Mademoiselle Musketier von Mademoiselle Musketier

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Kapitel Ein Brief

Thlaylis Erwiederung kam leise und keuchend, aber vollkom-men klar. "Mein Oberkaninchen hat mir gesagt, ich soll diesen Lauf verteidige, und bis es etwas anderes sagt, bleibe ich hier."
Richard Adams aus "Unten am Fluss"

Charlotte und Amalie brauchten eine ganze Woche, um sich vorzubereiten. Da musste die Kleidung genauestens sitzen und gut ausgesucht sein. Ebenso wichtig waren die kleinen Raffi-nessen. Die einfachen „Dinge“ wie Ringe mit Gift oder Halsket-ten, die, wenn man sie öffnet, in dem Medallion einen Minidolch freigaben. Hüte mussten ausgesucht werden und überprüft. Es müsste ein großer Hut sein wegen der Haare aber es durfte kein zu auffällig großer Hut sein. Und dann erst mal die ganzen Polster. Meine Güte, die Polster!: Nur weil ein junger Mann be-deutend kräftiger gebaut sein muß. Es gab jede Menge Polster. Beinpolster, Armpolster, Schulterpolster und damit man nicht aus den Schuhen rutschte, sogar noch Schuhpolster – um jetzt nur mal ein paar Polster zu nennen. Bei Charlotte war die Schwierigkeit, ihre mädchenhaften Sommersprossen mit Schminke zu verdecken. Aber die eigentliche Schwierigkeit je-doch war, dass es trotzdem noch echt aussehen musste. Ama-lie hingegen hatte das Problem, dass sie ihre Schulterpolster nicht fest bekam. Das war aber sehr wichtig, denn davon hing die gesamte Körperlänge ab. Mit gutem Willen jedoch geht al-les; und als der große Tag kam, war alles fertig, war alles be-reit. Die Aufregung war sehr groß. So groß, dass man es ei-gentlich nicht beschreiben kann. Ich will es aber dennoch ver-suchen. Sie war in etwa so groß: wenn einem der erste Schul-tag bevor steht, ist man sehr aufgeregt. Diese Aufregung ver-doppelt man und vermischt sie mit Angst. Ich würde sagen, drei Löffel Angst. Dann gibt man noch etwas von der Aufregung hin-zu, wenn man eine Schwester, einen Bruder, vielleicht auch ein Kaninchen bekommt, hinzu. Das Ganze gemischt nimmt man mal 10 und dann mal 5. Kurz gesagt, mal 15. Wenn man das ausgerechnet hat, hat man eine leise Ahnung, wie sich Charlot-te jetzt fühlte. Aber wie schon gesagt, Charlotte besaß die Ga-be, dieses Gefühl, diese Aufregung auch nur nicht im Gering-sten zu zeigen. Stattdessen übte sich ihre Stimme. Dunkel männlich musste sie klingen. Das war gar nicht so leicht, denn sie hatte normalerweise eine freundliche, recht hohe Mädchen-stimme. Es musste jedoch alles ganz genau stimmen. Voll-kommen musste es sein. Der kleinste Fehler und sie würden entdeckt und in die Bastille gesteckt…oder erhängt oder gefol-tert werden, damit sie ihnen alle Pläne und Geheimnisse der Musketiere verraten… oder irgendwie so etwas Schreckliches.
Da klingelte es an der Tür. Charlotte zuckte zusammen. Mit wie Espenlaub zitternden Knien wackelte sie zur Tür. Flüchtig warf sie noch einen Blick in den Spiegel. Jeder andere, vernünftige Mensch, wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass sich unter der Verkleidung ein Mädchen verbarg. Charlotte zupfte noch einmal ihre künstlich verdickten Augenbrauen zurecht. Wieder klingelte es; dieses Mal länger. Das wird Devin sein. Er wollte mich ja abholen, dachte Charlotte. Sie öffnete die Tür. Da stand er aber nicht. Da stand der Postbote. Als er Charlotte in Kardi-nalistengestalt sah, erstarrte er. Man sah ihm an, dass er einen kurzen Augenblick überlegte, wegzurennen. Dann jedoch ent-sann er sich eines anderen und fragte stotternd: „Äh, k-k-kann ich vie-vie-vie-vielleicht? Äh, Äh, ich mei-mei-meine, äh, äh, ist Madame Lojarot anwesend?“ Charlotte freute sich in sich hin-ein. Es war für sie wie eine Generalprobe und es klappte recht gut. „Das geht nicht, bedaure“ sagte Charlotte und guckte den Boten scharf an. Dann sagte sie mit ihrer tiefsten und drohend-sten Männerstimme: „Ihr kennt sie doch nicht etwa persönlich?“ „Nei-n-n-n äh -n-n.“ stammelte der Postbote und zitterte vor Angst. Man muß wissen, dass die Kardinalisten damals sehr gefürchtet waren. Jedoch vielleicht nicht so gefürchtet wie die Musktetieren, aber der Postbote kannte Charlotte mittlerweile relativ gut. Deswegen fürchtete er sich auch so sehr vor dem Kardinalist.
„Also nicht“, stellte Kardinalist Charlotte fest. „Wissen Sie sonst noch etwas über dieses Mädchen?“ fügte der Kardinalist Char-lotte abfällig hinzu. „N-N-ein.!!!“ meinte der Postbote und fügte schnell, fast überstürzt hinzu: „Die Post!“. Er warf ein schmutzi-ges Bündel auf den Boden. „Ja, ja“ murmelte Charlotte ruhig. „die Post“ und sie bückte sich, um die Briefe einzusammeln und zu lesen. „Sie sind aber alle privat!“ rief der Bote und erschrak sofort darüber, dass er das gesagt hatte, doch Charlotte meinte seelenruhig: „So so, privat.“ Dann vertiefte sie sich in die Briefe. Als sie wieder aufsah, bemerkte sie, dass der Postbote immer noch da war und wie ein Häufchen Elend da saß. „Ihr seid ja immer noch da!“ fuhr sie den armen Postboten an.“ Daraufhin entfernte sich der Bote eiligst indem er die Treppe hinab stieg. Gerade noch früh genug war Charlotte ihn losgeworden. Denn gerade kam Devin die Treppe hinaufgeschnauft. „Da bin ich schon!“, sagte Devin. „Schon?“ sagte Charlotte spöttisch. Je-doch dann wurde sie ernst und reichte Devin schweigend den einen der fünf Briefe, den sie bekommen hatte. Als den Devin das Schreiben sah, erstarrte er und seine Augen wurden immer größer. Mit tonloser Stimme meinte er: „Wir sollten so schnell wie möglich wegfahren!“ und erst dann fügte er etwas mutiger hinzu: „ Die Kutsche steht vor der Tür.“ Natürlich interessiert den Leser, was in dem Brief stand. Ich will ihn aber auch nicht all zu lange auf die Folter spannen:

Madame Lojarot,
fünf der treuesten Männer des Kardinals werden sich erlauben, auf Befehl des Kardinals, sprich meines Befehls hin, Euer ge-samtes Haus zu durchsuchen und wenn erforderlich, auch Din-ge zu konfiszieren.
Monsieur Bijarot.