Und täglich grüßt das Murmeltier von xalibur 

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Kapitel Das erste Duell

Prolog

Meine wilden Zeiten habe ich hinter mir gelassen. Es ist wahr, in meiner Jugend habe ich mich an einigen bösen Geschichten beteiligt - man könnte vielleicht sagen, ich hatte die falschen Freunde - aber ich habe gelernt, daß es sich besser lebt, wenn man den Edelmut und die Freundlichkeit der Menschen nicht ganz so schamlos mit Bösem vergilt. Ich werde bestimmt nie ein Heiliger und ich amüsiere mich immer noch köstlich über all die Narren, die sich von Ehre und Stolz in die abenteuerlichsten Bredoullien bringen lassen, aber ich treibe einen derben Spaß nicht mehr so weit, daß am Ende tödlicher Ernst daraus wird. Heute nicht mehr.

Was wir mit dem armen, kleinen Priesterschüler getrieben haben, war nicht besonders rühmlich. Aber er gab ein so hübsches Ziel ab für unseren Spott in seiner Verliebtheit und seiner unschuldigen Bewunderung für die junge Dame, die so unschuldig gar nicht war. Er war ein hübscher Knabe, nicht dumm und seine Verse waren nicht einmal schlecht. Ich hatte mich in ihm verschätzt. Er war wortlos gegangen, seine Wangen glühend vor Scham, und wir hatten gelacht. Danach war er nicht mehr erschienen, und ich hatte die Sache fast vergessen. Wie konnte ich ahnen, daß er mitnichten dasselbe tat oder, wie es sich für einen angehenden Priester gehört, über Demut und Versuchung kontempliert, sondern stattdessen verbissen das Fechten erlernt, und dann wieder vor mir steht, voll Stolz und kaltem Zorn und Satisfaktion von mir fordert?

Ich konnte sie ihm nicht verweigern, aber ich konnte es auch nicht über mich bringen, sein junges Leben zu beenden. Und genau darauf würde es hinauslaufen. Ich fechte nicht erst seit gestern. Es ist für jene, die von meiner Art sind, eine Lebensnotwendigkeit, eine Meisterschaft in jeglicher Ausprägung dieser Kunst zu erreichen. Unser Leben ist Kampf, auch wenn ich den vermeidbaren Kämpfen längst aus dem Wege gehe. Fechten lernt man nicht in einem Monat und auch nicht in einem Jahr. Selbst wenn er Talent hatte, und das hatte er unbestreitbar, hatte er keine Chance.

Wir tauschten ein paar Hiebe und ich versuchte, meinen jungen Freund einzuschätzen. Ich sah in seinen Augen und seiner Haltung eine Entschlossenheit und Unbeugsamkeit, die ich dort ganz und gar nicht zu sehen wünschte. Einer von uns würde diesen Platz nicht lebend verlassen. Mit weniger würde er sich nicht zufrieden geben. Ich seufzte innerlich. Ich wurde langsam zu weich. Aber wenn es nun nicht anders ging, dann mußte es wohl sein. Es war nicht das erste Mal, daß ich diesen Ausweg wählte. Er schlug sich nicht schlecht, die Haltung war tadellos, jeder Schritt und jeder Stoß wie aus dem Lehrbuch. Talentiert, aber viel zu berechenbar. Ich machte eine Eröffnung und kannte die Antwort, der Stich zielte auf die Brust und ich schlug die Klinge nicht fort. Ich fühlte den Degen in meinen Körper eindringen, dieses ekelhafte Gefühl von Schmerz und Schwäche, wenn die Lebenskraft wie Wasser aus einem zerbrochenen Krug rinnt. Ich brach in die Knie und fiel. Das letzte, was ich sah, bevor ich starb, war sein Gesicht mit jener Mischung von Trotz, Genugtuung und Entsetzten darin.

Kapitel Revanche

was aus dem Priesterschüler wurde (aus Aramis Sicht)


Dieser eine Stoß veränderte auf plötzliche und radikale Weise mein ganzes Leben. Ein Jahr lang hatte ich auf diesen Tag hingearbeitet, hatte mir den besten Fechtlehrer in Paris genommen und mich geduldig und unbarmherzig geschunden, um die Fechtkunst nicht nur gut, sondern hervorragend zu erlernen. Ein Jahr lang hatte ich mir den Tag dieses Treffen immer wieder ausgemalt und die Genugtuung, die ich empfinden würde. Und ich hatte Genugtuung empfunden, von dem Moment an, als ich den feinen Herrn Soldaten aus der lustigen Gesellschaft herausgeholt hatte, als ich sein überraschtes Gesicht sah, seine Siegesgewißheit, die ihm bald vergehen sollte. Ich hatte noch Genugtuung empfunden, als mein Stoß traf, genauso wie ich es oft geübt hatte. Es ging so leicht, so schnell. Er brach zusammen, sah mich noch einmal an und dann wurden seine Augen blicklos, sein Körper schlaff. Und ich fühlte nur noch Entsetzten.

Er war tot, ich hatte ihn umgebracht! Ich war nicht darauf vorbereitet. Seit meinem neunten Lebensjahr war mein Lebensweg klar vorgezeichnet: Ich war dazu bestimmt, Abt zu werden und ich hatte dieses Ziel nie in Frage gestellt. Mit einem Mal hatte sich alles verändert. Ich stellte mit Entsetzen fest, daß ich in all der Zeit, in der ich meine Rache plante, weder einen Gedanken an die frommen Grundsätze verschwendet hatte, die eigentlich mein Leben leiten sollten, noch an ein Danach. Ich tat das einzige, was mir einfiel, ich lief davon - und lies alles zurück, was das Leben des Monsieur d'Herblay ausgemacht hatte.

Die einzige Fertigkeit, die ich außer der Theologie in meinem kurzen Leben erworben hatte, war die Fechtkunst, und so lag der Gedanke nicht so fern, die Soutane gegen den Waffenrock zu tauschen. Und das Schicksal führte mich zu den Königlichen Musketieren und zu zwei Männern, die meine besten Freunde wurden. Zusammen erledigten wir manch delikaten Auftrag.

Diesmal sollten wir wichtige Dokumente widerbeschaffen, die sich ein bedeutender Mann unvorsichtigerweise hatte entwenden lassen. Wir fanden die Spur des Diebes, und doch wären wir beinahe zu spät gekommen, hätten nicht äußerst merkwürdige Ereignisse der Geschichte eine unverhoffte Wendung gegeben.

Wir konnten einen Komplizen des Diebes dingfest machen und dieser war auch recht gesprächig, nur war unser Mann schon aufgebrochen, um die verräterischen Papiere einem Boten seiner Eminenz zu übergeben - und der Treffpunkt lag am anderen Ende von Paris! Wir hatten kaum eine Hoffnung, den Treffpunkt rechtzeitig zu erreichen. Verzweifelt warfen wir uns auf die Pferde, und trieben sie rücksichtslos durch die Stadt. Als uns nur einige hundert Meter von dem bezeichneten Haus trennten, sahen wir vor uns plötzlich ein seltsames Flackern wie Wetterleuchten und unsere Tiere stiegen schreckerfüllt. Ich bin kein schlechter Reiter, doch ich wäre beinahe im Unrat der Gosse gelandet, und es wollte mir nicht gelingen, mein Pferd auch nur noch einen Meter nach vorn zu bewegen. Porthos und Athos erging es nicht besser. Die Pferde bockten und zitterten, als hätten sie den Leibhaftigen gesehen. Kurzentschlossen ließen wir sie stehen, und rannten das letzte Stück zu Fuß.

Uns bot sich ein Anblick, den ich so schnell nicht vergessen werde. Im Hof des bezeichneten Hauses lag der Dieb, gerichtet durch ein Schwert. Sein Kopf war sauber vom Rumpf getrennt. Sein Henker - er mußte es gewesen sein, die Lage ließ keinen anderen Schluß zu - kniete einige Meter entfernt über einem Langschwert zusammengekrümmt. Vermutlich war er verletzt.

Wir betraten den Hof und kreisten den Mann ein. Er schien uns erst zu bemerken, als Athos ihn ansprach. Mühsam kam er auf die Beine. Athos hatte blank gezogen und hieß ihn mit ruhiger Bestimmtheit das Schwert zu übergeben, aber stattdessen nahm der Fremde eine Haltung an, die nichts anderes bedeuten konnte, als wolle er tatsächlich diese Waffe gegen uns erheben. War ihm nicht klar, daß er mit einer so schwerfälligen Waffe nie eine Chance haben konnte? Seine Bewegungen wurden fließender, er drehte sich langsam im Kreis, wohl um uns einzuschätzen. Jetzt konnte ich auch sein Gesicht erkennen - und in dem Moment, wo ich es erkannte, bannte mich ein eisiger Schreck! Ich sah in das Gesicht eines Toten! Es war jener Mann, jener Soldat, an dem ich vor 2 Jahren Rache geübt und damit den Lauf meines Lebens verändert hatte.

Er konnte es nicht sein, mein Verstand wußte das, aber mein Körper gehorchte nur der Stimme des Entsetzen, die flüsterte, daß sein Geist zurückgekehrt war, um mich zu richten. Einen Augenblick stand die Zeit still, dann stürzte er plötzlich auf mich zu und hob das Schwert - und ich war wie gelähmt, unfähig mich zu rühren. Der Schlag traf mich mit Wucht, ich wurde gegen die Toreinfahrt geschleudert und dann weiß ich nichts mehr.

Kapitel die Herren Musketiere

Das hübsche Leben als Gardist in Paris war dahin, die Salons, die Bewunderung der Damen. Ich war in meiner Stube aufgewacht, hübsch gewaschen und aufgebahrt, mit dem Sterbekreuz zwischen meinen gefalteten Händen. Wieder einmal ein Leben zuende.

Ich kehrte Paris den Rücken, aber nicht für lange. Dann suchte ich mir ein hübsches, neues Leben aus. Eins, indem das Risiko, sich aus Gutmütigkeit von jungen, sterblichen Heißspornen aufspießen lassen zu müssen, äußerst gering war. Das Leben eines Schreibers, hübsch langweilig auf den ersten Blick. Und äußerst praktisch auf den zweiten, denn als Dienstherrn wählte ich mir Pere Joseph, die graue Eminenz, den Beichtvater des Kardinals - den Mann, in dessen Händen die Fäden all der Spitzel und Spione zusammenliefen, mit denen Richelieu das Land überzog. Ruhig und unauffällig saß ich dort, wo jede wichtige Information zuerst vorbeikommt, schrieb Anklageschriften, beantwortete Bittbriefe, gab mich recht blass und langweilig und erfuhr nebenbei alles, was in Paris vorging. Für einen Unsterblichen, der am Leben bleiben möchte, der ideale Ort.

Den Klatsch der Garden und Soldaten hörte ich natürlich auch. Es gab ein paar neue Sterne am Zenith der Raufbolde, und sie trugen den Rock des Königs, was den Kardinal nicht wenig fraß. Sie hießen bei allen nur die Unzertrennlichen, drei junge Musketiere, und ihre Heldentaten waren in aller Munde. Mehr als einmal hetzte der Kardinal seine Gardisten auf sie, aber Athos, Portos und Aramis blieben meist siegreich oder kamen zumindest mit halbwegs heiler Haut davon. Alle drei führten sie nur Schwertnamen. Ein wenig fühlte ich mich ihnen deswegen verbunden. Ich weiß, wie es ist, ein Leben hinter sich zu lassen - oder 10 oder 1000. Und mich ging dieser Händel ja auch nichts an, ich war ja nur ein Schreiber. Das Schwert mußte ich in diesem Leben nur gegen meinesgleichen ziehen.

Das ist unser Los in dieser Welt: der stete Kampf gegeneinander, bis nur noch einer von uns übrig ist. Wir kämpfen gegeneinander, und wer dem anderen den Kopf abschlagen kann, auf den geht die Kraft des Unterlegenen über, während dieser stirbt. Unsere Unsterblichkeit ist also nicht vollkommen. Unser Leben ist eine endlose Folge von Duellen, und nur die Stärksten, Klügsten oder Hinterhältigsten überleben. Mein Name ist Methos und ich lebe schon so lange, daß nicht einmal mehr ich weiß, wie lange ich schon auf der Welt bin.

Trotzdem gibt es noch hin und wieder Dummköpfe, die tatsächlich auf meinen Kopf aus sind. Nun, im Herzen von Richelieus Spionagenetz wußte ich meist recht bald alles wissenswerte über sie und konnte ihnen ausweichen oder sie finden, ganz wie es mir gefiel. Aber manchmal hat man Pech, und wenn einen das Pech einmal eingeholt hat, kommt es meistens knüppeldick.

Pere Joseph wollte einen unverdächtigen Boten, der wichtigen Dokumente entgegennehmen sollte, und er bestand darauf, daß ich diese Aufgabe übernehme. Es gefiel mir nicht, von Anfang an! Aber Pere Joseph ist kein Mann, der Bedenken hören will, ich mußte wohl oder übel gehen. Und so ging ich, aber ich war vorsichtig - und ich sollte recht behalten. Verkauft hatte mich der feine Herr! Ich hatte mich schon gefragt, wo er einen Wahnsinnigen gefunden hatte, der ihm diese Papiere holt, und geschmunzelt hatte ich, was es ihn wohl kosten würde. Jetzt wußte ichs: Meinen Kopf! Der Herr Dieb war einer von uns, und zwar einer, der schon länger auf der Suche nach mir war. Dem Hörensagen nach war er nicht schlecht im Umgang mit seiner Waffe.

Seufzend zog ich mein Schwert, und dann füllte das Klirren von Stahl für lange Zeit den kleinen Hof aus, aber am Ende rollte sein Kopf. Und mich traf die Entladung der Lebensenergie, schüttelte und marterte meinen Körper und zwang mich in die Knie. Dieser Übergang ist keine angenehme Angelegenheit und der Moment im Leben eines Unsterblichen, wo er am hilflosesten ist. Und ich war noch nicht recht wieder bei mir, als mich eine Stimme ansprach. Mühsam schlug ich die Augen auf - und sah einen königlichen Musketier vor mir! Und er war nicht allein. Sie hatten mich eingekreist, die königlichen Helden, genau dann, wenn man sie am wenigsten brauchen kann! Die Szene mußte bizarr für sie sein, aber zumindest der Sprecher hatte sich gut in der Gewalt. Ruhig und kalt forderte er eine Rechtfertigung von mir und mein Schwert. Das war jetzt dumm! Lebend durften sie mich nicht haben, denn dann kam ich am Ende aufs Schafott, und das ist eine Strafe, die wir Unsterblichen gar nicht mögen.

Also Kampf! Ich kam auf die Füße. Der Herr vor mir war wohl Athos und der Hüne neben ihm - ich drehte mich langsam - mußte Porthos sein. Blieb noch Aramis - ich drehte mich weiter und hätte vor Erstaunen bald laut gelacht. Mein junger Freund, der Priesterschüler! Und er erkannte mich wohl ebenfalls, den er zitterte plötzlich und sah mir mit schreckgeweiteten Augen ins Gesicht. Es stimmt also doch, gute Taten zahlen sich aus. An Aramis vorbei würde ich ausbrechen können. Ich verpaßte ihm einen Schlag mit der Breitseite des Schwertes und rannte, was das Zeug hielt.

Tja, die Briefe würde jetzt wohl Treville bekommen, und das gönnte ich Pere Joseph. Allerdings wollte ich nicht warten, bis er seinen Unmut darüber an mir auslassen würde. Wieder einmal gab ich ein Leben auf und verschwand.

Kapitel Geheime Zeichen


Wir kehrten im Triumph zurück mit den hochwichtigen Papieren. Treville war hochzufrieden, die Belohnung anständig und am Abend wurde gefeiert. Aber wiewohl ich mich bemühte, mir nichts anmerken zu lassen, konnte ich den Eindruck, den die Begegnung auf mich gemacht hatte, nicht verhehlen. Recht bleich und still saß ich zwischen meinen Freunden am Tisch. "Grämt Ihr Euch so, Freund Aramis, über den kleinen Fehler vorhin? Das dürft Ihr Euch nicht zu Herzen nehmen. Jeder hat einmal einen schlechten Tag." Portos glaubte, mich fräße der verletzte Stolz. Ich lächelte gezwungen und brachte das Gespräch auf andere Dinge. Athos sagte nichts dazu, aber er trank an diesem Abend weniger als gewöhnlich. Und als wir auf dem Weg nach Hause nur noch zu zweit waren, fragte er mich, ob der Mann ein Freund gewesen sei - was ich ruhigen Gewissens verneinte. "Aber Ihr kanntet ihn." "Ich glaubte, ihn zu erkennen. Aber es ist unmöglich - es sei denn, er war ein Gespenst."

Ich glaube nicht an Gespenster. Und ich wollte mir selbst beweisen, daß ich damit Recht habe, also fing ich an, Nachforschungen anzustellen. Wenn der Kerl aus Fleisch und Blut war, mußte er ja irgendwo hergekommen sein und irgend jemand würde ihn kennen. Ich hörte mich um, bei Kameraden, in den Salons der Damen, versuchte sogar mit Kardinalisten zu plaudern, aber ich fand nichts. Schließlich wandte ich mich doch an meine Freunde, und es war zu meiner Überraschung Porthos, der auf die richtige Idee kam. "Wißt Ihr, ich kannte da mal eine Herzogin ..." Oh bitte, für so eine Geschichte war ich gerade nun wirklich nicht aufgelegt. Was wußte Porthos schon von Herzoginnen! "... die gar keine war, aber das habe ich erst hinterher erfahren, als nämlich..." Portos brach ab wie ein ertappter Schuljunge und fuhr schnell fort "Aber das tut nichts zur Sache. Eigentlich ging es ja um den Kerl, der sie beobachtet hat. Da war nämlich ein Mann, der hat ihr hinterherspioniert, und als ich das gemerkt habe, habe ich mal ein Wörtchen mit ihm geredet, Ihr versteht was ich meine? Nun ja, und dieser Kerl hatte genauso eine Tätowierung am Handgelenk wie unser Freund von neulich!" Ich schaute Porthos erstaunt an. Eine Tätowierung war mir gar nicht aufgefallen. "Eine Geheimgesellschaft?" Eine Geheimgesellschaft wäre eine gute Erklärung dafür, daß meine Fragen ins Leere gelaufen waren. Nur würde es auch weitere Nachforschungen sehr erschweren, den Geheimgesellschaften legen in der Regel Wert darauf, geheim zu bleiben. "Freund Porthos, könnt Ihr die Tätowierung vielleicht genauer beschreiben?" Porthos sah uns triumphierend an. "Ich kann etwas weit besseres! Ich kann sie Euch zeigen!" Jetzt schauten Athos und ich gleichermaßen verblüfft. "Ihr kennt jemanden, der sie trägt?" "Das nun nicht, aber ich kenne ein Buch, auf dem sie abgebildet ist." "Ein Buch?" Porthos war mir eigentlich nicht als Liebhaber von Büchern bekannt. "Ja, ein Buch. Im Zimmer des Bruder Wundarztes im Barfüßerkloster. Ihr wißt doch, vor einem Jahr hat mich Biscarrat einmal böse erwischt, und Ihr habt bei den Brüdern anklopfen müssen. Und während der Bruder mich zusammengenäht hat, hab ich mir die Wände angesehen. Und da war dasselbe Zeichen, auf einem Buchrücken. Ein doppelter Ring mit Punkten dazwischen und innen eine Fogelschwinge."

Am nächsten Tag ging ich zum Barfüsserkloster. Mein Diener hatte mir die Soutane ausbürsten müssen und ich trug eine hübsche theologische Abhandlung unter dem Arm. Einem Bruder im Geiste würde sich die Klostergemeinschaft gewiß weniger verschlossen geben. Ich kehrte im Kloster ein und wurde auch freundlich aufgenommen. Der Vater Abt war gerne für ein theologisches Gespräch bereit und als ich mich interessiert an den Wissenschaften der Heilkunst zeigte, machte er mich bald bekannt mit einem ruhigen, älteren Bruder, der den Namen Darius trug. Ich ließ mich in die Krankenstube führen und tat recht interessiert, während ich verstohlen die Buchrücken in den Regalen musterte.

"Seid Ihr sicher, daß solche Mauern den richtigen Weg für Euch bereithalten? Manchmal braucht es ein Leben in den Kämpfen dort draußen, bevor wir die Wege Gottes erkennen können." Die Frage traf mich unvermittelt und etwas in seinem Lächeln ließ mich auf der Hut sein. "Kämpfe und Fährnisse mag der Herr überall bereithalten, um uns zu läutern." erwiderte ich diplomatisch. Dann disputierten wir über den Vorzug von Kontemplation oder mildtätigen Werken, während ich weiter nach meinem Buch suchte. Und dann entdeckte ich es tatsächlich. Ich tat so, als wolle ich mich nun verabschieden und fragte den Bruder, ob der Abt wohl erlauben würde, mein mitgebrachtes Buch als Geschenk anzunehmen. Wie erhofft machte sich der Bruder sogleich auf, um ihn zu konsultieren. Ich blieb allein in der Stube. Sobald seine Schritte verklungen waren, zog ich das Buch aus seinem Regal. "The Watcher Cronicles", eine alte Handschrift, nicht in Latein, sondern in Anglais verfaßt. Ich schlug das Buch an einer beliebigen Stelle auf, viel Zeit blieb mir nicht. Es schien eine Art Tagebuch zu sein. "13. of May, Anno domini 1438: The Immortal Logan..."

"Danach hast Du also gesucht, mein Sohn." Ich zuckte zusammen, meine Hand fuhr zum Degengriff, nur um sich zu erinnern, daß ich heute keinen Degen trug. Ich hatte mich ertappen lassen wie ein dummer Junge, aber was mich wirklich alarmierte, war die Tatsache, daß ich ihn nicht hatte kommen hören. Dieser Priester war gewiß nicht einfach ein freundlicher alter Mann.
Das Buch zu verbergen, war es nun zu spät. Ich wandte mich zu ihm um, begegnete seinem Blick mit Stolz und äußerster Anspannung. Er lächelte noch immer. "Du bist ein Musketier, ich habe Dich und Deine Freunde des öfteren da draußen gesehen." Natürlich hatte er mich gesehen. Da draußen war unser Lieblingsplätzchen für Duelle. Ich hätte nie glauben dürfen, ihn so einfach zu täuschen. "Du bist nicht zufällig hier, Du hast nach genau diesem Buch gesucht. Warum?" Ich hielt seinem Blick stand und schwieg. Er schüttelte leicht den Kopf. " Du bist hergekommen, um Antworten zu finden und ich bin der, der Dir vielleicht Antworten geben kann. Aber dazu wirst Du nicht umhin kommen, mit mir zu reden. Das Buch allein gibt Dir nichts weiter als Namen und Daten, mit denen Du nichts anfangen kannst." Als ich noch immer verbissen schwieg, fuhr er fort: "Ich war einmal gar nicht so anders als Du, ein Soldat mit Leib und Seele, bevor ich hier Frieden gefunden habe. Glaub mir, irgendwann wird man des Kämpfens müde."

Ich weiß nicht, wie er mich dazu gebracht hat, mich ihm zu offenbaren. Er hatte eine Art ruhiger Freundlichkeit, der ich mich nicht entziehen konnte und mein Verlangen nach Antworten war übermächtig. Ich kapitulierte und erzählte meine Geschichte. Als ich geendet hatte, schaute er mich nachdenklich an. "Ich kann Dir nicht sagen, wer er ist, aber ich kann Dir sagen, was er ist. Aber urteile nicht vorschnell, es mag Dich leicht ins Verderben führen." Ich wartete darauf, daß er fortfuhr und fragte mich gleichzeitig, warum er überhaupt beschlossen haben mochte, mir zu helfen. "Hin und wieder werden unter uns Menschen geboren, denen die göttliche Vorsehung zwei alltägliche Gnaden versagt. Sie vermögen keine Nachkommen zu haben und sie vermögen nicht zu sterben. Wie Du den Mann beschreibst, ist er einer von diesen, genau wie ich einer bin. Wenn es Dich erleichtert, mit jenem Duell hast Du keine Schuld auf Dich geladen, denn wiewohl Du ihn tatsächlich getötet hast, ist ein solcher Tod bei meinesgleichen kein dauerhafter. Wir erleiden ihn wie Sterbliche auch, aber wir kehren ins Leben zurück." Ich schauderte, auch wenn ich kein Wort von dem glaubte, was ich da hörte. Er versuchte nicht, mich zu überzeugen noch irgendwie seine Worte zu beweisen oder bekräftigen. Ich wollte fort, aber eine Frage war noch nicht beantwortet. "Und dieses Buch?" "Ist von jenen geschrieben, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Wissen über die Unsterblichen zu hüten. Sie sind Sterbliche und widmen ihr Leben unserer Überwachung. Und sie halten unsere Tun für die Nachwelt fest in Büchern wie diesen. Das Zeichen weist sie untereinander als Mitglieder der Bruderschaft aus." "Und die Unsterblichen wissen davon?" "Nein." lächelte der alte Bruder. "Die meisten wissen es nicht." "Aber mein Mann trug das Zeichen. Er kann doch kein Unsterblicher und Beobachter zugleich sein." "Eigentlich nicht - aber wenn es ihm doch gelungen ist, dann mag er wohl der einzige von uns sein, den sie nicht beobachten." Der Mann stieg in meiner Achtung. Sich im Herzen der Feinde zu verbergen, wäre genau die Taktik, die ich an seiner Statt gewählt hätte. Ärgerlich ertappte ich mich dabei, die hahnebüchene Geschichte doch halb zu glauben. Ich mußte fort von hier, der alte Mann brachte es fertig, mich ganz zu verwirren.

Meinen Freunden berichtete ich von meinem Besuch nur das, was sich auf diese mysteriösen Beobachter bezog, und ich befragte Porthos eingehend nach seiner Herzogin, da sie ja wohl Objekt einer solchen Beobachtung war, aber Porthos gab sich ganz ungewohnt einsilbig bei diesem Thema. Dabei erzählte er sonst doch so gern von seinen Abenteuern. Mir blieb nichts als abzuwarten. Eines Tages würde ich schon so einen Beobachter ertappen.

Kapitel Englisches Intermezzo

Sie war eine jener Frauen, die den Verstand eines Mannes außer Kraft setzten. Ihr Lächeln, ihre Blicke, jede ihrer Bewegungen wirkten wie eine berauschende Droge auf mich. Ich hatte Frauen wie sie gekannt, ich war mir vage bewußt, daß dieser Rausch ein böses Erwachen haben würde, trotzdem war ich diesem Lächeln und diesen Augen hoffnungslos verfallen.

Zum ersten Mal waren wir uns bei Hofe begegnet. Hier in England, wohin ich mich nach der unliebsamen Überraschung in Paris zurückgezogen hatte, führte ich einen angesehenen Titel verbunden mit einem recht zufriedenstellenden Einkommen. Ich wollte mein Leben hier sorgenfrei und äußerst angenehm verbringen, mich dem Müßiggang und den Amüsemants des Hoflebens hingeben, die Erinnerung an einige vergnügliche Laster auffrischen und mich eine Zeitlang nur meinem Vergnügen widmen. Und diese schöne Gestalt verhieß Vergnügen. Ich sah sie mit Lord Holland scherzen und bewunderte im Vorübergehen ihre zierliche Gestalt und ihre ebenmäßigen Züge. Sie war eine außergewöhnliche Schönheit. Später zog ich einige diskrete Erkundigungen ein: Sie war Witwe, über ihren Sohn Erbin eines großen Vermögens und verkehrte in den höchsten Kreisen. Sie schien eine rastlose Seele zu sein, war oft auf Reisen und ihre Gunst war wechselhaft und launisch, doch stets Männern zugewandt, die ihrem Ehrgeiz nützlich waren. Diese Paarung von Schönheit, Verstand und Zielstrebigkeit war nicht ohne Reiz für mich, sie hatte schon Frauen wie Kleopatra unwiderstehlich gemacht, aber solche Frauen gaben nichts umsonst und ich hatte mir abgewöhnt, mich vom schönen Geschlecht ausnutzen zu lassen. So verabschiedete ich mich mit leichtem Bedauern von der Hoffnung, einige unvergeßliche Stunden mit der Schönheit zu verbringen.

Doch es sollte anders kommen. Da wir beide bei Hofe verkehrten, begegneten wir uns hin und wieder und die Lady begegnete mir weit freundlicher, als ich erwartet hatte. Meine Gegenwart schien ihr nicht unangenehm und mehr als das. Sie legte es regelrecht darauf an, mein Verlangen anzustacheln und mich um den Verstand zu bringen und es gelang ihr mühelos. Mal schien sie meine Nähe zu suchen, mal mich gar nicht zu bemerken, dann wieder traf mich ein verstohlener Blick, daß mir heiß und kalt zugleich wurde. Und dann kam ein Brief, die heiß ersehnte Einladung zu einem Stelldichein. Ich bin von Natur aus mißtrauisch, sonst wäre ich sicher nicht so alt geworden. Ich habe die Möglichkeit einer Falle wage in Betracht gezogen. Trotzdem zögerte ich keinen Augenblick, und als ich auch beim Betreten des Hauses weder Bewaffnete noch andere Unsterbliche in der Nähe wahrnahm, war auch die letzte Vorsicht vergessen.

Sie erwartete mich im abgedunkelten Schlafzimmer. Ich fühlte mich wie im Traum, als sie mich zum Bett führte, mir Wein einschenkte und mich langsam auf die Kissen zog. Sie ließ mich alles um mich vergessen und entführte mich in den Himmel, bis der neue Morgen dämmerte. Dann ergriff mich eine seltsame Erschöpfung. Ich fühlte mich schwach, meine Haut schien taub zu werden und das Atmen fiel mir schwer. Sie musterte mich mit einem erwartungsvoll prüfenden Blick und flüsterte mir zu "Könntest Du Dir einen schöneren Moment zum Sterben wünschen?"

Im ersten Moment versetzte mich die Erkenntnis in Panik. Gift! Sie hatte mir Gift beigebracht! Ich versuchte mich aufzurichten, aber ich hatte keine Kraft. Mühelos drückte sie mich in die Kissen zurück und erstickte meinen Widerstand. Tadelnd sagte sie "Das hat keinen Sinn, es ist längst zu spät." Ich wußte, sie hatte recht, es blieb mir nur, mich in das Unvermeidliche zu fügen. Das Atmen wurde immer mühsamer, aber Schmerzen litt ich nicht. Sie hatte ein Gift gewählt, das einen vergleichsweise sanften Tod gewährt. Ihre Hand streichelte mein Gesicht, während sie gebannt meinen Todeskampf beobachtete. Meine Gelassenheit schien sie zu überraschen. "Keine Vorwürfe, keine Fragen?" Ihre Stimme klang sanft und fast liebevoll. "Keine Vorwürfe!" Ich konnte nur noch mühsam sprechen. Der Bann, in den mich diese Frau geschlagen hatte, war trotz allem auch jetzt noch nicht gebrochen. Ihre kalte Schönheit, ihre Skrupellosigkeit, die erwartungsvolle Neugierde, mit der sie die Früchte ihres Tuns beobachtete - sie war wie Kronos. Kronos, der mich gefunden hatte, der mir mein Schicksal erklärt hatte, der mich lehrte, ein Gott zu sein, mir alles zu nehmen, wonach mir beliebte und die Welt mit Mord und Entsetzen zu überziehen. Es hatte Jahrhunderte gedauert, bis ich mich aus dem Bann seiner kranken Philosophie lösen konnte. Nein, keine Vorwürfe, mein kalter Engel, es gab eine Zeit, da habe ich genauso bedenkenlos gemordet wie Du.

"Keine Vorwürfe! Das gefällt mir!" Sie lachte mich an. "Wir hätten uns früher begegnen sollen, als wir noch demselben Herrn dienten." Richelieu! Natürlich Richelieu! Sie handelte in seinem Auftrag. Ich hätte damit rechnen müssen, daß er die Niederlage, die ich ihm beigebracht hatte, nicht ungerächt lassen würde. "Richelieu? ... Warum ....?" "Warum ich ihm diene?" Immer noch lächelnd und ohne meinen Blick loszulassen schob sie das Gewand von ihrer Schulter und ich sah die Lilie, die dort eingebrannt war. "Jetzt kennst Du mein Geheimnis. Nimm es mit ins Grab!" Mit diesen Worten beugte sie sich über mich und gab mir einen letzten langen Kuß, während ich meinen Atem aushauchte.

Beinahe wäre ich zu spät erwacht. Ich lag schon in der Kapelle im Sarg, als ich endlich zu mir kam und konnte mich gerade noch hinter dem Altar verbergen, bevor die Büttel hereinkamen, den Sarg verschlossen und den Deckel festschraubten. Gott sei Dank waren sie so besoffen, daß sie gar nicht darauf achteten, ob ein Toter im Sarg ruhte. Ich floh aus der Kapelle. Zitternd und durchfroren mußte ich im Totenhemd in mein eigenes Herrenhaus einbrechen - eine der Mägde fiel in Ohnmacht, als sie den Geist des armen Lord umgehen sah - mein für Notfälle vorbereitetes Reisegepäck zusammenraffen und wiederum fliehen. Aber diesmal mußte ich nicht lange überlegen wohin. Zurück nach Paris, und dort würde ich mich einem gewissen Herren für seine fürsorgliche Aufmerksamkeit erkenntlich zeigen. Eigentlich bin ich nicht so nachtragend, aber dieser Tod hatte eine ganz besondere Perfidität gehabt, und so wenig ich ihn der Agentin verübeln konnte - die Person, deren Werkzeug sie war, sollte mir dafür büßen.