Je suis une femme von Engel aus Kristall

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Kapitel Prolog

Je suis une femme
- Die Schuld eine Frau zu sein -

von Engel aus Kristall


Prolog


Mein Herz rast. Die kalten Steinwände des Klosters verschwimmen vor meinen Augen, der Hall meiner eigenen Schritte klingt sonderbar irreal. Er ist hinter mir, ich kann ihn hören. Welches Schicksal mir blüht, möchte ich mir nicht ausmalen. Treppen um Treppen scheuchen er und seine Begleiter mich aufwärts. Schließlich erreiche ich eine kleine Tür, die sich unversperrt heraus stellt, als ich die Klinke hinunter drücke. Dahinter liegen erneut Stufen. Bevor ich mich noch über das Vorhandensein der kühlen Zugluft wundern kann, stehe ich im Freien auf einer schmalen Plattform direkt unter dem Dach des großen Karmeliterklosters.

Hier geht es nicht mehr weiter, ich habe das Ende erreicht. Das Ende wovon? Meine Hände umfassen das schmiedeiserne Geländer und ich schaue darüber hinweg. Weit unter mir liegt der Platz vor dem Gebäude Ich sehe die gepflegten Blumenbeete, sowie den kunstvoll verzierten Brunnen. Die Spitze eines Degens berührt mein Schulterblatt, ich drehe mich daraufhin ruckartig um. Im hellen Sonnenlicht erkenne ich in seinen Augen beißenden Hass, von dem ich weiß, dass er mir gilt. Mein Herz krampft sich zusammen, und ich senke den Blick.

„Wartet...“, beginne ich. „Was habt Ihr nun mit mir vor? Wollt Ihr mich einfach hinunter stoßen? Dazu habt Ihr kein Recht!“
„Ihr habt einen Menschen getötet, Ihr wisst doch nicht einmal, was das Wort Recht bedeutet“, herrscht mich einer der beiden anderen Männer an, der große rundliche mit den braunen Locken.
„Ich handelte im Auftrag des Kardinals...“
„Schweigt!“
Der dritte im Bunde, drahtig und dunkelhaarig, hebt abwehrend die Hände. „Immer mit der Ruhe, Porthos. Eine letzte Beichte steht jedem zu – auch ihr.“

Weil er bisher geschwiegen hat, suche ich den Blickkontakt zu ihm. Was mag in seinem Kopf vorgehen? Er sieht mich ebenfalls an. Kalt.
„Warum bist du zurück gekommen?“
„Deinetwegen, Olivier.“ Verzweifelt suche ich in seinem Gesicht nach irgendeiner Regung. „Aber zuerst musste ich meine Ehre wiederherstellen. Richelieu versprach mir, mich von meinem Schandmal zu befreien. Und dann wollte ich mich auf die Suche nach dir machen...“
Sein Ausdruck bleibt unverändert. Ich weiß nicht einmal, ob er noch etwas für mich empfindet, oder ob ich einer Illusion nachgelaufen bin.

„Euer Urteil“, sagt er schließlich an seine Gefährten gewandt.

Ich schlucke hart, mir ist klar, was nun folgt. So schwer es mir fällt, dieses Gefühl vor mir selbst einzugestehen, ich habe Angst. Wenn ich jetzt sterbe, sterbe ich allein und ungeliebt. Vielleicht habe ich es auch nicht anders verdient. Jener Satz begleitet mich schon seit meiner Kindheit, die ich in einer Ortschaft nahe Lille verlebte. Mein Vater besaß dort ein Weingut. Ich hatte das Glück in eine Familie niederen Adels hinein geboren zu werden, zumindest sollte man dies annehmen. Aber so war es nicht. Das Schicksal tritt mich, seit ich ein kleines Mädchen war, und irgendwann habe ich aufgehört nach einem Grund dafür zu suchen. Die einzige Schuld, die ich schon seit damals trage, ist die, eine Frau zu sein.