich auf das Eck des Lagers, ohne ihn dabei anzusehen. Dann griff sie nach dem Feuerholz, das Edouard Athos gebracht hatte. Der Junge trieb sich gern in seiner Nähe herum und half ihm, wo er konnte, seit Athos ihn aus dem Wald geholt hatte. Der Graf nahm seine Dienste achselzuckend hin, nur manchmal strich er ihm geistesabwesend über den Kopf und Edouard strahlte dann über das ganze Gesicht. Sie schichtete das Holz zu einer kleinen Pyramide, nahm ein wenig trockene Flechten, die ihnen als Zunder dienten, zog ihren Feuerstein aus der Rocktasche und schlug Feuer. Noch immer hatte Athos keinen Ton gesagt, er beobachtete schweigend ihr Tun und trank immer wieder von dem Branntwein. Als das Feuer schließlich brannte, kniete sie vor Athos nieder, nahm das Brot und einen Apfel, schnitt beides in Stücke und bot ihm davon an. Doch er schüttelte den Kopf. Da biss sie ein Stück Brot ab und ein Stück Apfel, das Brot war frisch, mit einer knusprigen Kruste, der Apfel schmeckte süß. Beides vereinte sich im Mund zu einer wahren Delikatesse und plötzlich merkte sie, dass ihr Tränen über die Wangen flossen. Mehr und mehr, sie konnte ihnen nicht Einhalt gebieten, konnte nicht aufhören zu weinen, und so warf sie das angebissene Brot und das Apfelstück zu Boden und wollte aufspringen, fliehen – da legte sich eine Hand auf ihren Arm und hielt sie zurück.
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Kapitel Fête au village
„In Douchy soll es ein Fest geben“, raunte Rémy den anderen Jungen am Abend zu, „ich war am Sonntag daheim und hab´s gehört.“
„Ein Fest, ja und?“, flüsterte Jérôme zurück und zog die Decke ein wenig höher. Sie lagen auf ihren Pritschen, müde nach der Arbeit des Tages, und Raoul war fast schon eingeschlafen, die Stimmen seiner Freunde hatten ihn wieder geweckt.
„Wir könnten hingehen.“
„Hingehen? Einfach so?“, Jérômes Ton war spöttisch, „wie stellst du dir das vor? Und was ist das für ein Fest, Anfang Februar? Da feiert man doch nicht.“
„Doch, da feiert man“, widersprach Rémy und aus seinem Ton war so etwas wie Stolz herauszuhören, „habt ihr noch nie was von Karneval gehört?“
„Klar doch“, mischte sich Antoine nun leise ein, „aber der Karneval ist verboten worden, also hör auf, davon zu erzählen.“
„Ich erzähl doch gar nicht davon“, Rémy klang ein wenig erschrocken, fuhr aber fort: „wir haben halt früher immer … egal. Jedenfalls ist in Douchy ein Fest, es wird ein Schwein geschlachtet und ein bisschen getanzt. Meine Kusine wohnt da, sie hat mich eingeladen und ich darf Freunde mitbringen.“
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Kapitel Retrouvailles
„Los, komm“, Jérôme zerrte Raoul ungeduldig am Ärmel und zog ihn durch die halb geöffnete Tür. Doch der Junge sträubte sich, was, wenn Henry auch hier wäre? Oder andere aus der Mine? „Wenn die uns sehen?“, flüsterte er, plötzlich ängstlich. „Was soll schon passieren, jetzt sei kein Hasenfuß“, gab Jérôme ungeduldig zurück, „wir schauen ein bisschen zu und gehen wieder. Wer interessiert sich für zwei Jungs?“
Raoul holte Luft und schlüpfte hinter Jérôme in die Gaststube, er hatte Recht, was riskierten sie schon. Und dennoch, er hatte eigentlich überhaupt keine Lust. Tanzen, was sollte das denn? Dafür brauchte es ein fröhliches Gemüt, und das hatte er nicht. Nicht mehr.
In der Schenke war es laut und warm, Stimmengewirr, Lachen, das Stampfen der Tanzenden, von denen viele Holzschuhe trugen, die Musik, das Klappern der Schüsseln und Löffel vermischten sich zu einem Klangteppich aus Lebenslust, durchwebt von dem Geruch nach Schweiß, Essen und Bier. Nach den Monaten in der Mine, immer nur mit ihresgleichen, nach all den eintönigen Geräuschen der Arbeit, dem Geruch nach Stein und Staub war diese Übermacht an Tönen und Gerüchen fast zu viel. Atemlos blieben die beiden Kinder an der Wand stehen und sahen dem Treiben zu, Jérôme hatte Recht gehabt, niemand beachtete sie. Da zog ihn dieser schon wieder am Ärmel. „Schau, dort sind Pierric, Antoine, Régis und Jérémy!“, schrie er ihm ins Ohr, „dort, an dem hinteren Tisch.“
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Kapitel Carnage
Doch, doch, ich schreibe weiter ;) - vielleicht eine kurze Zusammenfassung an dieser Stelle, da das letzte Kapitel schon ein wenig zurückliegt:
Athos & Aramis befinden sich in dem ´chaos´ im Wald bei Cholet. Sie haben sich der ´Armee´ von Lansac und Kerfaleque angeschlossen und bekämpfen nun die Blauen (= Sansculottes, die trugen blaue Uniformen)
D´Artagnan verkümmert in Blois und ist ratlos, Porthos & Raoul sind auf dem Weg nach Blois (kommen aber in den Kapitel nicht vor)
Nicolas hatte sie zu einer Stelle gebracht, an der ein breiter Weg durch eine natürliche Senke führte, hi und da lagen Felsbrocken im Wald, die Deckung boten als habe ein Riese diesen Ort für einen Hinterhalt präpariert. Sie hatten sich um den Weg herum verteilt, immer zu zweit und mit mindestens zwei Gewehren, so dass einer nachladen und einer schießen konnte. Nicolas´ Trupp hatte genügend Gewehre und Munition dabei gehabt, wobei einige Männer auch Armbrüste vorwiesen, diese seien genauer und verlässlicher. Nun kauerte Athos neben Aramis und Nicolas am vorderen Ausgang der Senke, die nicht tief genug war, um eine Schlucht zu sein, aber die perfekte Falle ergab, und konnte nicht glauben, dass ein Anführer naiv genug sein konnte, seine Soldaten hier ohne Aufklärung hindurchzuschicken. „Sie fühlen sich sicher“, wisperte ihm sein Cousin zu, „bisher hat niemand wirklich Widerstand geleistet.“ Dennoch hatten sie Wachen aufgestellt, falls die Blauen Späher aussandten, doch Nicolas sollte Recht behalten: Als die Kolonne anrückte, singend und mit schwerem Stiefelschritt, überraschte sie das plötzlich einsetzende Feuer derart, dass die Soldaten mehrere Minuten brauchten, um auch nur ihre Gewehre in Anschlag zu bringen.
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Kapitel Pays de la Loire
„Ups!“, Raoul blieb stehen, bückte sich und als er wieder nach oben kam, hielt er ein Stück Leder in der Hand. „Das war der Rest der Sohle“, erklärte er mit einer Grimasse, „die Schuhe sind durch.“
„Peste!“, fluchte Porthos, „wir sind noch nicht am Ziel und barfuß kannst du nicht laufen. Diese verfluchten Sans-culottes, nicht einmal von Schuhen verstehen sie was!“ Er seufzte auf und pfiff durch die Zähne, woraufhin Jérôme das Pferd wandte und zu ihnen zurückkehrte. „Wir können auch hier Halt machen, bis das repariert ist, ist es eh Nacht geworden.“
„Wo sind wir?“, wollte Jérôme wissen, während er das Pferd an einem Baum festband.
„Eh, wir sind seit etwa drei Wochen unterwegs“, entgegnete Porthos und nahm die Reste des Schuhs in die Hand, „die Stadt, an der wir gestern vorbeigekommen sind, war Le Mans. Ich weiß nicht, wo sich die Rebellen gerade aufhalten, irgendwo bei Cholet hat es geheißen, das ist noch ein gut Stück Weg. Drei, vier Tage vielleicht.“
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Kapitel Pas de quartier
D´Artagnan zügelte sein Pferd, das unruhig nach vorn drängte. Wie gern hätte er ihm die Zügel schießen lassen, wie gern wäre er davongaloppiert, fort von dieser Ebene, quer durch das Waldstück, das sich am Horizont auftat, weiter bis an den Atlantik und dann durch die salzige Gischt, den Strand entlang bis zu einem Ort, an dem die Rebellen der Vendée nur noch ein vages Gerücht waren.
Doch hinter ihm marschierten seine Männer, seine Kompanie, hundert Mann, die Turreau auf fünfhundert aufgestockt hatte, damit ihr Zug überzeugender wirkte. Offiziell lautete ihr Befehl, das Dörfchen Saint-Varent anzugreifen, das hinter dem kleinen Wäldchen dort vorne lag. Soweit d´Artagnan wusste, bestand es aus einigen größeren Höfen und ein paar einfachen Behausungen für die Mägde und Knechte. Der große Vorteil dieses Weilers war der, dass er in der Ebene lag, ein idealer Ort, um ihn von allen Seiten einzukreisen. Ein idealer Ort, um sich zu verstecken und auf die Rebellen zu warten. Denn das war der Plan. Zwei von Turreaus Kompanien hatten den Auftrag erhalten, die Bewohner des Weilers zu vertreiben – Turreau hatte wirklich vertreiben gesagt und seine Generäle hatten dabei gegrinst – und sich dort einzunisten. So konnten sie die Rebellen zwischen zwei Feuer nehmen, wenn sie angriffen. Allerdings setzte das voraus, dass die Weißen warteten, bis sie an dem Dorf angekommen waren. Er an ihrer Stelle würde vorher angreifen, am besten in diesem kleinen Wäldchen, denn der Kampf zwischen den Häusern würde auf beiden Seiten langwierig werden und viel Munition kosten. Da wären die Blauen im Vorteil. Aber eine Falle in dem Wäldchen dort vorne …
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Kapitel Eveil
„Bewegt Euch nicht!“ Die Welt war Schmerz, nichts anderes. Schmerz und Dunkelheit. Sein Brustkorb wurde zusammengepresst, sein Rücken tat scheußlich weh, seine Arme … hatte er noch Arme? Wieder diese Stimme: „Keinen Mucks!“, beschwörend, eindringlich. Was war das? Wo war er? Er öffnete die Augen und sah Haare. Dichte, lange Haare, die nach Pferd rochen und schrecklich kitzelten, sie hinderten ihn am Atmen, wenn er denn hätte atmen können, bei dem Gewicht, das auf seiner Brust lag. Er versuchte vorsichtig, sich zu bewegen, ein wenig nach Luft zu schnappen, sofort war wieder diese seltsam bekannte Stimme da: „Ich sagte, keinen Mucks!“
Er drehte den Kopf ein wenig, da lag einer auf ihm drauf, einer oder mehrere, unter ihm war Boden und Stein. Es roch nach Blut, Schweiß und Kot, der Geruch des Schlachtfeldes, verflucht, war er denn noch nicht tot? Hatte der Riese ihn nicht erwischt? Wieder bewegte er sich, er wollte ihn abschütteln, diesen Körper, der da auf ihm drauf lag, vielleicht waren noch ein paar der seinen am Leben? Vielleicht könnte er noch ein paar der anderen mitnehmen und dann endlich krepieren?
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Kapitel Retour
Retour
Ein Käuzchen rief, leise und hell, und Athos antwortete auf dieselbe Weise. Kurz darauf stand ein Junge auf ihrem Weg, er war wie aus dem Nichts aufgetaucht, koboldgleich, als sei er ein Wesen des Waldes. „Edouard“, flüsterte Athos, „es ist gut, ich bin es. Ich bringe Freunde mit.“ Der Junge verharrte und verstärkte seinen Griff um die Muskete, die er auf die Freunde angelegt hatte. „Die Uniform“, wisperte er, „Ihr seid Gefangener?“
„Nein, das sind Freunde“, wiederholte Athos beschwichtigend, „glaubst du wirklich, ich würde mich dazu hergeben, euch zu verraten?“
Edouard warf Porthos und d´Artagnan noch einen misstrauischen Blick zu, dann nickte er ernst und gab den Weg frei. „Du nimmst deine Pflicht ernst“, sagte Athos im Vorbeigehen zu dem Jungen, „das ist gut.“ Der Junge nickte wieder und verschwand fast lautlos im Wald. Der Graf führte sie weiter den schmalen, kaum erkennbaren Pfad entlang, bis ein Geröllfeld im Licht des Mondes sichtbar wurde. „Wo führt Ihr uns hin“, fragte Porthos leise, „zu den Trollen?“
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Kapitel Prisonniers
„Verflucht, mir brennen die Sohlen“, flüsterte LaManche seinem Nachbarn zu, „hoffentlich haben die Fouriers für genügend Wein gesorgt. Wie viele Meilen sind wir heute wieder gelaufen? Und nicht eine verdammte Rebellenseele.“
„Weil die Rebellen eine Seele haben? Oder überhaupt einer? Glaubst du da dran?“ Favier, ein vierschrötiger Soldat von etwa dreißig Jahren, der aussah, als habe ihn die Armee direkt von seinem Feld verpflichtet, schnäuzte sich mit dem Daumen, ohne aus dem Tritt zu kommen. Vor und hinter ihnen gingen ihre Kameraden, staubbedeckt und müde marschierten sie Richtung Cholet. Da ertönte von vorne das Kommando ´Halt´ und wie ein Mann blieben die Soldaten stehen. La Manche und Favier reckten die Hälse, aber der Weg war schmal und an beiden Seiten von Bäumen gesäumt, sie konnten nicht erkennen, was da vorne vor sich ging. Alle hatten ihre Gewehre gepackt und lauerten nach links, nach rechts, schickten misstrauische Blicke in das Walddunkel. Zwar waren in der letzten Zeit kaum noch Scharmützel mit den Weißen vorgekommen, aber man wusste nie. Vielleicht hatte sich ein versprengter Trupp dieser Teufel neu formiert und griff jetzt mit dem Mut der Verzweifelten an. Sie waren nur zwanzig und der Feldwebel, der sie führte, galt nicht als das hellste Licht unter der Sonne. Man munkelte, er habe den Posten vor allem wegen der guten Beziehungen seiner Frau zu Oberleutnant Maraudier erhalten. „Was ist los?“, zischte es von hinten, La Manche zuckte nur mit den Schultern. Da gellte von vorne die Order: „Zur Seite, lasst passieren“, und sie wichen aus, reihten sich am Rand des Weges auf, ohne die Gewehre sinken zu lassen. Der Hufschlag eines Pferdes, das Gerumpel eines Karrens kamen näher, auf dem Pferd saß einer der ihren, ein Leutnant. Er blickte streng geradeaus, mit dem war wohl nicht gut Kirschen essen. Auf dem Karren lag einer, unmöglich zu erkennen, wer es war, vermutlich ein verwundeter Offizier, sonst hätten sie ihn nicht transportiert. Einen Soldaten hätten sie liegen gelassen und die Feldsanitäter hingeschickt. Wenn es sich noch gelohnt hätte. Dahinter kam eine kleine Reihe elender Gestalten, zerlumpt und gefesselt. „Das sind Weiße“, grollte Favier deutlich hörbar, „das sind ci-devants. Guckt doch mal die Haare an.“ „Warum leben die noch?“, flüsterte sein Nachbar ein wenig gedämpfter, aber niemand antwortete ihm. Nur noch das Schlurfen der Gefangenen war zu hören und das Rumpeln des Wagens, der sich langsam entfernte. Hinter den Elendsgestalten kam wieder ein Soldat der Republik, die Waffe in der Hand, er warf den Blauen am Wegesrand triumphierende Blicke zu, als hätte er persönlich und ganz allein einen besonderen Beutezug gemacht. „Die werden wohl gesucht“, wisperte LaManche, als der Trupp vorüber war, „die bringen sicher ein Kopfgeld ein.“
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Kapitel Fraternité
Als er erwachte, war es noch dunkel. Er hörte Porthos zu seiner Linken leise schnarchen, ein vertrautes Geräusch, hörte leises Atmen, das Kauen des Pferdes, seine Hufe auf dem festen Boden, das sanfte Knacken des heruntergebrannten Feuers, das immer noch ein wenig Wärme spendete. Rechts spürte er den Arm seines Sohnes, der in der Nacht den Trost seiner Umarmung gesucht hatte, während er am Tag versuchte, unbekümmert zu wirken. Er war stolz auf Raoul, er hatte Schlimmes erlebt, aber er war ungebrochen, zumindest schien es so. Sein Sohn war nie ein guter Schauspieler gewesen, genau wie er selbst hatte er es schlecht verstanden, die Menschen und vor allem seinen Vater zu täuschen. Wenn er etwas ausgefressen hatte, hatte Athos es in der Sekunde erkannt, in dem er vor ihm stand. Wenn er traurig war, hatte er die Traurigkeit in seinen Augen gesehen, auch wenn sein Gesicht ein Lachen zeigte. Und nun war sein Gesicht ernst, aber seine Augen voller Zuversicht. Zuversicht und Vertrauen in ihn, seinen Vater, und in seine Freunde, eine Zuversicht, die die Ereignisse der letzten Monate ihm nicht genommen hatten, auch wenn er tagsüber immer wieder nach der Hand seines Vaters suchte, wie um zu überprüfen, dass er wirklich da war. Es waren nur kurze Berührungen, gefolgt von einem überspielenden Lächeln, doch nachts, wenn es schließlich dunkel war, drehte sich Athos zu seinem Sohn um und nahm ihn in die Arme und Raoul wehrte sich nicht. Sie sprachen nicht darüber, das war nicht nötig, aber diese kleinen Gesten erlaubten ihnen, sich wiederzufinden. Draußen zwitscherte ein Vogel, der Himmel über dem eingestürzten Dach wurde allmählich heller, bald wäre es Tag. Der Frühling ließ dieses Jahr auf sich warten, er hätte schon lange da sein müssen, aber endlich schien es, als wolle es wärmer werden. In Bragelonne müssten jetzt die Felder bestellt werden, würden die Kühe kalben und die Stuten fohlen. Alles wäre voller Hoffnung und Neubeginn, so voller … Zukunft. Verzweiflung biss ihn ins Herz, tief und atemabschnürend, nie würde er seinem Sohn eine Zukunft bieten können. Nichts könnte er ihm bieten, gar nichts, womöglich warteten da draußen schon die Blauen, nahmen sie fest, schickten sie auf die Guillotine. Er wusste, er würde es nicht ertragen, nicht noch einmal. Er würde es nicht ertragen, seinen Sohn leiden zu sehen, zu sehen, wie sie ihm die Haare abschnitten, wie sie ihm die Hände banden. Wie sie ihn auf die Planke legten. Seine Hände spielten mit der Dose, die er seit jenem Tag, an dem Kerfaleque sie ihm gegeben hatte, in der Tasche trug. Die Dose mit den Pillen, die den Tod brachten und ihm ein wenig Trost spendeten. Ein Ausweg blieb ihnen. Aber etwas war anders, seit er die Dose das letzte Mal in den Händen gehabt hatte. Damals hatte er keine Angst vor dem Tod gehabt, er hatte ihn herbeigewünscht wie einen guten Freund, aber jetzt – jetzt hatte er Angst vor ihm. Nicht wegen sich selbst, wegen Raoul. Er wollte nicht sterben, wollte seinen Sohn nicht in den Tod schicken, mon Dieu, mach das wir es schaffen. Gib diesen Menschen, gib uns eine Chance, lass uns ein Schiff finden. So viele sind gestorben, was zählen wir schon? Ein paar Staubkörnchen, wen kümmert es, wenn wir entwischen? Grimaud!, durchfuhr es ihn da und der Schmerz kehrte wieder, Nicolas! Sie waren gestorben und es war seine Schuld gewesen. Zumindest Grimauds Tod, denn der treue Diener war nur seinem Herrn gefolgt. Er schluckte, als er an das Gemetzel von Saint Varent dachte, an die verfluchte Falle, in die sie getappt waren. Er hatte es geahnt, er hätte darauf bestehen sollen, dass sie umkehrten, hätte sie nicht sehenden Auges in den Tod rennen lassen sollen. Hätte. Er hätte die Zeichen sehen sollen, schon vor so vielen Monaten. Grimaud hätte ein Grab verdient, eine Beerdigung. Hatten sie ihn verbrannt? Trauer schnürte ihm die Kehle zu, er war ein Freund gewesen, weit mehr als ein Diener. Und er hätte gewollt, dass sie entkommen. Wo kam jetzt dieser Gedanke her? Wie ein Lichtblitz war er aufgetaucht, wie eine Elfe, der Wunsch eines Toten. Beinahe hätte er sich umgesehen, war da etwas? Jemand? Eine Seele? Ja, nahm er den Gedanken auf, Grimaud hätte gewollt, dass sie entkommen. Vor allem Raoul, der ihm wie ein Sohn gewesen war. Ja, flüsterte er seinem toten Diener zu und merkte, dass er ein Versprechen gab, ja, ich werd´s versuchen. Auf dass dein Tod nicht umsonst war, auf dass wir übrigbleiben, um dir zu gedenken, mein Freund. Leise richtete er sich auf und sah, die Dose in den Händen, auf die glimmende Asche. Dann steckte er sie ein.
Er stand leise auf und trat durch die zerstörte Seitenwand der Scheune nach draußen. Erste Sonnenstrahlen lugten über den Horizont, wanden sich wie feines Gespinst durch die Bäume und legten Lichttropfen auf die Wellen des Baches. Dunst stieg aus den Wiesen auf, ein Geruch nach Gras, nach Frische, nach Frühlingsmorgen lag in der Luft und ihn überkam eine überwältigende Lust auf ein Bad, die einherging mit Ekel. Ekel vor der zerlumpten Kleidung, Ekel vor seinem eigenen Geruch. Wann hatte er sich das letzte Mal gründlich gewaschen? In den Steinhöhlen hatten sie Wasser gehabt, aber es war nicht tief genug gewesen, um darin zu baden, außerdem war es zu kalt gewesen. Er trug zwar Seife mit sich herum, allein schon um sich zu rasieren, aber mehr als eine Katzenwäsche war kaum möglich gewesen. Das war ihm bis jetzt gleichgültig gewesen, aber jetzt richteten sich die kleinen Härchen auf seinen Armen erschauernd auf und jede Fiber in ihm drängte ins Wasser. Sein Verstand haderte, fand es zu kalt, aber schon hatte er Stiefel, Hosen und Wams abgelegt und streckte versuchsweise den Zeh in den Bach. Verflucht, das war nicht kalt, das war eisig. Schnell zog er sich auch das Hemd über den Kopf und watete ins Wasser, dessen Kälte ihm einen Moment lang den Atem abschnürte. Doch dann, als sich sein Körper an die Temperatur gewöhnt hatte oder einfach nur erfroren genug war, um nichts mehr zu spüren, war es herrlich. Er seifte sich ein und tauchte unter, wobei er darauf achtete, den Verband an seinem linken Arm nicht zu durchnässen, was vom Ufer aus sicher seltsam aussah. Prompt rief ihm eine Stimme zu: „Winkt Ihr mir oder wollt Ihr, dass ich Euch rette?“
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Kapitel La Gabare
Auch zwei Stunden später regte sich noch immer nichts. Es war inzwischen fast zwei Uhr morgens und es war so dunkel, dass sie nur langsam, fast tastend vorwärtskamen. Die Häuser waren nichts als schwarze Schatten, die sich kaum gegen den Nachthimmel abhoben, sie standen eng beieinander wie Schafe, die sich zusammendrängten. Die Straße war nicht gepflastert, der erdige Boden schluckte alle Geräusche, nur manchmal raschelte etwas. Ratten vielleicht. Ein Hund schlug an, aber weit entfernt, dann war wieder Stille.
„Wo wohnt denn Euer Antoine?“, wisperte Porthos.
„Keine Ahnung“, Athos musterte die Häuser, die hier, im Zentrum des Dorfes, größer und bürgerlicher aussahen als die Bauernhäuser und Katen, an denen sie eben noch vorbeigekommen waren. Ein Platz tat sich vor ihnen auf, ein Brunnen stand in seiner Mitte und hier war der Boden mit Kopfsteinpflaster bedeckt. „Meine Köchin nannte mir diesen Namen, ich nehme an, wir sollten eher in den einfacheren Häusern nachfragen.“
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Kapitel St. Nazaire
Es stank. Nach Modder, nach Pisse, Kot und Verwesung. Aber auch nach Teer, Salz und Holz, nur kamen diese Gerüche nicht gegen den Gestank an, der sie einhüllte wie eine Wolke. Sie standen dicht an eine raue, feuchte Hauswand gepresst, ihre Füße versanken im Schlamm der Gasse, von dem der Gestank aufstieg, der sich verstärkte, sobald sich jemand bewegte. Ratten quiekten leise und ab und an war ein Platschen zu hören, dahinter lagen das beständige Rauschen des Meeres und das Klatschen der Wellen gegen die Kaimauer und etwas näher der Lärm der ersten Säufer in den Spelunken. Eine Hafensymphonie.
Bertrand hatte Wort gehalten und sie bis kurz vor den Hafen von St. Nazaire gebracht, an ein kleines, unbefestigtes Uferstück, an das Tagelöhnerkaten und einfache Behausungen grenzten. Im Schutz der Dunkelheit waren sie die engen Gassen entlanggeschlichen, bis endlich die ersten Kaimauern, die ersten Poller, die ersten wirklichen Hafengebäude vor ihnen auftauchten. Von ferne hörte man das Schlagen von Segeltuch, das Rasseln von Ketten, wenn die Schiffe an ihren Ankerketten schwojten, hinter ihnen schlug trotz der frühen Stunde regelmäßig die Tür der Taverne auf, an deren Wand sie kauerten.
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Kapitel Jean-Yves
Sie aßen schweigend das Brot und den Käse und lagerten sich dann so bequem, wie es das kleine Kämmerchen hergab. Nur die Geräusche der Ziegen unter ihnen waren zu hören und leise, ganz leise wie die Brandung der See das Gemurmel der Gaststätte. In diesem ungewohnt warmen Zimmerchen griff die Müdigkeit nach ihnen mit eisernen Fingern und sie merkten erst jetzt, wie unendlich erschöpft sie waren. Die drei Jungen lagen schon nach wenigen Augenblicken in tiefem Schlaf, während die Älteren länger brauchten, um das ewige Misstrauen, die ewige Angst abzuschütteln und sich einem angenehmen Dämmerzustand hinzugeben – aus dem sie nach viel zu kurzer Zeit ein leises Kratzen wieder weckte. „Ich bin´s, Pierre“, murmelte es vor der Tür und schon kam der Alte herein. Ihm folgte ein stämmiger Mann in den Vierzigern, mit einem wettergegerbten Gesicht, strohblondem Haar und blauen, von unzähligen Krähenfüßen umgebenen Augen. Er verhielt in der Tür und musterte die kleine Schar, sein Blick war durchdringend, als wolle er Ware prüfen. Die Männer standen auf, Athos trat vor und grüßte höflich. „Monsieur le capitaine de la Marie-Galanthe nehme ich an?“
Der Mann nickte nur, seine Augen blickten durchdringend und Athos verstand: „Comte de la Fère, einstmals dritter Leutnant zur See auf seiner Majestät Fregatte La Royale, monsieur.“ Er zögerte kurz und fügte mit einem traurigen Grinsen hinzu: „Heute ci-devant ohne Land und Geld, auf der Suche nach einer Überfahrt, wohin auch immer.“
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Kapitel Epilog
Epilog
Athos stand breitbeinig auf dem Deck der Marie Galanthe und blickte prüfend in die Takelage. Die Segel blähten sich leicht in der stetigen Brise, ab und an spritzte Gischt über das Schanzkleid, und die Brigg stampfte gleich einem galoppierenden Pferd durch die Dünung des Atlantiks. Nein, sie mussten noch nicht reffen, das Wetter schien beständig, der Himmel war von einem gleichmäßigen Grau und der Wind blies schon seit mehreren Tagen aus Nord-Ost. Er trieb sie brav vor sich her, der neuen Welt entgegen, und wenn die Fahrt so weiterging, würde sie vermutlich schon am Ende der nächsten Woche Land sichten.
Der Kapitän hatte nicht zu viel versprochen, die Marie-Galanthe war ein gutes Schiff, ihr laufendes und stehendes Gut, die Segel, die Planken, das Kupfer, alles war nicht neu, aber gut unterhalten und gepflegt. Jeden Morgen schrubbte die Crew das Holz, wienerte die Beschläge und spliss defekte Taue neu, während Athos sich mit dem Leutnant besprach, was zu tun sei und welcher Kurs anstand. Dem Bosco – oder Bootsmann – oblag die Sicherheit auf und unter Deck, er musste sich um die anstehenden Arbeiten kümmern und die Männer dafür einteilen. Der Kapitän hatte ihm eine einfache Regel mitgegeben, die besagte, dass alles, was sich bewegte, zu grüßen, alles, was sich nicht bewegte, zu bemalen und alles, was herunterhing, zu verknoten sei. Athos hatte genickt und sich erinnert, dass diese Regel schon auf der Royale gegolten hatte.
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