Kapitel Überraschender Besuch
Das sanfte Licht des späten Nachmittags erhellte das Zimmer, Tauben riefen und Vögel zwitscherten, aber der Comte de la Fère bemerkte es nicht. Er saß in seinem Sessel, ein Glas Wein und eine halb geleerte Flasche neben sich auf dem runden Tischchen, und sein Blick verlor sich auf dem verblichenen Gobelin, der die Wand bedeckte, ohne jedoch wahrzunehmen, was er sah. Es waren schon zwei Tage vergangen, seit Raoul und er heimgekehrt waren nach La Fère, zwei Tage, in denen er versucht hatte, seinem Sohn zu erklären, dass die Verzweiflung des ersten Liebeskummers normal sei. Fast jeder Mensch kannte diesen Schmerz, er gehörte zum Leben dazu wie Krankheiten, wie Hunger, wie die Liebe selbst, man litt, aber der Schmerz ging vorbei, machte neuer Liebe, neuer Hoffnung Platz. Raoul war höflich, er hörte ihn an, er dankte ihm sogar, aber die Worte erreichten ihn nicht, bewirkten nichts, die Traurigkeit in seinen Augen blieb, ja, sie verstärkte sich womöglich noch.
Dabei hatte Athos Hoffnung geschöpft, nachdem Raoul und Porthos die Kutsche überfallen hatten - da hatten die Augen seines Sohnes vor Übermut gefunkelt, dreist und wagemutig war diese Aktion gewesen, parbleu, er war so stolz gewesen. Aber kaum waren sie in La Fère angekommen, hatten sich Raouls Augen getrübt, er war in sich zusammengesunken, war nicht länger der schneidige Offizier, sondern der leidende, verlassene, betrogene Geliebte. Er verkümmerte vor seinen Augen, schwand dahin, wurde von Tag zu Tag blasser … Gleich würde die Glocke läuten, würde zum Abendessen rufen, und Raoul würde wieder sein Essen auf dem Teller hin- und herschieben, würde höflich versuchen, Konversation zu machen, aber mit den Gedanken ganz woanders sein. Oh, Gott, er ertrug es nicht länger, was konnte er seinem Sohn noch sagen, was tun, damit er genas? Er hätte ihn in die Arme nehmen, ihm tausend Schmeicheleien sagen wollen, wie damals, als er noch ein Kind war. Das hatte die Schmerzen vertrieben und die Ängste verscheucht, aber heute wirkte das nicht mehr. Nichts wirkte mehr, gar nichts, nicht einmal der Alkohol, denn Raoul trank nicht. Athos griff nach dem Glas und leerte es auf einen Zug wie damals, schenkte sich gleich nach und trank wieder. Nein, er trank nicht, sein Sohn, dafür trank er selbst wieder. Es nutzte noch immer nichts, die Gespenster waren hartnäckig, aber ihre Stimmen wurden ein ganz klein wenig leiser. Bis auf diese eine Stimme, die neu war, diese grausame Stimme, die er am meisten fürchtete. Dein Sohn wird dran sterben, flüsterte ihm diese Stimme zu, er wird dran sterben, denn du hast ihm nie gelehrt zu leben.
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Kapitel Konversation
Die Unterhaltung bei Tisch hätte selbst ein wohlwollender Beobachter kaum als ungezwungen bezeichnet. Raoul grüßte den Gast auf´s Höflichste, wie es seine Art war, zeigte sich aber in keinster Weise neugierig, antwortete, wenn man ihn etwas fragte und schob ansonsten wie gehabt den Inhalt seines Tellers hin und her. Athos gab sich Mühe, etwas zu sich zu nehmen, auch wenn er es am liebsten seinem Sohn gleichgetan hätte, und zwang sich andererseits dazu, nicht zu oft zur Weinflasche zu greifen - allerdings ohne sich dabei der Illusion hinzugeben, sie könnten Aramis ein trautes Familienleben vorspielen.
Das Tischgespräch blieb oberflächlich und doch nicht unangenehm, sie streiften das Wetter, die Jagd und ein klein wenig die Politik, aber beide, Gast wie Hausherr, waren erleichert, als das fast unberührte Dessert endlich abgetragen war. Raoul schob sogleich seinen Stuhl zurück und entschuldigte sich, er verließ das Speisezimmer so rasch, dass es fast schien, als fliehe er vor etwas. Athos blickte ihm hinterher und drehte gedankenvoll sein Weinglas in den schlanken Fingern -
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Kapitel Entdeckung
Als Athos am nächsten Morgen erwachte, schien hell die Vormittagssonne durch die kleinen Fenster, deren Vorhänge sie vergessen hatten zuzuziehen. Vögel zwitscherten, und einen Moment lang erlaubte er sich die wohlige Wärme des Bettes zu genießen. Ihr Lager war schmal, nur für einen Menschen gedacht, so dass er den Körper des Freundes an seinem bloßen Rücken spürte.
Aramis hatte einen Arm um ihn geschlungen, fast als wolle er ihn im Schlaf noch hindern, aus dem Bett zu fallen. Am liebsten hätte er sich umgedreht, hätte den Geliebten sanft geweckt und noch einmal mit ihm geschlafen, noch einmal all das Leid vergessen, doch war Raoul inzwischen sicher auch erwacht. So schwang er vorsichtig seine Beine aus dem Bett, fuhr zärtlich über den fürsorglichen Arm des Freundes und küsste den Besitzer desselben, als dieser die Augen öffnete. „Guten Morgen, Geliebter“, flüsterte er, „ich lasse Euch gerne etwas zu essen hierher bringen, aber erlaubt mir, die Form zu wahren und mit meinem Sohn zu frühstücken.“
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Kapitel Gespräch
Sie waren schweigend zurückgeritten, jeder hatte genug mit den eigenen Gedanken zu kämpfen, selbst Porthos hatte die Szene nachdenklich gemacht, und er versuchte still, die Puzzleteile ineinander zu fügen. Im Schloss angekommen war Athos sofort auf sein Zimmer verschwunden um sich frisch zu machen, allerdings nicht ohne Grimaud anzuweisen, Porthos ein Gemach zu
richten. Jetzt war es später Nachmittag, und er betrat, rasiert und mit frischen Kleidern, seltsam befangen den Salon von La Fère, den einzigen Raum in diesem kalten, hoheitsvollen Schloss, den er einigermaßen mochte. Seine Mutter hatte ihn eingerichtet, hatte die Wände mit dunkelroten Tapeten bespannen und ihn mit zierlichem Mobiliar ausstatten lassen, der Raum strahlte Wärme aus und manchmal meinte er, das Parfüm seiner Mutter zu riechen.
Auf einem kleinen Tisch standen vier Gläser und eine Karaffe Wein, er schenkte sich ein und setzte sich auf einen der Sessel, überaus angespannt. Was würde sein Sohn ihm vorwerfen, was würde er ihm sagen? Seine Hand zitterte, als er das Glas zum Mund führte, so vieles war durch Worte verloren, so vieles gewonnen worden. Worte waren heilsam und gefährlich, und er hoffte so sehr, die richtigen zu finden.
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Kapitel Nächster Morgen
Ein greller Blitz fuhr durch seine halb geöffneten Lider, und Raoul schloss schnell die Augen. Wie hell konnte ein Morgen sein? Wie spät war es überhaupt? Er war gestern Nacht ins Bett gefallen wie ein Stein und hatte erstaunlicherweise geschlafen wie lange nicht mehr. Nun pochte allerdings sein Schädel in einem steten Rhythmus, als säßen hinter seiner Stirn mindestens fünf enthusiastische Trommler, die zum Aufbruch riefen. Verflucht, wie viele Flaschen hatten sie gestern geleert? Nach der sechsten hatte der Vicomte aufgehört zu zählen. Es war unglaublich, wie viel diese Männer vertragen konnten, sein Vater hatte mitgehalten, ohne dass ihm oder Porthos etwas anzumerken gewesen war. Selbst ihre Aussprache war klar geblieben, als er schon Mühe gehabt hatte, einen einfachen Satz auch nur zu denken. Wie er es ins Bett geschafft hatte, wusste er nicht mehr. Das letzte Bild, an das er sich erinnern konnte, waren sein Vater und Porthos in regem Gespräch, während ihnen der Bischof von Vannes, den Kopf auf eine Hand gestützt, mit mildem Lächeln zuhörte. Parbleu, nie hatte er seinen Vater so viel trinken sehen. Nie hatte er ihn so entspannt erlebt, ja fast ausgelassen, mit seinen Freunden scherzend, mit dem Geliebten … dem Geliebten? Was dachte er da? Herrgott, sein Vater liebte einen Mann! Er war ein Sodomit! Ein Sünder der schlimmsten Sorte … es schmerzte, daran zu denken, aber wenn Raoul ehrlich zu sich selbst war, schmerzte vor allem die Tatsache, dass der Comte diese Seite seines Wesens so lange vor ihm verborgen hatte. Wie vor einem Kind, dem man nicht alles zeigen durfte, dem man die Wahrheiten des Lebens noch vorenthalten musste. Wie lange ging das schon? Wie konnte Athos, ein Mann, der auf Ehre und Anstand hielt, mit solch einer Lüge leben? Stöhnend versuchte er, die Augen wieder zu öffnen, puh, was war das Licht hell! Vorsichtig richtete er sich auf, was die Trommler zu einem frenetischen Tusch animierte – leise jetzt, ganz leise. Da tönte Porthos´ Stentorstimme von der Tür her: „Ha, Vicomte, soll ich Euch aus dem Bett helfen?“
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Kapitel Unter vier Augen
Nachdem das Frühstück abgetragen worden war, stand Athos auf. Parbleu, er spürte den gestrigen Abend in den Knochen, man war nunmal keine zwanzig mehr. Er dehnte diskret den schmerzenden Rücken, nun gab es zwei Möglichkeiten, entweder, man verbrachte den Tag faul in einem Sessel oder gar im Bett, oder man bewegte sich. „Sagt Euch ein Ausritt zu, meine Herren?“
Porthos gähnte ausgiebig und stand ebenfalls auf. „Gern, mein Lieber. So haben wir zu Mittag wieder Appetit. Aramis, wie steht es mit Euch?“
„Mein Freund, um ehrlich zu sein, ich habe meinen Allerwertesten in den letzten Tagen genügend strapaziert,“ wehrte der Prälat mit entschuldigendem Lächeln ab, „und ich gebe zu, seit ich die bischöflichen Weihen erhalten habe, ist mein Sitzfleisch leider Gottes etwas verweichlicht. Wenn es Euch nichts ausmacht, so würde ich gerne hier auf dem Schloss bleiben und meine müden Glieder bei interessanter Lektüre erholen. Erlaubt Ihr mir, mon cher Athos, Eure hiesige Bibliothek ein wenig in Augenschein zu nehmen? Vielleicht ist der Herr Vicomte so freundlich, sie mir zu zeigen?“
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Kapitel Vergeltung
„Steht auf, Vater“, wiederholte Raoul, fasste seinen Vater mit beiden Händen an der Armen und zog ihn hoch. Er hielt ihn fest, und flüsterte: „Ich kann Euch nichts versprechen, père. Das, was Ihr von mir verlangt, geht über meine Kraft. Jetzt und hier sage ich Euch, ich will leben. Für Euch, für mich. Aramis hier hat mir Mut gemacht, sein Beispiel gab mir Kraft zu hoffen, dass es auch für mich einen anderen Weg gibt. Auch Ihr habt eine tiefe Enttäuschung überwunden, auch Ihr habt überlebt. Und Ihr hattet keinen Vater wie ich einen habe, keine Freunde wie Aramis und Porthos, zumindest nicht damals, als Ihr Eure Frau erhängtet. Ihr musstet mit einer Schuld leben, von der ich frei bin, mir bleibt nur der Schmerz. Und wenn es stimmt, was Aramis und Ihr mir sagtet, so hoffe ich, dass ich dereinst ohne Trauer an sie denken kann. Allein, der Weg dahin wird schwer, und er wird gespickt sein mit Abgründen. Ich kann es Euch nicht versprechen, ich kann nur versuchen, ihnen zu entgehen. Doch sollte mein Fuß straucheln und das Schwarz mich nach unten zerren, so werde ich nach Euch rufen, das verspreche ich Euch.“
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Kapitel Nächtliche Pläne
Die Sterne funkelten am nächtlichen Himmel, Mondschein fiel durch das kleine Fenster, und Aramis holte tief Atem, den Arm um seinen Freund gelegt. Das Bett in der Stube des Feldhüterhäuschens war schmal, doch weich und gemütlich, und wer weiß, auf welch hartem Lager sie in allernächster Zukunft schlafen mussten! Und einander lieben. Sachte strich er dem Geliebten über die zerzausten Locken und küsste ihn zärtlich auf die Stirn. Wie schön bist du, mein Liebster! Wie unbeugsam und stark! Selbst das tiefe Elend, in das dich der Hass des Tyrannen nun stürzen will, kann deinen hohen Adel und deine Würde nicht verletzen! Und ich werde dich niemals verlassen, wohin du auch gehst, und sei`s hinab in die schwärzeste Hölle! Doch nein, die gebührt einzig und allein Louis, diesem eitlen Wicht! Wo du bist, mein Liebster, dort leuchtet mir der Himmel, und du erhellst ihn als sein strahlendster Stern.
Er war durch unruhige Träume gewandert, war auf einsamen Wegen gegangen, hoch auf zerklüfteten Klippen, unter ihm schäumende Gischt. Hände hatten sich nach ihm ausgestreckt, hatten ihn festhalten wollen, ihn in den Abgrund stürzen, hatten mit Ketten auf ihn gewartet und ihm das letzte Hemd vom Leib gerissen. Weit vorne hatte ein Mensch auf ihn gewartet, er war zu weit weg gewesen, um ihn erkennen zu können, aber er hatte gewusst, wenn ich dort bin, ist Friede. Sie hatten ihn nicht gehen lassen wollen, hatten seine Knöchel umklammert, hatten ihn nach unten gezogen, der Pfad war unter ihm zerbröselt, schon hingen seine Beine im Leeren, über der wogenden See, seine Finger ins bröckelige Gestein gekrallt, ein stiefelbewehrter Fuß trat darauf und von oben grinste ihn die höhnische Fratze eines Totenkopfes an. Der Kopf trug eine Krone und streckte seine knochige Hand nach ihm aus. Er wusste, er durfte nicht nach ihr greifen, es war Lug und Trug, dabei rutschten seine Finger haltlos ab und im letzten Moment fasste er verzweifelt nach den Fingern des Skeletts – da hielt er plötzlich eine warme Hand in der seinen, eine starke Hand, die ihn nach oben zog, und als er die Augen aufschlug, sah er Aramis über sich gebeugt. „Danke“, murmelte er, noch ganz in seinem Traum gefangen.
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Kapitel Abreise
Am nächsten Morgen gedachte Athos der Sätze, die er nächtens zu seinem Geliebten gesagt hatte. Wie wahr waren sie gewesen, wie grausam das Erwachen. Sie hatten gepackt, Raoul und er, hatten nur das Wichtigste mitgenommen, Papiere, Schmuck, Geld, alles, was sich auf einem Pferderücken transportieren ließ. Den Rest würden sie dem Verwalter und Grimaud überlassen, der angeboten hatte, bis auf Weiteres auf La Fère wohnen zu bleiben und ihnen von den Entwicklungen, die diese Sache nehmen würde, diskret zu berichten. Er hatte die Offerte dankbar angenommen und dabei gemerkt, dass ein Teil von ihm noch immer nicht glauben konnte, was gerade geschah: Er war dabei, von dem Schloss und dem Land seiner Familie Abschied zu nehmen, einem Besitz, der ihnen schon seit vielen Generationen gehörte und der ihnen nun gestohlen worden war. Nicht anders fühlte es sich an, aber der Dieb war unantastbar, war gottgleich, und die Heimatlosigkeit nun ihr Schicksal. D´Artagnan hatte ihnen zwar sein Haus in England angeboten, und Athos wusste wohl, dass Charles II ihn und die Seinen aufgenommen hätte, aber das hatte etwas von Bettelei an sich, und er wollte nicht auf die Gnade eines Monarchen angewiesen sein. Nie mehr wollte er das, dann lieber die Straße und die Freiheit. Er wusste den Degen zu führen, sein Sohn war Soldat, so oder so würden sie ihr Auskommen finden. Ganz leise, ganz sachte flüsterte ein Stimmchen in seinem Herzen: Sei wieder Musketier, hänge dich nicht an weltlichen Besitz, morgen kann alles zu Ende sein. Es gibt nichts Wichtigeres auf dieser Welt als das Leben, und das ist dir geblieben. Warum also jammern, so viele deiner Freunde sind schon über die Planke gegangen, du lebst noch, carpe diem.
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Kapitel St. Nazaire
Nach einem Ritt von drei Tagen kamen sie unbehelligt in der Hafenstadt an. Sie hatten in Wirtshäusern genächtigt, die an der Straße lagen, und niemand schien ihnen gefolgt zu sein. Doch waren sie nie allein gewesen, die Straße war eine Fernstraße, und Reisende von den Atlantikhäfen nach Paris oder umgekehrt benutzten sie. In jeder Herberge waren einzelne Männer gewesen, die alleine diniert hatten, sie saßen in Ecken, hatten große Hüte auf und blieben im Schatten. Die Freunde hatten vorgegeben, sie nicht zu beachten, vermutlich waren es harmlose Kaufleute, dennoch blieb ihnen ein leichtes Schaudern, ein seltsames Unbehagen und das Bewusstsein, das sich von Tag zu Tag verstärkte, dass entweder Louis´ Geheimdienst gut funktionierte oder dass sie allmählich paranoid wurden.
Nun standen sie am Morgen des vierten Tages auf der Mole des Hafens St. Nazaire inmitten einer Menschenmenge, die geschäftig hin- und herwogte. Schiffe wurden beladen, Reisende verließen kleine Ruderboote, die sie übergesetzt hatten, Händler machten Geschäfte, Kutscher boten ihre Dienste an, Tagelöhner trugen Waren über Planken auf Schiffe am Kai, andere löschten die Fracht, es wurde geschrien, diskutiert und gerufen, in vielen verschiedenen Sprachen und zum ersten Mal seit drei Tagen fühlten sich die Freunde einigermaßen unauffällig. Sie hatten ihre Pferde in der Herberge gelassen, hatten ihre einfachsten Gewänder angezogen und waren Reisende wie alle anderen auch.
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Kapitel Erkundungsgang
Am nächsten Morgen, nach reichlichem Frühstück, verließen die Freunde Madame Linas gastliches Haus, um sich am Kai nach einem Schiff umzusehen, das als willkommene Bühne für die Ausreise des Comte de la Fère und seines Sohnes aus dem französischen Königreich dienen konnte. Unzählige Masten und Takelagen ragten in den morgendlichen Himmel, imposante Kauffahrer lagen an der Mole, zusammen mit kanonenbewehrten Kriegsschiffen, und trotz der frühen Stunde herrschte bereits geschäftiges Treiben. Gespannt schritten Athos und Raoul den Kai entlang, gefolgt von Porthos und Aramis, und im Gegensatz zum vergangenen Tag schienen sie nun keineswegs abgeneigt, die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu lenken. Um eventuelle Spione auch wirklich von der Harmlosigkeit seiner selbst zu überzeugen, gab Athos, auf Porthos´ einschlägigen Rat hin, den Gebrechlichen, er hinkte ein wenig und stützte sich auf seinen Sohn. „Parbleu!“, fuhr der Hüne einen stämmigen Matrosen an, „pass doch auf! Mein Degen ist nicht dazu da, um drüber zu stolpern!“
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Kapitel Abfahrt
Ließ schon der frühe Morgen nichts zu wünschen übrig, was die rege Betriebsamkeit im Hafen betraf, so war nun, in den späten Nachmittagsstunden, das Gedränge am Kai schier unerträglich. Allerorts herrschte erregte, fiebernde Geschäftigkeit, denn die Schiffskapitäne wollten keinesfalls die einsetzende Flut verpassen, und ungeduldige, in höchster Lautstärke gebrüllte Befehle schallten unentwegt die Mole entlang. Schiffsoffiziere und Mannschaften bezogen ihre Posten, Kaufleute und Händler drängten sich am Kai, einer behinderte den anderen, Reisende standen Schlange an den Fallreeps, samt ihren Lakaien und sperrigem Gepäck, und hoch oben in den Wanten kletterten zahllose Matrosen umher, eilends damit beschäftigt, die Segel zu setzen. Auch die Besatzung der Victoria machte sich bereit zum Auslaufen, schon hisste das kanonenbewehrte Kriegsschiff stolz die französische Flagge, und Kapitän de Montignac stand hoch aufgerichtet, jeder Zoll ein Seeheld, in voller Montur und Waffen oben an Deck, um seine Passagiere in Empfang zu nehmen.
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Kapitel Mor Bihan
Sie hatten die Nacht am Strand verbracht, zu dunkel war es gewesen, zu gefährlich, noch irgendwohin aufzubrechen. Sie hatten das Schiffchen auf den Sand heraufgezogen und sich hinein gelegt, seine Bordwände schützten ein wenig vor dem strengen Wind, der nicht schwächer werden wollte. In der Nacht hatte es ein wenig genieselt, nicht lange, aber nun, am Morgen, waren ihre Kleider noch immer nass und kalt. Raoul streckte sich stöhnend, die ganze Nacht hatte sich eine Planke in seine Seite gebohrt, aber er hatte sich drehen und wenden können wie er wollte, es wurde einfach nicht bequemer. Erst gegen Morgen hatte er ein wenig Schlaf gefunden, fühlte sich aber nun wie von einer Katze ausgespuckt. Bei allen Teufeln, er hatte einige Kampagnen mitgemacht, hatte im Feld geschlafen und in Heuschobern, aber nichts, gar nichts war mit diesen Unbequemlichkeiten zu vergleichen. Es schaukelte, es war nass, es war kalt, und es stank obendrein nach Fisch und Tang. Nein, die See war nicht seine Welt. Er setzte sich auf und sah zu seinem Vater hinüber, wenn es ihm schon so arg ankam, wie musste Athos sich dann fühlen, der ja ein ganzes Stückchen älter war? Seltsamerweise war diesem aber kaum anzusehen, dass er eine schlechte Nacht verbracht hatte, er nickte seinem Sohn zu, fragte, ´gut geschlafen?`, was Raoul nur mit einem weiteren Stöhnen kommentierte, und kletterte über die Bordwand. Seine vorsichtigen, zuerst ungelenken Bewegungen verrieten allerdings, dass die Nacht und die Kälte nicht spurlos an ihm vorübergegangen waren – was er mit einer Grimasse und einem ´Scheißkalt´ auch eingestand. Raoul tat es ihm gleich, und sie blickten auf leeres Land. „Ebbe“, sagte Athos, „wir werden die Jolle ein wenig tragen müssen.“
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Kapitel Vannes
„Mon Dieu!“, murmelte Aramis und starrte angestrengt übers Wasser, hoffentlich ging das gut! Wenn schon die Überfahrt nach England damals vor zehn Jahren wahrhaftig kein Vergnügen bedeutete, so war Athos` Vorhaben, bei solch scharfem Wind zusammen mit seinem Sohn in einem kleinen Boot übers offene Meer zu segeln, erst recht kein Honiglecken! Die See war unberechenbar, mal schien sie ruhig und friedlich, dem Seemann freundlich gesinnt, doch dann wieder tobte sie so wild und stürmisch, als wollte Poseidon sämtliche Schiffe, die den weiten Ozean befuhren, in seinen gierigen Strudeln verschlingen oder mit schäumenden Brechern an felsiger Küste zerschmettern! Ja, Athos bekundete zwar, auf seemännischem Gebiet wohlerfahren zu sein, doch er war ein Jüngling gewesen, als er zur See fuhr! Und das war lange her! Hatte er sein fachmännisches Wissen um die Segelei tatsächlich bis heute bewahrt? Oder trog ihn womöglich seine Erinnerung? Bei Gott, hoffentlich stand es mit dem Segeln wie mit dem Schwimmen, und man verlernte diese Kunst nie mehr, nachdem man sie sich in jungen Jahren angeeignet hatte!
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Kapitel Annehmlichkeiten einer Reise
Seit zwei Wochen waren sie nun unterwegs, in einem der Sinagots, der typischen zweimastigen Boote des Kleinen Meeres, die nur wenig Tiefgang hatten und erlaubten, dicht an der Küstenlinie entlang zu segeln. Der Schiffsbauer, dem Athos den kleinen Segler abgekauft hatte, hatte ihnen eine Art Unterstand hinter den Großmast gebaut, in dem sie abwechselnd schliefen, zwei Schlafplätze hatten darin Platz. Die Einteilung hatte sich recht schnell ergeben, denn nur Porthos hatte es sich zugetraut, das Segelhandwerk zu erlernen, nur er übernahm die Pinne, wenn Athos schlafen ging. Aramis und Raoul hingegen hatten die Versorgung übernommen und gingen entweder selbst einkaufen, wenn sie anlandeten, oder versuchten zu angeln, was nicht immer von Erfolg gekrönt war, aber half, die Zeit zu vertreiben. Das Wetter war ihnen bisher gnädig gewesen, so dass sie sich jetzt kurz vor Le Havre und damit der Mündung der Seine befanden, in einem kleinen, natürlichen Hafen, in dem sie die Nacht verbringen wollten. Sie hatten das Boot an den Strand gezogen und neben ihm ein kleines Feuer entfacht, auf dem Porthos gerade konzentriert vier Fische grillte, während Athos eine Flasche entkorkte und gleich einen Schluck trank.
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Kapitel Paris
Und so wurde nach zwei Wochen ein kleines Schiff die Seine hoch und bis zu der Anlegestelle am Port en Grève gezogen, dem Hafen mitten in der Stadt, einem Schauplatz regen Treibens, wo die Ankunft zweier Kaufleute keinem auffiel. „Und nun?“, fragte Raoul leise und strich über die Nüstern des Kaltblutes, das sie treu und verlässlich die vielen Meilen den Fluss hinauf gezogen hatte.
„Nun sollten wir zusehen, unser braves Pferd und unseren Calvados an den Mann zu bringen, ehe wir uns so unauffällig wie möglich in die Rue des Ursins begeben,“ gab Aramis mit verhaltener Stimme zurück. „In dieser Gasse liegt Bazins logis, das Euch, mes amis, als geheime Unterkunft dienen wird. Um dahin zu gelangen, müssen wir entweder über den Pont d`Arcole, oder wir fahren bis zum Port des Chanoines am Nordufer der Île de la Cité.“ Er hielt inne und befühlte mit den Fingerspitzen seine von dunklem, stellenweise eindeutig silbrig schimmerndem Bartwuchs bestoppelte Wange. Mon Dieu, ein Königreich für ein Rasiermesser! Doch es schien wohl besser, angesichts seiner Rolle als einfacher Händler, sein Erscheinungsbild entsprechend anzupassen und die Gesichtspflege während der Reise lieber hintanzustellen. „Nun denn, meine Freunde, Ihr habt die Wahl: Landweg oder Seeweg, was ist Euch lieber?“
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Kapitel Begegnung
Die Fratze des Teufels blickte zu ihm herunter, ein gemeines Lächeln spielte um die Lippen der Skulptur als wolle sie ihm zuraunen: „Auch du kommst mir nicht aus.“ Sie hielt die Waage umklammert, mit der die Seelen der Verstorbenen gewogen wurden, gerade zog sie einen armen Sünder heraus, dessen verzweifeltes Bitten um Gnade kein Gehör fand. Der Engel daneben blickte kühl und gelassen nach oben, er wirkte, als kümmere ihn das Schicksal derer, um die er doch hätte kämpfen sollen, kein bisschen. Nur der Teufel wirkte lebendig, er grinste freudig und hielt reiche Ernte. Mit einem leisen Schauder drückte Athos die Tür auf und betrat das Gotteshaus, wobei ihm eine Stimme zuflüsterte, dass es vergebene Liebesmüh sei, sein Schicksal sei lange schon entschieden. Das mochte stimmen, auf göttliche Vergebung durfte er bei all seinen Sünden kaum hoffen, aber ihn verlangte nach weit profanerem Trost: Seit drei Wochen wohnten sie nun schon in Bazins bescheidenem Logis, und während Porthos und Aramis tagtäglich für lange Stunden die Wohnung verließen, hatten er und Raoul so etwas wie Stubenarrest. Zu gefährlich waren Streifzüge durch die Stadt, bei denen sie jederzeit jemand erkennen konnte, sie durften nur verkleidet und nur bei absoluter Notwendigkeit das Haus verlassen, und die erzwungene Untätigkeit ging Athos allmählich gehörig auf die Nerven. Sie verführte zu sehr zum Nachdenken, zum Grübeln über das, was geschehen war, und allmählich hatte Athos das Gefühl, vor einer dichten Wand aus Schlingpflanzen zu stehen. Auf was hatten sie sich nur eingelassen, wollten sie nicht die gottgegebene Ordnung zerstören? War es an ihnen, das Schicksal zu korrigieren, sich aufzuschwingen zu Hütern von Recht und Gerechtigkeit? Hatte ihn deswegen der Teufel da draußen so siegesgewiss angegrinst, weil das, was sie planten, ihm bestens in den Kram passte? Er hatte Haus und Hof verloren, ja, aber war das vielleicht Gottes Wille, um ihn für seinen sündigen Lebenswandel zu strafen? Er hätte es verdient, niemand wusste das besser, als er selbst ….
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Kapitel Aussöhnung
Die Nacht war klar und mondhell, still und verlassen lagen Plätze und Gassen, und über den Dächern von Paris funkelten die Sterne. Die Duchesse de Chevreuse holte tief Atem und sah zu ihnen auf, während sie, am Arm des Comte de la Fère, im tiefen Schatten der Hauswand rasch und lautlos übers buckelige Kopfsteinpflaster schritt. Oh, ihr Herz klopfte zum Zerspringen, in erwartungsvoller Freude, und zugleich war ihr auch ein wenig bang – mon Dieu, wie würde Raoul auf ihr überraschendes Erscheinen reagieren? War er ihr womöglich gram, nahm er es ihr zutiefst übel, dass sie ihm so lange schon die Wahrheit vorenthielt? Heilige Maria, hilf mir! Hilf uns beiden, auf dass mein Sohn und ich ohne bittere Wehmut und Groll einander in die Arme schließen dürfen! Ich will sein Schicksal wenden, alles wieder gutmachen, was ich in jahrelanger Blindheit an ihm verbrach! Steh mir bei, o Himmelskönigin, damit ich nun endlich vollbringe, was ich als Mutter an ihm versäumt!
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Kapitel Wieder vereint
„Mon Dieu! Messieurs, bitte verzeiht!“, hauchte Marie matt und atemlos, während sie sich, auf Aramis` Arm gestützt, vom Boden erhob und sich in den wieder aufgerichteten Lehnstuhl sinken ließ, den Raoul ihr hilfreich hinschob. „Die Rührung hat mich übermannt! Ich bin nicht länger Herrin über meine Tränen, und mein armes Herz pocht vor Freude als wollte es zerspringen! Denn ich fand heute, an diesem wundersamen Abend, nicht nur Euch, meinen geliebten Sohn, und Euren edlen Vater wieder, sondern auch ihn, den ich schon seit so vielen Jahren für immer verloren glaubte! - René, erlaubt Ihr es mir? Darf ich es Raoul sagen?“ Und auf Aramis` leises Nicken hin fuhr sie offen fort: „So wisst denn, mein Sohn, der Chevalier d`Herblay und ich waren in unserer Jugend enge Freunde, und er erwies sich überdies als ein unschätzbarer Helfer in einem gefahrvollen Unternehmen, das auch Euch, mon cher Athos, sicherlich noch in Erinnerung ist! Ich war damals - ach, wie lange ist es her! - die engste Vertraute unserer Königin, und als solche hatte ich es mir zum Ziel gesetzt, ihr ein heimliches rendez-vous mit ihrem damaligen Geliebten, Lord Buckingham, zu ermöglichen. Und der waghalsige coup gelang, dank jenes kühnen jungen Musketiers namens Aramis! Und nicht nur er, auch zwei seiner besten Freunde trugen mit all ihren Kräften dazu bei, dass der Erste Minister Englands seine königliche Liebste sehen und hinterher Frankreich unbehelligt wieder verlassen konnte!“ Sie hielt inne und lächelte Athos zu, ehe sie Aramis` Hand ergriff und mit zärtlichem Blick zu ihm aufsah: „Ja, mon cher René, ich will es nicht länger vor meinem Sohn verbergen: Wir waren in unseren jungen Jahren nicht nur durch jene gefährliche Intrige vereint, sondern auch durch das heilige Band der Liebe, und es war allein meine Schuld, dass unser Bund zerbrach. Viele Jahre hindurch trennte uns Feindschaft, schroff stand sie zwischen uns, eine unüberwindliche Mauer, und erst heute, an diesem Abend geschah`s, dass sie endlich, wie auf himmlisches Geheiß, in sich zusammenstürzte! Oh, mein Freund!“, entfuhr es ihr überwältigt, und ihr Stimme schwand zu einem heiseren Wispern, während der Chevalier sachte ihre bebende Hand küsste, „ich bin überglücklich! Ihr habt meine schwere Last von mir genommen und meine Seele von ihr befreit!“
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Kapitel Letztes Treffen
Die Glocken von Notre Dame schlugen die achte Stunde, die abendliche Vesper war vorüber, das Tor öffnete sich, und die Schar der Gläubigen verließ, in ihre Umhänge und Mantillen gehüllt, die Kathedrale. Auch ein imposanter Herr von hünenhafter Statur trat hinaus ins Freie, schlug seinen Mantel um sich und bedeckte sich wieder mit seinem Hut, ehe er endlich geruhsamen Schrittes seinen Weg in die Rue des Ursins aufnahm. Doch seine Gedanken verharrten keineswegs bei den andachtsvollen Gebeten, die seine Lippen eben noch leise gemurmelt hatten. Wie ungewohnt war es doch, in einer Kirchenbank zu knien, seit seine betagte Gemahlin verstorben war! Sie hatte auf regelmäßigen Besuch der sonntäglichen Messe Wert gelegt, zwar nicht aus Frömmigkeit, doch aus Rücksicht auf gesellschaftlichen Anstand und die ländliche Moral, und er, Porthos, ihr angetrauter Gatte, hatte ihren Wunsch nach Ehrbarkeit und guter Sitte treu und gehorsam erfüllt, obwohl er am Sonntagmorgen weit lieber zur Jagd geritten wäre. Doch sei`s drum, wer weiß, womöglich hatten die Pfaffen doch recht, und der Allmächtige sah gnädig auf ihn herab und unterstützte sein Vorhaben mit segnender Hand! Wollte er doch, ihrer Absprache gemäß, seine Freunde und Mitverschworenen nun abermals in Bazins Wohnung aufsuchen, um zusammen mit ihnen die letzten Vorbereitungen zu treffen, denn der große Coup stand unmittelbar bevor! Morgen schon folgte Aramis seinem Freund und Gönner, Monsieur Fouquet, nach Vaux, um diesem am Schauplatz seines pompösen Festes wie gewünscht zur Seite zu stehen, und während den König ein dichtgedrängtes und überaus glänzendes Festprogramm erwartete, das die bedeutendsten Künstler Frankreichs daselbst vereinigte, sollte indessen, hinter Louis` Rücken, sein königlicher Bruder statt den steinernen Wänden seines Kerkers endlich den freien Himmel über sich sehen! Welch kühnen Plan hatten die Freunde doch geschmiedet, um ihn aus der Bastille zu befreien! Und nicht nur sie allein! Denn niemand anderer als Raouls Mutter, die Duchesse de Chevreuse, nahm daran teil! Dies hatte ihn, Porthos, zuhöchst verblüfft, denn er wusste, welch tiefe Feindschaft zwischen ihr und Aramis herrschte. Doch nun schienen sie wahrhaftig wieder miteinander versöhnt, wie Athos ihm versicherte, und er vertraute dem Wort seines Freundes. Nein, niemals hätte Aramis seine Zustimmung zu Maries Teilnahme an diesem Komplott gegeben, wäre er von ihrer unbedingten Loyalität nicht überzeugt! Aber ein wenig seltsam war es doch. Das klassische Dreieck, eine Frau zwischen zwei Männern, und das in Gegenwart ihres eigenen Sohns! Der Hüne lächelte und beschleunigte seinen Schritt, schon bog er um die Ecke, das wohlbekannte Haus kam in der abendlichen Dämmerung in Sicht, und nichts Verdächtiges wollte sich zeigen. Porthos drückte das schwere Tor auf, das ihn unversperrt erwartete, legte von innen den Riegel vor und wandte sich der schmalen Holztreppe zu. Er stieg die knarrenden Stufen hoch, schritt den bereits nachtdunklen Flur entlang, hielt vor Bazins Türe und klopfte mit dem vereinbarten Signal.
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Kapitel Gemeinsame Nacht
„Mon ami“, ergriff der Prälat mit leiser Stimme und gesenktem Blick das Wort, nachdem sich die Türe hinter der Duchesse de Chevreuse und dem Baron du Vallon geschlossen und Raoul sich mit seinem Buch in der Hand in das angrenzende kleine Kabinett zurückgezogen hatte, „bitte verzeiht mir. Ich weiß, es ist meine Schuld, meine gewisse Bemerkung über unsere gemeinsame Nacht hat unseren Freund Porthos zur Indiskretion verführt. Mon Dieu, somit weiß Marie nicht nur über das Geheimnis des Königs Bescheid, sondern ist auch darüber im Bilde, was uns beide verbindet! Parbleu, ich hoffe wahrhaftig, sie schließt dies in ihr Versprechen mit ein, über alles, was unter uns gesprochen wurde, striktes Stillschweigen zu bewahren!“
„Glaubt Ihr ehrlich, sie kann dergleichen noch erstaunen?“ Athos schenkte seinem Freund ein skeptisches Grinsen und sich selbst ein wenig Wein nach. „Am Hof sind Verbindungen wie die unsere gang und gebe, man munkelte, auch ihr erster Gemahl sei den Männer recht zugeneigt gewesen. Ihn verband, so sagt man, eine tiefe Freundschaft zu unserem seligen König Louis le treizième, die nicht nur platonisch gewesen sein soll.“ Er schüttelte den Kopf, „nein, Marie nahm es gelassen, wie Ihr merktet, zudem habe ich damals, als sie zu Besuch auf Bragelonne weilte, recht … nun, intime Gespräche mit ihr geführt. Sie weiß um meine … nun, Offenheit in derlei Dingen. Auch sie ist kein Kind von Traurigkeit, ich glaube, sie nahm Porthos´ Angebot durchaus ernst.“
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Kapitel Vaux-le-Vicomte
Le Ciel en fut jaloux. Enfin figure-toi,
Lorsqu`on eut tiré les toiles,
Tout combattit à Vaux pour le plaisir du roi,
La musique, les eaux, les lustres, les étoiles.
Monsieur La Fontaine, Gast auf Schloss Vaux und Augenzeuge des grandiosen Festes zu Ehren des Königs, hätte seine Bewunderung wahrlich nicht eindringlicher formulieren können! Alles war bereit, Schloss, Garten und Park aufs Prächtigste geschmückt, die Tafel für das bevorstehende Festmahl mit feinstem Porzellan, massivem Silber und Gold gedeckt, und dazu von Monsieur Vatel, Fouquets superbem maître de cuisine, die köstlichsten Speisen zubereitet. Das königliche Orchester, die Vingt quatre violons du Roi unter Maestro Lullys musikalischer Leitung, stimmte seine Instrumente, und in der allée des sapins harrte die von Signore Torelli kunstvoll und mit allen technischen Raffinessen errichtete Theaterbühne der Premiere von Monsieur Molières neuester Komödie entgegen. Der bekannte Autor schrieb über sie nicht ohne leisen Stolz: Jamais entreprise au théâtre ne fut si précipitée que celle-ci, et c'est une chose, je crois, toute nouvelle qu'une comédie ait été conçue, faite, apprise et représentée en quinze jours. Und nach präzisen Worten der Erklärung, jene vollkommen neuartige Form des comédie-ballets betreffend, schloss er lakonisch: Quoiqu'il en soit, c'est un mélange qui est nouveau pour nos théâtres.
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Kapitel Mission Bastille
„Vater“, Raouls Ton war leicht genervt, „kommt jetzt. Porthos wartet auf uns.“
„Nur die Ruhe“, gab Athos zurück und besah sich ein letztes Mal im Spiegel. Dort blickte ihm ein würdiger, maskierter Herr entgegen, ganz in feinstes Tuch gewandet, schwarz, aber mit edelsten Spitzen, eindeutig ein Mann des Hochadels. Diskret, aber wehrhaft. Es war nicht reine Eitelkeit, die den Grafen in den Spiegel blicken ließ, sondern das Wissen, dass Kleinigkeiten sie verraten konnten. Ein Degen, der zu einfach geschmiedet war, ein Tuch, das nicht dort steckte, wo es hätte stecken sollen. Im auserlesenen Kreis der Königin galt eine ganz bestimmte Etikette, und Baisemeaux kannte sie zu gut, als dass sie ihn mit ihren normalen Kleidern hätten täuschen können. Deswegen hatte Marie ihnen gleich am Morgen Kleider vorbeigebracht, die der letzten Mode folgten, auf dass nicht ein veralteter Schnitt sie verriet. Im letzten Moment hatte er sich erinnert, dass Baisemeaux ihn erkennen musste, immerhin hatte er ihn noch vor kurzem bei jenem seltsamen Diner in der Bastille gesehen, und zuerst hatte er bei Mousqueton auf der Kutsche warten wollen. Doch Marie hatte ihm lachend eine schwarze Maske hingehalten, und ihr Argument, dass er damit nur um so überzeugender wäre, weil nur wahrhaft hochgestellte Personen sich maskierten, hatte ihn schließlich bewogen, die Maske anzulegen. Er war sogar so weit gegangen, sein Haar zu einem Zopf zu binden, denn nur wenige Männer in seinem Alter hatten noch so volles Haar - und waren es nicht Nebensächlichkeiten, die oft in Erinnerung blieben?
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Kapitel Zurück nach Paris
In voller Carriere galoppierte der Bischof von Vannes die Straße entlang, der Sand knirschte und stäubte unter den donnernden Hufen seines Pferdes. Oh, könnte er doch, dem Helden Perseus auf dem Rücken des geflügelten Pegasus gleich, die Hauptstadt im Flug erreichen! Mon Dieu! Was war dort wohl mittlerweile geschehen? Hatten seine Gefährten den Gefangenen wie geplant befreit? Oder hatte sich ihnen unversehens ein widriges Hindernis entgegengestellt, das ihr stolzes Vorhaben vereitelte? Verflucht, fort mit solchen Gedanken! Die Niederlage zu fürchten ist eines Generals unwürdig! Doch ebenso falsch ist es, wisperte eine leise Stimme in ihm, vor den Fallstricken des Schicksals die Augen zu verschließen! Sahst du dies nicht am Beispiel Fouquets?
Jawohl, wie freudig erregt war der Minister doch gewesen und wie sehr von Genugtuung und Stolz erfüllt, als er nach Beendigung des nächtlichen Gastmahls zu Aramis eilte, um ihm für seine Mithilfe bei diesem wahrlich außergewöhnlichen Fest zu danken. „Mon ami!“, rief Fouquet aus und umfing den Bischof mit beiden Armen, „ich bin der glücklichste Mann auf Erden! Wisst Ihr, was der König mir bei seinem Abschied vorhin sagte?“ Und mit bebender Stimme fuhr er fort: „Er bat mich, ihm sogleich nach Fontainebleau zu folgen, denn er habe etwas äußerst Wichtiges mit mir zu besprechen! Nur soviel: Er gedenke, mir ein neues Amt zu übertragen! Und überdies solle ich ihm die Ehre erweisen, ihn zur bevorstehenden Ständeversammlung nach Nantes zu begleiten! Was sagt Ihr dazu?! Er will mich dort sicher öffentlich und vor aller Augen als seinen neuen Premierminister präsentieren! Ha, damit kann ich den Titel des Generalprokurators getrost verkaufen!“
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Kapitel Audienz
Der Bischof von Vannes richtete sich hoch auf, strich seine schwarze, mit feinen lilafarbenen Paspeln gesäumte Soutane glatt, zog das breite seidene Cingulum noch enger um seine schlanke Taille und rückte mit spitzen Fingern das goldene Kreuz auf seiner Brust zurecht. Mit gerunzelten Brauen und kritischem Blick betrachtete er sich sodann nochmals im Spiegel, doch was er sah, befriedigte ihn durchaus. Jawohl, selbst sein ärgster Feind musste zugeben, dass die bischöfliche Tracht ihm ausgezeichnet stand! Sie strahlte Würde aus, Erhabenheit und geistliche Macht, und ihre strengen, ehrfurchtgebietenden Farben, Schwarz und Violett, wurden allein nur durch das leuchtende Rot des Kardinalspurpurs übertroffen! Unwillkürlich schob sich ein Bild vor seine Augen, das Porträt eines Mannes, welches in seinem Schreibgemach im Bischofspalais zu Vannes hing, wo es ihm, sobald er sich an den Schreibtisch setzte, sofort in aller Eindringlichkeit vor Augen stand: Kardinal Richelieu, der größte Staatsmann Frankreichs. Oh, wie oft hatte er dieses wahrhaft beeindruckende Antlitz betrachtet, die erhabenen Züge, seine feinen Linien, die dunklen, rätselhaften, alles durchdringenden Augen, deren adlerscharfen Blick man, war man ihm einmal begegnet, niemals im Leben wieder vergaß! Auch hier und jetzt, zu dieser Stunde, sah er den großen Kardinal im Geiste vor sich, als erblicke er ihn in eigener Person im Spiegel, und Richelieus ernste Miene schien zu sagen: Vorwärts, fasse Mut! Frankreichs Krone, durch schweres Unrecht und Tyrannei verdunkelt, soll in neuem Glanz erstrahlen! Du hast dir dieses wahrhaft hohe Ziel gesetzt, so fahre nun fort, auf deiner hehren Bahn! Ich wache über dich und stärke deinen Geist, lasse dich meine überragende Macht fühlen - bediene dich ihrer, nütze sie gut und führe dein Werk zu seinem glücklichen Ende!
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Kapitel Konfrontation
Hoch aufgerichtet, in prunkvoller königlicher Robe, die blauseidene Schärpe über der Brust, schritt Louis de Bourbon den Gang entlang, dicht gefolgt von d`Artagnan und einer Abordnung Musketiere. Die Absätze seiner hochhackigen Schuhe knallten hart auf den marmornen Fliesen, ein leises, triumphierendes Lächeln lag auf seinem stolzen Gesicht. Ha, Fouquet war seines Verbrechens überführt, Colbert hatte ganze Arbeit geleistet! Und damit war der Sturz des Surintendanten endgültig in die Wege geleitet, nichts sollte diesen vorm tiefen Fall retten! Seine ungeheuren Vergehen waren nun offensichtlich: Le péculat, also Veruntreuung staatlicher Finanzen und Diebstahl öffentlicher Gelder, ebenso wie das Majestätsverbrechen der lèse-majesté! Auf beides stand die Todesstrafe. Jawohl, und er, Louis, würde nicht zögern, diese auch gnadenlos zur Anwendung zu bringen!
Sein Ziel lag vor ihm, Höflinge wie Lakaien verneigten sich tief und ehrerbietig, die hohen Türen öffneten sich weit, und der König schritt majestätisch in den prunkvollen Saal, in dem der vollzählig versammelte Kronrat tagte.
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Kapitel Bitterer Sieg
„Wie lange dauert das denn noch?“ Porthos, der seit geraumer Zeit wie ein Tier im Käfig im Salon des Stadtpalais der Duchesse hin- und herlief, hielt inne, um Raoul, Athos und Marie anzustarren, die auf dem breiten Canapée saßen und die Ruhe selbst schienen.
„Freund, sie sind erst heute Morgen aufgebrochen, was erwartet Ihr?“, fragte Athos zurück und griff nach dem Glas Wein, das vor ihm auf dem kleinen Tischchen stand. Nur das leichte Zittern seiner Finger verriet, dass er längst nicht so ruhig war, wie er sich gab.
„Und nun ist es Abend“, gab Porthos zurück, „sie stellen Philippe vor, Louis dankt ab, das muss doch schneller gehen.“
„Hört Ihr Euch eigentlich zu?“, Raouls Stimme war leise und voll wohlwollenden Spotts, „man ersetzt nicht mal eben so einen König.“
„Wir hätten uns ein besseres Versteck suchen sollen, ich hab´s ja gesagt“, lamentierte Porthos weiter, ohne auf Raouls Einwand einzugehen, „hier finden sie uns doch auf Anhieb und ohne langes Suchen.“
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Kapitel Rencontre
Sporenklirrend eilte der Hauptmann der königlichen Musketiere die Treppe hinab, hinter dem Bischof von Vannes her, der nun vor seinen Augen einen Wagen bestieg. Parbleu! Aramis war an ihm vorbeigestürmt als stünde der Königspalast in Flammen, er warf weder einen Blick nach links noch nach rechts sondern erklomm sofort seine Karosse, nachdem er dem Kutscher - war es tatsächlich Mousqueton, Porthos` Diener, oder täuschte ihn, d`Artagnan, bloß die Ähnlichkeit? - sein gewünschtes Fahrziel zugerufen hatte. Also ins Hôtel de Luynes wollte sein Freund! Und dies offensichtlich so rasch wie nur möglich! Parbleu! War dies nicht der städtische Wohnsitz der Duchesse de Chevreuse? Was hatte Aramis im Sinn? Und was war geschehen? Der Hauptmann hatte den Prälaten zusammen mit einem hohen kirchlichen Würdenträger und einem elegant gekleideten, maskierten Herrn vor geraumer Zeit den Ratssaal betreten sehen. Was hatte das zu bedeuten? Sein Instinkt raunte ihm zu, dass da etwas im Gange war, etwas Ungewöhnliches und Großes! Doch nun hatte sein Freund den Schauplatz des Geschehens wütend wie ein gereizter Tiger verlassen, und er, d`Artagnan, fand keine Gelegenheit, ihn nach den eben stattgehabten Begebenheiten im Rat zu fragen. Doch das wollte er nachholen! Sofort und auf der Stelle! Der behäbigen Kutsche zu folgen war nicht schwer, außerdem kannte er die Adresse, und bei allen Teufeln!, hatte er den flüchtigen Bischof erst einmal beim Kragen, so wollte er schon alles bis zur letzten Neige aus ihm herausquetschen!
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Kapitel Canossa
„Aramis?“
Athos betrachtete seinen Freund, der neben ihm auf dem Rücken lag und ganz gegen seine Gewohnheit schlief wie ein Toter. Selbst in der Nacht hatte er sich kaum bewegt, heute Morgen lag er in fast derselben Stellung wie er zu Bett gegangen war, und wären da nicht seine leisen Atemzüge gewesen, hätte Athos sich wirklich Sorgen gemacht. Sie hatten gestern Abend bei einem opulenten Mahl mehr ihr Wiedersehen mit dem Gascogner als ihren gelungenen Coup gefeiert, und Aramis hatte weiterhin dem Wein zugesprochen – und hatte es beinahe geschafft, sie alle unter den Tisch zu trinken, was noch nie vorgekommen war. Allerdings hatte er, Athos, den Bischof schließlich ins Bett tragen müssen, und seither hatte dieser kein wirkliches Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Nun war es später Morgen, die Sonne schien hell ins Zimmer, und Athos wäre am liebsten wieder unter die Decken neben seinen schlafenden Freund gekrochen, denn ein Diener des Königs hatte ganz in der Früh an die Tür geklopft und dem ´Verbannten´ ausrichten lassen, dass Seine Majestät ihn heute Nachmittag um Punkt drei Uhr zu sehen wünsche.
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Kapitel Louise
„Mon cher Athos, habt Dank für Eure bewunderungswürdige Selbstbeherrschung! Ich weiß, wie schwer Euch dieser Gang ankam!“, flüsterte die Duchesse de Chevreuse dem Comte de la Fère unter tiefem Aufatmen zu, während der Graf ihr seinen Arm bot, um sie hinein ins Haus zu geleiten. Die Herzogin und die Freunde waren, nachdem Athos seinen Treueeid geleistet hatte und seine Versöhnung mit dem König vor versammeltem Hof vollzogen war, gemeinsam ins Hôtel de Luynes zurückgekehrt, und auch d`Artagnan hatte versprochen, ihnen so rasch wie möglich dorthin zu folgen.
„Mes amis, ich weiß nicht, wie Euch zumute ist, aber ich brauche jetzt ein Glas Wein!“ Der Prälat holte sein seidenes Taschentuch hervor und wischte sich die empfindlich feuchte Stirne. Parbleu, noch nie hatte er solch entsetzliche Angst um seinen Liebsten ausgestanden! Welch steinigen Weg musste Athos doch beschreiten, welch schwere Aufgabe stand ihm bevor! Und wie erbärmlich war es, hilflos daneben zu stehen und absolut nichts anderes tun zu können als stumm dabei zuzusehen und bang zu hoffen, dass Vernunft und Klarsicht glücklich die Oberhand behielten und sich damit alles zum Guten wandte! Jawohl, er, Aramis, hatte um Athos und Raoul gefürchtet wie noch nie in seinem Leben, denn er kannte die Dickköpfigkeit seines Freundes, und wenn man dessen zutiefst eingefleischtes Ehrgefühl verletzte, dann - ! Doch Athos hatte sich und seine Zunge eisern im Zaum gehalten, in kluger Besonnenheit und Vorsicht, hatte gehorsam getan, was Louis von ihm verlangte, und somit war nun die Versöhnung zwischen ihm und seinem Souverän offiziell vollzogen. Sein gräflicher Titel und sämtlicher Besitz wurden ihm wie seinen Nachkommen vom König in aller Form wieder zurückerstattet, und Raouls Zukunft war damit gesichert. Oh, dem Allmächtigen und allen Göttern sei Dank!
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Kapitel Gelöbnis
Als Athos an diesem Morgen erwachte, hörte er die Vögel wie aufgeregt vor seinem Fenster zwitschern, ganz als ob sie sich über das unerhörte Ereignis unterhielten, das seit Tagen die Diener Bragelonnes umtrieb. In jedem Zimmer wurde geputzt, gescheuert, gewienert, die Mägde rannten mit frischen Leintüchern und bezogen jedes Bett, sie wuschen die Vorhänge und stellten Blumen in Vasen, während die Köchin, assistiert von Blaisois´ Frau, alle Register zog und seit Tagen schnippelte, buk und kochte. Wenn er sich irgendwo hinsetzte, erntete er garantiert einen bösen Blick, weil eben jener Stuhl noch gewachst, jener Sessel frisch bezogen werden musste, so dass er begonnen hatte, sich wie ein Fremder im eigenen Haus zu fühlen. Aber hatte er all die Aufregung bis jetzt noch gelassen hingenommen, merkte er, dass an diesem Morgen auch sein Magen leicht rebellierte. Parbleu, es war so weit, heute würde sein Sohn heiraten, hier, in der Schlosskapelle von Bragelonne, fast wie Aramis es vorhergesagt hatte. Die Kapelle von La Fère wäre imposanter gewesen, aber sein Sohn hatte nicht mehr darauf bestanden, dass sie dort wohnen blieben und einer Rückkehr nach Bragelonne zugestimmt, das auch näher am Wohnsitz von Louises Eltern lag. Er selbst war froh darüber, den Gespenstern entronnen zu sein, sein Heim war nun hier, und es würde hoffentlich bald nicht mehr vom Raunen der Geister, sondern von fröhlichen Kinderstimmen widerhallen.
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Kapitel Epilog
Endlich! Der Chevalier d`Herblay hielt auf der Hügelkuppe und atmete tief auf – sein Ziel lag vor ihm, denn dort drüben, hinter den Bäumen, leuchteten schon die beiden Türmchen von Schloss Bragelonne! Mon Dieu, er musste zugeben, solche Überlandritte ermüdeten ihn, es nützte nichts, sich diese unleugbare Tatsache zu verhehlen! Ja, das Alter - unerbittlich schritten die Jahre voran, und war nicht auch seit der Geburt von Louises Sohn, an dem Raoul nun Vaterstelle vertrat, bereits geraume Zeit verflossen? Jawohl, sie flog förmlich vorüber, unaufhaltsam und in Windeseile, so schien es ihm, denn sein zweifaches kirchliches Amt und die damit verbundenen Verpflichtungen hielten ihn gehörig auf Trab. Doch nun wollte er, im Anblick dieses Hauses, das seinem geliebten Freund und seiner jungen Familie abermals sichere, treue Heimstatt geworden war, geistig nicht länger bei seinen kräftezehrenden Geschäften verweilen! Nein, keinen Gedanken mehr an Kirche und Politik verschwendet! Und ein wenig Erholung hier auf dem Lande würde ihm nur guttun! Ein Lächeln glitt über sein Gesicht - wie war es wohl Athos und dem jungen Ehepaar samt seinem Kind inzwischen ergangen? Ah, gleich würde er es wissen! Er drückte den Hut in die Stirn, nahm die Zügel auf und gab seinem Pferd die Sporen -
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