Juliherausforderung 2004 von Silvia
Durchschnittliche Wertung: 3.5, basierend auf 6 BewertungenKapitel Eine falsche Entscheidung von
Die falsche Entscheidung.
An dem trüben Morgen 1626 herrschte im Hotel de Treville das übliche Durcheinander. In den Wachstuben und dem Vorzimmer drängten sich Musketiere und tauschten lautstark Neuigkeiten, Gerüchte und Klatsch aus. Besonders laut lachte eine Gruppe von Musketieren, die sich um einen jungen Mann, der seiner Erscheinung nach gar nicht zum Korps sondern der Leibgarde des Monsieur des Essarts gehörte. Aber er schien hier bestens zu Hause zu sein und war gerade dabei seinen berüchtigten Spott auf seine Eminenz loszuwerden und da er nicht weniger als zwei der berüchtigtsten Leibgardisten seiner Eminenz im Duell bezwungen hatte, genoss er den Respekt der anwesenden Truppe. Wie immer lachten sie sich halbtot über die scharfzüngigen und geschliffenen Witze auf seine Eminenz, dessen Leibgarde und dessen Geliebte. Die drei besten Freunde des jungen Mannes, waren ebenfalls Anwesend, Aramis und Porthos lachten herzlich über jede gelungene Spitze und jede neue Gemeinheit, während Athos zwar zuhörte und über die gröberen Scherze durchaus einmal die Augenbrauen hob, aber nicht zu einem Lachen oder auch nur einem Lächeln zu bewegen war.
Die großartige Stimmung hatte gerade ihren Höhepunkt erreicht als ein Musketier von ungefähr dreißig Jahren in die Wachstube geeilt kam. Er rannte beinahe, und hatte rücksichtslos einige Männer die draußen standen zur Seite geschubst. Athos stand auf als der Mann hereinstürzte. „Eure fast fünfzehn Jahre im Dienst unbenommen Nathaniel, sie sollten Euch aber noch nicht den letzten Rest guten Benimms geraubt haben.“
„Aber die Garde des Kardinals kann es durchaus.“ Erwiderte der Angesprochene matt. Erst jetzt bemerkten alle Anwesenden, dass der Mann bleich wie die Wand war. Er taumelte und musste sich gegen die Wand lehnen. Porthos sprang herbei und stützte ihn. Vorsichtig half er ihm, sich auf einen Stuhl zu setzen. „Seid ihr verwundet Nathaniel, was ist passiert?“
Nathaniel nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Verwundet ja, Wundarzt später, es wird mich nicht umbringen.“ Sagte er mühsam. Er rang nach Atem, und sprach erst nach einigen Augenblicken weiter. „Leutnant Silvanus, d’Ouviere und ich waren zum Ponte Neuf unterwegs nach dem Dienst und sind von einem Leibgardisten gefordert worden.“ Setzte er mühsam hinzu.
„Nur einer?“ kam der erstaunte Ruf aus allen Ecken des Raumes.
Nathaniel nickte. „Ja. Einer. Eine halbe Portion, vom Aussehen her. Mittelgroß, fast fragil und zu hübsch. Blond. Ein blonder Hübschling wie man ihn eher bei den schönen Damen erwartet. Er forderte uns alle Drei. Nacheinander wie er sagte.“ Wieder kämpfte er um Atem. „Der Leutnant fragte ihn was sein Streit mit uns wäre und wer er sei. Darauf sagte er, sein Name sei Velcan und er gehörte zur Garde seiner Eminenz und fragte wie viele Beleidigungen auf sein sauberes Korps der Herr der Leutnant den hören müsse, bevor er bereit sei sich um dessen Ehre zu schlagen.“
Fassungslose Mienen und saftige Flüche begleiteten diese neue Frechheit der Leibgarde. Athos stellt die nächste Frage: „Und was ist dann geschehen? Wollt ihr sagen, dass ein einzelner Mann euch alle drei hintereinander besiegt hat? Das wäre die schlimmste Schande die dieses Korps jemals erduldet hat!“
Nathaniel nickte wieder. „So war es aber. Er begann gegen den Leutnant. Ich dachte dass der Leutnant für diese halbe Portion nicht lange brauchen würde, aber ich habe mich geirrt. Dieser Velcan er war so schnell, fast wie ein Tänzer und so tödlich. Was für ein Kämpfer. Der Leutnant ging nach der zweiten Parade schwer verwundet zu Boden. D’Ouviere starb am ersten Treffer und ich, wurde erst verwundet und verlor dann meinen Degen. Er sagte mir ich solle zurückgehen zu meinen Kameraden und Trost bei ihnen suchen. Ich habe Silvanus geholfen und bin dann hergekommen...“
In der Wachstube erhob sich laute Unruhe. Flüche, Verwünschungen und wilde Racheschwüre klangen durcheinander. Nicht weniger als sechs Musketiere machten sich auf der Stelle auf den Weg den Frechdachs zu suchen und Mores zu lehren. Während bereits nach einem Wundarzt gerufen wurde, sah Athos wie Porthos den sechs davonziehenden lange nachsah. „Das wird wohl nicht gut gehen.“ Murmelte er düster.
***
Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell sagt man und dieses Mal erwies es sich als besonders wahr. Die vier Kameraden hatten ihren jeweiligen Dienst beendet und waren zum Abend im „Parpaillot“ eingekehrt, als ein sehr fröhliches Lachen und Becherklirren ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie brauchten sich nur einmal umzuwenden als sie eine ganze Rotte Leibgardisten dort sitzen sahen. Unschwer erkannten sie Jussac, Bernajoux und Biscarrat, die gerade miteinander anstießen. Der vierte, der in ihrer Mitte saß, war ein fragil gebauter junger Mann, den man ob seines Bartlosen Gesichtes hätte für einen Jüngling halten können. Aber die klare Reife seiner Züge und noch viel mehr seine Augen die sehr ernst und erwachsen waren, legten ein Alter von wenigstens fünfundzwanzig Jahren nahe. „Auf dich, Velcan.“ Sagte Bernajoux eben. „Du hast den Herren Musketieren wundervoll gezeigt, dass ein grüner Junge aus den Gascogne eben nicht alles ist.“ Herzliches Gelächter begleitete die Worte.
Der junge Mann jedoch wehrte ab. „Zu viel der Ehre Bernajoux. Auch wollen wir die Musketiere, da sie doch selbst anwesend sind, nicht beleidigen.“ Sagte er. Seine Stimme war sanft und von der seltenen Klarheit an der der Kenner eine gute Stimme sofort erkennt.
„Wollt ihr etwa behaupten, dass wir uns unserer Ehre nicht zu wehren wissen?“ D’Artagnan hatte schnell und heißblütig gesprochen. Niemals würde er zulassen, dass jemand auf die königlichen Musketiere spuckte, schon gar nicht irgendein dahergelaufener Leibgardist.
„Nein.“ Erwiderte Velcan lächelnd. „Aber dass ich von dem Schlägertrupp den euer Ehrenwertes Korps ausgeschickt hat und der mir in der Rue de Tiquentonne aufgelauert hat, etwas ermüdet bin, während die Herrn sich den ganzen Tag nur mit Aufregung und Flüchen ermüdet haben.“
Nun war d’Artagnans jugendlicher Zorn voll entfacht. „Wir werden einen Spaziergang miteinander unternehmen müssen, Monsieur. Jetzt und sofort. Eure Ermüdung ist keine Ausrede für Eure Worte.“ Fauchte er.
Biscarrat wollte bereits eingreifen und D’Artagnan zurecht weisen, aber Velcan legte ihm die Hand auf den Arm. „Nein, mein Freund, wenn der junge Monsieur darauf bestehen, reiten wir zum Luxembourg und tragen es dahinter aus. Wenn mir die Herren noch einmal die Ehre erweisen und meine Sekundanten sein würden.“
Athos war einen schnellen Schritt vorgetreten und hatte sich vor D’Artagnan gestellt. „Es ist nicht sehr ehrenhaft einen nachweislich Ermüdeten Mann zu fordern.“ Sagte er leise und streng zu seinem jüngeren Freund.
D’Artagnan hätte sich vielleicht von den besonnenen Worten seines Freundes beruhigen lassen, doch die Chance ging dadurch verloren dass Velcan aufstand und sagte: „Ihr erweist Eurem Ruf ein Spiegel der Ehre zu sein, wieder einmal Gerechtigkeit Monsieur.......Athos. Doch ich werde nicht bis morgen um auf die Forderung Eures Freundes zu antworten.“
Athos ruhiges Nicken in Richtung von Velcan verriet, dass er dessen Worte sehr wohl respektierte. „Porthos, wenn Ihr der andere Sekundant sein könntet.“ Sagte er leise.
Doch Porthos, der sonst so unerschütterlich war, stand bleich und stumm an seinem Platz. „Ich kann nicht Athos.“ Sagte er rau. „Ich kann nicht.“ Damit wandte er sich um und eilte hinaus.
Ein spöttischer Zug erschien auf Jussacs Miene, aber ehe er etwas sagen konnte, wandte sich Velcan zu ihm. „Wenn Euch meine Freundschaft etwas bedeutet Jussac, den schweigt bitte zu diesem Vorfall und verschweigt ihn auch.“ Sagte er sehr ernst. „Ihr würdet mir damit einen großen Dienst erweisen.“
***
Der Platz hinter dem Luxembourg war verlassen um diese Tageszeit. Normalerweise war die Dämmerung nicht der ideale Zeitraum um sich zu schlagen. Doch den beiden Kontrahenten schien dies egal zu sein. Sie hatten einander gegenüber Position bezogen und maßen einander mit den Augen. Für Momente stand die Zeit still, dann brach D’Artagnan seine Klinge frei und führte eine rasche Attacke auf seinen Gegner. Für Momente sah es so aus, als hätte er einen leichten Erfolg damit, doch statt dessen parierte Velcan beide Angriffe hintereinander und nutzte D’Artagnans geöffnete Deckung zu einem blitzschnellen, mörderischen Gegenangriff. Von einem sauberen Stoß in den Oberkörper getroffen ging D’Artagnan zu Boden.
Velcan trat zurück und steckte die Waffe wieder in die Scheide und verbeugte sich höflich. „Ich hoffe damit ist unsere Auseinandersetzung für heute beendet. Er kann seinen Degen behalten, kein besserer könnte ihn führen, denke ich.“ Sagte er beinahe sanft.
Aramis, der zu D’Artagnan geeilt war und die Wunde untersucht hatte, sah auf. „Wer seid ihr?“ fragte er leise.
Ein merkwürdiges Lächeln glitt über das Gesicht von Velcan. „Man nennt mich Velcan, Monsieur Aramis. Ich bin Gardist seiner Eminenz, möge Gott ihn Frankreich erhalten, und mehr habe ich Euch nicht zu sagen. Kümmert Euch um Euren Freund, er wird es brauchen, ich kenne meine Hiebe.“ Damit wandte er sich ab und ging zu seinen Kameraden Bernajoux und Biscarrat die ihn in die Mitte nahmen und mit ihm fortgingen.
***
D’Artagnan war schlimm verwundet worden und lag unter der Obhut von Athos Vermieterin in der Rue Feroù. Als Athos und Aramis am nächsten Morgen im Hotel de Treville ankamen, hörten sie bereits von weitem das Donnerwetter von Monsieur de Treville. „Und vor allem Wünsche ich zu hören Porthos, warum ihr Eurem Kameraden nicht wenigstens als Sekundant beigestanden habt!“
Athos sah Aramis an. Die Geschichte war also schon heraus. Wer immer sie verbreitet hatte, er hatte Vordergründig die Kardinalsgarde im Verdacht. Aramis nickte zustimmend, mit hochgezogenen Augenbrauen. Er kam nicht mehr dazu etwas zu sagen, denn sie hatten des Vorzimmer erreicht und hörten von drinnen de Trevilles zornige Stimme. „Schickt die beiden Herren gleich herein.“
Während sie eintraten, hatte de Treville sich bereits wieder Porthos zugewandt. „Und wollen der Herr mir inzwischen sein merkwürdiges Verhalten erklären?!“ grollte er.
Porthos sagte eine Weile gar nichts zu diesem Vorschlag. Erst, als dem Hauptmann anzumerken war, dass er nahe vor der Entscheidung stand, seine wachsende Ungeduld entweder in Verärgerung oder in ernsthafte Besorgnis umschlagen zu lassen, begann er zögerlich: "Mon capitaine... Darf ich Euch offen eine Frage stellen?"
"Fragt nur." gestattete Monsieur de Tréville, wenn auch mit ein wenig verwunderter Miene. Athos sah seinen Hauptmann fest an. "Glaubt Ihr an Gespenster, mon capitaine?"
"Ob ich... Was zum Teufel soll diese Frage?"
"Vergebt, wenn ich zu aufdringlich bin... Doch es ist von höchster Wichtigkeit für mich, Eure Antwort auf diese Frage zu hören."
"Nun... Begegnet bin ich noch keinem Gespenst." sagte der Hauptmann mit ein wenig ratloser Miene. "Und eigentlich rechne ich auch nicht damit, so rasch eines zu treffen, wenn ich ehrlich bin..."
" Weiß Gott, ich hätte auch nie damit gerechnet, mon capitaine, und doch... Es ist albern, ich weiß... Ihr werdet mich noch für verrückt halten... Jedoch... Ich habe einen Geist gesehen."
"So, so." sagte Monsieur de Tréville, und hätte er als Hauptmann der königlichen Musketiere nicht eine gewisse Würde zu wahren gehabt, hätte er nun wohl sehr ungebührlich gelacht. (Neiges d’antan) „Nun gut.“ Sagte er schließlich. „Diese Erscheinung wird euch hoffentlich nicht daran hindern, die Ehre Eurer Kompanie und auch die Eure, wiederherzustellen. Ihr werdet diesen Velcan fordern und besiegen Porthos, ich vertraue darauf, dass Ihr ihn bezwingen könnt.“
Porthos sah für einen Moment zu Boden und war totenblass geworden. „Ich möchte Monsieur le capitaine inständig bitten mir dies nicht zu Befehlen..... ich kann nicht gegen diesen Mann kämpfen.“ Sagte er leise.
De Treville sah ihn streng an. „Monsieur Porthos, ein Musketier kann sich nicht aussuchen gegen wen er kämpft. Wenn Ihr mir nicht eine gute Begründung für eure Weigerung liefert, bleibt der Befehl bestehen.“ Er wandte sich den Ankömmlingen zu. „Die Herren können Monsieur Porthos nach bester Kraft unterstützen. Eine Schande ist dies!“
Porthos ging mit den beiden Freunden hinaus. Draußen jedoch ging er mit keinem Wort auf Ihre Fragen ein, sondern ging einfach weiter. „Lasst mich.“ Murmelte er.
***
Einige Tage später war Porthos verschwunden. Er erschien nicht zur Wache, nicht im Hotel de Treville und niemand sonst hatte ihn irgendwo sonst gesehen. D’Artagnan, der geradeso wieder auf den Beinen war, sandte Plachet aus Porthos oder Mousqueton zu suchen.
Der Diener erfüllte den Auftrag mit gewohnter Geschicklichkeit. Er entdeckte Mousqueton gegen Abend vor Porthos Wohnung, wie er sie gerade verließ. Er sah sich so vorsichtig um, das Planchet entschied ihm unauffällig zu folgen. Mousqueton eilte durch die Straßen von Paris mit einer Geschwindigkeit, die es Planchet schwer machte ihm zu folgen. Es wurde bereits dunkel als Planchet schließlich sah wie Mousqueton auf eine Kirche zuging. Die Kirche erkannte er ohne Mühe, es war Saint Eustache. Mousqueton eilte auf eines der Seitenportale zu.
Planchet wich unwillkürlich in einen Hausschatten zurück und sah von dort aus zu, wie erst ein Besen und dann eine schmächtige Gestalt, die das Kehrwerkzeug wie eine Hellebarde umklammert hielt, aus dem Halbdunkel der Kirche ins Freie traten. Anscheinend wollte diese Person, nicht zulassen, dass der Andere Saint-Eustache betrat und obgleich ein Besen im Ernstfall nicht viel gegen einen Degen auszurichten vermochte, wich der Mann kein Stück zu Seite. Als er nun auch noch laut genug rief, dass es bis zum Louvre zu hören sein musste: "Ketzer! Ihr werdet diesen geheiligten Ort nicht betreten!", fuhr es Planchet wie ein Blitz durch den Sinn: Das war Bazin! Er kannte diese Stimme gut, die sich allzu leicht überschlug, wenn sie sich über etwas erregte, besonders, wenn es um die Religion ging. (Der Diener)
„Bazin.“ Hörte er Mousqueton sagen. „ich bitte dich doch nur diesen Brief zu übergeben, mehr nicht.“
„Mein Herr wird hier nicht gestört werden.“ Ereiferte sich Bazin. „Er wird endlich von seinem sündigen Leben lassen.“
Planchet musste lächeln. Ja das war typisch Bazin. Er trat aus dem Schatten heraus. „Mousqueton ich kann deinen brief überbringen. An wen soll er gehen.“
Mousqueton fuhr herum und sah Planchet aus beinahe tränengefüllten Augen an. „Es ist nicht wichtig. Einem der drei anderen Herren, welchem ist gleichgültig. Oh, mein armer Herr... das wird sein Tod sein. Er sprach die ganze vom Wasser, einem See.“ Er begann die Hände zu ringen, das der Brief geknautscht wurde. „Es wird schrecklich enden.“
Bleichen Gesichtes nahm Planchet den Brief aus Mousquetons zitternden Händen und wandte sich an Bazin. „Du magst von uns sonst denken was du willst, jetzt verhalte dich wie ein künftiger Geistlicher und kümmere dich um Mousqueton.“ Sagte er bevor er sich umwandte und davoneilte.
***
D’Artagnan hielt bereits nach Planchet Ausschau als er von Dienst kam und fand ihn auf der Schwelle der Hintertür sitzend. „Was den Bursche? Hattest du nicht einen Auftrag?“ fuhr er ihn an.
Planchet sah ihn an. „ich habe ihn ausgeführt, aber Herr.... er ist eine Ungeheuerlichkeit, ein solche Tragödie.... ausgerechnet Monsieur Porthos, der ein solch vortrefflicher Musketier war.“ Murmelte er
D’Artagnan ging die Art Planchets, aus allem ein dramatisches Stück sondersgleichen zu machen, langsam ziemlich auf die Nerven, aber er beherrschte sich, denn ein Rüffel hätte nur dazu geführt, daß er noch länger auf eine Antwort warten müßte. So sagte er nur, als Planchet noch immer keine Anstalten machte, die "Ungeheuerlichkeit" näher zu erklären und sich stattdessen mit einem zerschlissenen Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte: "Höre Planchet! Wenn du mir nicht bald sagst, was dich durcheinander gebracht hat, werde ich mein Haus betreten und mich ausruhen, denn der Dienst für den König ist bisweilen sehr ermüdend - für meine Beine und meine Geduld!" (D’Artagnan mon amour)
Planchet reichte ihm mit zitternder Hand den Brief.
D’Artagnan öffnete ihn hastig und las die Zeilen die in Porthos schwerer Handschrift verfasst waren:
Meine Freunde,
wenn Ihr diese Zeilen erhaltet, werde ich einen letzten Versuch unternehmen, den Konflikt mit Velcan außerhalb des Kampffeldes beizulegen. Den gegen ihn fechten kann ich nicht. Ich bitte Euch nicht um Verständnis, denn wie sollt Ihr verstehen was ihr nicht wisst? Ich kann Euch nur bitten mich nicht für feige zu halten, weil ich mit Velcan die Klingen nicht kreuzen kann. Sollte ich Velcan nicht überzeugen können, dann werde ich den einzigen Ausweg wählen der dann noch bleibt.
Immer der Eure
Porthos.
Ohne sich noch um den dasitzenden Planchet zu kümmern, rannte D’Artagnan los um Athos zu finden.
***
Missmutig betrachtete Athos die Waffe in seiner Hand. Der Degen war nicht gut ausgewogen, der Korb ein schlichtes Bügelgefäß, die Parierstangen zeigten Zeichen von Abnutzung - wie die Klinge selber. Schartig und stumpf war sie, ohne jeden Glanz, ein Gebrauchsgegenstand für einen Soldaten, nicht mehr.
Athos war weit mehr als ein einfacher Soldat. Er war Musketier in den Diensten des Königs, und als solcher gehörte auch das Repräsentieren seines Standes zu seinen Pflichten. Mit dieser Waffe, die er langsam durch die Luft schneiden ließ, konnte er das nicht.
Sein alter Degen war zerbrochen. Es war natürlich im Kampf geschehen, einer der großen Leidenschaften des verdienten Musketiers, im Kampf gegen zwei Gardisten von Kardinal Richelieu, die ihn provoziert hatten.(Die Klinge)
Nun blieb ihm nur diese Waffe, ein alter Degen, den er einmal erbeutet hatte.
Erschrocken sah Athos auf, als die Tür aufflog und D’Artagnan hereingeeilt kam. „Athos wir müssen etwas unternehmen.“ Und mit hastigen Worten sprudelte der Gascogner die ganze Geschichte hervor.
***
Athos war nicht der Mann einen Freund in einer schwierigen Lage allein lies. Wenn sein Freund nicht gegen Velcan kämpfen konnte, wie es verlangt war, dann würde er es eben unmöglich machen indem er Velcan vorher tötete. Zwar hatte er ihn nur einmal fechten sehen und hielt ihn für einen genialen Kämpfer, aber dies lies ihn nicht zögern.
Gemeinsam mit D’Artagnan ging er zum Palais des Kardinals. Die Garde draußen wurde von Jussac geführt. Dieser grüßte sie spöttisch. „Sind die Herren Musketiere hier nicht auf dem falschen Posten?“ fragte er.
Athos trat einen Schritt vor. „Ich bin hier um den von Euch, der sich Velcan nennt, zu fordern. Hier und jetzt.“
„Hört hört!“ einige der Gardisten schienen den Gedanken sehr amüsant zu finden. Sie brauchten noch nicht einmal gehen um den geforderten zu holen. Er erschien selbst am oberen Ende der Treppe. „Hier bin ich Monsieur Athos. Es wird mir eine Ehre sein.“
Sie standen einander gegenüber. Der alte Degen von Athos gegen den Rapier von Velcan gelegt. Die Zeit stand still, dann schnellte Velcan vor und eröffnete den tödlichen Tanz. Athos parierte den Hieb, und griff mit einem Ausfall an. Es war ein Duell wie man es nicht alle Tage sah, beide Kämpfer waren meister der Klinge, beide waren schnell und brillant in ihren reaktionen auf die Finten des anderen. Dennoch gewann Velcan systematisch die Oberhand, begann sich auf die Schwächen seines Gegners einzuspielen, schneller und tödlicher als Athos lieb sein konnte. Athos blutete bereits aus zwei Wunden, und Velcan ging zu einer letzten, finalen Attacke über, als das Musketier mit einem gewagten Ausfall der Klinge seines Feindes auswich und ihm den alten Degen tief in die Brust trieb. Mit einem Aufschrei stürzte Velcan zu Boden.
„Velcan....Nein!“ hallte ein Schrei über den Platz. Porthos war soeben auf den Platz gekommen und eilte zu dem gestürzten der in einer sich rasch vergrößernden Blutlache lag. „Oh nein, Velcan bitte, du musst durchhalten.“
Ein schwaches Lächeln glitte über die Züge des getroffenen. „Es ist zu spät Großer. Aber die Ehrenschuld... die ist beglichen. Gib meinen Rapier Athos...er war der bessere hier....“ keuchend holte er Atem. „Lass mich im Meer Begraben.... da wo Mutter liegt.... leb wohl......Bruder.“ Noch einmal Bäumte er sich auf, dann sank er zurück.
Mit Tränen in den Augen hielt Porthos den Leichnam in den Armen. Schließlich als er aufsah, war sein Blick von Schmerz und Zorn gezeichnet. „Ihr habt meinen Bruder getötet, Athos, warum? Was hatte er Euch getan? Warum musstet Ihr ihn erschlagen?“
Fassungslos starrte Athos auf den Toten. Seine ganze Erschöpfung, wich einem tiefen, entsetzlichen Schmerz. „Euer Bruder?“ fragte er tonlos.
Porthos ging in die Hocke und hob den Toten auf. „Er war mein Kleiner Bruder, und der Kardinal..... er war sein Pate ist es da verwunderlich, dass er in der Garde diente? Oh Velcan.... warum?“ Er schluckte hart und unterdrückte eine raues Schluchzen. „Aber das Ihr es sein würdet Athos.... dies ist das Ende unserer Freundschaft. Ich kenne euch nicht mehr.“ Er wandte sich ab und ging mit dem Toten auf den Armen davon.
***
Monsieur de Treville betrat Athos Unterkunft leise. Der bleiche Mann lag noch mit seinen Verwundungen flach. „Was kann ich für Euch tun, Monsieur le Capitaine?“ fragte er mit schwacher Stimme.
De treville legte langsam eine Waffe, einen Rapier auf dem Tisch ab. „Ich soll Euch das bringen. Er gehörte Eurem Gegner. Athos... ich wollte Euch sagen, dies war nicht Euer Fehler, es war der meine. Ich hätte diesen Befehl nicht geben dürfen.“
Athos hatte sich bei dieser Rede seines Hauptmanns auf seinem Bett aufgesetzt und sah nun Tréville an. Diesen durchlief bei dem Blick in Athos‘ erloschene Augen ein kalter Schauer, ihn durchzuckte die Befürchtung, dass sein Besuch womöglich umsonst sein könnte, dass diese Verzweiflung keine Tröstung mehr finden und ein Weiterleben tatsächlich sinnlos erscheinen konnte. Fieberhaft durchsuchte er sein Hirn nach Worten, die diesem Leiden gemäß sein könnten, die dem Musketier zumindest einen Hauch Lebensmut hätten zurückgeben können, aber er fand nichts.. Athos schloss die Augen, schüttelte leise den Kopf, stand auf und verließ den Raum (L’amour perdu)