Sans toit ni loi von kaloubet
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 99 BewertungenKapitel Aux charbons
Er war aufgerückt, auf der Karriereleiter der Mine weiter nach oben geklettert, und bewegte sich deswegen nur noch auf allen vieren oder bestenfalls gebückt vorwärts: Sie hatten ihn zum Lehrhäuer gemacht, was bedeutete, dass er nun einem erfahrenen Hauer zur Hand ging, Kohle aus den Stollen transportierte und auch selbst schlug. Der Mann, mit dem er arbeitete, war ein wortkarger Zwanzigjähriger aus Arras, kaum größer als Raoul, was auch der Grund war, weshalb man beide zusammengespannt hatte: Der Stollen, in dem sie arbeiteten, war gerade einmal hüfthoch und armbreit, zu klein für größer gewachsene Männer. Die Mine selbst war nicht besonders groß, von einer horizontalen, größeren Strecke gingen mehrere Stollen ab, in denen immer zwei Männer arbeiteten, meistens zehn Stunden am Tag. Als er sie das erste Mal hinter Henry betreten hatte, den Schacht hinunter geklettert war, hatte er fliehen wollen, raus hier, raus aus dem Staub, aus der Dunkelheit, nur weg von diesem Ort, auf dem Tonnen von Erdreich lasteten, hoch ans Tageslicht, das ihm nie so begehrenswert erschienen war. Aber er hatte sich daran gewöhnt, kletterte nun tagaus, tagein die Leiter hinunter, atmete Kohlenstaub, zerbiss Kohle zwischen den Zähnen, wischte sie sich aus den Augenlidern. Die Arbeit war hart und anstrengend, manches Mal meinte er, die Leiter nach der Schicht nicht mehr hochzukommen, er lief wie ein alter Mann, hustete wie ein alter Mann, und spürte seine Arme nicht mehr, wenn er zehn Stunden Kohle zusammengescharrt oder aus dem Fels gehauen hatte. Auch die meisten anderen Jungs arbeiteten jetzt unter Tage, an ihrer Stelle verluden nun andere den Abraum, auch Frauen aus den naheliegenden Dörfern, aber Adlige waren keine mehr nachgekommen. Er hatte sich eingewöhnt, lebte mit den Bergmännern und hatte sich ihren Stolz zu eigen gemacht: Ihre Arbeit war gefährlich, hart und anstrengend, aber unentbehrlich. Nur die Stärksten und Mutigsten hielten durch, nur wenige wurden älter als dreißig. Er hinterfragte nichts, dachte nicht nach und der schweigsame Pieric, mit dem er arbeitete, wurde ihm, neben Jérôme, ein wahrer Freund, auf diese beiden konnte er sich verlassen, so unterschiedlich sie auch waren. Sie akzeptierten ihn und er wurde einer von ihnen, Kohle klebte unter seinen Fingernägeln, er riss dreckige Witze, er erfüllte sein Soll – hatte er je ein anderes Leben gehabt? Nur manchmal nachts, in der relativen Einsamkeit der Dunkelheit, wenn er trotz der Erschöpfung keinen Schlaf fand, sprang ihn der Schmerz an wie ein Tier, nahm ihm den Atem und ließ ihn wimmernd nach seinem Vater rufen. Er erstickte die Schreie unter seinem Kopfkissen, wischte die Tränen weg und hielt seinen Kopf am nächsten Morgen in den Bottich mit dem kalten Wasser um die Spuren zu verwischen, doch der leichte, wie zufällige Schlag auf die Schulter, mit dem Jérôme ihn bedachte, verriet ihm, dass sein Freund es bemerkt hatte. Er bemerkte es immer und dies hielt Raoul aufrecht, ließ den Schmerz wieder verebben, zumindest bis zur nächsten schlaflosen Nacht.
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