And if I were to meet.... von
Durchschnittliche Wertung: 4.5, basierend auf 20 BewertungenKapitel Fragen und Antworten von xalibur
"Wir müssen irgendetwas unternehmen, um Doro zu helfen!" Villion sah mich skeptisch an, dann erwiderte er entschlossen: "Wir müssen nicht und wir werden nicht, das heißt, Du wirst nicht, ma cher! Sieh einmal, der Spuk endet ganz von allein, sobald das Mädchen aufwacht, das Tenaka da überredet hat. Und deswegen solltest Du die Zeit nutzen, die Dir bleibt, und zwar nicht indem Du Deiner Freundin in der Bastille Gesellschaft leistest. Ich werde herausfinden, ob es einen Weg gibt, ihr zu helfen und Du solltest einen gewissen Mantel zurückbringen!" Er sah mich vielsagend an. Mein Herz fing an zu klopfen und ich fühlte mich auf einmal gar nicht mehr so fest auf den Beinen. "Ich weiß nicht, ob es mir gut genug geht." Ich sah ihn hilfesuchend an und erntete ein aufmunterndes Lächeln. "Erstmal werden wir Dich hübsch machen, Kleines, und dann kommst Du mit zum Louvre. Da kannst Du Dir Deinen Helden aus sicherer Entfernung anschauen. Vielleicht gefällt er Dir ja gar nicht mehr, wenn Du ihn bei Tageslicht siehst." Verschmitzt zwinkerte der Spielmann mir zu.
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Die eintönige Routine des Wachdienstes ließ Athos wieder einigermaßen zu sich finden. Die Sache würde sich aufklären oder auch nicht und die Buße würde er erfüllen wie jeden anderen Befehl, den der Hauptmann oder der König ihm erteilen mochten. Er bemühte sich, seine Aufmerksamkeit ganz seiner Aufgabe zuzuwenden und alle anderen Gedanken beiseite zu schieben. Eine Weile gelang das auch. Dann aber beschlich ihn das Gefühl, beobachtet zu werden. Er schalt sich einen Narren, aber er gab dem Impuls nach und begann, sich unauffällig umzusehen. Nein, da war niemand. Die Menschen gingen ihren Geschäften nach. Einige Müßiggänger bewunderten den Glanz des Louvre, wie es Reisende stets taten. Aber halt! Da war eine Frau, die immer wieder einen verstohlenen Blick in seine Richtung warf. Oder spielte ihm seine Einbildung einen Streich? Sie stand in einiger Entfernung und ein dunkler, pelzverbrämter Mantel mit Kapuze verbarg das meiste ihrer Erscheinung. Gerade schob sie die Kapuze aus dem Gesicht und einige ungebändigte helle Locken blitzten darunter hervor. Athos erstarrte und bemühte sich, das Gesicht zu erkennen. Gerade in diesem Augenblick sah sie zu ihm her. Als sich ihre Blicke trafen, wandte sie sich ab und verschwand im Menschengewühl. Athos sah ihr nach und für einen Moment war er überzeugt, die Frau aus seiner Erscheinung wiedererkannt zu haben. Aber dann rief er sich zur Ordnung. Seine Phantasie spielte ihm einen Streich. Das war nicht die Art Frau, denen man nachts auf den Straßen und in den Schenken begegnete und die sich eines betrunkenen Musketiers annehmen mochten.
Auch anderen schien dieser Tag einige Unbillen zu bereiten. d'Artagnan wirkte ebenfalls ein wenig verwirrt, als ihn Athos kurz in der Wachstube traf. Die Laune des Leutnants besserte sich jedoch schlagartig, als er ihn kurz beiseite nahm und ihm seinen Weinvorrat anbot. "Euren guten Anjou-Wein? Aber, mein Freund, das kann ich nicht annehmen!" d'Artagnans Gesicht strafte seine Worte Lügen, und Athos hatte seinen Spaß an der Begeisterung des Freundes. "Und wie Ihr könnt. Ich darf ihn im Augenblick nicht trinken." d'Artagnans Züge nahmen einen besorgten Ausdruck an. Mit einem Mal fiel ihm auf, wie bleich und müde der Freund heute wirkte. "Ihr seid aber doch nicht krank?" "Nein, mein Lieber!" Athos lachte leise. "Ich bin nur heute morgen bei der Beichte an einen Priester geraten, der es noch nicht aufgegeben hat, mir meine Charakterfehler austreiben zu wollen. Er hat mir als Buße auferlegt, dem Wein zu entsagen." "Wie lange?" "Bis Lichtmess." "Mordieu!" d'Artagnans war ehrlich bestürzt. Er schüttelte den Kopf, murmelte etwas über hugenottische Ketzer im Talar und Unmenschlichkeit und klopfte Athos mitfühlend auf die Schulter, als er sich wieder zum Hotel de Treville aufmachte.
Als es zu dämmern begann, erschien ein Kamerad bei Athos, um ihn vorzeitig abzulösen. d'Artagnan hatte kurzerhand den Dienstplan geändert, um den Freund ein wenig für die Grausamkeit des Lebens zu entschädigen. Wie er es sich vorgenommen hatte, machte Athos sich auf die Suche nach der verlorenen Nacht, aber seine Nachforschungen waren wenig erfolgreich. Sie hatten am Abend zuvor die Aufnahme eines neuen Musketiers gefeiert, der sie in seine bevorzugte Schenke eingeladen hatte. Dort erinnerte sich der Wirt zwar an ihn, wußte aber nur, daß er aufgebrochen war, als seine Kameraden zum Dienst mußten, also schon recht zeitig - und nicht allzu betrunken. Danach verlor sich die Spur. In den Schenken, die er sonst aufzusuchen pflegte, war er gestern nicht gewesen. Er fragte auch nach der Frau und er ertappte sich dabei, daß er sie so beschrieb wie die Frau vor dem Louvre. Auch auf diese Frage bekam er nur Kopfschütteln zur Antwort. Ein paar Stunden der letzten Nacht waren und blieben verloren.
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Verdammt. Erste Regel fürs Leute beobachten: Falls sich das Objekt des Interesses beobachtet fühlt und sich Eure Blicke treffen, locker bleiben, einfach den Blick unbeteiligt weiterwandern lassen und ihm das Gefühl geben, daß Du etwas anderes beobachtest. Auf gar keinen Fall rot werden und den Blick niederschlagen, als wärst Du mit den Fingern in der Keksdose ertappt worden und niemals einfach davonrennen! Ich weiß das! Leute beobachten ist ein Zeitvertreib, dem ich gerne mal nachgehe und ich beherrsche das sehr gut! Eigentlich.
Mit klopfendem Herzen lehnte ich mich an eine Hauswand in der kleinen Gasse unweit des Louvre und ärgerte mich über meine glühenden Wangen und das Zittern meiner Hände. Ich hatte es vermaselt! Langsam ging ich zurück zu der Schenke, wo ich auf Francois warten sollte, verkroch mich an einen Tisch in der Ecke und hing meinen Gedanken nach. Nein, Francois Theorie hatte sich nicht bestätigt, der Blick bei Tageslicht hatte mich mitnichten geheilt. Diese Uniformröcke machen einen verflucht vorteilhaften Eindruck - wo blau doch meine Lieblingsfarbe ist. "Ma petite, Du solltest öfter solche Kleider tragen!" Francois zog sich einen Hocker heran und nahm mit einem Lächeln mir gegenüber Platz. Ich lachte. Zuerst hatte ich mich schon sehr seltsam gefühlt in einem Kleid, das ich Mühe hätte, ohne Hilfe anzuziehen, aber seltsamerweise hatte ich es inzwischen vollständig vergessen. Es hatte mir schon immer Spaß gemacht, mich zu verkleiden und in der Rolle aufzugehen, die ich gerade spiele. Heute war ich eben eine vornehme Dame im 17. Jahrhundert.
"Deine Freundin hat es gar nicht so schlecht getroffen. Sie wird wie eine bevorzugte Gefangene behandelt." Was immer das heißen mochte, dachte ich skeptisch, aber ich war froh, daß Doro wenigstens nicht in so einem Rattenloch gelandet war, wie sie es für den armen Biscarrat erfunden hatte. Francois mußte meinen Gesichtsausdruck richtig gedeutet haben, denn er versuchte mich zu beruhigen. "Sie ist in einer oberirdischen Zelle untergebracht, und die Verpflegung, die ihr zusteht, ist besser als das, was die Wachen bekommen. de Cavoyes hat keine besonderen Anordnungen für ihre Person getroffen. Das bedeutet, daß sie als vornehme Gefangene sich alle erdenklichen Annehmlichkeiten verschaffen darf, die ihre Geldbörse ihr erlaubt. Sie dürfte sogar einen Diener halten." Solche Freiheiten regten natürlich meine Phantasie an. Francois grinste, sicher war er mit seinen Plänen schon viel weiter als ich. "Du solltest Deiner lieben Cousine Dorothea erstmal einen Brief schreiben, Jeanne, ein paar mitleidige Zeilen. Sie wird bestimmt erleichtert sein zu hören, daß sie nicht ganz verlassen ist." Und damit nahm er Feder, Tinte und Pergament aus seiner Tasche.
Ich dachte kurz nach und begann zu schreiben.
"Liebste Cousine,
bestürzt habe ich von Eurem unglücklichen Schicksal erfahren. Fasset Mut, es gibt gewiss einen Weg, Euch Recht zu verschaffen. Ich bin zuversichtlich, Euch bald wieder in meine Arme schließen zu dürfen. Einstweilen teilt meinem Diener mit, woran Ihr Mangel leidet, damit ich solchem abhelfen kann und nehmt meine bescheidene Hilfe an.
Eure Euch liebende Cousine Marie"
"Marie? Liebes, Du hast ja fast soviele Namen wie ich!" lachte Francois. "Nein, mein Name ist das nicht. Linda kann ich nicht schreiben, falls jemand anderes die Zeilen liest, und den Namen Claude kennt Doro nicht, aber Marie wird sie schon verstehen." Und die echte Marie hätte ihren Spaß daran.