Und täglich grüßt das Murmeltier von xalibur
Durchschnittliche Wertung: 4.5, basierend auf 8 BewertungenKapitel Geheime Zeichen
Wir kehrten im Triumph zurück mit den hochwichtigen Papieren. Treville war hochzufrieden, die Belohnung anständig und am Abend wurde gefeiert. Aber wiewohl ich mich bemühte, mir nichts anmerken zu lassen, konnte ich den Eindruck, den die Begegnung auf mich gemacht hatte, nicht verhehlen. Recht bleich und still saß ich zwischen meinen Freunden am Tisch. "Grämt Ihr Euch so, Freund Aramis, über den kleinen Fehler vorhin? Das dürft Ihr Euch nicht zu Herzen nehmen. Jeder hat einmal einen schlechten Tag." Portos glaubte, mich fräße der verletzte Stolz. Ich lächelte gezwungen und brachte das Gespräch auf andere Dinge. Athos sagte nichts dazu, aber er trank an diesem Abend weniger als gewöhnlich. Und als wir auf dem Weg nach Hause nur noch zu zweit waren, fragte er mich, ob der Mann ein Freund gewesen sei - was ich ruhigen Gewissens verneinte. "Aber Ihr kanntet ihn." "Ich glaubte, ihn zu erkennen. Aber es ist unmöglich - es sei denn, er war ein Gespenst."
Ich glaube nicht an Gespenster. Und ich wollte mir selbst beweisen, daß ich damit Recht habe, also fing ich an, Nachforschungen anzustellen. Wenn der Kerl aus Fleisch und Blut war, mußte er ja irgendwo hergekommen sein und irgend jemand würde ihn kennen. Ich hörte mich um, bei Kameraden, in den Salons der Damen, versuchte sogar mit Kardinalisten zu plaudern, aber ich fand nichts. Schließlich wandte ich mich doch an meine Freunde, und es war zu meiner Überraschung Porthos, der auf die richtige Idee kam. "Wißt Ihr, ich kannte da mal eine Herzogin ..." Oh bitte, für so eine Geschichte war ich gerade nun wirklich nicht aufgelegt. Was wußte Porthos schon von Herzoginnen! "... die gar keine war, aber das habe ich erst hinterher erfahren, als nämlich..." Portos brach ab wie ein ertappter Schuljunge und fuhr schnell fort "Aber das tut nichts zur Sache. Eigentlich ging es ja um den Kerl, der sie beobachtet hat. Da war nämlich ein Mann, der hat ihr hinterherspioniert, und als ich das gemerkt habe, habe ich mal ein Wörtchen mit ihm geredet, Ihr versteht was ich meine? Nun ja, und dieser Kerl hatte genauso eine Tätowierung am Handgelenk wie unser Freund von neulich!" Ich schaute Porthos erstaunt an. Eine Tätowierung war mir gar nicht aufgefallen. "Eine Geheimgesellschaft?" Eine Geheimgesellschaft wäre eine gute Erklärung dafür, daß meine Fragen ins Leere gelaufen waren. Nur würde es auch weitere Nachforschungen sehr erschweren, den Geheimgesellschaften legen in der Regel Wert darauf, geheim zu bleiben. "Freund Porthos, könnt Ihr die Tätowierung vielleicht genauer beschreiben?" Porthos sah uns triumphierend an. "Ich kann etwas weit besseres! Ich kann sie Euch zeigen!" Jetzt schauten Athos und ich gleichermaßen verblüfft. "Ihr kennt jemanden, der sie trägt?" "Das nun nicht, aber ich kenne ein Buch, auf dem sie abgebildet ist." "Ein Buch?" Porthos war mir eigentlich nicht als Liebhaber von Büchern bekannt. "Ja, ein Buch. Im Zimmer des Bruder Wundarztes im Barfüßerkloster. Ihr wißt doch, vor einem Jahr hat mich Biscarrat einmal böse erwischt, und Ihr habt bei den Brüdern anklopfen müssen. Und während der Bruder mich zusammengenäht hat, hab ich mir die Wände angesehen. Und da war dasselbe Zeichen, auf einem Buchrücken. Ein doppelter Ring mit Punkten dazwischen und innen eine Fogelschwinge."
Am nächsten Tag ging ich zum Barfüsserkloster. Mein Diener hatte mir die Soutane ausbürsten müssen und ich trug eine hübsche theologische Abhandlung unter dem Arm. Einem Bruder im Geiste würde sich die Klostergemeinschaft gewiß weniger verschlossen geben. Ich kehrte im Kloster ein und wurde auch freundlich aufgenommen. Der Vater Abt war gerne für ein theologisches Gespräch bereit und als ich mich interessiert an den Wissenschaften der Heilkunst zeigte, machte er mich bald bekannt mit einem ruhigen, älteren Bruder, der den Namen Darius trug. Ich ließ mich in die Krankenstube führen und tat recht interessiert, während ich verstohlen die Buchrücken in den Regalen musterte.
"Seid Ihr sicher, daß solche Mauern den richtigen Weg für Euch bereithalten? Manchmal braucht es ein Leben in den Kämpfen dort draußen, bevor wir die Wege Gottes erkennen können." Die Frage traf mich unvermittelt und etwas in seinem Lächeln ließ mich auf der Hut sein. "Kämpfe und Fährnisse mag der Herr überall bereithalten, um uns zu läutern." erwiderte ich diplomatisch. Dann disputierten wir über den Vorzug von Kontemplation oder mildtätigen Werken, während ich weiter nach meinem Buch suchte. Und dann entdeckte ich es tatsächlich. Ich tat so, als wolle ich mich nun verabschieden und fragte den Bruder, ob der Abt wohl erlauben würde, mein mitgebrachtes Buch als Geschenk anzunehmen. Wie erhofft machte sich der Bruder sogleich auf, um ihn zu konsultieren. Ich blieb allein in der Stube. Sobald seine Schritte verklungen waren, zog ich das Buch aus seinem Regal. "The Watcher Cronicles", eine alte Handschrift, nicht in Latein, sondern in Anglais verfaßt. Ich schlug das Buch an einer beliebigen Stelle auf, viel Zeit blieb mir nicht. Es schien eine Art Tagebuch zu sein. "13. of May, Anno domini 1438: The Immortal Logan..."
"Danach hast Du also gesucht, mein Sohn." Ich zuckte zusammen, meine Hand fuhr zum Degengriff, nur um sich zu erinnern, daß ich heute keinen Degen trug. Ich hatte mich ertappen lassen wie ein dummer Junge, aber was mich wirklich alarmierte, war die Tatsache, daß ich ihn nicht hatte kommen hören. Dieser Priester war gewiß nicht einfach ein freundlicher alter Mann.
Das Buch zu verbergen, war es nun zu spät. Ich wandte mich zu ihm um, begegnete seinem Blick mit Stolz und äußerster Anspannung. Er lächelte noch immer. "Du bist ein Musketier, ich habe Dich und Deine Freunde des öfteren da draußen gesehen." Natürlich hatte er mich gesehen. Da draußen war unser Lieblingsplätzchen für Duelle. Ich hätte nie glauben dürfen, ihn so einfach zu täuschen. "Du bist nicht zufällig hier, Du hast nach genau diesem Buch gesucht. Warum?" Ich hielt seinem Blick stand und schwieg. Er schüttelte leicht den Kopf. " Du bist hergekommen, um Antworten zu finden und ich bin der, der Dir vielleicht Antworten geben kann. Aber dazu wirst Du nicht umhin kommen, mit mir zu reden. Das Buch allein gibt Dir nichts weiter als Namen und Daten, mit denen Du nichts anfangen kannst." Als ich noch immer verbissen schwieg, fuhr er fort: "Ich war einmal gar nicht so anders als Du, ein Soldat mit Leib und Seele, bevor ich hier Frieden gefunden habe. Glaub mir, irgendwann wird man des Kämpfens müde."
Ich weiß nicht, wie er mich dazu gebracht hat, mich ihm zu offenbaren. Er hatte eine Art ruhiger Freundlichkeit, der ich mich nicht entziehen konnte und mein Verlangen nach Antworten war übermächtig. Ich kapitulierte und erzählte meine Geschichte. Als ich geendet hatte, schaute er mich nachdenklich an. "Ich kann Dir nicht sagen, wer er ist, aber ich kann Dir sagen, was er ist. Aber urteile nicht vorschnell, es mag Dich leicht ins Verderben führen." Ich wartete darauf, daß er fortfuhr und fragte mich gleichzeitig, warum er überhaupt beschlossen haben mochte, mir zu helfen. "Hin und wieder werden unter uns Menschen geboren, denen die göttliche Vorsehung zwei alltägliche Gnaden versagt. Sie vermögen keine Nachkommen zu haben und sie vermögen nicht zu sterben. Wie Du den Mann beschreibst, ist er einer von diesen, genau wie ich einer bin. Wenn es Dich erleichtert, mit jenem Duell hast Du keine Schuld auf Dich geladen, denn wiewohl Du ihn tatsächlich getötet hast, ist ein solcher Tod bei meinesgleichen kein dauerhafter. Wir erleiden ihn wie Sterbliche auch, aber wir kehren ins Leben zurück." Ich schauderte, auch wenn ich kein Wort von dem glaubte, was ich da hörte. Er versuchte nicht, mich zu überzeugen noch irgendwie seine Worte zu beweisen oder bekräftigen. Ich wollte fort, aber eine Frage war noch nicht beantwortet. "Und dieses Buch?" "Ist von jenen geschrieben, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Wissen über die Unsterblichen zu hüten. Sie sind Sterbliche und widmen ihr Leben unserer Überwachung. Und sie halten unsere Tun für die Nachwelt fest in Büchern wie diesen. Das Zeichen weist sie untereinander als Mitglieder der Bruderschaft aus." "Und die Unsterblichen wissen davon?" "Nein." lächelte der alte Bruder. "Die meisten wissen es nicht." "Aber mein Mann trug das Zeichen. Er kann doch kein Unsterblicher und Beobachter zugleich sein." "Eigentlich nicht - aber wenn es ihm doch gelungen ist, dann mag er wohl der einzige von uns sein, den sie nicht beobachten." Der Mann stieg in meiner Achtung. Sich im Herzen der Feinde zu verbergen, wäre genau die Taktik, die ich an seiner Statt gewählt hätte. Ärgerlich ertappte ich mich dabei, die hahnebüchene Geschichte doch halb zu glauben. Ich mußte fort von hier, der alte Mann brachte es fertig, mich ganz zu verwirren.
Meinen Freunden berichtete ich von meinem Besuch nur das, was sich auf diese mysteriösen Beobachter bezog, und ich befragte Porthos eingehend nach seiner Herzogin, da sie ja wohl Objekt einer solchen Beobachtung war, aber Porthos gab sich ganz ungewohnt einsilbig bei diesem Thema. Dabei erzählte er sonst doch so gern von seinen Abenteuern. Mir blieb nichts als abzuwarten. Eines Tages würde ich schon so einen Beobachter ertappen.