Herz und Seele Frankreichs von RoostersCromedCDF

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Kapitel Kapitel 2

Die Geschichte ist beinahe beendet, zur Zeit sind es bereits 21 Kapitel, ich werde alle 3-4 Tage ein neues Kapitel posten. Dieses hier ist mit dem Prolog quasi „der Pilot“!

 

Kapitel 2

 

„Sie haben Aramis!“, rief D’Artagnan mit Panik in der Stimme, als er am frühen Nachmittag in das Zimmer von Treville poltere und auf seinen Gruppen-Kommandanten zustürmte.

Das jüngste Mitglied ihrer Widerstandsgruppe sah erbärmlich aus, er hatte eine Schnittwunde auf seiner Wange und das Blut hatte sich längst mit einer schwarzen Schmutzschicht verkrustet. Seine Augen waren gerötet, ganz so, als ob er geweint hätte und Treville war sich nicht wirklich sicher, ob es nicht tatsächlich so gewesen war. D’Artagnan hatte noch nicht die Abgebrühtheit der anderen Musketiere und seine Emotionen spiegelten sich in der Sekunde in seinem Gesicht, in der sein Herz sie fühlte. Er war empfindsam und hoch sensibel und es waren genau diese Eigenschaften, die ihn zu einem wunderbaren Soldaten für die Freiheit machten. Er hatte einen untrüglichen Instinkt für die Abläufe um ihn herum, erahnte gefahrvolle Manöver bereits im Voraus und konnte aus seiner Emotionalität eine ungeheure Kraft für den Kampf entwickeln, die ihm die wenigsten, die ihn das erste Mal sahen, zutrauen würden. Die Kehrseite der Medaille war jedoch auch das tiefe Empfinden des Schmerzes und der Not, die diese Zeiten mit sich brachten. Er ertrug es kaum andere leiden zu sehen und denjenigen, die er respektierte und liebte, brachte er eine Hingabe und Empathie entgegen, wie Treville es selten gesehen hatte.

„Verdammt noch mal, die Gestapo hat Aramis! Die Gestapo!“, wiederholte der junge Mann drängend und versuchte nicht einmal die Furcht in seiner Stimme zu unterdrücken.

Gleich hinter d'Artagnan krachten auch Athos und Porthos in das kleine Zimmer, beide ebenso mit schwarzem Staub überzogen wie ihr Kamerad. Porthos blutete an seiner linken Schulter, sein dunkelblaues Hemd schimmerte an dieser Stelle schwarz vom getrockneten Blut. Athos sah nicht wesentlich besser aus, auch an seinem Hals klebte getrocknetes Blut und in seinem Gesicht waren etliche Schürfwunden zu sehen.

„Es war eine Falle!“, zischte Athos. „Sie müssen es von langer Hand geplant haben und wir sind direkt hinein gestolpert. Wir sind ihnen wie Anfänger auf den Leim gegangen. Irgendjemand muss uns verraten haben, sie kannten die genaue Strategie und wussten, wo wir sein würden.“ Nach einer Pause fügte er eisig hinzu: „Und sie wussten, wo Aramis sein würde.“

Seine Miene war wie Stein, keine Regung zeichnete sich sichtbar ab, doch seine Stimme klang ungewöhnlich hohl und Treville, der ihn gut genug kannte, konnten das leichte Zittern darin und die tiefe Sorge, die sich in seinen Augen spiegelte, erkennen.

„Dieser verdammte Idiot hat seine Stellung aufgegeben. Er hat seine Stellung aufgegeben, um uns zu retten!“, flüstere Porthos benommen. Dass er nicht laut und aufgebracht sprach, wirkte auf Treville und die anderen bedrohlicher und beängstigender als irgendetwas sonst. Porthos hatte Angst und jeder wusste, dass Porthos niemals wirklich Angst hatte, geschweige denn, sie so offen zeigen würde.

Der Schock, dass es nicht so gelaufen war, wie geplant und dass Aramis nun in den Fängen der Gestapo war, hatte sich blitzartig schwer über ihrer aller Herzen gelegt und sie konnten kaum klare Gedanken fassen. Treville wusste nicht, wie es seine Männer in diesem Zustand überhaupt bis in ihr Hauptquartier, der Garnison, geschafft hatten. Er fühlte, wie alles Blut aus seinem Gesicht wich und ließ sich schwer in seinen Sessel sinken.

Die Aktion war nur knapp und beinahe überhastet geplant gewesen, sie hatten viel zu spät die nötigen Informationen erhalten. Aramis hatte weniger als einen Tag Zeit gehabt, seine Position zu suchen, aber er hatte ihm mehrmals versichert, dass sich vor Ort alles optimal ausgehen würde und seine Stellung unter den gegebenen Umständen nahezu perfekt sei. Und das Ziel war zu verlockend gewesen, um nicht ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen. Treville hatte die Information erhalten, dass sich in diesem Konvoi das Schlüsselbuch für die Enigma befinden würde, das sämtliche Konversationen zwischen dem Pariser Hauptquartier und Berlin dechiffrieren konnte. Mehrere hochrangige SS-Führer sollten diese dem Militärbefehlshaber General Stülpnagel persönlich überbringen. König Ludwig und der Hauptmann hatten diese einzigartige Chance, die ihnen so überraschend zugetragen worden war, nutzen wollen und entschlossen sich, die Sache trotz einiger Unsicherheitsfaktoren durchzuziehen.

Seit 1942 hatte sich die Résistance immer wieder erfolgreich gegen das Nazi-Regime gewehrt und sie waren gut darin, Widerstand zu leisten und die deutschen Besatzer zu zermürben. Sämtliche Bewegungen waren jedoch nicht einheitlich organisiert und geführt, jede Gruppe verfolgte im Sinne ihrer Trägerorganisation verschiedene Ziele. König Ludwig, so der klingende Deckname ihres Anführers, ging es mit seiner Untergrundzeitung Combat vor allem um den Informationsfluss für die sympathisierende Bevölkerung. Nur der engste Kreis wusste, wer König Ludwig in Wahrheit war, es gab sogar Gerüchte, wonach er tatsächlich ein direkter Nachkomme der königlichen Bourbonen-Linie sein sollte. Es dauerte jedoch nicht lange und Ludwig gründete einen militärischen Arm der Résistance, der schlagkräftig und zielsicher Nazis und ihre Kollaborateure ausschalten sollte.

Eine dieser Gruppen stand unter dem Kommando von Treville, Deckname „Hauptmann“, der seine Leute handverlesen aus dem aufgelösten französischen Militär rekrutiert hatte. Innerhalb weniger Monate hatte er eine schlagkräftige, hoch gefährliche Gruppe von Spezialisten geformt, die sich „Die Musketiere“ nannten und bis jetzt hatten sie ihre Aufträge, in der Regel Überfälle auf deutsche Konvois, immer tödlich und präzise ausgeführt. Sie schlugen innerhalb weniger Minuten zu, Aramis als einer der besten Scharfschützen, die Treville jemals gekannte hatte, schaltete zielsicher aus einer Entfernung von mehr als 300m unbemerkt und gut versteckt die meisten Nazis, die die Konvois begleiteten, aus. Die Eingreiftruppe, bestehend aus Athos, Porthos und D‘Artagnan schnappten sich in dem blutigen Tumult alles, was sie in die Finger kriegen konnten: Ausweise, Aktenordner mit Dokumenten oder Waffen. Sie agierten in der Sicherheit ihres Scharfschützen, der ihnen den Rücken freihielt und dem sie ihr Leben anvertrauten. Die von ihnen gestohlenen Dokumente waren in vielerlei Hinsicht hilfreich gewesen, doch die wirklich aussagekräftigen Informationen waren leider verschlüsselt und selbst die wirklich klugen Mitglieder der Résistance konnten die Chiffren nicht dekodieren. Umso mehr erschien ihnen die Ankunft der Schlüsselmaschine in Paris wie ein Wink des Himmels und alle waren sich darin einig, dass sie es versuchen müssten, hätten sie doch im gleichen Atemzug womöglich die einmalige Gelegenheit gehabt, General Stülpnagel selbst zu erwischen und dem Dritten Reich damit eine empfindliche Kerbe zu schlagen.

Keiner von ihnen hatte jedoch damit gerechnet, dass es eine Falle sein könnte, die ihnen anscheinend von langer Hand geplant gestellt worden war. Zu authentisch und sicher waren ihnen die Informationen erschienen, derer sie erst im letzten Moment habhaft werden konnten, passte doch die lange Geheimhaltung der genauen Ankunftspläne genau in das Denkschema der Deutschen, die in der Regel ausgesprochen vorsichtig und minutiös agierten. Dass die Schlüsselmaschine nach Paris überbracht werden würden, war zwar seit längerem bekannt, den genauen Zeitplan hingegen erfuhren König Ludwig und die Musketiere erst im letzten Moment, der ihnen durch eine zuverlässige Quelle zugespielt worden war. Genau hierin bestand das Vertrauen in die Authentizität der Informationen, denn wäre es eine Falle gewesen, wären der Résistance die Pläne sicherlich früher in die Hände gefallen, um sich sicher zu sein, dass sie den Köder tatsächlich schlucken würden. Niemand könnte so doppelbödig agieren, dafür war ihnen das Zeitfenster zu knapp erschienen. Allein, sie hatten sich geirrt, wie Tréville sich nun eingestehen musste, nun da seine Musketiere verstört und zutiefst erschüttert vor ihm standen und versuchten, ihre Fassung wieder zu finden, sich der Tragweite der Ereignisse immer mehr bewusst werdend.

Aramis hätte es besser wissen müssen!, dachte Treville als er sah, dass zur offensichtlichen Sorge und Angst des Trios auch unterschwellig Wut über den Leichtsinn ihres Waffenbruders und dessen Rücksichtslosigkeit gegenüber seines eigenen Lebens gesellt hatten. Aber jeder hier im Raum wusste, dass Aramis wieder genau diese Entscheidung treffen würde, stellte er doch das Leben und die Unversehrtheit seiner Brüder über sein eigenes Wohl.

„Was genau ist passiert?“, fragte Treville tonlos und schaute jedem von ihnen ratlos und bedrückt in die Augen, geradewegs bis in ihre Herzen hinein.