Und täglich grüßt das Murmeltier von xalibur 

  Durchschnittliche Wertung: 4.5, basierend auf 8 Bewertungen

Kapitel Englisches Intermezzo

Sie war eine jener Frauen, die den Verstand eines Mannes außer Kraft setzten. Ihr Lächeln, ihre Blicke, jede ihrer Bewegungen wirkten wie eine berauschende Droge auf mich. Ich hatte Frauen wie sie gekannt, ich war mir vage bewußt, daß dieser Rausch ein böses Erwachen haben würde, trotzdem war ich diesem Lächeln und diesen Augen hoffnungslos verfallen.

Zum ersten Mal waren wir uns bei Hofe begegnet. Hier in England, wohin ich mich nach der unliebsamen Überraschung in Paris zurückgezogen hatte, führte ich einen angesehenen Titel verbunden mit einem recht zufriedenstellenden Einkommen. Ich wollte mein Leben hier sorgenfrei und äußerst angenehm verbringen, mich dem Müßiggang und den Amüsemants des Hoflebens hingeben, die Erinnerung an einige vergnügliche Laster auffrischen und mich eine Zeitlang nur meinem Vergnügen widmen. Und diese schöne Gestalt verhieß Vergnügen. Ich sah sie mit Lord Holland scherzen und bewunderte im Vorübergehen ihre zierliche Gestalt und ihre ebenmäßigen Züge. Sie war eine außergewöhnliche Schönheit. Später zog ich einige diskrete Erkundigungen ein: Sie war Witwe, über ihren Sohn Erbin eines großen Vermögens und verkehrte in den höchsten Kreisen. Sie schien eine rastlose Seele zu sein, war oft auf Reisen und ihre Gunst war wechselhaft und launisch, doch stets Männern zugewandt, die ihrem Ehrgeiz nützlich waren. Diese Paarung von Schönheit, Verstand und Zielstrebigkeit war nicht ohne Reiz für mich, sie hatte schon Frauen wie Kleopatra unwiderstehlich gemacht, aber solche Frauen gaben nichts umsonst und ich hatte mir abgewöhnt, mich vom schönen Geschlecht ausnutzen zu lassen. So verabschiedete ich mich mit leichtem Bedauern von der Hoffnung, einige unvergeßliche Stunden mit der Schönheit zu verbringen.

Doch es sollte anders kommen. Da wir beide bei Hofe verkehrten, begegneten wir uns hin und wieder und die Lady begegnete mir weit freundlicher, als ich erwartet hatte. Meine Gegenwart schien ihr nicht unangenehm und mehr als das. Sie legte es regelrecht darauf an, mein Verlangen anzustacheln und mich um den Verstand zu bringen und es gelang ihr mühelos. Mal schien sie meine Nähe zu suchen, mal mich gar nicht zu bemerken, dann wieder traf mich ein verstohlener Blick, daß mir heiß und kalt zugleich wurde. Und dann kam ein Brief, die heiß ersehnte Einladung zu einem Stelldichein. Ich bin von Natur aus mißtrauisch, sonst wäre ich sicher nicht so alt geworden. Ich habe die Möglichkeit einer Falle wage in Betracht gezogen. Trotzdem zögerte ich keinen Augenblick, und als ich auch beim Betreten des Hauses weder Bewaffnete noch andere Unsterbliche in der Nähe wahrnahm, war auch die letzte Vorsicht vergessen.

Sie erwartete mich im abgedunkelten Schlafzimmer. Ich fühlte mich wie im Traum, als sie mich zum Bett führte, mir Wein einschenkte und mich langsam auf die Kissen zog. Sie ließ mich alles um mich vergessen und entführte mich in den Himmel, bis der neue Morgen dämmerte. Dann ergriff mich eine seltsame Erschöpfung. Ich fühlte mich schwach, meine Haut schien taub zu werden und das Atmen fiel mir schwer. Sie musterte mich mit einem erwartungsvoll prüfenden Blick und flüsterte mir zu "Könntest Du Dir einen schöneren Moment zum Sterben wünschen?"

Im ersten Moment versetzte mich die Erkenntnis in Panik. Gift! Sie hatte mir Gift beigebracht! Ich versuchte mich aufzurichten, aber ich hatte keine Kraft. Mühelos drückte sie mich in die Kissen zurück und erstickte meinen Widerstand. Tadelnd sagte sie "Das hat keinen Sinn, es ist längst zu spät." Ich wußte, sie hatte recht, es blieb mir nur, mich in das Unvermeidliche zu fügen. Das Atmen wurde immer mühsamer, aber Schmerzen litt ich nicht. Sie hatte ein Gift gewählt, das einen vergleichsweise sanften Tod gewährt. Ihre Hand streichelte mein Gesicht, während sie gebannt meinen Todeskampf beobachtete. Meine Gelassenheit schien sie zu überraschen. "Keine Vorwürfe, keine Fragen?" Ihre Stimme klang sanft und fast liebevoll. "Keine Vorwürfe!" Ich konnte nur noch mühsam sprechen. Der Bann, in den mich diese Frau geschlagen hatte, war trotz allem auch jetzt noch nicht gebrochen. Ihre kalte Schönheit, ihre Skrupellosigkeit, die erwartungsvolle Neugierde, mit der sie die Früchte ihres Tuns beobachtete - sie war wie Kronos. Kronos, der mich gefunden hatte, der mir mein Schicksal erklärt hatte, der mich lehrte, ein Gott zu sein, mir alles zu nehmen, wonach mir beliebte und die Welt mit Mord und Entsetzen zu überziehen. Es hatte Jahrhunderte gedauert, bis ich mich aus dem Bann seiner kranken Philosophie lösen konnte. Nein, keine Vorwürfe, mein kalter Engel, es gab eine Zeit, da habe ich genauso bedenkenlos gemordet wie Du.

"Keine Vorwürfe! Das gefällt mir!" Sie lachte mich an. "Wir hätten uns früher begegnen sollen, als wir noch demselben Herrn dienten." Richelieu! Natürlich Richelieu! Sie handelte in seinem Auftrag. Ich hätte damit rechnen müssen, daß er die Niederlage, die ich ihm beigebracht hatte, nicht ungerächt lassen würde. "Richelieu? ... Warum ....?" "Warum ich ihm diene?" Immer noch lächelnd und ohne meinen Blick loszulassen schob sie das Gewand von ihrer Schulter und ich sah die Lilie, die dort eingebrannt war. "Jetzt kennst Du mein Geheimnis. Nimm es mit ins Grab!" Mit diesen Worten beugte sie sich über mich und gab mir einen letzten langen Kuß, während ich meinen Atem aushauchte.

Beinahe wäre ich zu spät erwacht. Ich lag schon in der Kapelle im Sarg, als ich endlich zu mir kam und konnte mich gerade noch hinter dem Altar verbergen, bevor die Büttel hereinkamen, den Sarg verschlossen und den Deckel festschraubten. Gott sei Dank waren sie so besoffen, daß sie gar nicht darauf achteten, ob ein Toter im Sarg ruhte. Ich floh aus der Kapelle. Zitternd und durchfroren mußte ich im Totenhemd in mein eigenes Herrenhaus einbrechen - eine der Mägde fiel in Ohnmacht, als sie den Geist des armen Lord umgehen sah - mein für Notfälle vorbereitetes Reisegepäck zusammenraffen und wiederum fliehen. Aber diesmal mußte ich nicht lange überlegen wohin. Zurück nach Paris, und dort würde ich mich einem gewissen Herren für seine fürsorgliche Aufmerksamkeit erkenntlich zeigen. Eigentlich bin ich nicht so nachtragend, aber dieser Tod hatte eine ganz besondere Perfidität gehabt, und so wenig ich ihn der Agentin verübeln konnte - die Person, deren Werkzeug sie war, sollte mir dafür büßen.