Kapitel Begegnung
Die Fratze des Teufels blickte zu ihm herunter, ein gemeines Lächeln spielte um die Lippen der Skulptur als wolle sie ihm zuraunen: „Auch du kommst mir nicht aus.“ Sie hielt die Waage umklammert, mit der die Seelen der Verstorbenen gewogen wurden, gerade zog sie einen armen Sünder heraus, dessen verzweifeltes Bitten um Gnade kein Gehör fand. Der Engel daneben blickte kühl und gelassen nach oben, er wirkte, als kümmere ihn das Schicksal derer, um die er doch hätte kämpfen sollen, kein bisschen. Nur der Teufel wirkte lebendig, er grinste freudig und hielt reiche Ernte. Mit einem leisen Schauder drückte Athos die Tür auf und betrat das Gotteshaus, wobei ihm eine Stimme zuflüsterte, dass es vergebene Liebesmüh sei, sein Schicksal sei lange schon entschieden. Das mochte stimmen, auf göttliche Vergebung durfte er bei all seinen Sünden kaum hoffen, aber ihn verlangte nach weit profanerem Trost: Seit drei Wochen wohnten sie nun schon in Bazins bescheidenem Logis, und während Porthos und Aramis tagtäglich für lange Stunden die Wohnung verließen, hatten er und Raoul so etwas wie Stubenarrest. Zu gefährlich waren Streifzüge durch die Stadt, bei denen sie jederzeit jemand erkennen konnte, sie durften nur verkleidet und nur bei absoluter Notwendigkeit das Haus verlassen, und die erzwungene Untätigkeit ging Athos allmählich gehörig auf die Nerven. Sie verführte zu sehr zum Nachdenken, zum Grübeln über das, was geschehen war, und allmählich hatte Athos das Gefühl, vor einer dichten Wand aus Schlingpflanzen zu stehen. Auf was hatten sie sich nur eingelassen, wollten sie nicht die gottgegebene Ordnung zerstören? War es an ihnen, das Schicksal zu korrigieren, sich aufzuschwingen zu Hütern von Recht und Gerechtigkeit? Hatte ihn deswegen der Teufel da draußen so siegesgewiss angegrinst, weil das, was sie planten, ihm bestens in den Kram passte? Er hatte Haus und Hof verloren, ja, aber war das vielleicht Gottes Wille, um ihn für seinen sündigen Lebenswandel zu strafen? Er hätte es verdient, niemand wusste das besser, als er selbst ….
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