„Ein Wolf im Palais Cardinal?“ von Armand-Jean-du-Plessis

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Kapitel Schwanensee

„Nach Asche, Pfingsten, Kreuz, Luzei, gedenke, dass Quatember sei.“ Und es war eine der vier Quatemberfastenzeiten und zwar jene, die nach dem Fest zu Ehren der heiligen Luzia am 13. Dezember angesetzt war. Seine Majestät Ludwig XIII war ein religiöser Mann und eine Fastenzeit war selbstverständlich einzuhalten, auch wenn es in der Adventzeit besonders schwer erschien. Aber es wäre nicht die französische Hofgesellschaft gewesen, wenn man nicht eine Lösung für das „Problem“ parat gehabt hätte: Ein vorweihnachtliches Winterfest in den Hortillonages von Amiens. Honoré d’Albert, Herzog von Chaulnes, Gouverneur der Picardie und Marschall von Frankreich wurde die Ehre zuteil, der Gastgeber zu sein. Seine Besitzungen lagen nördlich von Paris und waren selbst im Winter gerade noch gut erreichbar. Die Hortillonages waren ein sumpfiges Gebiet, von zahlreichen Kanälen durchzogen, die seit dem Mittelalter für Obst-und Gemüseanbau genutzt wurden. Dieser Wasserreichtum war der eigentliche Grund für die Festlichkeit. Es gab dort zahlreiche Fischteiche und kleinere Flüsse voller Karpfen, Forellen, Hechte und anderer Speisefische. Diese sollten der adeligen Gesellschaft über die Fastenzeit hinweg helfen. Dutzende Diener, Fischer und Köche waren vorausgeschickt worden um alles vorzubereiten. Aufwendige Fischgerichte waren kreiert, Meeresfrüchte aller Art von der nahen Küste herbeigeschafft worden und natürlich wurden Froschfänger und Schneckensammler in die Feuchtgebiete geschickt.

Die Halbwölfin Luna bekam von all der Hektik und den Vorbereitungen nur wenig mit. Für sie war nur wichtig, dass es endlich wieder raus aus der Stadt ging und das mit dem gesamten Rudel. So richtig toben, rennen, jagen –  ja, das war das wahre Leben. In den Gärten und Parkanlagen von Paris ging das oft nicht so richtig. Der schwarze Wolf Rochefort war lange weg gewesen und in seiner Abwesenheit gab es keine langen Ausflüge. Natürlich hatte sie auf eigene Faust Erkundungen durchgeführt, aber seltsamerweise war das beim restlichen Rudel unbeliebt. Etwas sonderbar war, dass diesmal die Jagdhunde nicht mitdurften. Natürlich waren diese einer Luna nicht gewachsen, weder an Ausdauer noch an Stärke, aber sie zu necken und mit ihnen um die Wette zu laufen war trotzdem sehr nett. Zum Glück war ihre Sorge unbegründet, dass diese ekelhafte Leine zum Einsatz kam, denn manchmal war dies so, wenn der rote Leitwolf mit seiner Kutsche fuhr. Diesmal hatte aber Rochefort zum Kardinal gemeint: „Eure Eminenz, Ihr habt gesagt, Ihr wolltet Eure Ruhe und etwas Frieden auf der Reise. Könnt Ihr Euch etwas Besseres vorstellen als eine freilaufende Luna, die bei Eurer Kutsche patrouilliert und mich, der neben der Kutsche reitet?“ Richelieu hatte fast etwas spöttisch gelächelt und die Leine war kein Thema mehr gewesen.

Die Tische an der herzoglichen Tafel bogen sich vor Köstlichkeiten. Pilzcremesuppe mit Schnecken, Forellenpastete, Karpfen in Aspik, Lachstörtchen, Froschschenkel in Knoblauchsauce, Hummer und Flusskrebse, dazu die edelsten einheimischen Weine und natürlich auch solche aus Italien. „So sind mit dem Fasten alle Getränke vereinbar, welche nur zur Stillung des Durstes oder zur Förderung der Verdauung dienen, wie Bier, Wein, Kaffee, Tee, Limonade, Zuckerwasser, aber nicht solche Getränke, welche nur Speisen in flüssigem Zustande sind und zur Ernährung dienen, wie Milch.“ Mit dieser Regel konnte der französische Adel gut leben. Auch ein paar Schildkröten und natürlich etliche Austern und Muscheln hatte man herbeigeschafft, ebenso Hummer und Krabben.  Da Wasservögel, die sich von Fischen ernährten, ebenfalls als Fastenspeise galten, war auch die Population an Wasserhühnern, Haubentauchern und Reihern stark dezimiert worden. Und selbstverständlich war Brot gestattet und wer konnte es den Köchen in der Vorweihnachtszeit übel nehmen, wenn im Brot exotische und einheimische Früchte, verschiedene Nüsse, Mandeln, Honig und exklusive Gewürze waren. Darum musste man es noch lange nicht „Kuchen“ nennen.

Trotz der vielen Reste, die von den Tischen fielen, begann sich die Halbwöfin ein wenig zu langweilen. Eine ordentliche Jagd hatte es nicht gegeben, auch war das Gebiet zu wenig bewaldet gewesen um richtig große Beute zu finden. Nun gut, es gab viele Fischabfälle, auf denen man sich wälzen konnte. Das verströmte einen sehr angenehmen intensiven Geruch. Aber wenn man diesen Geruch nicht ausnutzen konnte, um sich an eine Beute heranzuschleichen, war es nur der halbe Spaß. Am Abend gab es eine Art Suchspiel. Eine Dame, die alle „Herzogin“ nannten, hatte etwas versteckt, das man „Smaragdcollier“ nannte. Bedienstete in bunten Gewändern rannten wild durcheinander wie ein Hühnerhaufen. Auch die blauen und die netten roten Umhangträger beteiligten sich emsig an dem Suchspiel. Selbst der schwarze Wolf schien sich suchend umzublicken. Man hatte versucht Luna in das Spiel einzubinden. So ein Suchspiel war ja eine nette Abwechslung. Doch auch die Herzogin schien sich in etwas gewälzt zu haben, das Parfum hieß. Der Geruch war penetrant süßlich und wenig appetitlich. Hatte Luna „gewälzt“ gedacht? – nein, gebadet hatte sie wohl darin! Und die Halbwölfin erinnerte sich, dass eine Zofe das Zeug auch noch mit einer Flasche versprüht hatte. Die Möbel stanken danach, alles, was die Herzogin berührt hatte, und das waren zahlreiche Gäste beim Tanz gewesen, selbst die Gläser und Teller hatten den Gestank angenommen. Nun, Luna hatte also zahlreiche Dinge gefunden, die nach Herzogin rochen, aber man schien nicht zufrieden zu sein. Ein Smaragdcollier war nicht darunter und als man wollte, dass sie nach Personen suchte, die nach Herzogin rochen, fand sie zwei Herzöge, acht Grafen, fünf Bischöfe, etliche niedere Adelige, ein paar Musketiere und Kardinalsgardisten und dutzende Dienstboten.

Rochefort, der sich zu Anfang noch etwas von Lunas Spürnase versprochen hatte, war sehr bald klar, dass man so nicht weiterkommen würde und betrachtete die Bemühungen mit zunehmendem Amüsement. Zwar konnte man so einen Diebstahl nicht auf die leichte Schulter nehmen, aber die „Resultate“ die Luna präsentierte, erheiterten ihn. Die Hofgesellschaft wurde nicht müde, die Halbwölfin mit Leckereien zu versorgen, damit sie die Spur aufnahm. Und Luna spielte natürlich mit. Der Graf hatte auch als einer der wenigen Gäste erkannt, dass das teure Parfum der Herzogin großzügig überall versprüht worden war. Er versuchte daher, sich an die Ereignisse zu erinnern. Bei der Eröffnung hatte Charlotte-Claire-Eugénie d'Albert d'Ailly, duchesse de Chaulnes, das Collier sicher noch getragen. Als Gastgeberin war sie immer im Mittelpunkt des Geschehens gewesen und hatte das Fest nicht zwischendurch verlassen. Da er wie immer für die Sicherheit des Ersten Ministers Kardinal Richelieu zuständig gewesen war, hatte der Graf von Rochefort auch die Gäste beim Bankett beobachtet, wie sie die Fasttage verhöhnten und Essen in sich hineinstopften, als gäbe es kein Morgen mehr. Da hatte die Herzogin ihre Smaragde immer noch gehabt. Dann konnte sie das teure Schmuckstück nur beim Tanzen verloren haben, oder besser gesagt, jemand hatte es geschickt an sich gebracht. Ziemlich dreist und dann kam eigentlich nur jemand von Adel in Frage. Die Tänze hatten natürlich viele Partnerwechsel, Hand-und Armtouren, es konnte fast jeder gewesen sein, der mitgetanzt hatte. Rochefort seufzte innerlich. Das waren fast zweihundert Verdächtige, so würde er ebenfalls nicht weiterkommen. Es war ja auch nicht seine Angelegenheit, obwohl – ein adeliger Trickdieb, der geschickt genug war bei Tanz ein Collier zu stehlen, war schon interessant und ein wenig Besorgnis erregend.

Plötzlich kam Gemurmel auf. Rochefort unterbrach seine Überlegungen und warf einen Blick in die Runde. Luna hatte wieder eine Spur aufgenommen und trabte auf eine Person zu. Diesmal aber schienen auch der dümmste Höfling und die nach Anerkennung gierenden Möchtegerndetektive zu erkennen, dass man so nicht weiterkam, denn Luna lief in Richtung des Königs! Der Graf erinnerte sich, dass Seine Majestät selbstverständlich der Gastgeberin die Ehre eines Tanzes gewährt hatte. Also hatte auch dieser einen Hauch des unseligen Parfums abbekommen. Zwei dienstbeflissene Musketiere traten zwischen Ludwig XIII und die junge Halbwölfin, um den Weg zu versperren. Der Geheimdienstchef des Kardinals war nicht besorgt um den König und auch nicht um Luna. Aber die Musketiere konnten verletzt werden, wenn sie so dumm waren Luna anzugreifen, obwohl sie sich nur friedlich schnuppernd näherte. Rochefort konnte diesen Ärger nicht gebrauchen. Daher kam ein kurzes: „Luna – hierher!“, und sofort blickte die Angerufene auf und rannte auf ihn zu. Mit atemberaubender Geschwindigkeit, aber geschickt ein paar aufkreischenden Hofdamen ausweichend, raste sie auf den Stallmeister Seiner Eminenz zu, bremste ab und blickte ihn an. Sie musste nicht lange warten, da erhielt sie ein Stück getrockneten Fisch. Dieser war beim Hofbankett nicht so beliebt gewesen, bei Luna aber umso mehr. Dann ließ sie sich auch noch vom vielleicht gefährlichsten Kämpfer Frankreichs streicheln und sogar den Bauch kraulen. So manche adelige Dame klappte ihren Fächer auf, in der Fächersprache ein Zeichen der leichten Empörung, und doch seufzte die eine oder andere hinter ihrem Fächer beim Anblick des stattlichen Mannes, der seine Wölfin liebkoste.

Tags darauf stand ein Ausflug zu den Wiesen und Weihern auf dem Programm. Und es waren ein paar späte Gäste eingetroffen. Unter ihnen war der Sondergesandte von Christian IV, König von Dänemark und Norwegen. Dieser war nach Frankreich gekommen um wieder einmal auf die Wichtigkeit seines Königs hinzuweisen, der immer mehr an politischer Bedeutung verloren hatte seit dem schmählichen Frieden nach den militärischen Niederlagen gegen Tilly und Wallenstein und dem immer mehr an Einfluss gewinnenden Schweden.

Der Gesandte und seine Politik waren Luna klarer Weise völlig egal, sogar Rochefort hatte ihn fast gänzlich ignoriert. Wenn da nicht das Gastgeschenk für den König gewesen wäre. Das Gastgeschenk hieß Eyk und war ein zweijähriger Jämthundrüde. Natürlich wusste Luna nicht, dass dieser aus Jämtland stammte, einer Region die seit Jahren wechselseitig von Schweden und Dänemark beansprucht wurde und er als Zeichen der Größe Dänemarks dienen sollte. Wichtig war, dass er beachtliche 65 cm Schulterhöhe hatte und knapp über 30kg wog, ein graues wolfsähnliches Fell und Zeichnung besaß und dass er gerne wild spielte. Es war ein Toben und Zwicken, ein Balgen und Hetzen, Rennen und Springen, als die beiden sich begegneten. Dem Sondergesandten wurde Angst und Bange und er glaubte, die beiden würden sich zerfleischen. Rochefort klärte ihn auf, dass sich die Tiere anscheinend gut verstanden und sich so begrüßten. Das wäre ein gutes Zeichen, denn Luna akzeptiere als Spielpartner nur gesunde, kräftige Hunde. Der Botschafter war nicht ganz überzeugt, als er Luna und Eyk zähnefletschend im Sumpf toben sah, meinte aber, diese Hunde wären auf die Jagd auf Elche und sogar Bären und Luchse gezüchtet worden und es gäbe sie seit der frühen Wikingerzeit. Der Graf erwiderte lächelnd, dass dies eine lange Ahnenreihe sei, Wölfe aber wohl seit biblischer Zeit Jäger wären.  

Endlich mal ein Spielkamerad, der nicht gleich winselte, wenn man ihn herzhaft zwickte. Luna war begeistert. Man konnte ihn auch rempeln und knuffen und er hielt toll dagegen. Daher begann sie sogar mit ihm das „Du bist meine Beute, ich bin deine Beute – Spiel“, bei dem man sich gegenseitig jagte und versuchte dem jeweils anderen ins Hinterteil zu zwicken. Sie war etwas schneller, aber Eyk war sehr wendig und konnte durchaus mithalten. Und er war ausdauernd und zäh. Fein, Luna würde das auch stundenlang aushalten, mal rennen, dann wieder zwicken, eine kurze Erfrischung im Teich, dann den anderen umwerfen und drüber rollen und so weiter. Die beiden waren unermüdlich. Während die Hofgesellschaft ob des erstaunlich warmen Wetters überlegte, ob man ein Picknick wagen könne, mit genügend Feuerschalen ringsum, dachten die beiden Raufbolde nicht an eine Pause. Einige Zeit später forderte Eyk Luna zu einer echten Jagd heraus. Und er begann gleich, in dem er einem Hasen nachjagte. Er war erfolgreich, was Luna ein wenig ärgerte. Sie hatte den Hasen natürlich auch gerochen, aber der  Jämthund hatte die Jagd eröffnet und war losgestartet und hatte sich so einen Vorsprung verschafft. Also musste neue Beute her. Hmm – was war denn das dort drüben im See? Dort schwammen zwei weiße Langhalsvögel. Die Sorte kannte Luna noch nicht. Aber sie waren groß und schienen eine fette Beute zu sein. Also ab ins Wasser und nichts wie ran. Dann bemerkte sie, dass das Wasser gar nicht so ruhig war. Es war nämlich ein angelegter Teich mit einem Wehr und einem Abfluss, der in die Somme mündete. Und das Wehr war gerade geöffnet worden um den Teich auszufischen. Karpfen im Blätterteig, Wels vom Grill und Pastete vom Hecht standen heute auf der Speisekarte der adeligen Hofgesellschaft. Es entstand eine starke Strömung und die junge Halbwölfin musste sich anstrengen dagegen anzuschwimmen. Noch dazu verhielt sich die Beute seltsam. Statt zu fliehen, schwammen die beiden Schwäne auf sie zu. Sie zischten wütend und signalisierten Kampfbereitschaft. Luna war verwundert. Noch nie hatte sich ein Vogel gestellt. Sie waren zwar recht groß, aber Vögel flohen doch immer. Diese hier aber nicht. Sie plusterten sich auf und flatterten mit den Flügeln. Luna erkannte, dass es gefährlich werden konnte. Die Strömung war sehr hinderlich und die Schwäne waren im Vorteil, da sie fast vollständig über dem Wasser waren und mit ihren langen Hälsen und spitzen Schnäbeln hatten sie eine große Reichweite. Gerade als sie überlegte, ob sie nicht doch angreifen sollte, ertönte ein Ruf von Rochefort. Er befahl sie zurück. Kurz zögerte sie trotzdem, doch dann kehrte sie um, natürlich nicht, weil sie den Kampf nicht gewonnen hätte, sondern nur weil ein ranghöheres Rudelmitglied sie gerufen hatte. Das würde auch Eyk akzeptieren.

„Sagt Abbé, Schwäne sind doch Wasservögel und sie fressen auch Fische, nicht wahr?“, war die Frage eines jungen Gecken an seinen Beichtvater. Der Abbé bejahte die Frage, nicht ohne auf die Tugend der Mäßigung hinzuweisen. Diese letzten Worte aber trafen auf taube Ohren. Der Adelige ließ sich schon eine Jagdarmbrust von einem Lakaien reichen. Rochefort hatte das Gespräch mitangehört. Das Umgehen der Fastengebote kümmerte ihn wenig, aber Luna war noch nicht ganz aus der Schusslinie. Also trat er rasch heran, nahm dem verdutzten Höfling mit einer geschmeidigen Bewegung den Bolzen weg und wandte sich an den Diakon. „Steht über den Schwan nicht im dritten Buch Mose im Kapitel 11: Unter den Vögeln sollt ihr ihn verabscheuen - man darf ihn nicht essen?“ Der überlegte kurz und erwiderte dann: „Denn ich bin der Herr, euer Gott. Erweist euch als heilig, und seid heilig, weil ich heilig bin. Verunreinigt euch daher nicht selbst.“ Verunsichert bekreuzigte sich der Geck und bedankte sich sogar bei Rochefort, während dieser bei sich dachte: „Jetzt hat es doch einen Vorteil, wenn der Dienstherr ein Kardinal ist, man wird bibelfest, ob man will oder nicht.“

Während Luna etwas außer Atem ein Gebüsch am Ufer erreichte, war dort gerade ein Mann sehr beschäftigt. Auch er war wenig begeistert, dass der Teich abgelassen wurde. Aber nicht die Strömung störte ihn, sondern das rasche Absinken des Wasserspiegels. Dadurch war ein gewisser Beutel, der an einen Faden gebunden war, nicht mehr unter Wasser sondern baumelte  bereits über der Wasseroberfläche und das war gar nicht gut.  Er hatte sich sehr vorsichtig umgesehen um unbemerkt ins Buschwerk zu gelangen. Dann nahm er vorsichtig den Beutel. Nur auf den Teich hatte er nicht so genau geachtet. Darum bemerkte er die Halbwölfin erst, als sie triefend direkt neben ihm auftauchte. Sie hatte die Stelle gewählt, weil dort das Ufer flach war und man gut an Land gehen konnte. Er erschrak fürchterlich. Sie hatte ihn also doch gerochen und entlarvt! Er hob einen Ast auf und versuchte auf Luna einzuschlagen. Das aber bekam ihm schlecht. Nicht nur, dass Luna geschickt auswich, sie fletschte die Zähne und ließ ein tiefes Knurren verlauten. Als der Chevalier den Prügel nicht losließ, ging sie zum Angriff über. Einen Schmerzensschrei später hielt sich der Höfling die blutige Hand mit der anderen. Er versuchte zu fliehen, doch da wurde er von Eyk angesprungen und zu Fall gebracht. Er landete genau vor den Füßen des Grafen von Rochefort, der herbeigeeilt war und Mühe hatte zu verhindern, dass der Mann weiter attackiert wurde. Luna gehorchte zwar, aber Eyk gab nur äußerst widerwillig nach. Er war schließlich ein Prachtexemplar von einem Rüden und wollte sich vor Luna beweisen. Dann fiel der Blick von Rochefort auf einen aufgerissen Beutel, aus dem es im Sonnenlicht strahlend grün hervorleuchtete. Weitere Adelige und Musketiere kamen schnell herbei. Auf die Frage, ob der Chevalier de Scélérat nicht einen Arzt brauche, antwortet der Graf nur süffisant: „Ich denke, zuerst braucht er ein paar Stricke für seine Hände als Fesseln und dann kann man von mir aus seine Wunde versorgen.“

„Diesmal hat Eure kleine Heldin aber eher Glück als Geschick gehabt“, meinte Kardinal Richelieu am abendlichen Kamin. Er hatte sich früh zurückgezogen, denn er war kein Freund von Völlerei und die beiden letzten Tage waren anstrengend gewesen. „Eure Eminenz, solltet Ihr als Priester dies nicht eher als Fügung bezeichnen?“, war die Replik des Grafen von Rochefort. „Gut pariert und Ihr sollt erstaunliche Bibelkenntnisse haben, so hört man“, erwiderte der Kardinal. „Aber Eyk kann nicht auf Dauer bleiben. Er ist ein Geschenk an Seine Majestät“, meinte der Erste Minister weiter. Luna und Eyk schliefen friedlich Seite an Seite, zusammengerollt, satt und zufrieden. Der Geheimdienstchef zögerte etwas mit seiner Antwort: „Man wird sehen, wie Eyk behandelt wird. Luna und ich werden ihn öfters besuchen. Unser geliebter König verliert leicht das Interesse an etwas und ich werde es nicht zulassen, dass solch ein Tier in einem Zwinger endet.“ Und es klang so, als würde Rochefort es ernst meinen, egal, ob der Jämthund ein königliches Geschenk mit Symbolkraft war…