Kapitel Pas de deux
„Mon cher Aramis“, zögernd hielt ich inne, zerriss dann das Papier und warf es zu den anderen Zerknüllten, die den Boden bedeckten. Ich saß hier schon seit mindestens einer Stunde, die Feder in der Hand, den Kopf voll mit Ungesagtem, aber unfähig auch nur eine intelligente Zeile zu Papier zu bringen. Meine Hand zitterte leicht, ein Tropfen Tinte kleckste auf das neue Blatt Papier, er sah aus wie ein Tropfen Blut, unser Blut, wenn sie uns entdeckten. Was stand auf diese Sünde, die wir begangen hatten? Hängen? Vierteilen? Oder das Schwert des Henkers? Mein Gott, ich mochte nicht daran denken. Wie hatte es nur so weit kommen können, wie hatte ich nur einwilligen können? Was hieß einwilligen, wie rational, wie kalt klang doch dieses Verb, wie wenig beschrieb es das, was ich getan hatte. Ich hatte nicht einfach eingewilligt, ich hatte einen durchaus führenden Part eingenommen, und das, obwohl mich Aramis mehr als überrumpelt hatte.
Sein Kuss auf offener Straße war ein Affront gewesen, ich hatte ihn zurückgewiesen, entsetzt zuerst, doch ein Blick auf sein Gesicht, rasch verdeckt von seinem Hut und einem unglaublich schnellen Wechsel zu Selbstbeherrschtheit, verriet mir, dass sein Anliegen kein Scherz, keine Provokation gewesen war, sondern eine Offerte, eine Offenlegung seiner Seele. Sie zurückzuweisen bedeutete, ihn tödlich zu verletzen. Auch wenn er das ganz gewiss bewundernswert geschickt unter dem Mantel der freundschaftlichen Gleichgültigkeit versteckt hätte, so hätte ich ihn doch dazu verdammt, alleine und einsam seine ganz eigene private Hölle zu durchleiden. Das durfte ich nicht, er war mein Freund, und deswegen legte ich ihm schnell die Hand auf den Arm, noch bevor er sich umdrehen und gehen konnte, so wie er es zweifelsohne vorgehabt hatte.
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