Je suis une femme von Engel aus Kristall

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Kapitel Kapitel 13

Kapitel 13

Wir heirateten an einem der ersten warmen Tage im März, ich konnte mich nicht erinnern jemals mehr Glück empfunden zu haben. Die Trauungszeremonie fand im Garten des Anwesens de la Fére statt, sogar das Wetter hatte Einsehen mit uns. In den Abendstunden begann es allerdings zu regnen, weswegen sich die Feierlichkeiten ins Haus verlagerten.
Ich war so froh endlich einen Moment allein mit Olivier zu haben, unter den vielen mir unbekannten Augenpaaren, hatte ich mich nicht sehr wohl gefühlt. Die Gäste gehörten allesamt seiner Familie an, einige mochten sehr weit entfernte Verwandte sein. Eines war ihnen jedoch gemeinsam. Für sie war ich nur ein hergelaufenes Mädel, das sich in eine wohlhabende Familie zu drängen versuchte. Ich merkte ganz genau, wie sie mich ansahen. Bestimmt zerrissen sie sich hinter meinem Rücken ihre großen Mäuler über mich.

„Bitte wart…“, flüsterte ich, und fasste nach Oliviers Arm, als er ebenfalls ins Haus gehen wollte. „Lass uns noch hier bleiben.“
Er zog verwundert die Augenbraue hoch. „Aber wir werden ganz nass… die schönen Gewänder.“
Schnell stellte ich mich vor ihn, um ihm den Weg zu versperren, und blickte zu ihm auf. „Bitte… nur ein paar Minuten.“
Offenbar konnte er meinem Lächeln am Ende doch nicht widerstehen. Wir zogen die Schuhe aus und liefen lachend durch das nasse Gras bis ans hintere Ende des Gartens. Erst bei dem kleinen Zierteich blieb er stehen. Ich schaffte es nicht mehr anzuhalten, auf dem feuchten Untergrund schlitterte ich gegen ihn, und wir landeten beide in der Wiese. Er auf dem Rücken, ich bäuchlings auf ihm. Das war mir so peinlich! Doch er ließ mich nicht zurück weichen, sondern hielt sanft meine Handgelenke fest, und gab mir einen zärtlichen Kuss.

„Ich liebe dich, Anne de la Fére“, flüsterte er.
Anne de la Fére. Das war tatsächlich ich! Immer noch konnte ich es kaum fassen, dass ich jetzt Oliviers Frau war. Endlich gab es einen Platz, an den ich gehörte. Ich beugte mich zu ihm herunter, um ihn meinerseits zu küssen. Mein nasses Haar fiel auf sein Gesicht, den Regen hatte ich mittlerweile völlig vergessen.
Schließlich richtete er sich auf und wollte den Spieß umdrehen. Doch als er über mir war, fühlte ich mich jäh an den Abend bei Monsieur Dominic erinnert, ich wich erschrocken zurück.
„Anne, was ist denn los?“ wollte er irritiert wissen. „Ich wollte nicht… es tut mir leid, entschuldige.“
Schuldbewusst sah ich ihn an, mir tat es leid so zu reagieren. „Schon gut… ich glaube langsam friere ich doch ein wenig.“
Er nickte. „Dann gehen wir schnell hinein, ich möchte ja nicht, dass du dich erkältest.“ Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte er mich auf seine Arme gehoben und trug mich zum Haus. Ich hielt mich an ihm fest, bei ihm fühlte ich mich sicher. Ich nahm mir vor nicht mehr an Vergangenes zu denken.

Erst in seinem, jetzt unserem Gemach ließ er mich herab. Ich war bisher nur einmal hier gewesen, es kam mir größer vor als in meiner Erinnerung. Wenn draußen die Sonne schien, war der Raum lichtdurchflutet und strahlte Wärme aus.
„Ich komme gleich wieder. Und du solltest zusehen, dass du aus den nassen Sachen raus kommst.“ Er berührte zärtlich meine Hand, dann ließ er mich allein. Wohin er wohl ging?
Kurz darauf erfuhr ich es. Er hatte eine Flasche des guten Schaumweins und zwei Gläser geholt. Als er mich mit erhobener Augenbraue musterte, wurde ich mir wieder dessen bewusst, dass ich immer noch mein durchnässtes Kleid trug. Olivier war allerdings auch nicht wesentlich trockener, weswegen er wollene Überdecken aus dem Schrank nahm, in eine hüllte er sich selbst, die andere reichte er mir. Das war schon viel besser.

„So, bitte sehr.“ Er gab mir eins der beiden Gläser, die er gerade mit Schaumwein gefüllt hatte. „Auf uns, und eine lange glückliche Ehe.“
Das helle Klirren des Anstoßens hallte lange in meinen Ohren nach. Ich hatte nur wenig getrunken, als wir unsere Gläser zur Seite stellten, und er mich innig küsste. Seine Arme umfassten meine Taille, er zog mich näher zu sich heran. Seine zärtlichen Berührungen fühlten sich gut an, doch gleichzeitig verstärkten sie meine Unsicherheit. Ich kam mir so dumm und unwissend vor, weil ich im Grunde nicht wusste, was er von mir erwartete. Darum ließ ich ihn einfach gewähren.
Bald lagen unsere warmen Decken achtlos neben dem Bett auf dem Boden, und er machte sich reichlich ungeschickt an den Bändern meines Kleides, mit denen auch ich selbst meine Probleme gehabt hatte, zu schaffen. Doch ich konnte mich darüber nicht amüsieren, mir war schlagartig etwas eingefallen. Wenn er mir auch noch die Unterwäsche auszog, würde er die verfluchte Lilie entdecken.

Rasch griff ich nach seinen Händen, um ihn daran zu hindern den Erkundungszug über meinen Körper fortzusetzen. Er sah mich irritiert an.
„Warte…“, bat ich ihn nur, löste mich aus seinen Armen und trat vor die großen Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Draußen lag der Garten bereits in gespenstischem Dunkel. Nachdem ich auch noch jedes Licht im Raum ausgelöscht hatte, war es so finster, dass ich kaum den Weg zurück zum Bett fand.
Dann spürte ich wieder seine Gegenwart dicht bei mir. Auch ohne ihn zu sehen, erahnte ich, dass meine Aktion ihn wohl sehr verwirrt hatte. Das konnte ich ihm auch nicht verübeln. Eine Hand tastete nach der meinen.
„Aber Anne, was soll das denn?“ fragte er leise. „Ich möchte dich sehen.“
Ich strich zärtlich über seine Wange. „Bitte, lass es gut sein… für heute.“ Als ich ihn küsste, widersprach er nicht mehr. Bald darauf waren wir beide entkleidet. Auch wenn er mich gar nicht sehen konnte, war es ein eigentümliches Gefühl, das erste Mal völlig nackt vor einem Mann zu liegen.
Olivier war sehr behutsam, doch als er schließlich über mich glitt, bekam ich es mit der Angst zu tun. Mein erster körperlicher Kontakt mit einem Mann hatte mit Liebe nichts zu tun gehabt. Die Furcht war noch in mir, obwohl ich wusste, dass er mir niemals weh tun würde.

Ich lag noch lange wach in dieser Nacht, während Olivier neben mir schon schlief. Sein tiefes Atmen hatte etwas Beruhigendes an sich, es ließ mich nicht vergessen, dass er bei mir war. Die Lilie hatte er nicht gefunden, aber seine Finger hatten auf den tiefen Narben inne gehalten, die meinen Rücken zierten, da wo mein Vater mich mit dem Lederriemen verprügelt hatte, bis ich blutete.
Am nächsten Tag fragte er mich nach diesen Narben, wie ich es befürchtete. Meine Antwort fiel nur knapp aus, ich wollte nicht darüber sprechen, sondern die Vergangenheit ein für alle Mal hinter mir lassen. Nichts davon war wichtig, es zählte nur, dass ich jetzt an Oliviers Seite leben durfte, und endlich glücklichere Tage begonnen hatten.
Doch in meinen Albträumen erlebte ich alles immer und immer wieder, ohne dass ich es hätte beeinflussen können. Nicht selten wachte ich schreiend, schwitzend und um mich schlagend auf, um mich dann in den Schlaf zu weinen. Olivier stellte Fragen, die ich ihm nicht zu beantworten vermochte. Vielleicht ahnte er schon damals etwas, dessen bin ich bis heute nicht sicher.

Die Nächte waren eine Sache, die Tage eine ganz andere. Ich war nun die Gräfin de la Fére, daran musste ich mich erst gewöhnen, ebenso wie die übrigen Bewohner des Anwesens. Den vielen Anforderungen zu genügen, die an mich gerichtet wurden, war nicht leicht, es gab vieles, das ich beachten musste. Ich gab mir alle Mühe mich richtig zu verhalten, um Olivier nicht zu blamieren. Es gelang weiß Gott nicht immer.
Die Dienstboten sprangen, wenn ich sie nur ansah, diese Aufmerksamkeit war mir so unangenehm. Zwar entstammte ich einer adligen Familie, aber ich hatte trotzdem gelernt die Dinge selbst zu erledigen. Dieser neue Titel mochte mein Leben von Grund auf verändern, doch niemals meine Persönlichkeit.
Zur Verwunderung der Stallburschen ließ ich es mir auch nicht nehmen, mich jeden Tag um Mélisses kleine Stute zu kümmern, sie zu füttern und zu bürsten. Schließlich hatte ich der alten Frau mein Wort gegeben. Das würde ich nicht brechen, sollten mich Oliviers Eltern noch so tadelnd ansehen, wenn ich morgens nach Pferd riechend wieder einmal zu spät zum Frühstück erschien.