Herz und Seele Frankreichs von RoostersCromedCDF

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Kapitel Kapitel 21

RosstersCromedCDF proudly presents…

In jeder guten Serie gibt es dann und wann Gast-Regisseure, die einzelne Episoden inszenieren und so der Serie aufregende neue Aspekte hinzufügen. Warum also nicht auch in einer Geschichte?

Die nächsten beiden Kapitel hat meine wundervolle Beta barbara69 als Gastautorin geschrieben. Alle ihre absolut lesenswerten Geschichten sind auf AO3 veröffentlicht https://archiveofourown.org/users/Barbara69/pseuds/Barbara69

Von ihr habe ich gelernt, wie man in einer Geschichte dialogisch arbeitet und da sie das ganze Projekt so intensiv begleitet hat, hielten wir es für eine gute und spannende Idee, dass sie alle losen Enden zusammenführt und alle offenen Fragen beantwortet.

Und ich kann es nicht oft genug betonen: Ohne sie gäbe es „Heart and Soul of France“ nicht! Sie hat mich durch alle schreibtechnischen Untiefen und Stürme begleitet und immer daran geglaubt, dass diese Geschichte es wert ist, veröffentlicht zu werden. Von Herzen „Danke“!

 

 

Cognac war eigentlich eine französische Stadt nördlich von Bordeaux, eingebettet in liebliche Weinberge und Handels- und Handwerkszentrum für die der umliegenden Dörfer. Seit dem Mittelalter wurde hier aus dem Weißwein jener besondere Weinbrand hergestellt, der die Region über die Grenzen Frankreichs hinaus international bekannt gemacht hatte. In der Umgebung wurde schon seit römischer Zeit Wein angebaut, der im ausgehenden Mittelalter auf Lastkähnen verschifft und über unterschiedliche Häfen überwiegend auf die britischen Inseln und nach Skandinavien exportiert wurde. Erst seit dem frühen 17. Jahrhundert wurde der Wein angeblich wegen seiner besseren Haltbarkeit zu Eau de vie destilliert, eben jenem Getränk, das Athos nun, bis in die Knochen müde und erschöpft in seiner Hand hielt.

Es war zwar erst Vormittag, aber für ihn fühlte es sich an, als wäre er seit Ewigkeiten munter und die Last der jüngsten Ereignisse wog schwerer auf seinem Herzen als jede andere Mission davor.

Tréville hatte ihm und Anna beim Betreten des Büros wortlos jeweils ein Glas, gefüllt mit deutlich mehr als dem üblichen Fingerbreit der goldenen Flüssigkeit, gereicht. Ein Blick in die Gesichter der Männer hatte gereicht um zu ahnen, dass sie bereits erwartet worden waren. Athos hatte das Glas dankbar entgegengenommen während Anna abgelehnt hatte. Auf Trévilles fragenden Blick unter zusammengekniffenen Augenbrauen hin hatte Athos ihm das Glas kurzerhand aus der Hand genommen. „Danke, das nehme ich noch. Wäre schade, wenn es verkommt.“ Er hatte einen Verdacht, verspürte jedoch nicht das geringste Bedürfnis, diesen zu äußern. Dafür hatte er definitiv noch nicht genug Alkohol in seinem Blutkreislauf.

„Ich weiß, es ist noch recht früh, aber ich hätte doch gedacht, dass du, wo du schon hier bist, mit uns auf Aramis' Befreiung anstößt.“, sagte Tréville irritiert und musterte Anna misstrauisch. „Ich kann weiß Gott einen guten Schluck vertragen“, fügte er hinzu. „Auf Aramis!“

„Auf Aramis“, schloss Athos sich seinen Brüdern beim Toast auf ihren Scharfschützen an und leerte anschließend sein Glas. Er genoss den malzig-weichen Geschmack des Getränks, der nun über seine Zunge rollte und spürte dankbar, wie die milde Schärfe seine aufgewühlte Seele beruhigte. Angenehme Wärme hatte sich in ihm ausgebreitet, als er seinen Blick wieder zu Anna wandte.

Anna verstand ihn wohl auch ohne Worte, denn sie seufzte tief und reckte dann ihr Kinn vor, wie um sich zu wappnen für das, was jetzt kommen würde. „Nun gut, ich werde wohl kaum umhin kommen euch alles zu erklären und am besten lasse ich die Katze gleich aus dem Sack.“ Sie schaute kurz zu Porthos, der grimmig dreinschauend sein Glas mit beiden Händen fest umklammerte, und d'Artagnan, der ebenso wie Porthos an der Wand rechts von ihr lehnten. D'Artagnan schien noch immer mitgenommen von der ganzen Sache. „Wie ihr gesehen habt und ich bereits gesagt habe, werde ich bei Aramis blieben. Ich habe meinen Mann verlassen und werde auch nicht wieder zu ihm zurückkehren. Ich schwanger und erwarte ein Kind von Aramis.“

Eine bleierne Stille legte sich über den Raum, durchbrochen nur von den gedämpft durch die Fenster dringenden Gelächter der Kinder des Pavillons, die in der warmen Märzsonne im Park des Krankenhauses spielten.

Tréville starrte Anna fassungslos an und man konnte sehen, wie er offenkundig nach Worten suchte. „Du bist schwanger?“ brachte er schließlich heiser hervor. Er räusperte sich und nahm einen weiteren tiefen Schluck aus seinem Glas.

„Ja,“ antwortete Anna schlicht und stellte endlich ihre kleine Reisetasche ab, die sie noch immer in der Hand hielt. „Ich werde mit Aramis ein neues Leben anfangen. Ich hätte Ludwig schon vor Jahren verlassen sollen, die Schwangerschaft war nur endlich der letzte Schubser, den ich gebraucht habe, um in die richtige Richtung zu gehen. Das und die Erkenntnis, was für ein Mensch Ludwig wirklich ist“, fügte sie leise hinzu.

Es entstand eine kleine Pause, in der alle Augen auf Anna gerichtet waren. Es schien, als würde sie den Männern Zeit geben, erst einmal das zu verdauen, was sie gerade gesagt hatte. In ihr Gesicht hatten sich tiefe Sorgenfalten gegraben, die darauf hindeutete, dass das Geständnis der Affäre mit Aramis und der daraus resultierenden Schwangerschaft nicht alles war, was ihr auf der Seele lag.

Anna holte tief Luft und schloss kurz die Augen, ganz so als müsse sie erst Kraft sammeln für das, was sie als Nächstes sagen würde. Sie knetete ihre Finger und ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Wut, als sie weitersprach. „Er trägt die Verantwortung dafür, dass es der Gestapo überhaupt gelungen ist, Aramis gefangenzunehmen. Er hat die Geheimnisse ausgeplaudert und ist sich nicht einmal bereit, seine Schuld einzugestehen!“ Die letzten Worte hatte sie förmlich herausgespuckt, als würde es ihr Ekel bereiten, sie noch länger im Mund haben zu müssen.

Tréville, der sich gerade erst von dem ersten Schock einigermaßen erholt hatte und gerade sein Glas zum Mund führen wollte, erstarrte plötzlich mitten in der Bewegung. „Was?“

Porthos trat einen Schritt auf Anna zu und stellte sein Glas dabei so heftig auf Tréville's Schreibtisch ab, dass der Rest des Inhalts aus dem Glas schwappte. „Ludwig hat was?“

Von allen Männern im Raum war Porthos wahrscheinlich derjenige, der am allerwenigsten Sympathien für Ludwig hegte, was durchaus auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Zu unterschiedlich waren beide Männer als dass sie jemals eine Ebene gefunden hätten, um sich auch nur annähernd zivilisiert unterhalten zu können. Mit Sicherheit war Porthos aber von ihnen allen auch der Mann, der einen fast übernatürlichen Beschützerinstinkt entwickelte, wenn es um seine Freunde ging. Und insbesondere dann, wenn es um Aramis ging. Das Grollen, das tief aus Porthos' Innerem zu kommen schien war fast noch furchteinflösender als das Funkeln blanker Wut in seinen Augen. „Was hast Du da gesagt? Ludwig hat Aramis an diese Schweine verraten?“

Anna wich unwillkürlich einen Schritt vor Porthos zurück, der sich drohend vor ihr aufgebaut hatte. Sie stieß an Athos, der ihr beruhigend eine Hand auf den Arm legte.

„Porthos.“

Porthos' Blick richtete sich auf Athos und dieser konnte sehen, dass sein Bruder einer tickenden Zeitbombe glich, bereit, jeden Moment zu explodieren. Athos selbst hatte Mühe, seine Stimme ruhig und gefasst klingen zu lassen. Nach Annas Worten hatte sich plötzlich ein eisiger Klumpen in seinem Magen gebildet, der nun seine kalten Finger langsam in alle Richtungen auszustrecken begann.

„Ich bringe das Schwein um“, zischte Porthos, trat aber doch einen halben Schritt zurück, augenscheinlich bemüht seine angespannten Muskeln zu entspannen. Seine Fäuste jedoch ballten sich unablässig weiter.

Tréville räusperte sich erneut. „Wie meinst Du das, Anna? Inwieweit ist Ludwig in Aramis' Gefangennahme involviert? Und was genau soll er verraten haben?“

Athos konnte am Gesicht des Hauptmanns ablesen, dass dieser Zweifel hegte bezüglich der Aussage Annas. Niemand von ihnen kannte Ludwig besser als Tréville, Athos meinte sich daran zu erinnern, dass die beiden sich schon seit Ludwigs Jugendzeit kannten und Tréville stets so etwas wie ein Mentor für Ludwig gewesen war. Er hoffte, dass Anna triftige Gründe für ihre Behauptung hatte.

 

„Setz dich doch“, sagte er zu Anna und deutet mit dem Kinn Richtung Schreibtisch, vor dem zwei Stühle standen. Er selbst trat zu Tréville und wechselte einen kurzen Blick mit ihm eher er ans Fenster ging und sich dort an die Fensterbank lehnte.

Anna schüttelte leicht den Kopf und blieb stehen. Direkt an Tréville gewandt begann sie zu berichten, leise und ruhig, aber mit so viel Hass in der Stimme, dass es fast wie ein Zischen klang . „Die unschöne Szene die Ludwigs Beichte vorausgegangen ist, erspare ich euch, aber Ludwig hat mir gestanden, dass er bei einem seiner Bordellbesuche mit seinem Saufkumpel Rochefort etwas ausgeplaudert hat, was er nicht hätte verraten dürfen.“

„Rochefort?“ hakte Athos scharf nach, noch ehe einer der anderen reagieren konnte. „Zieht er noch immer mit diesem Taugenichts durch die Gegend?“ Er warf Tréville einen Blick von der Seite her zu, den dieser kurz erwiderte. „Ich habe noch nie verstanden, was Ludwig nur an diesem Mann findet, in meinen Augen ist es eine gefährliche Schlange.“

„Ja, und eine, die man am besten unter der Stiefelspitze zertritt,“ knurrte Porthos. „Nun wundert mich nicht mehr, wie Aramis in die Hände der Nazis fallen konnte, wenn diese miese Ratte beteiligt war.“

D'Artagnan, der bislang stumm, aber mit schreckgeweiteten Augen und offenem Mund dem Gespräch gefolgt war, trat einen Schritt näher an Trevilles Schreibtisch heran. „Ist Rochefort nicht schon einmal verwickelt gewesen in eine Aktion, die fürchterlich schief ging? Meint Ihr den Rochefort?

Porthos und Athos nickten beide gleichzeitig und an ihren grimmigen Gesichtern war abzulesen, was sie von diesem 'Zufall' hielten.

„Ja, mit diesem Mensch umgibt sich Ludwig immer noch gerne und anscheinend hielt er es auch für angemessen, bis ins kleinste Detail Geheimnisse der Résistance auszuplaudern“ Anna hatte ihre Hände um die Stuhllehne vor ihr gelegt und krallte nun regelrecht ihre Finger ins Holz. Sie sah Treville an. „Er hat Rochefort von dem Konvoi erzählt. Den genauen Ort hat er nicht verraten, so clever war er dann doch oder jedenfalls nicht betrunken genug, aber er musste Rochefort natürlich unter die Nase reiben, dass er sich für das Unterfangen der Dienste des besten Scharfschützen, den die Résistance momentan zu bieten hat, bedient hat. Er behauptet zwar, er hätte Aramis nicht namentlich genannt, aber ich glaube ihm nicht. Und wenn schon,“ fügte sie hinzu. „Rochefort wusste auch so genau, wen Ludwig damit meint.“

Es war fast noch ein bisschen stiller im Raum geworden als zuvor und Tréville, der nur ganz selten aus der Fassung gebracht werden konnte, starrte Anna mit halb offenem Mund fassungslos an. „Sag mir, dass das nicht stimmt. Dass er das nicht getan hat“, flüsterte er heißer.

Anna nickte langsam und presste ihr Lippen fest zusammen. Athos sah ihr ebenso wie Treville die tiefe Enttäuschung und den Schmerz darüber an, dass Ludwig für ein bisschen Herumgehure und ein Saufgelage allzu viel aufs Spiel gesetzt hatte. Sie umrundete den Stuhl und setzte sich nun doch.

Athos warf Porthos und d'Artagnan einen warnenden Blick zu. Bevor Porthos gleich lospoltern und wüste Beschimpfungen ausstoßen würde, musste er erst noch etwas klarstellen. „Von was genau reden wir hier, Tréville?“ Er baute sich seitlich des Schreibtischs auf, so hatte er die Möglichkeit sowohl Treville in die Augen zu sehen als auch Porthos und den Gascogner im Blick zu behalten. „Um was für einen Konvoi geht es und was hat Aramis damit zu tun?“

Tréville sackte förmlich in seinem Sessel zusammen und rieb sich mit beiden Händen mehrmals über das Gesicht. Dann schien er sich wieder unter Kontrolle zu habe und warf jedem seiner Männer der Reihe nach einen ernsten Blick zu. „Ludwig hat vor zwei Jahren während Paris in die Hände der Deutschen fiel, wertvolle und unbezahlbare Kunstschätze aus dem Louvre in Sicherheit gebracht. Ich selbst weiß nicht genau, wohin. Er hatte mich damals um Rat gefragt, auf der Suche nach Männern, die den Transport durchführen und vor allem auch sichern könnten. Ich hatte ihm Aramis als absolut zuverlässigen Mann und besten Scharfschützen, den ich kenne, empfohlen. Nur sehr wenige Leute wissen davon.“ Tréville sah Anna an und in seinen Augen spiegelten sich die gleiche Wut und Fassungslosigkeit darüber, dass Ludwig für all das Schreckliche, was Aramis widerfahren war, verantwortlich war.

„Und die Gestapo hat sich gezielt Aramis geschnappt, weil sie aus ihm den genauen Lagerort herausfoltern wollten.“ D'Artagnan's Stimme klang brüchig und hohl, als er die Schlussfolgerung aus dem eben Offenbarten zog. „Das bedeutet doch aber, dass Rochefort ein Spion der Deutschen ist, oder? Zumindest aber ein Kollaborateur.“

Athos und Porthos wechselten einen intensiven Blick, der nichts Gutes verhieß. Athos wusste, dass Rochefort keine ruhige Minute in seinem Leben mehr haben würde. Porthos würde jeden Stein umdrehen, jeden Gegner aus dem Weg schaffen und bis ans Ende der Welt ziehen, um Rache an dieser Schlange zu nehmen, die nicht nur Frankreich verraten, sondern vor allem Aramis' Leben aufs Spiel gesetzt und ihm unendliche Folterqualen beschert hatte. „Ich wusste vom ersten Tag als ich ihn sah, dass Rochefort ein falsches Spiel spielt, aber Ludwig wollte es ja nicht hören. So wie er nie hören will!“ Obwohl Porthos fast leise sprach hallten seine Worte doch wie die Posaunen von Jericho durch das kleine Zimmer. „Ihm sind alle anderen einfach scheißegal, cet fils de pute, cet gros con!“

Porthos' Schimpftirade wäre wohl noch eine Weile weitergegangen, wenn nicht Tréville plötzlich wie von der Tarantel gestochen vom Stuhl hochgefahren wäre. „Mon dieu,“ stieß er aus und starrte Anna an. „Hat Aramis irgendetwas erzählt, was genau die Gestapo von ihm wissen wollte?“

Porthos und d'Artagnan schüttelten den Kopf und Anna schaute von einem zum anderen.

Athos trat unmittelbar an den Hauptmann heran. „Was Du doch eigentlich wissen willst, ist, ob Aramis der Gestapo verraten hat, wo die Kunstschätze versteckt sind, oder?“ Seine schneidende Stimme war gefährlich emotionslos, aber es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben. „Du fragst dich, ob sie vielleicht schon auf dem Weg dorthin sind, wo auch immer Ludwig das Zeug hingeschafft hat.“

Kurz hielt Tréville dem Blick Athos' stand, dann wandte er die Augen ab und nickte. „Ja. Wir müssen in Erfahrung bringen, was die Gestapo weiß.“

„Nichts.“

Alle Augen richteten sich auf d'Artagnan.

„Hat er das gesagt?“ fragte Tréville.

„Er hat eigentlich gar nichts gesagt, er war die halbe Fahrt über ohnmächtig oder jedenfalls kaum ansprechbar, und das, was er hier in der Garnison erzählt hat, hast du selbst gehört“ erwiderte d'Artagnan.

„Glaubst du allen Ernstes“, zischte Porthos „Aramis lässt diese ganze Folter über sich ergehen und verrät dann, wo all diese Kunstschätze sind? Schau ihn dir doch an! Eher würde der Dummkopf sterben als auch nur ein Fitzelchen französischen Nationalguts in die Hände der Deutschen fallen zu lassen.“

Tréville strich sich müde über die Augen. „Du hast ja recht, Porthos. Ich weiß, dass Aramis niemals etwas verraten würde, aber wir wissen auch, wozu die Gestapo fähig ist. Ich würde nicht einmal für mich selbst die Hand ins Feuer legen, ob sie mich am Ende nicht doch zum Sprechen bringen könnten.“ Er schaute Porthos schuldbewusst an. „Wir müssen ihn fragen, sobald er wieder bei Bewusstsein ist.“

Les Inseparablesschauten sich grimmig an. Was ihnen wie ein Verrat an Aramis vorkam war im Grunde nur das, was jeder Kommandant der Welt in solch einer Situation überlegen und anordnen würde. Trotzdem fiel es ihnen schwer, Trévilles Anweisung wortlos hinzunehmen.

„Ich werde ihn fragen“, antwortete Athos kalt, denn er wusste schon jetzt, wie sehr es Aramis treffen würde, dass man ihm zutraute eines der wichtigsten Geheimnisse der Republik verraten zu haben.. „Sobald er sich von der Narkose erholt hat.“

Tréville nickte grimmig und ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken. „Nun zu Ludwig“, setze er erneut an, wurde aber sofort von Porthos unterbrochen.

„Genau, Ludwig, wo wir gleich beim Thema wären“, Porthos' Stimme bebte vor kaum unterdrückter Wut. „Wie kann es sein, dass Aramis an einer so gefährlichen Operation teilnimmt und wir WISSEN NICHTS DAVON!“

„Porthos, beruhige dich!“ Athos war nun ebenfalls laut geworden, ahnte er doch, was in seinem Freund vor sich ging und befürchtete, dass dieser nun gleich alle mühsam unterdrückte Beherrschung verlieren würde.

„Ich will mich aber nicht beruhigen“, grollte Porthos zurück und funkelte Athos zornig an. „Oder hast du es gewusst? Hat du es gewusst und uns auch nichts gesagt?“

„Nein, ich höre gerade auch zum ersten Mal davon. Aber wenn Aramis uns nichts davon gesagt hat, so wird er wohl seine Gründe gehabt haben. Du kannst ihn ja gerne danach fragen, wenn Lemay ihn wieder zusammengeflickt hat und er nicht zerschlagen, blutig und halb ohnmächtig vor Schmerzen im Bett liegt“, zischt Athos zurück.

Messieurs, bitte beruhigt euch“, warf Tréville dazwischen und hob beschwichtigend beide Hände

„Und du, traust du uns auch nicht mehr genug, um uns davon zu erzählen? Sind wir nicht mehr vertrauenswürdig genug oder sind wir es einfach nicht wert, in alle Pläne der Résistance eingeweiht zu werden? Immerhin sind wir es, die da draußen Kopf und Kragen riskieren“, fuhr Porthos nun den Hauptmann an.

„Porthos, bitte, das hat doch...“

Annas Schlichtungsversuch wurde jäh abgeblockt als Porthos unvermittelt an ihren Stuhl herantrat und sich drohend vor ihr aufbaute. „Du kannst ganz ruhig sein! Wie lange geht das denn schon zwischen Aramis und dir? Du spielst uns allen hier die Unnahbare vor und dann fängst du eine Affäre mit Aramis an? Ausgerechnet mit Aramis?“

Anna fuhr zusammen, ihr hilfesuchender Blick blieb schließlich an Athos hängen.

Athos erwidert den Blick und versuchte Anna zu verstehen zu geben, dass sie Porthos' Worten nicht allzu viel Bedeutung beimessen sollte. Porthos war gekränkt, aber sein Zorn auf Aramis und Anna würde genauso schnell auch wieder verfliegen. Als er wieder aufschaute erkannte er, dass er ein wenig zu lange und intensiv Annas Blick erwidert hatte.

Porthos starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. „Du wusstest davon, oder?“, zischte er.

„Porthos…“, setzte Anna erneut an.

„Mit dir rede ich nicht“, herrschte Porthos sie eisig an. „Nun?“

Athos seufzte und schloss kurz die Augen. „Ja, ich wusste davon, aber nur weil ich die beiden überrascht habe, damals im Kloster nach dem Luftangriff. Was hätte ich denn tun sollen? Glaubst Du ich war erfreut darüber? Glaubst Du mir war es recht, dieses Geheimnis für mich zu behalten?“, bellte Athos zurück.

„Porthos bitte, ich habe Aramis gedrängt, niemanden davon zu erzählen und er hat mir zuliebe Athos gebeten darüber zu schweigen“,warf Anna leise dazwischen.

„Aramis hat keine Geheimnisse vor uns. Jedenfalls hatte er das bislang nie“, erwiderte Porthos eisig.

D'Artagnan war näher an Porthos herangekommen und legte seinem Freund nun beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. „Es ist ja nicht nur Annas Schuld, ich meine dazu gehören ja immer zwei“, sagte er leise, „und außerdem war es ja wohl vernünftig es nicht an die große Glocke zu hängen. Stell Dir vor, Ludwig hätte es herausgefunden.“

Athos musterte d'Artagnan und war einmal mehr erstaunt, wie viel Einfühlungsvermögen und Lebensweisheit eigentlich in dem jungen Mann schlummerten, was man seinem jugendlichen Alter und seiner oft unüberlegten Art gar nicht zutrauen würde. Sicherlich dachte der Gascogner allerdings auch an seine eigene, heimliche Affäre mit der verheirateten Constance, sinnierte Athos. Bei dem Gedanken konnte er sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Jäh wurde er allerdings wieder aus seinen Gedanken gerissen, als Porthos erneut lospolterte.

„Genau! Hörst Du dich eigentlich selbst reden, Junge?“ Porthos schüttelte d'Artagnan's Hand ab und wich einen Schritt zurück. „Vielleicht hat Ludwig ja längst herausgefunden, dass seine Frau eine Affäre mit Aramis hat und es war kein Zufall, dass er Rochefort davon erzählt hat, der ganz zufällig die Informationen an die Nazis weitergegeben hat. Vielleicht wollte Ludwig Aramis ja einfach nur los werden. Am Ende gibt es gar keine verstecken Kunstschätze, nur einen König der sich ins Fäustchen lacht.“

Mit einem Schlag war es wieder totenstill geworden in dem Raum. Die Blicke, die sich auf Porthos richteten spiegelten Erstaunen, Entsetzen und Erkenntnis wider. Athos war sich nicht sicher, welche dieser Emotionen in diesem Augenblick in seinen Augen zu finden war , aber er war der erste, der sich wieder fing. „Kann das wahr sein?“ Sein Blick richtet sich auf Anna.

Anna schaute ihn hilflos an und zuckte unschlüssig mit den Schultern.

„Kann es?“, wiederholte Athos seine Frage, diesmal an Tréville gerichtet.

Dieser hielt Athos' Blick einen Moment lang stand, dann räusperte er sich. „Das kann ich nicht glauben. Die Kunstschätze sind weg aus dem Louvre, ich habe es selbst gesehen. Ludwig mag seine Fehler haben, aber das traue ich ihm nicht zu.“ Wenn Tréville seinen eigenen Worten nicht allzu viel Glauben schenkte, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.

„Ganz ehrlich, mir ist es eigentlich auch egal.“ Porthos' Stimme war nun beängstigend leise geworden, was viel schlimmer wirkte als das polternde Gemurre, das er üblicherweise von sich gab, wenn er verärgert war. Sein harter Blick war direkt auf Athos gerichtet. „Wenn Aramis der Meinung ist, er muss uns nicht in seine Geheimnisse einweihen oder nur einen auserlesenen, erlauchten Kreis an vertrauenswürdigen Personen, dann soll er es tun. Wenn wir nichts für ihn tun können, um ihn zu schützen, dann ist es seine eigene Schuld. Mir ist es gleich.“

Porthos' Miene allerdings strafte seine Worte Lügen und verriet für jeden erkennbar, dass es ihm eben gerade nicht egal war. „Soll er doch tun, was er will.“ Mit diesen Worten wandte sich Porthos um und verließ den Raum, kräftig die Tür hinter sich ins Schloss knallend.

„Nimm es Dir nicht zu Herzen, das ist einfach seine Art zu zeigen, wie sehr ihm Aramis' Wohl am Herzen liegt und ihn die ganze Sache mitgenommen hat“, sagte Athos zu Anna.

„Ich weiß“, antwortete Anna leise.

„Ich werde mit Ludwig reden, er wird mir einiges zu der ganzen Angelegenheit zu erklären haben. Gnade ihm Gott, wenn auch nur die Hälfte von dem, war hier gerade vorgebracht wurde, stimmt.“

Tréville's Stimme klang gefasst und ruhig, aber Athos kannte ihn gut genug um zu wissen, dass das, was Porthos in seiner Wut gesagt hatte, dem Hauptmann doch zu denken gab, genauso wie der Bericht Annas dass Ludwig in betrunkenem Zustand wohl nicht alle Geheimnisse der Résistance hatte bewahren können. Er war froh, dass ausnahmsweise einmal nicht er oder einer seiner Brüder den Zorn Tréville's zu spüren bekommen würden. Heute würde jemand anderer Adressat eines voraussichtlich riesigen Anschisses werden. Und zu recht, wie Athos vermutete. Bei dem Gedanken, dass Ludwig tatsächlich für all das, was Aramis widerfahren war, verantwortlich wäre und vielleicht sogar willentlich gehandelt hatte, spürte er erneut, wie sich eine eisige Kälte in ihm ausbreitete. Vielleicht hatte er Ludwig bislang immer unterschätzt.

„Weißt Du, wo er momentan ist?“, wandte sich Tréville an Anna. „Erreiche ich ihn zuhause?“

Anna zuckte mit den Schultern. „Ich denke ja. Wir hatten, wie gesagt, einen unschönen Streit als ich ihm gesagt habe, dass ich ihn verlassen werde. Als ich ging, war er sehr aufgebracht. Naja, ich war mindestens genauso aufgebracht wie er, nachdem er mir die Sache mit Rochefort gestanden hatte. Ich vermute mal, er sitzt zuhause, leckt seine Wunden und ertränkt sein Selbstmitleid in Alkohol.“

„Gut, ich werde versuchen, ihn zu erreichen. Wenn Du magst, kannst du dich fürs Erste hier in Aramis' Zimmer einquartieren.“ Bei seinen letzten Worten war Tréville's Unwohlsein darüber, dass Anna nun ganz offen mit Aramis zusammen war und sich mit ihm ein Zimmer teilen würde, deutlich herauszuhören, aber er kommentierte nichts weiter dazu.

Athos für seinen Teil hatte im Moment genug gehört und ging erschöpft seufzend zu Trevilles Tisch, schraubte die Cognacflasche auf und füllte erneut sein Glas, aber er wusste, dass es nicht genug Alkohol geben würde, um den Frust und Ärger der heutigen Ereignisse hinunter zu spülen.