And if I were to meet.... von
Durchschnittliche Wertung: 4.5, basierend auf 20 BewertungenKapitel Schloss an der Seine von
[ b] Schloss an der Seine
Eisiger Wind, es schneit, die Luft ist nasskalt und die Luft riecht nach Rauch... und nach all dem was sonst so noch auf der Straße herumliegt. Etwas verwirrt schaue ich mich. Eigentlich war ich im Flugzeug nach Hause, und für eine Flugumleitung sieht das hier... entschieden zu ungewöhnlich aus. Um genau zu sein, besteht dieses „Hier“ aus einem düsteren Innenhof, in den kaum etwas Licht fällt, was nicht weiter auffällt, denn es scheint Nacht zu sein. Die Fenster die zu diesem Hof gehen sind mit stabilen Gittern versehen. Hm... gut, es scheint eine Art Schloss zu sein. Die restliche Schlussfolgerung kommt mir allzu leicht, denn irgendwo in einem Torgang streiten sich zwei Personen in einer Sprache, die ich zwar nicht verstehe, aber am Klang als französisch identifizieren kann. Meine Französischlehrerin wäre glücklich.
Innerlich verdrehe ich die Augen. Das darf und kann nicht sein... was soll ich im 17ten Jahrhundert? Ausgerechnet ich, von allen Menschen sich der ungeeignetste, mitten im 17ten Jahrhundert, ohne ein Wort – na ja nicht ganz ein Wort, vielleicht hundert bring ich noch zusammen, - Französisch und... ich schaue an mir herunter. Ich stecke immer noch in der schwarzen Jeans, schwarze Rollkragenpullover und weißer irischer Wollponcho... was für ein Aufzug!
Eine Stimme, die mich scharf und fast bellend anfährt, reißt mich aus den Gedanken. Ich fahre herum und sehe mich einem Soldaten gegenüber. Nein, nicht irgendeinem Soldaten... 1.90 groß, lange schwarze Haare, ein paar sehr eindringliche graugrüne Augen, trägt einen Kürasspanzer... Neeeeeeeeeein! Du warst eine Erfindung César! Jemand über den ich gemütlich auf meinem Balkon sitzend, die tollsten Geschichten ausspinnen konnte... aber – nimm das jetzt echt nicht persönlich – eine Begegnung war nicht vorgesehen. Er schaut mich irritiert an und wiederholt seine Worte, schärfer diesmal.
Ich zittere nicht wenig, als mir eine Phrase einfällt, die sich irgendwie aus Madame Trumboldts Franzsösischunterricht zu mir gerettet hat. „Parle d’allmagne?“ meine Aussprache muss scheußlich klingen und irgendein ferner Teil meines Verstandes stellt sarkastisch fest, sollte ich hier – und Biscarrats Anwesenheit lässt mich ja glatt fürchten, dass das die Bastille ist – etwas länger bleiben, würde ich sicher noch ein brauchbares französisch lernen. Sechs Monate im entsprechenden Land, sollen ja bekanntlich Wunder wirken...
Jedenfalls scheint er mich verstanden zu haben, denn er nickt und was dann kommt verstehe ich nicht. Nun, das wird wohl Normalzustand werden. Er bedeutet mir, ihm zu folgen. Ich gehorche und es geht hinein in diesen düsteren Bau. Irgendwie bin ich dankbar, dass es nicht sehr weit geht. Dann stehen wie vor etwas, was eine Wachstube sein könnte und dort wartet... Francis. Oder wohl besser Monsieur le Capitaine Francesco de Cavoyes. Nun, ich weiß es eigentlich nicht, aber ich höre, dass Biscarrat ihn mit „Monsieur le Capitaine“ anredet. Von selbst wäre ich kaum drauf gekommen, wieso zum Kukuck ist Francesco blond??
In jedem Falle mustert er mich und scheint meine merkwürdige Kleidung nicht zu bemerken. „Madame, man sagt mir, dass Ihr des französischen nicht mächtig seid.“ Beginnt er in einem recht verständlichen Deutsch. Danke Maike, dass du diesen Herzog von Harburg, mitsamt Hochverratsanklage, Kanzler von Petersdorf und anderem Chaos erfunden hast! „Also weshalb seid Ihr hier?“
Nun, in Staatsgefängnissen hängt man nicht herum, auch nicht als gestrandete Existenz, oder man bleibt für immer. Wenigstens meine Phantasie lässt mich nicht im Stich. Rasend schnell durchwühle ich mein Gedächtnis nach einem passenden – und möglichst unbedeutenden – sächsischen Adelsgeschlecht. Miltitz huscht mir als erstes durch den Kopf, zusammen mit irgendeiner Bemerkung von Tobias zu einer Verbindung nach Frankreich, wenn ich nur wüsste in welchem Jahrhundert. Dann kommt mir eine Lösung ein. „Man hat mich wissen lassen, dass mein Bruder Tobias von Scharfenberg, in der Bastille inhaftiert worden sei, aber wahrscheinlich irrtümlich und man wünsche....“
„Die Bastille?“ Francesco – dessen Aussehen, groß, blond mit grauen Augen, mich immer noch irritiert – runzelt die Stirn. „Madame, dies hier ist die Conciergerie.“
Gütiger Himmel! Da habe ich so gern über diese Gefängnisse geschrieben, aber erkenne nicht in welchem ich stehe! Schande über dich Doro! Mein Gesicht muss wohl schafsdämlich genug gewesen sein, denn er spricht weiter, ohne viel innezuhalten.
„Nun, dem wird sich abhelfen lassen, Madame von Scharfenberg.“ Ungewollt bin ich in einen Rang befördert worden, der unverdient ist. „ Wie es der Zufall will, bin ich ohnehin im Begriff mich zur Bastille zu begeben und Ihr könnt mich begleiten.“
Vom Regen in die Traufe... oder besser... von der Conciergerie in die Bastille. Eine mittlere Panik breitet sich in meinem Geist aus... theoretisch müsste irgendwie in dieser Zeit der dreißigjährige Krieg stattfinden, und selbst wenn ich wüsste welches Jahr wir schreiben, habe ich doch keine Ahnung was meine – reele ebenso wie vorgebliche – Heimat, darin grade treibt. Wenn er mir nur eine falsche Frage stellt. Ich muss reichlich blass geworden sein, denn er sieht sich genötigt, beruhigender zu sprechen. „Ihr habt nichts zu fürchten, Madame. Wenn Euer Bruder derjenige ist, der ich vermute, dann ist er irrtümlich, in Verwechslung mit dem Hauptmann der Musketiere, verhaftet worden.“
Wenn wir ins Gefängnis kommen, dann natürlich gründlich. Ist das vielleicht die Strafe dafür, dass ich so gern Kerkerszenen geschrieben habe? Wenn ja, dann hat das Sprichwort „Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort“ eine neue Bedeutung bekommen und Gott einen merkwürdigen Humor. In jedem Falle werde ich mit nach unten geführt, wie ich einen Ritt im Damensattel überleben soll, weiß ich nicht.
***
„Bei dem Zauber ist etwas schief gegangen, sie wurde zu früh bewusstlos.“ Tenaka Khan lehnte sich gegen den Kamin und betrachtete seinen Gesprächspartner, Hagen von Tronje, nachdenklich. „Und das kann sich zum Problem auswachsen.“
Hagen hob die Schultern. „Dann muss jemand sie rechtzeitig finden und zurückholen.“ Stellte er ruhig fest.
Tenaka hob die Hand. „Und wer? Ich habe niemanden den ich darum bitten könnte... aber wart mal. Ihr Vater ist doch... wie war das gleich?... Altgermist oder so etwas nennt es sich und müsste sich mit deiner Person befasst haben. Könntest du nicht versuchen etwas zu unternehmen.“
Hagen schüttelte den Kopf. „Er ist kein Literat, sondern Wissenschaftler und die vergessenen Wissenschaftlichen Arbeiten haben ihr Quartier im Keller dieses Hauses. Allein die jenes Wissenszweiges nehmen ein eigenes Stockwerk ein.“
Resigniert hockte sich der Nadirkhan vor das Feuer und begann auf einen neuen Plan zu sinnen.