And if I were to meet.... von Anonymous

  Durchschnittliche Wertung: 4.5, basierend auf 20 Bewertungen

Kapitel Mitternächtliche Erkundungstouren von Anonymous

"Wer ist es?"
"Wir sind's.“
D´Artagnan sieht uns verwirrt an, also verkneife ich mir ein Augenverdrehen. Aber Maren hat ja Recht. Er wird uns doch nicht so schnell vergessen haben? Nein. Ich seh´es ihm an der Nasepsitze an, die ist bereits kalkweiß und der Rest folgt noch.
Nun beginnt ein kurzes, wohlüberlegtes Manöver, dem d´Artagnan garnichts entgegenzusetzen hat. Wenn er sich auch etwas geschickter anstellen könnte. Man muss sich ja direkt genieren, so langsam ist er! Ob er begriffen hat, dass Maren ihm von Anfang an einreden wollte, uns bei sich übernachten zu lassen? Ich fürchte nicht. Er sieht damit nicht sehr glücklich aus. Aber er ist schließlich ein Kavalier und Kavaliere lassen keine Damen in der Kälte stehen!
Es endet damit, dass d´Artagnan uns sein Schlafzimmer überlässt. Ich frage mich, wo er schläft. Oder Planchet. Nun, wenn ich ihn richtig einschätze wird einer von ihnen auf dem Boden schlafen und es wird nicht der Herr Leutnant sein! Es sei denn, d´Artagnan hat auch einen gewissen Respekt vor Planchets Bett. Dann wird er wohl die Dielen vorziehen. Oder er interessiert sich nicht für Läuse, Wanzen und Flöhe.
Hm. Ich wünschte, ich würde nicht gar so ausgeprägt darüber nachdenken. Jetzt graust´s mir ein wenig vor dem Bett.
„Maren? Nimm du doch das Bett. Ich suche mir einen Stuhl oder so etwas in der Art.“
Maren hebt stumm einen Augenbraue. Sie kann das schon richtig gut. Ich setzte einen unschuldigen Blick auf und erwidere ihren Blick.
„Nein, danke.“, sagt sie trotzdem, „ausserdem, was willst du dir da suchen? Hier gibt es exakt drei Stühle.“
„Guter Einwand. Dann eben einen Stuhl.“ Ich betrachte die Stühle. Sie knarren schon, wenn man sie nur ansieht und sie wirken auch nicht besonders tragfähig. Nun, wenn sie den Herrn Leutnant und - beizeiten - auch Monsieur Porthos aushalten, dann werden sie mich wohl auch tragen. Porthos ist ja doch um einiges kräftiger als ich. Und größer. Und breiter. Und überhaupt, warum habe ich ihn eigentlich vorgebracht? Er ist ja doch nicht mit mir zu vergleichen.
„Das sieht nicht sehr stabil aus.“, meine ich vorsichtig und werfe Maren einen Blick zu.
„Es gibt auch noch einen Tisch.“, antwortet sie darauf. Wir sehen uns den Tisch an.
Hm. Knarrender, sich unter seiner Last biegender Tisch oder knarrender Stuhl? Schwierige Wahl.
„Oder den Boden.“, sage ich. Den Boden sehen wir uns aber nicht an. Das war nur eine Verlegenheitsaussage. Dieser Boden ist nicht gut. Zwar, in meinen Geschichten habe ich mich nie sonderlich mit dem Fußboden des werten Monsieur auseinander gesetzt, aber , im Nachhinein betrachtet, hatte das seine Gründe.
Etwas unschlüssig sehen wir uns an.
„Tja ... wir könnten´s auslosen.“
„Das Bett?“ Marens Tonfall sagt alles.
„Ja, klar, wer verliert, bekommt das Bett.“, meine ich betont fröhlich.
„Und was bekommt der Gewinner?“ Maren wird noch Meister im Augenbrauenheben und sarkastischen Aussagen machen. Dabei dachte ich, für letzteres wäre eher ich prädestiniert. Augenbrauenheben kann ich leider nicht. Zumindest nicht gezielt.
„Gewinner?“, wiederhole ich, „was für ein Gewinner? Der andere Verlierer - der siegreiche Verlierer - bekommt, äh, naja ... den Tisch oder einen Stuhl. Oder sowas in der Art.“
„In dem Fall nehme ich das Bett.“
„Gute Wahl.“
„Ach? Du willst es aber nicht.“
„Nein. Ich hab´ja erst drin geschlafen.“ Ich lächle unschuldig. Maren weiß ja nicht, dass ich eigentlich in Planchets Bett geschlafen habe und nicht in d´Artagnans... Wird schon nicht so ein großer Unterschied sein. Und es ist ja nicht so, dass ich tatsächlich ein Laus gesehen hätte. Im Übrigen ... dies ist ein Traum. Davon bekommt man keine Läuse.
Während sich Maren mit misstrauischem Gesichtsausdruck auf das Bett setzt und es vorsichtig untersucht, sehe ich mich wieder um. Ich schlafe auf einem der Stühle. Das ist hoch über dem Boden - es besteht also keine Gefahr, dass irgendetwas des Nachts über mich hinweg krabbelt - und wie geschaffen für mich. Erinnert mich direkt an die Sessel in den Hörsälen des Juridicums. Den dazugehörigen Professor, der mich in den Schlaf sing--, lesen kann, denke ich mir einfach dazu.
Ich frage mich, ob ich in meinem Bett aufwache, wenn ich hier einschlafe. Das passiert ja manchmal. Manchmal, in normalen Träumen. Ob es auch in abnormalen Träumen geschieht?
Maren zupft ein wenig an ihrem Kleid herum, ehe sie sich entschließt, über Nacht eben nur das Unterkleid anzulassen. Das „Ober“kleid würde sich nur unnötig verdrücken. Mit vereinten Kräften gelingt es, das Kleid auch aufzubekommen. Bin froh, dass ich in Jeans träume.
Lange dauert es nicht, da hören im Nebenzimmer die energischen Schritte auf und ich versuche nebenbei die Wohnung abzufackeln, als ich die Kerze löschen möchte. Es gelingt mir fast, aber Maren schafft es gerade noch das Zimmer zu retten. und der Tisch ist auch bloß ein wenig angesengt. Von dem kleinen Wachsfleck auf der Wachliste garnicht zu sprechen! Das fällt sowieso nicht auf, denn wen interessiert es schon, wer übermorgen um 9 Uhr Dienst hat?
Nachdem das Licht weg ist, kommt auch bald der Schlaf. Und so ist es nur wenige Minuten später ruhig im Haus. Maren schläft, Paris schläft, alles schläft - außer mir. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht im Hörsaal sitze und mir eine Vorlesung anhöre. Oder an meiner Neugier. Denn plötzlich habe ich den Wunsch, mir d´Artagnans Wohnung anzusehen. Ob wirklich alles so aussieht, wie ich es mir vorgestellt habe?
Ich werfe einen Blick durch das dunkle Zimmer und versuche mich zu erinnern. Jene Kommode, auf der Planchet so gerne Staub verteilt, steht zum Beispiel nicht an der Wand im rechten Winkel zum Bett, sondern im schiefen Winkel zur Tür. Ob das etwas zu bedeuten hat? Und wenn ja, was? Welches finstere Geheimnis steckt dahinter, auf das ich noch nicht gekommen bin?
Vorsichtig stehe ich auf und möchte hinter die Kommode blicken. Auf halbem Wege fällt mir ein, dass das wohl keine so gute Idee ist. Ich könnte glatt etwas finden! Und das kann nicht gut sein.
Aber nun stehe ich schon und der Sessel würde nur knarren, wenn ich mich gleich wieder daraufsetzte. Vielleicht, denke ich, vielleicht, wird der Stuhl weniger knarren, wenn ich mich etwas später hinsetze... Für eine Jusstudentin ist das eine ganz enorme Menge an Unlogik, aber was soll´s ... es weiss ja niemand, dass ich so denke.
Leise, um niemanden zu wecken, schleiche ich mich zur Tür. Sie quietscht leise, als ich sie öffne und in Gedanken mache ich mir eine Notiz - „Tür quietscht - wunderbar! - Leises Anschleichen unmöglich“ -, ehe ich sie etwas weiter öffne und vorsichtig in die Dunkelheit hinaustrete.
Während ich die Tür langsam hinter mir zuziehe, lausche ich leisen, regelmäßigen Atemzügen. Sind es meine eigenen? Sie klingen eher röchelnd und ich würde es doch merken, wenn ich das täte! Und schnarchend! Wer schnarcht hier? D´Artagnan?! Das kann doch nicht sein!
Empört will ich mich dazu äußern, als mir zwei Dinge einfallen. Erstens, ich bin hier nicht allein und möchte an sich niemanden aufwecken! Zweitens, d´Artagnan schläft höchstwahrscheinlich bei Planchet und einen so guten Gehörsinn habe ich auch nicht, dass ich ihn durch Wände höre - auch wenn es hier sehr dünne Wände gibt.
Wer mag es also sein? Oder schlimmer, was? Ich glaube, das „was“ kann ich streichen. So große Wanzen werden doch hier nicht rumlaufen ... oder? Ich denke und denke und stehe still in der Dunkelheit, aber schon nach einigen Sekunden wird es mir zu dumm. Hier muss es irgendwo Kerzen geben - darauf habe ich leider vergessen - oder auch nur Streichhölzer und damit sehe ich mir das Haus an! Zuerst wird es aber einmal der Boden.
Denn kaum dass ich zwei Schritte gemacht habe, steige ich unvermutet auf etwas Weiches. Mein Fuß ist noch nicht ganz abgestellt, als ich es merke. Weich? Warum ist da etwas Weiches? Soll ich meinen Fuß nun besser wieder hochheben und, äh, um das weiche Etwas herum gehen? Oder einfach Augen zu und durch? Während ich noch überlege, erklingt wieder dieses seltsame Röcheln. Es ist relativ unregelmäßig und verwandelt sich langsam in ein Schnaufen. Und dann ist es mit einem Mal still. Ich stehe noch immer mit erhobenem Fuß da, mitten inder Dunkelheit und zögere mich zu bewegen.
„Äh. Was tut Ihr da?“
Eine Stimme reisst mich aus meine Gedanken und sie gehört Planchet. Was macht Planchet hier? Gedankenversunken stelle ich meinen Fuß ab. Wenn schon jemand da ist, brauche ich ja nicht so dumm dastehen.
Ein heiserer Aufschrei lässt mich zusammenzucken. Klingt irgendwie so als würde man aus einem Ballon die Luft auslassen...
„Planchet?“, frage ich erschrocken, während ich mich noch über meine seltsamen Gedanken wundere, „was habt Ihr?“ Ich blicke mich rasch um und sehe natürlich nur Schwärze.
„Ihr ... Ihr...“
Seine Stimme klingt viel leiser als vorher und er selbst erschöpfter. Was, ich? Von einer plötzlichen Vorahnung geplagt, wirble ich herum und starre angestrengt in die Dunkelheit. Ist das jemand? Noch jemand? Mit Waffe? Was mache ich, wenn da jemand mit Waffe ist? Hilfe ...
Während ich mich immer mehr in eine Panik hineinsteigere, stößt etwas gegen meinen Fuß und das Weiche unter mir bewegt sich. Ich fühle mich an einen Indiana Jones Film erinnert... Schlangen? Spinnen? Kakerlaken?
Entsetzt springe ich zurück, in die Richtung, in der ich die Tür zu d´Artagnans Schlafzimmer vermute. Leider ist es mit meinem Orientierungssinn nicht weit her und ich lande mit einem Fiuß auf dem Treppenabsatz und rudere gleich wild mit den Armen, um nicht rückärts hinunterzustolpern, und mit dem anderen Fuß ...
Ein langer, langer Fluch ist zu hören. Planchet hat einen enormen Wortschatz. Muss er von seinem Herrn haben, aber die Hälfte der Worte kenne ich überhaupt nicht. Ich frage mich, was der arme Kerl denn hat und will mich wieder bewegen, als ich ihn wieder höre. „Bewegt Euch nicht! Um Gotteswillen! Zum Teufel! Mademoiselle, bitte, bewegt Euch nnn....hebt schnell eure Füße!“
Was denn, beide? Schulternzuckend springe ich auf die Stufen hinunter, sehr darauf achtend, nicht den Halt am Geländer zu verlieren... welches Geländer eigentlich? Wo kommt das denn her?
Ein leiser Aufseufzer erklingt und dann höre ich, wie sich Planchet bewegt. Er geht offenbar herum und zwischendurch kann ich immer wieder hören „Bitte, bewegt Euch nicht, Mademoiselle“, „Einen Moment!“ und „Bleibt, wo Ihr seid...kommt mir bloß nicht zu nahe...“. Ich könnte mich gekränkt fühlen. Zumal ich garnicht weiss, was denn nun mit ihm los ist. Erst heute morgen habe ich in seinem Bett geschlafen! Ich finde, das verdient einen gewissen .... äh, Respekt vor mir.
Schließlich verstummen die Schritte und dann flammt ein Streichholz auf. Ich wage es endlich, mich zu bewegen, gehe auf Planchet zu und nehme die Kerze in Empfang, die er mir reicht. Er bedenkt mich mit einem ärgerlichen Blick und schüttelte seine Hand.
„Habt Ihr Euch verletzt?“, frage ich besorgt. Ein verletzter Diener ist nie gut, finde ich. Und irgendwie weiss ich, dass d´Artagnan das auch noch einmal erfahren wird.
Planchet indes starrt mich einen ganzen Augenblick lang schweigend an, kräuselt arrogant die Lippen - was mich sogleich ärgert, denn das kann ich viel besser; bei ihm sieht es lächerlich aus! - und faucht: „Dafür seid Ihr verantwortlich mit - mit Euren großen Füßen!“
Damit ist es auch getan mit dem Bosheitspotential des Picarden und er sagt nichts weiter. Das macht aber nichts, denn er wäre ohnehin nicht weiter gekommen. Ich weiss ja, dass 41 nicht gerade klein ist, aberwas fällt diesem ... Diener ein, das zu sagen? Das geht den doch nichts an!
Mit funkelnden Augen starre ich zurück und setze meinen „Ich-sitze-hier-am-höheren-Ast“- Blick auf, während ich sogleich zurückzische: „Meinen großen Füße gehen Euch überhaupt nichts an und wartet nur bis ich wieder zuhause bin! Dann werdet Ihr mal sehen, was es mit großen Füßen auf sich hat!“
Zugegeben, ich weiss auch nicht so recht, was ich damit sagen wollte. Aber die Drohung erfüllt ihren Zweck - Planchets Augen weiten sich, grausige Szenen spielen sich in seinem Kopf ab, soviel sehe ich gerade! Armer Junge. Was er wohl gerade denkt? Egal; es sorgt dafür, dass er still ist und schweigt.
Zufrieden nicke ich. „Und nun, legt Euch wieder hin, Planchet. Ihr dürft doch morgen früh nicht verschlafen.“, weise ich ihn mit leisem Spott an.
Er zögert. Sollte er misstrauisch werden? Ich setze mein unschuldigsest Gesicht auf und er zuckt schließlich mit den Schultern, während ihm ein kalter Schauer über den Rücken läuft. „Kann ich Euch nicht behilflich sein, Mademoiselle?“ Er besinnt sich wohl auf seinen letzten Rest Dienerwürde, aber das nützt hier nichts mehr.
„Nein, danke“, meine ich, „das kann ich auch allein erledigen.“
Ich sage nicht, was das ist. Planchet hat so eine nette Vorstellungskraft, wie mir nun auffällt. Ich möchte doch seine Illusionen nicht zerstören - und noch viel weniger möchte ich wissen, was das für Einbildungen sind!
Ich will mich aber auch nur umsehen. ich verstehe garnicht, warum er darüber so einen Aufstand macht! Und nun legt er sich auch noch - mit einem bedeutungsschweren Blick zu mir - vor die Tür seiner Kammer. Was sollte ich denn dort wollen? Was glaubt er? Dass ich d´Artagnan beim Schlafen zusehen möchte? Sehe ich etwa so aus, als hätte ich den Mann noch nie gesehen, während er schläft? Um Himmels willen, ich weiss sogar, was er manchmal träumt, denn ich bin dafür verantwortlich! Es ist also einfach lächerlich, sich so aufzuführen!
Aber daran kann ich nun nichts ändern und während die Kerze langsam runterbrennt, gehe ich mal die Treppe hinunter und sehe mir die Details an. Knarrende Stufe hier, kaputte Diele da, Loch in der Wand dort drüben ... schmutzige Küche, staubige Sessel. Planchet scheint ja wirklich hart zu arbeiten!
Die Minuten vergehen und ich merke es garnicht. Schließlich ist es schon zwölf Uhr, ich höre es ganz deutlich. Irgendeine Kirchenglocke schlägt zwölf Mal. Beim zwölften Schlag öffnet sich im Obergeschoß eine Tür. Ein Fluch, ein Poltern, ein neuerlicher Fluch.
Ich kann mir schon denken, was passiert ist. D´Artagnan flog über Planchet drüber. Haha. Und noch ein neuer Fluch, dem ich meinem Repertoire hinzufügen kann. Schritte erklingen und dann kommt jemand die Stiegen herunter. Rasch trete ich aus der Küche und ducke mich hinter eine Kommode. Nicht dass ich einen solchen Begegnung abgeneigt wäre, aber gerade in der Küche? Und dann fragt er glatt noch, was ich hier unten will? Äh ... Sightseeing? Das ist keien besonders gute Ausrede, also versuchen wir es erst garnicht.
Ich widerstehe der Versuchung hinter der Kommode hervorzuspähen, verberge das Kerzenlicht unter meiner Hand und warte bis d´Artagnan an mir vorbei und schließlich wieder in Planchets Kammer zurückgegangen ist. Dann warte ich noch etwas länger. Es sollten alle eingeschlafen sein ehe ich mich zurück ins Zimmer begegne. Und endlich ist es soweit.
Während ich langsam die Stufen hochschleiche, weiss ich dass ich mich wieder auf meinen Stuhl begebe. Ich werde schon bald einschlafen. Für heute habe ich genug gesehen und es gibt ohnehin nichts mehr, das ich mir ansehen möchte. In Planchets Kammer war ich schließlich schon, da gibt es nichts zu sehen. und das meine ich wörtlich. Wer interessiert sich schon für schmutzige Bettwäsche?
ICH! Ich bin gerade auf der obersten Treppenstufe angekommen und kann mit einem Blick die Sitution beurteilen. Planchet liegt schnarchend in einer Ecke und die Tür zu seiner Kammer ... steht einen Spaltbreit offen. Ein entzücktes Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.
Wenn ich nur einen kurzen Blick ins Zimmer werfe ... ja, einen ganzen kurzen, also, nicht einmal einen richtigen Blick .... Wenn ich für eine Sekunde hineinsehe, dann macht das doch nichts, oder?
Natürlich nicht, beantworte ich meine eigene Frage und sofort betrete ich den Raum. Mit der Kerze in der linken Hand taste ich mich vorsichtig voran. D´Artagnan liegt in Planchets Bett, mit dem Kopf zu mir, Sicht zum Fenster. Er schläft ganz offensichtlich; seine Atemzüge sind ruhig und regelmäßig. Ich grinse und trete ein wenig näher.
Er sieht richtig nett aus, wenn er schläft. Er sieht selbstverständlich auch sonst gut aus, aber so ... eine gewisse Aura der Unschuld umgibt ihn. Das liegt wohl daran, dass er im Schlaf nicht flucht.
„Mmmrdioux...“, höre ich ihn murmeln und mein Grinsen wächst in die Breite. Na gut, vielleicht kann er auch im Schlaf fluchen. Aber unschuldig sieht er trotzdem aus!
Etwas blitzt in der Dunkelheit auf und ein Lichtstrahl hellt für einen Moment d´Artagnans Gesicht auf. Schnell ziehe ich mich zurück, so, dass er mich nicht sehen kann und blicke mich um. Der Kerzenschein muss von irgendetwas reflektiert worden sein ... ein anderer Leuchter, ein Messer, irgendetwas ... ein Spiegel. Ich zucke zusammen als ich mein Spiegelbild sehe und noch mehr fahre ich zusammen, als sich d´Artagnan abrupt aufsetzt und mit schreckensgeweiteten Augen auf den Spiegel starrt.
Wiedereinmal tut er mir leid. Vielleicht träumte er von Mylady? Der arme, frauengeschädigte Junge. Eilig stammele ich: „Ich bin es nur, d´Artagnan. Keine Angst, das bin nur ich.“ Gerade widerstehe ich noch der Versuchung ihn in den Arm zu nehmen. Er könnte das falsch auffassen. Er weiss ja nicht, dass ich ihn besser kenne, als er sich selbst kennt.
D´Artagnan wendet in Zeitlupentempo den Kopf und sieht mir in die Augen, denn ich habe mich ebenfalls zu ihm umgewandt. Er sieht gleich ruhiger aus und seine Stimme ist fest, wenn auch ein wenig verwirrt, als er sagt: „Mademoiselle, was tut Ihr hier?“
„Ich ...oh.“ Ich reisse die Augen auf, zögere und tue so als würde ich ihn erst jetzt bemerken. „Ich, äh ... oh, Monsieur, wie komme ich denn hierher?“ Es klingt leider nicht sonderlich eindrucksvoll und meine Stimme zittert ein bisschen, als ich ihm antworte. Er hebt eine Augenbraue und mustert mich eindringlich. Ich lege meine ganze Naivität und Unschuld in den Blick, mit dem ich zurücksehe. Ob ich ihm einreden kann, dass ich ....
Er schweigt immernoch, mustert mich, will mir offenbar beweisen, dass er auch gut starren kann. Aber ich kann es besser! Ich schaffe es sogar, ein bisschen verstört auszusehen wie mir ein Blick in den Spiegel beweist.
„Was wolltet Ihr-“
„Ich bin mondsüchtig!“, platzt es aus mir heraus und ich merke garnicht, dass ich ihn unterbrochen habe. Er sieht für einen Moment verblüfft aus, dann wandert sein Blick langsam zum Fenster und ich folge ihm.
Draussen ist alles dunkel. Ja, und? Am Himmel sind eben Wolken. Ausserdem kann ich bestimmt auch mondsüchtig sein ohne Mond. Der Mond ist ja immer da... oder?
Wir sehen uns an. Auf d´Artagnans Gesicht stiehlt sich schön langsam ein Lächeln und ich möchte entnervt aufseufzen. Er glaubt mir nicht. Ich würde mir auch nicht glauben. Aber muss er das so eindeutig zeigen?
„Tj--- ich....hm. Ich werde dann wohl mal ins Zimmer zurückgehen.“ Ich zögere um des Effektswillen und verfluche im Stillen meinen Friseur! Jetzt wäre es ganz gut, wenn ich mit einer langen Haarsträhne spielen könnte... das sieht meiner Meinung nach, zwar absolut idiotisch aus, aber es wäre doch irgendwie passend.
D´Artagnan sieht immernoch aufrecht im Bett und in seinen Mundwinkeln zuckt es. Ich würde gerne noch einmal wiederholen, dass ich jetzt gehen werde, aber ich glaube nicht, dass das einen guten Eindruck hinterlassen würde. Ich beschränke mich darauf, d´Artagnan einen sehnsuchtsvollen Blick zuzuwerfen. Er erwidert meinen Blick mit offensichtlicher Verwirrung ... er hat nicht verstanden, was ich wollte.
„Ja. Ja, Mademoiselle, dann - eine gute Nacht.“
Ich kann mich eben noch davon abhalten, ihn anzuknurren und die Augen zusammenzukneifen. Vermutlich bin ich mitschuld, dass er so ungeschickt ist. Seit Constance hat sich keine Frau mehr in sein Bett gewa--- Sofort aufhören daran zu denken! Ich lenke den Gedanken ab und denke nur, dass jetzt gerade eine Frau in seinem Bett liegt. Aber nicht bei ihm. Und dazu kommt es heute auch nicht mehr! Rasch wende ich mich ab, wünsche ihm auch eine gute Nacht und schreite eiligst davon.
Armer d´Artagnan!
Nur dreißig Sekunden später sitze ich wieder auf meinem Stuhl, stoße einen tiefen Seufzer aus, ob des armen Jungen und seiner langen Leitung und versuche einzuschlafen. Zum Glück brauche ich nicht sehr lange und schlafe bald ebenso ruhig wie - alle anderen.