Augustherausforderung 2004 von Anonymous

  Durchschnittliche Wertung: 4, basierend auf 3 Bewertungen

Kapitel Auf das ihr nicht gerichtet werdet von Anonymous

Authors Note: I hope I got everything allright. Thanks Soul for the quik translation!

Auf das ihr nicht gerichtet werdet

Kundschaftergänge durch die Reihen der französischen Armee hindurch ins Umland waren eine gewagte Angelegenheit und hatten schon ein Dutzend gute Männer das Leben gekostet. Doch sie waren notwendig und sei es nur, um eine erneute Botschaft um Hilfe ins ferne England auf den Weg zubringen. Der Mann der in jener kalten und nebligen Nacht unterwegs war, hatte seinerseits auf eben diese Weise sein Leben für die zum Untergang geweihte Stadt La Rochelle gewagt. Er war bereits auf dem Rückweg und ob er es erneut durch die Reihen der Feinde schaffen würde, wusste er nicht. Doch die Ungewissheit seines Schicksals war ihm gleichgültig. Sein Adoptivsohn Michael war in der Stadt verhungert, obwohl der Vater alles getan hatte dieses Schicksal abzuwenden. Und nun war es ihm fast gleichgültig ob er es zurückschaffte und den Bürgern sagen musste, dass sie auf keinerlei Hilfe rechnen konnten, - den der englische Premier und stärkste Unterstützer der La Rocheller Bürger, George Villiers Buckingham war ermordet worden und es bestanden keine Hoffnungen, dass England La Rochelle weiterhin helfen würde – oder ob er gefasst werden und unter der Tortur sterben würde. Für Cesár Galahed, der sich meist Jindár nannte, war dies gleichgültig.

Der geneigte Leser möge unseren Freund der sich so leise als möglich durch die Nebelbänke entlang der Lys schlich, nicht falsch verstehen. Jindár war alles andere als ein Selbstmörder, er würde alles versuchen um seine Aufgabe zu erledigen. Aber ob es ihm gelang oder nicht, ob er verhungerte oder anderweitig qualvoll starb, war ihm egal. Er hatte keine Familie mehr und auch keine Freunde, die Männer die einst seine Freunde gewesen waren, mochten zur Stunde unter den Belagerern sein, die La Rochelle bedrängten. Wenn er fiel würde niemand um ihn trauern, ihn vermissen oder auch nur Schaden erleiden. Und dieser Gedanke hatte etwas beruhigendes, auch wenn es nur eine kalte Beruhigung war.

Vorsichtig schlich er durch die Nebelbänke, die das Ufer des Flusses in dieser Nacht umgaben. Wenn es nach ihm ging, konnte das Wetter so bleiben, das würde es leichter machen durch die Postenketten zu schlüpfen. Nicht dass sie so besonders aufmerksam waren, wer erwartete schon, dass jemand in eine belagerte Stadt hinein wollte?

Ein leises Knurren schreckte ihn auf. Irgendwo unten am Flussufer knurrte ein Hund. Es war ein ärgerliches und aggressives Knurren. Dann gesellte sich das Patschen von Pfoten dazu. Jindár brauchte nicht lange zu raten, der Hund war alles andere als freundlich und schien das Ufer bewachen zu wollen oder sollen. Lautlos zog der dunkelhaarige Mann seinen Dolch, es war kein besonders langer Dolch, sondern eine schmale kurze Misericordia, aber es ihm genügen. Er sah den Hund gleich einem Gespenst aus dem Nebel auftauchen, und mit geöffnetem Rachen zum Sprung ansetzen. Jindár erwartete ihn, die Füße leicht gespreizt gestellt, in den Knien federnd, die Klinge gehoben. Der schwarzfellige Wächter, sprang genau in die Klinge hinein, fast riss er den vom wochenlangen Hunger geschwächten Mann zu Boden, aber Jindár schaffte es im letzten Moment nur den Kadaver in den Schlamm fallen zu lassen.

Ein ärgerlicher Ruf und ein angstvoller Frauenschrei zerrissen den Nebel. Innerlich nickte Jindár, also hatte der Hund tatsächlich das Ufer bewacht. Normalerweise hätte er verschwinden sollen, so lautlos wie er gekommen war, aber der Frauenschrei lies ihn nicht los. So hastete er durch den Nebel in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war.

Gleich einem plötzlich erscheinenden Geist schälte sich die Silhouette eines Hauses aus der Nebelbank heraus. Ebenso vom wabernden Nebel umgeben sah er mehrere Gestalten. Eine davon, ein breitschultriger Mann war dabei eine hellhaarige Frau brutal an Bord eines Bootes schleifen zu wollen, während die anderen die vor dem Haus standen kalt zuschauten.

Es bedurfte nur eines Atemzuges um für Jindár abzuschätzen, dass er bei der Frau sein konnte, ehe dieser brutale Kerl sie auf dem Boot hatte und auch bevor er Hilfe erhalten konnte. Er zog seinen Rapier und sprintete los. Die kurze Strecke überwand er leicht und erreichte das Flussufer. Die Frau versuchte verzweifelt sich gegen den Mann zu wehren. Er packte den Mann an der Schulter, riss ihn herum und stieß ihm die Klinge in den Leib. Die Frau kam mit einem überraschten Ausruf frei, gleichzeitig erklang ein empörter Schrei vom Hang her und die Männer die dort gewartet hatten eilten herbei. Ihnen voran war ein Mann, der etwas kleiner war als Jindár selbst. Er zog die Klinge zuerst. Jindár betete, dass sie ihn hintereinander angehen würden, dass würde ihm so etwas wie eine vage Chance verschaffen. In seinen besten Tagen hätte er es mit ihnen gleichzeitig aufgenommen, doch nicht jetzt nach Wochen und Wochen des Hungerns.

Tatsächlich hielten die anderen Männer sich zurück, sie waren vier und bildeten so etwas wie einen weiten Halbkreis. Jindár und die Frau standen mit dem Rücken zum Fluss, ein entkommen war undenkbar. In dem dichten Nebel und der Dunkelheit konnte Jindár seinen Gegner nur undeutlich sehen, aber ihre Klingen fanden einander. In anderen Tagen hätte Jindár seinen Kontrahenten vielleicht für leicht unterlegen gehalten, doch heute musste er alles geben um hier bestehen zu können. Ein Dutzend schwerer Schlagabtausche folgten rasch aufeinander, die Klingen sangen ihr altes, schreckliches Lied und Jindár spürte dass seine Kraft nicht ewig reichen würde. Er entschloss sich alles auf eine Karte zu setzen und wagte einen mörderischen Ausfall. Die Parade kam schneller und viel präzisier als sie hätte sein sollen. Er wurde zurückgeworfen, taumelte beinahe und fing den nächsten schweren Hieb mit seiner Klinge ab, ein Knacken ging durch seine Waffe und dann brach die Klinge gleichzeitig mit der seines Gegners, die ebenfalls nachgab. Unter der Wucht des Schlages taumelnd, ging Jindár in die Knie, und spürte schon Momente später wie sich mehrere Klingen an seine Kehle legten . die Frau hatte ebenfalls keine Hoffnung zu entkommen sie stand in seinem Rücken. Sein Atem flog, er konnte sich kaum auf den Knien halten vor Erschöpfung. „Was seid ihr nur für Feiglinge, Euch an einer Frau zu vergehen?“ stieß er mühsam hervor.

Ein Ruf des Erstaunens von seinem Gegner lies ihn aufsehen. „Jindár? Mon dieu! Wie kommst du hierher ?“

Er schaute auf und sah wie jemand, einen der bewaffneten Männer, die ihre Klingen an seiner Kehle hatten, beiseite drängte. „Verzeiht Lord Winter.“ Die Stimme klang für Jindár vertraut, aber er erkannte den Mann erst, als dieser sich neben ihn hockte. Er sah ein Gesicht, dass er kaum verkennen konnte, auch wenn es fast sieben Jahre her war, dass sie sich zuletzt gesehen hatten. „Athos?“ fragte er mühsam.

Dieser nickte. „Jindár, gnädiger Himmel um ein Haar hätte ich dich umgebracht. Was tust du hier?“

„Das sieht man doch, Athos, schaut ihn euch genau an. So abgemagert aber bewaffnet, er muss ein La Rocheller sein. Nehmen wir zwei Seile und hängen Mylady und ihn gleich nebeneinander.“ Sagte einer der Männer hart.

Der Blick der anderen vier richtete sich auf den Sprecher und diesen Moment wusste die Frau, die bisher kein Wort gesagt hatte, zu nutzen. Leichtfüßig sprang sie auf das Boot, und stieß es vom Ufer ab. Schon Momente später trieb es von der Strömung getragen davon, außerhalb der Reichweite der Männer am Ufer. Gleich einem Phantom verschwanden Frau und Boot in der nebligen Nacht.

Jindár fühlte so etwas eine vage Freude, als er sah, dass sie entkam. Im nächsten Moment, packte der Mann der vorgeschlagen hatte die Frau zu hängen ihn und riss ihn brutal auf die Füße. „Dafür werdet Ihr hängen, Hugenotte!“ ein entsetzlicher Hass schlug aus seiner Stimme hervor. Er versetzte Jindár einen Stoß der ihn in den Uferschlamm beförderte. Jindár versuchte auf die Füße zu kommen, gefasst auf einen weiteren Schlag, aber Athos fiel dem Mann in den Arm. „Nein, d’Artagnan, lasst ihn.“ Sagte er ernst und mit Autorität.

„Athos! Er hat dieser Frau die flucht ermöglicht! Er ist ein Feind, er gehört gehängt.“ Fauchte der Mann ärgerlich.

„Er hat ihr die Flucht ermöglicht, und er wusste nicht was hier geschah.“ Erwiderte Athos. „Und er mag ein La Rocheller sein, aber er ist dennoch mein Freund und wer ihn töten will muss mich vorher töten.“

Ohne weitere Worte lies er die vier sprachlosen anderen Männer stehen und hockte sich neben Jindár. Sacht half er ihm sich aufzusetzen. „Es tut mir leid.“ Sagte er dabei leise.

Jindár nickte langsam. „Mir geht es gut.“ Sagte er mühsam. „Aber was tust du hier Athos? Zusammen mit diesen Männern?“ Mit den Augen deutete er hinaus auf das Wasser und auf die Nebelbänke in denen das Boot verschwunden war.

„Für Gerechtigkeit sorgen.“ Schnappte der Mann den sie d’Artagnan nannten. „Und wenn Ihr Euch nicht eingemischt hättet....“

Athos hob gebieterisch die Hand und brachte ihn zum schweigen. „Diese Dame war meine.... Frau Jindár.“ Sagte er leise.

„Die du gehängt hast.“ Natürlich erinnerte Jindár sich.

Athos nickte. „Sie entkam damals und hat viele schreckliche Dinge begangen.“

Jindár hörte den Schmerz in der Stimme seines alten Freundes. Er hockte die Beine an und kämpfte sich auf die Füße. Als sie sich beide wieder Augen in Auge gegenüber standen stellte Jindár nur eine einzige Frage: „Und du hast geglaubt sie noch einmal zu töten würde leichter sein? Du würdest es besser verkraften als das erste Mal?“

Athos sah kurz zu Boden. „Nein.“ Sagte er leise. „Das ist mir in diesen Momenten klar geworden. Ich wäre geendet... wie damals. Ich kann sie nicht töten, egal wie sehr ich es versuche.“.

Ein ärgerliches Schnauben des älteren Mannes, den Athos vorher Lord Winter genannt hatte, in der Runde unterbrach Athos. „Und nun wird sie weiter morden und unrecht begehen. Das habt ihr erreicht, Fremder, alles Blut was sie vergießt ist auch an euren Händen.“

Jindár sah ihn an, die Leeren in ihm war größer als jemals zuvor. „Mein ist die Rache, ich werde vergelten.“ Zitierte er leise. „Und wäre es um Gerechtigkeit gegangen.. dann wärt Ihr mit Ihr zu einem Gericht gekommen anstelle sie hier bei Nacht und Nebel töten zu wollen.“

Athos beendete den Streit mit einer Geste. „Was geschehen ist, ist geschehen Jindár. Die Frage ist nur: schaffst du den Weg.... wohin auch immer du gehen willst?“

D’Artagnan mischte sich erneut ein. „Er ist wahrscheinlich ein La Rocheller Spion, Athos, wir müssen ihn als Gefangenen mitnehmen.“

„Ich werde ihn nicht ausliefern d’Artagnan.“ Erwiderte Athos.

Jindár trat an ihm vorbei auf den jüngeren Mann zu. „Macht Euch keine Sorgen, Ihr verliert nichts wenn Ihr mich gehen lasst.“ Sagte er ruhig. „Die Stadt ist dem Untergang geweiht.“

Seine Worte brachten den jungen Mann dazu den Weg freizugeben. Bevor er ging, wandte Jindár sich noch einmal zu Athos um. „Glaubst du immer noch nicht an das Schicksal?“ fragte er leise.

Ein schmerzliches Lächeln erhellte die Miene des Grafen de la Fere. „Doch.“ sagte er. „An ein Schicksal, dass immer einen Boten findet um einen vor dem schlimmsten zu bewahren. Gott sei mit dir, egal wohin du gehst.“

Jindár deutete ein Kopfneigen an, bevor er gleich einem Phantom in den Nebeln verschwand, drie sehr verwirrte Männer und einen alten Freund zurücklassend. Er musste la Rochelle erreichen.

***

Viele Meilen Flussabwärts trieb das Boot mit der immer noch über ihr Schicksal sprachlosen Frau gegen einen Baumstamm im Wasser und kenterte. Nur mit Mühe schaffte es die Frau an Land. Sie war völlig durchweicht aber am Rande einer schlafenden kleinen Siedlung gestrandet. Sie schlich sich näher an das Dorf. Aus einem geöffneten Fenster sah sie einen Vorhang, den der Wind heraustrug. Sie lächelte müde, sie würde dieses elende Stück Stoff stibizen müssen, wenn sie einen trockenen Fetzen am Leib haben wollte. Doch es sollte noch Wochen dauern, ehe sie das erste Mal wagen konnte die Ereignisse der letzten Nacht in Worte zu fassen.

Ihr sollt nicht richten auf das ihr nicht gerichtet werdet, steht geschrieben.