Wem die Stunde schlägt von LadyAramis

  Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 10 Bewertungen

Kapitel Tréville nimmt die Fährte auf

Kapitel 27

 

Tréville nimmt die Fährte auf

 

 

 

Alle erzählten ihm, er sei auf dem Weg der Besserung, aber für Aramis fühlte es sich keineswegs so an, eher im Gegenteil. Er fühlte sich unendlich schwach, zerschlagen und das Atmen schmerzte ihn. Das Reden strengte ihn an und selbst das Aufsetzen fiel ihm schwer. Und so sehr er sich auch bemühte die Müdigkeit zu bekämpfen, der Schlaf griff ständig nach ihm wie eine äusserst besitzergreifende Geliebte.

Dennoch musste er dankbar sein. Dankbar dafür, dass er wieder klar denken konnte, dankbar dafür, dass er überhaupt noch atmen konnte, dafür dass er nicht mehr in den Fängen dieses furchtbaren Fiebers war. Das Leben war ein Geschenk, das er nun viel mehr zu schätzen wusste. Auch wenn dieses neue Leben jetzt erst einmal im Bett begann.

Über fehlende Aufmerksamkeit oder mangelnde Pflege konnte er sich auf jeden Fall nicht beschweren. Eher im Gegenteil. Bruder Mathias und Constance schienen entschlossen zu sein, jeder Mutterhenne Konkurrenz zu machen, so wie sie stets um ihn herumscharwenzelten, seine Kissen zurechtzupften und ihm so viel Tee reinschütteten, dass er zu seiner grossen Beschämung mehrmals darum bitten musste, zum Nachttopf geführt zu werden. Er fühlte sich einfach noch zu schwach, um alleine gehen zu können.

Auch Porthos war immer da. Wann immer Aramis die Augen aufschlug, sass Porthos auf seiner Bettkante, eine stille Präsenz, die im beruhigenden Gegensatz zu der ständigen Nervosität der beiden anderen stand. Und vor ihm schämte sich Aramis auch nicht, nicht einmal, wenn er sich übergeben musste, weil es ihm immer noch schwerfiel Essen bei sich zu behalten.

So wie auch jetzt. Es war ihm zwar gelungen etwas Brot zu essen, aber nach einem weiteren heftigen Hustenanfall musste er schon wieder würgen und nur Porthos‘ Schnelligkeit war es zu verdanken, dass der Inhalt seines Magens in einer Schüssel und nicht in seinem Bett landete.

„Gott, ist das widerlich“, murmelte Aramis, als Porthos ihm behutsam mit seinem Taschentuch das Kinn abwischte.

„Sieh es mal so: Du wirst nach deiner Genesung wieder rank und schlank sein.“

„Willst du damit sagen, ich war dick?“ Trotz seiner Müdigkeit gelang es Aramis noch genügend Empörung in seine Stimmung zu legen.

„Nun ja, du hast schon ein bisschen angesetzt, ehrlich gesagt. Zu viele Frauen, zu wenig Abenteuer!“, zog Porthos ihn auf.

„Ich weiss nicht, was mich mehr erschreckt: Dass du auf meine Figur achtest oder dass du so gemein zu einem Kranken bist“, grummelte Aramis.

Porthos reichte ihm einen Becher mit Wasser. „Wenn du schon wieder den sterbenden Schwan spielen kannst, geht es dir wohl wirklich besser.“

Aramis trank das Wasser in langsamen Zügen. Es schmeckte wunderbar und half, den bitteren Geschmack aus seinen Mund zu spülen.

„Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis du wieder Abenteuer erleben kannst. Ob jetzt mit oder ohne Frauen“, bemerkte Porthos, nachdem er den Becher wieder an sich genommen hatte.

„Mhm. Aber das heisst nicht, dass du auf die Abenteuer verzichten solltest.“

„Ach weisst du, nach diesen paar Nächten bin ich der Überzeugung, dass ich mich ganz gut mache als fürsorgliche Mutter.“ Wie um seine Worte zu beweisen, zog Porthos die Bettdecke noch ein Stück höher.

Der Schlaf klopfte schon wieder bei Aramis an, doch er schob ihn entschlossen beiseite. Er wollte sich jetzt nicht schon wieder ins Land der Träume verabschieden, denn er hatte noch etwas Wichtiges mit Porthos zu besprechen. Dafür wollte er zumindest halbwegs bei Bewusstsein sein. Entschlossen versuchte er, in eine halbwegs sitzende Position zu gelangen.

Porthos beobachtete seine Bemühungen mit Argusaugen. „Langsam!“, mahnte er, half ihm aber, indem er ihm fürsorglich ein Kissen hinter den Rücken schob. Aramis bedankte sich mit einem Lächeln, dann griff er nach Porthos‘ Hand. „Du solltest nach Paris zurückkehren“, fiel er dann gleich mit der Tür ins Haus.

Porthos sah ihn an, als hätte er ihm vorgeschlagen, er solle Bruder Mathias einen Heiratsantrag machen. „Kommt gar nicht in Frage. Mein Platz ist hier. An deiner Seite.“

„Ich bin auch dankbar, dass du hier bist. Wirklich. Aber ich habe Bruder Mathias und Constance, die sich um mich kümmern. Und ich habe einfach das Gefühl, dass dich Athos und d’Artagnan viel mehr brauchen, als ich.“

„d’Artagnan und Athos erfreuen sich bester Gesundheit. Du dagegen liegst mit einer schweren Lungenentzündung im Bett. Und da willst du mir erzählen, dass sie mich brauchen?“ Porthos stiess ein so lautes Schnauben aus, dass ein Stier vor Neid glatt erblasst wäre.

Aramis hatte gewusst, dass es nicht leicht werden würde, Porthos dazu zu bringen, nach Paris zurückzukehren. Er konnte es sich ja selbst nicht recht erklären, wieso er auf einmal das Gefühl hatte, dass Porthos hier am falschen Platz war. „In Paris geht immer noch ein Mörder um. Er hat schon einen Musketier auf dem Gewissen. Ich würde es nicht ertragen, wenn die nächste Leiche Athos wäre oder wir d’Artagnan beerdigen müssten!“ Den letzten Teil des Satzes stiess er zwischen heftigem Husten hervor, der sich aber zum Glück schnell wieder legte.

„Wenn Athos in den nächsten Tagen stirbt, dann höchstens weil er mal wieder zu viel gesoffen hat“, bemerkte Porthos spitz. Dann griff er nach Aramis‘ Hand. „Ich verstehe dich nicht. Constance hat gesagt, du hättest im Fieberschlaf immer nach mir gerufen. Und kaum bin ich hier, schickst du mich schon wieder fort?“

Aramis runzelte die Stirn. Er hatte nach Porthos verlangt? „Tatsächlich? Das weiss ich gar nicht mehr.“ Er versuchte seiner Stimme einen scherzhaften Klang zu geben, auch wenn er es eigentlich gar nicht witzig fand, dass sein Hirn sich anfühlte, wie eine Rumpelkammer. Zuerst der Schlag auf den Kopf, dann das hohe Fieber… seine Erinnerungen waren in einem undurchdringlichen Nebel verschwunden. Hin und wieder tauchten Fetzen auf, allerdings fiel es ihm schwer, diese zusammenzusetzen. So tauchte zum Beispiel vor seinem inneren Auge immer wieder das Bild eines äusserst hässlichen Wildschweins auf.

Porthos‘ Augen wurden noch eine Schattierung dunkler, immer ein Zeichen dafür, dass er innerlich aufgewühlt war. „Wir dachten…wir dachten, du wolltest Abschied nehmen…weil…“

Aramis wurde es schwer ums Herz. „…ihr dachtet, ich würde sterben“, beendete Aramis den Satz. Noch immer machte es ihm Angst, dass er so nahe am Tod vorbeigeschrammt war. Durch eine Musketenkugel oder einen wohlplatzierten Degenhieb zu sterben…damit musste man rechnen, wenn man sein Leben dem König von Frankreich weihte. Aber im Krankenbett zu sterben, wie ein alter, schwacher Mann…das hatte nichts Heldenhaftes und ganz gewiss nichts Erstrebenswertes.

„Glücklicherweise bist du ja noch unter uns.“ Porthos überspielte den melancholischen Moment mit seinem üblichen piratenhaften Grinsen und legte dann seine Hand auf seine Schulter, um ihn zurück in die Kissen zu drücken. „Und jetzt solltest du wirklich wieder schlafen. Sonst kommst du auf noch dümmere Gedanken.“

Aramis öffnete schon den Mund, um Porthos noch einmal zu beschwören, nach Paris zurückzukehren. Was sollte er denn hier an seinem Bett ausharren, wenn es doch einem Mörder zu finden galt? Er schloss ihn allerdings schnell wieder. Porthos hatte die Augenbrauen drohend zusammengezogen, ein sicheres Zeichen dafür, dass er über dieses Thema nicht mehr reden wollte. Und ausserdem war er wirklich müde, also schloss er die Augen und ergab sich den Wogen des Schlafes, die über ihm zusammenschlugen und ihn mitrissen in das Land der Träume.

---

 

Athos erwachte und spürte so gleich alle seine Knochen. Kein Wunder, sass er doch zusammengesunken an seinem Schreibtisch, die linke Wange auf ein Stück Papier gebettet. Als er ruckartig den Kopf hob – der ganz schön dröhnte von den vielen Gläsern Wein, die er sich in der letzten Nacht gegönnt hatte – fiel das Papier zu Boden und als er sich bückte, um es aufzuheben, sah er, dass sich ein Fleck darauf gebildet hatte. Offenbar hatte er im Schlaf gesabbert. Er wurde wahrlich alt.

Ächzend erhob er sich und streckte sich dann ausgiebig, wobei er an das Fenster trat. Er mochte den morgendlichen Blick auf den verlassenen Hof, wenn über der Garnison noch die Stille der Nacht schwebte. Wenn  Soldaten miteinander lebten, war es nie still, das Klirren der Waffen vermischte sich mit lautem Lachen und rauen Stimmen, die sich scherzhafte Beleidigungen zubrüllten. Früher hatte Athos die Stille kaum ertragen, denn mit der Ruhe kamen auch die Gedanken und mit den Gedanken die Erinnerungen, die ihn schmerzten und verfolgten. Sie kamen immer noch, ungebeten und in Wellen. Jetzt brauchte er allerdings keine Geräusche mehr, um sie zu überdecken. Es reichte, wenn er sich die Gesichter seiner Freunde vors geistige Auge führte.

Allerdings lag der Hof nicht so verlassen da wie sonst. Athos sah Tréville mit Hut und Mantel sein Pferd am Zügel führte und sich in den Sattel schwang. Vermutlich brach er auf um mit Pierre Lefèvre zu reden. Wenn ihn jemand zum Reden brachte, dann der gelassene und verständnisvolle Hauptmann. Und vielleicht würden sie dann endlich einen entscheidenden Schritt weiterkommen auf dieser Mörderjagd.

Wobei er selbst nicht gerade untätig geblieben war. Athos‘ Blick kehrte zurück zu den Papieren, die malerisch über seinen Schreibtisch verteilt waren. Jacques Briefe, die er gestohlen hatte. Die ganze Nacht hatte er versucht, die rätselhaften Botschaften zu entschlüsseln. Und an irgendeinem Punkt – nach manchem Glas Wein, wie er zugeben musste – hatte er das System begriffen.

Aber sie waren doppelt vorsichtig gewesen. Sie hatten nicht nur eine Geheimschrift benutzt, sondern offensichtlich auch eine Geheimsprache. Auch entschlüsselt gaben die Botschaften keinen Sinn. Und das kränkte Athos in seinem Ehrgeiz. Abgesehen davon war er neugierig. Was hatte der gute Pater Jacques zu verbergen, dass er seine Geheimnisse so sorgsam versteckte?

Ob er wohl den Diebstahl bemerkt hatte? Den Einbruch sicher. Die zerbrochene Fensterscheibe zeugte davon. Gut, vielleicht dachte er, es seien Lausejungen gewesen. Allerdings war Jacques offensichtlich ein sehr misstrauischer Mann und auch nicht gerade dumm. Vielleicht würde er sogar vermuten, dass die Musketiere dahintersteckten. Beweisen würde er es ihnen allerdings nicht können. Genauso wenig wie sie ihm nachweisen konnte, dass er in die mysteriösen Umstände von Francis‘ Tod verwickelt war.

Athos setzte sich erneut an den Schreibtisch. Die Briefe liessen ihm keine Ruhe. Mit dem Finger fuhr er über die Zeilen, als könne er die Worte besser verstehen, wenn er die Tinte fühlte. Wohlmöglich lag hier der Schlüssel zur Lösung des Mordfalls….der Schlüssel, der Aramis‘ Name endgültig reinwaschen würde….es wäre doch gelacht, wenn ihm das nicht gelingen würde…

Das Geräusch einer Tür, die jäh aufgerissen wurde, schreckte Athos auf und er, dessen Kopf gefüllt war mit Verschwörungstheorien und dunkelgewandeten Mördern, die in Gassen lauerten, griff beherzt nach dem Tintenfass , fuhr im Stuhl herum und warf es dem ungebeten Eintretenden entgegen, wobei er zu spät bemerkte, dass es sich keineswegs um einen Meuchelmörder handelte, sondern um d’Artagnan, der sich glücklicherweise im richtigen Moment bückte. Das Tintenfass surrte über ihm hinweg und zerbarst mit einem lauten Klirren auf dem Flurboden.

d’Artagnan blinzelte wie eine aufgeschreckte Eule. „Ist das deine neue Art, guten Morgen zu wünschen?“

„Vielleicht lernst du dann mal endlich anzuklopfen!“, knurrte Athos, dessen Herzschlag sich nur langsam beruhigte. Er ärgerte sich über seine eigene Ängstlichkeit. Erst liess er sich von einer Fledermaus fast ins Bockshorn jagen und dann bewarf er auch noch seinen Freund mit Tintenfässern. Die Anstrengungen der letzten Tage schienen sich auf sein Nervenkostüm auszuwirken.

D’Artagnan zuckte reumütig mit den Schultern. „Tut mir echt Leid, aber meine Neugier trieb mich dazu, solche Nebensächlichkeiten aussen vor zu lassen.“ Er trat näher und liess sich auf Athos‘ schmalen Bett nieder, wobei seine Augen auf den Briefen geheftet blieben, als könne er sie durch seinen Blick dazu bewegen, sich selbst vorzulesen. „Und? Hast du sie entschlüsselt?“

Athos gestattete sich ein überhebliches Lächeln. „Nun ja, während andere sich gestern Nacht huldvoll in ihre Gemächer zurückgezogen, weil sie müde waren…“ In die letzten Worte legte er besonders viel Spott, „ist es mir tatsächlich gelungen die Briefe zu entschlüsseln.“

Diese Nachricht liess d’Artagnan grosszügig über die feinen Seitenhiebe hinwegsehen. Er strahlte. „Wirklich? Und? Was steht in den Briefen?“, fragte er aufgeregt.

„Nun das…das weiss ich nicht so genau“, gab Athos widerstrebend zu.

„Wie? Aber eben hast du doch gesagt…"

„Ich weiss, ich weiss. Es ist mir gelungen, die Geheimschrift zu entziffern. Nur leider ist mir der Inhalt noch immer unverständlich.“ Seufzend deutete er auf die zerstreuten Blätter.

„Und? Wie funktioniert die Geheimschrift?“ d’Artagnan stand auf, um über Athos‘ Schulter zu spähen.

Geschmeichelt von d’Artagnans Interesse zog Athos ein Blatt Papier näher heran. „Es ist im Grunde ziemlich einfach“. Er langte nach der Schreibfeder, holte ein neues Tintenfass aus der Schublade und schraubte es auf. „Sieh mal, das ist das Alphabet wie wir es kennen.“ Mit flinken, schnellen Bewegungen schrieb er die Buchstaben ordentlich in einer Reihe auf.

„Hör mal, ich weiss, dass ich nicht gerade ein Gelehrter bin, aber das Alphabet beherrsche ich gerade noch.“ D’Artagnan klang ein wenig verschnupft.

Athos klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. „Das bezweifle ich auch nicht. Aber das Alphabet ist Teil des Codes, also sieh  zu und lerne.“ Er tauchte die Feder erneut ins Tintenfass. „Und das ist das Alphabet rückwärts.“ Er schrieb die Buchstaben genau unter die ersten und schob das Blatt dann d’Artagnan zu.

D’Artagnan wirkte verwirrt. „Das sehe ich. Nur, was soll ich damit anfangen?“

Auf diese Frage hatte Athos gewartet. Er nahm nun einen von Jacques‘ Briefen und legte sie neben das von ihm aufgezeichnete Alphabet. „Diese Wörter geben auf den ersten Blick keinen Sinn oder? Wenn du jetzt aber statt einem F ein U liest und statt einem G ein T liest…wie sieht es dann aus?“

Angestrengt starrte d’Artagnan auf die Buchstaben, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt. Als er begriff, helle sich seine Miene sichtlich auf. „Sie haben also  die Buchstaben vertauscht. Clever. Nur schade, dass ich die Worte immer noch nicht verstehe.“

„Die Nachrichten sind auch auf Englisch. Aber selbst übersetzt kann ich mir ehrlich gesagt keinen Reim darauf machen. Zum Beispiel hier“, er tippte mit dem Finger auf einen Satz, „das heisst, trägt die Stute das Fohlen noch? Oder hier ich hoffe, der Kuckuck ist ins Nest geflogen und hat das faule Ei herausgeworfen. Warum sollte jemand solche Tierbetrachtungen verschlüsseln?“

Dieses Mal verstand d’Artagnan sofort. „Weil sie einen Code über einen Code gelegt haben. Nicht nur eine Geheimschrift sondern auch eine Geheimsprache.“ D’Artagnan schien von der Raffiniertheit Jacques‘ förmlich hingerissen zu sein. Seine Neigung Menschen zu Helden hochzustilisieren machte offenbar nicht einmal vor potenziellen Mördern Halt.

„Zweifellos. Macht unsere Aufgabe allerdings nicht gerade leichter. Denn leider verstehe ich es einfach nicht.“ Frustriert warf Athos die Feder hin.

In d’Artagnans dunklen Augen glomm jener Funke auf, der stets signalisierte, dass er sich mit Feuereifer in die nächste Aufgabe stürzte. Er schwieg eine Weile, die Stirn in Falten gelegt, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, das Bild eines Menschen, der angestrengt nachdachte. Dann, ganz langsam, als tauche er aus einem tiefen Fluss auf, sagte er: „Trägt die Stute das Fohlen immer noch…das könnte doch übersetzt bedeuten: Ist sie immer noch schwanger?“

Jetzt fiel es Athos wie Schuppen von den Augen. „Die Königin! Der Schreiber fragt, ob die Königin immer noch ein Kind unter den Herzen trägt oder wieder eine Fehlgeburt erlitten hat! Der Schreiber scheint sich also sehr für die Familienplanung des Königs zu interessieren.“

D’Artagnan nickte. „Der Satz mit dem Kuckuck… Das ist doch der Vogel, der sich in anderen Nestern einquartiert oder? Und dafür stossen sie die richtigen Eier aus dem Nest. Aber sie wollen der Königin doch nicht etwa ein falsches Kind unterjubeln oder?“, fragte er entsetzt.

Athos stockte der Atem. Das wäre allerdings ungeheuerlich.  Allerdings…wieso sollte jemand so etwas tun? Ein falsches Kind in die Arme der Königin legen…Abgesehen davon, wäre das ziemlich schwer zu bewerkstelligen. Wenn ein königliches Kind geboren wurde, war das keine Privatsache, der halbe Hofstaat würde dabei sein. Besonders weil bereits jetzt getuschelt wurde, dass Anna nicht das Kind des Königs unter ihrem Herzen trug. Anna selbst würde alles dafür tun, um alle Zweifel an der Vaterschaft des Kindes zu beseitigen. Nein, niemand, der noch alle Sinne beisammen hatte, würde es wagen, in die königliche Wiege ein Kuckuckskind zu legen.

„Vielleicht sollten wir uns weniger damit beschäftigen was sie tun. Sondern wer sie überhaupt sind“, überlegte Athos laut, „es sind Personen, die sich auf Englisch unterhalten, Personen, die offensichtlich Angst davor haben, dass man ihre Nachrichten abfängt, Personen, die sich für Vorgänge im Schloss interessieren und mindestens eine dieser Personen ist nicht das, was sie zu sein scheint.“

Sie kamen beide gleichzeitig zur Lösung dieses Rätsels und sprachen sie auch zugleich aus: „Spione.“

---

 

Der Vorsteher der Bastille, Monsieur Sionne, erbleichte, als Tréville forschen Schrittes in sein Zimmer gestürmt kam und mit lauter Stimme forderte mit dem Gefangenen Pierre Lefèvre zu sprechen. Er schluckte schwer und begann mit nervös zitternden Händen die Aktenstapel vor sich hin – und herzuschieben. „Monsieur Tréville, Sie wissen, dass ich Ihnen nur ungern einen Wunsch abschlage…aber der Kardinal…“, stammelte er.

Tréville unterdrückte ein Knurren. Natürlich lag die rote Robe Richelieus auch drohend über der Bastille und normalweise ging er schonend mit Menschen um, die sich vor dem Kardinal fürchteten. Aber er hatte keine Lust, den netten alten Onkel zu geben. Es war früher Morgen, er hatte einen höllischen Ritt durch die verdreckten Strassen von Paris hinter sich, ein Mörder trieb sein Unwesen und hatte sich als Opfer ausgerechnet einen seiner Musketiere ausgesucht und obwohl er seine ganze Kraft einsetzte, wollte es ihm einfach nicht gelingen, den Täter zu erwischen. Das frustrierte und ermüdete ihn gleichermassen. Nur so ist es zu erklären, dass der sonst so ausgesucht höfliche Tréville den armen Sionne anblaffte: „Mir ist geht es vollkommen am Arsch vorbei, was der Kardinal hat oder nicht hat. Ich möchte mit Pierre Lefèvre sprechen. Sofort!“

Sionne schluckte schwer. „Monsieur Tréville…bitte versteht doch…der Kardinal hat mir strengste Auflagen gegeben…gerade, was diesen speziellen Gefangenen betrifft…“, würgte er hervor und sein hektisches Keuchen hätte Tréville vielleicht ernsthaft Sorgen bereitet, wäre dieser Mann nicht gerade das Einzige gewesen, was zwischen ihm und einem Ermittlungserfolg stand.

Deshalb beschloss er, dass es ihm egal wäre, wenn Monsieur Sionne hier und jetzt vor ihm erstickte, Hauptsache er würde irgendwie an die Gefängnisschlüssel kommen, die neckisch an Sionnes Gürtel klimperten. Abgesehen davon gefiel er sich eigentlich ganz gut in der Rolle des bösen Hauptmannes. Für einen Moment fühlte er sich sogar versucht, den Tisch mit einem gezielten Tritt umzuwerfen, fand dann aber, dass das der Dramatik dann zu viel wäre und sich zudem für einen königlichen Musketier nicht gebührte. Also zog er einfach jene finstere Miene, die er auch dann einsetzte, wenn einer seiner Männer mal wieder in irgendwelche Händel mit der Roten Garde verwickelt war. Zusätzlich verschränkte er die Arme und stellte sich breitbeinig hin, um Sionne zu demonstrieren, dass er vielleicht nicht das intrigante Geschick Richelieus besass, im Gegensatz zu diesem allerdings körperlich in der Lage war, seine Interessen notfalls mit roher Gewalt durchzusetzen. „Kardinal Richelieu hat mir zugesichert, dass ich mit Monsieur Lefèvre sprechen dürfte. Und ich möchte jetzt mit dem Gefangenen sprechen!“

Monsieur Sionne sah inzwischen aus wie ein Gespenst. „Das mag ja sein, Hauptmann. Aber der rote Richelieu…äh, ich meine natürlich….der ehrenwerte Kardinal hat nichts davon gesagt, dass Ihr zum Gefangenen vorgelassen werden sollt“, sagte er tapfer und stand sogar auf, vermutlich um seinen herausgewürgten Worten noch eine gewisse Tragweite zu verleihen. Sionne war jedoch trotz seiner sorgfältig geputzten Stiefel mit Absatz ein sehr kleiner Mann und ob er nun sass oder stand, er sah immer ein wenig so aus wie ein Kobold.

Tréville nutzte den Grössenunterschied und sah, sehr betont, auf den kleinen Gefängnisvorsteher herab. „Hat er dann explizit gesagt, dass Ihr mich nicht zu Pierre Lefèvre vorlassen sollt?“

Wieder begann Monsieur Sionne hektisch seine Finger zu kneten. „Nun, er hat es nicht direkt so formuliert….aber er hat eben auch nicht gesagt, dass ich Euch zu ihm vorlassen darf…und wie gesagt, er hat befohlen, dass niemand….“, druckste er herum.

Natürlich hatte er das nicht! Das war wieder einer von Richelieus üblichen Finten, die er auf perfide Weise nebenbei ausstreute um seinen Mitmenschen das Leben schwerzumachen. Tréville mochte ihm zwar das Versprechen abgerungen haben, mit Pierre sprechen zu dürfen, allerdings schien der Kardinal es nicht für nötig gehalten zu haben, diese Information an Sionne weiterzugeben, weshalb dieser sich nun querstellte.

Wenn Richelieu glaubte, ein übereifriger Gefängnisvorsteher könne ihn davon abhalten mit Pierre zu sprechen, hatte er sich gehörig geschnitten. Er war schon mit wahrlich schlimmeren Gegnern fertiggeworden. „Ich kann verstehen, dass Ihr keinen Ärger wollt mit Kardinal Richelieu. Aber Ihr wollt bestimmt auch keinen mit mir. Richelieu mag der Minister von Frankreich sein, doch auf meinen Befehl hören gut ausgebildete, kampferprobte Musketiere. Ihr wisst bestimmt, von welchem Schlag meine Männer sind. Lammfromm, wenn ich sie an der Leine habe. Wenn ich diese Leine jedoch lockere…“ Tréville hob in einer hilflosen Geste die Schultern, „verwandeln sie sich gerne mal in Höllenhunde. Lassen keinen Stein mehr auf den anderen.“ Er liess bedeutungsvoll den Blick über die dicken Mauern schweifen, als könne er sich bereits vorstellen, wie seine „Höllenhunde“ diese auseinanderrissen.

Sionne verstand die unterschwellige Drohung und schob den Finger in seinen Kragen, als ersticke er an der Last seiner Verantwortung. Er schwieg eine Weile, offenbar wog er gedanklich ab, was schlimmer wäre: Musketiere, die über sein Gefängnis herfielen oder ein Kardinal, der über ihn herfiel. Dann stiess er erneut einen schweren Seufzer aus und fuhr sich durch die Haare. „Na schön, Monsieur Tréville. Ich wäre allerdings froh, wenn Ihr das dem Kardinal gegenüber nicht erwähnen könntet.“

Das ging schneller als gedacht. „Monsieur Sionne, ich und der Kardinal sind nicht gerade dafür bekannt, dass wir unsere intimsten Gefühle miteinander austauschen. Also seid ganz unbesorgt.“

Die Sorgenfalten standen allerdings immer noch deutlich auf Sionnes Stirn geschrieben, als  er die Gefängniszelle aufschloss. „Macht es kurz, Monsieur Tréville. Ich warte draussen. Klopft an die Tür, wenn Ihr rauswollt“, erklärte er noch, bevor er beiseitetrat und Tréville in eines der fürstlichen Gemächer der Bastille einliess.

Sobald er die Zelle betreten hatte, griffen Kälte und Dunkelheit nach ihm. Die Atmosphäre war so bedrückend aufgeladen mi den Geistern der verstorbenen Gefangenen, dass Tréville unwillkürlich zusammenfuhr, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Die Schatten der Bastille waren nun einmal lang und wen sie einmal in ihren gefährlichen Klauen hatte, den liess sie nie mehr ganz los. Und dank Maria de Medici hatte auch er einmal zu den Ehrengästen der Bastille gehört.

„Mein lieber Hauptmann! Wie schön, dass Ihr mich besucht. Hattet wohl Sehnsucht nach mir?“

Obwohl noch nicht lange in Haft, hatte der unfreiwillige Aufenthalt schon seine Spuren in Lefèvres Erscheinung hinterlassen. Weg waren die Pfauenfedern und die bunte Kleidung, die blonden Locken waren zerzaust und der Parfümgeruch war dem widerlichen Gestank des Gefängnisses gewichen. Und dennoch war weder der kokette Charme seiner Stimme verflogen, noch das spielerische Feuer aus seinen Augen verschwunden, als er auf Tréville zuschritt, als hiesse er ihn in einem edlen Salon willkommen und nicht in einer verdreckten Zelle.

„So könnte man es in der Tat nennen, Monsieur Lefèvre.“

Pierre seufzte dramatisch. „Das ist mein Schicksal. Ich ziehe schöne Männer an wie das Licht die Motten. Darf ich Euch in Ermangelung anderes Mobiliars mein Bett anbieten?“ Er deutete ein wenig beschämt auf das mottenzerfressene Feldbett. „Zum Sitzen, mein guter Captain, nur zum Sitzen“, fügte er mit einem listigen Lächeln hinzu, als er Trévilles entgeisterten Gesichtsausdruck bemerkte.

Tréville war dieses zweideutige Gerede und dieses sanfte Umgarnen zwar äusserst unangenehm, zugleich freute es ihn allerdings, dass Pierre so offen und freundlich mit ihm sprach. Die Chancen standen gut, dass der Gastwirt ihm mehr anvertrauen würde, als Richelieu. Also setzte er sich gehorsam auf das Bett, wobei er allerdings darauf achtete, genügend Abstand zwischen sich und Pierre zu lassen, als dieser sich neben ihm niederliess und die Beine übereinanderschlug.

„Leider bin ich nicht hierhergekommen um ein munteres Schwätzchen zu halten.“

Pierre legte sich die Hand über das Herz. „Oh, das ist hart! Allerdings sollte ich vielleicht öfter im Gefängnis landen. Offenbar erregt man nur so die Aufmerksamkeit der grossen Männer unseres Staates.“ Die Bitterkeit in seiner Stimme wirkte so fehl am Platz, wie es Teufelshörner bei einem Engel wären.

„Glaubt mir, ich bedaure Eure Situation sehr. Ich habe versucht den Kardinal umzustimmen.“

Lefèvre senkte den Kopf, dennoch sah Tréville deutlich den Ärger in seinen Augen aufblitzen. Die Maske des munteren Geckes hatte in der Gefangenschaft Risse bekommen und bröselte jetzt langsam auf um den Blick freizugeben auf einen enttäuschten und verängstigten Menschen. Vielleicht würde es doch schwierig werden, sein Vertrauen zu gewinnen.

„Gewiss habt Ihr dass Hauptmann…Allerdings ist mir nicht entgangen, dass ich es wohl Euch und Euren Musketieren zu verdanken habe, dass sich das strenge Auge des Kardinals auf mich gerichtet hat“, sagte Lefèvre und nun war sein vorwurfsvoller Ton unverhüllt.

„Wir konnten nun einmal weder die Tatsache ignorieren, dass mein Musketier im Hinterhof Eures Wirthauses ermorden, noch den Umstand verschweigen, dass Euch mit Robert Dupont ein amouröses Verhältnis verbindet!“, gab Tréville zurück.

Eine hauchzarte Röte stieg in Lefèvres Wangen. „Es ist wohl kaum ratsam für meine Gesundheit und meine Freiheit, wenn ich meine…nun ja…meine Neigungen durch die Strassen von Paris brülle“, grummelte er.

„Mal abgesehen davon, dass Ihr Eure Neigungen nun wahrlich nicht sonderlich gut verbergt, habe ich nicht von Euch verlangt, dass Ihr Eure Liebesbeziehung durch Paris schreit. Und glaubt mir, ich habe schon weitaus schlimmere Geheimnisse bewahrt.“

„Ich verstehe einfach nicht, wieso sich plötzliche alle Welt für meine Liebe zu Robert interessiert.“ Lefèvre stand auf und begann auf und ab zu gehen, die Wut schien ihm auf einmal wieder frische Energie zu verleihen.

„Weil sich daraus ein Mordmotiv ergibt. Angenommen, Robert hat Euch mit Francis betrogen. Dann hättet Ihr einen guten Grund die beiden zu ermorden.“ Es fiel Tréville schwer, diese Vorstellung sein Musketier hätte mit einem anderen Mann zärtliche Berührungen ausgetauscht, auszusprechen. Für ihn war das einfach Sünde. Er war allerdings an einem Punkt angelangt, wo er die Dinge lieber direkt ansprach, anstatt lange um den heissen Brei zu reden.

Entnervt warf Lefèvre die Arme in die Luft. „Mit dieser hirnrissigen Theorie ist auch schon Richelieu gekommen. Selbst wenn ich eifersüchtig auf Francis gewesen wäre, wäre ich wohl kaum so dumm gewesen, ihn ausgerechnet in meinem Wirtshaus zu ermorden. Aber ich war nicht eifersüchtig auf Francis, weil er und Robert kein Techtelmechtel miteinander hatte. Francis war grenzenlos offen, wenn es um die Liebe ging und er war sicher kein Kind von Traurigkeit. Aber er mochte keine Männer. Jedenfalls nicht auf diese Weise. Er war ganz und gar den Frauen verfallen.“

Das zu hören war eine unglaubliche Erleichterung für Tréville. Er war froh, dass er Francis richtig eingeschätzt hatte. Auch wenn er wusste, dass seine Musketiere alle ihre Geheimnisse vor ihm hatten, hätte es ihn doch beschäftigt, wenn er von Francis in dieser heiklen Sache nicht ins Vertrauen gezogen worden wäre. „Wisst Ihr, ob er eine Geliebte hatte?“

Pierre verdrehte entnervt die Augen. „Oh ja, er war ganz vernarrt in sie.“

„Hiess diese Geliebte zufällig, Fleur Delacroix?“, fragte Tréville unschuldig.

Die Reaktion kam sofort. Lefèvre blieb abrupt stehen und wirbelte so heftig herum, dass die blonden Locken flogen. „Fleur Delacroix?“, echote er ungläubig. 

„Wir haben Grund zur Annahme, dass sie die geheimnisvolle Geliebte von Francis ist.“

 

„Fleur und Francis? Wie kommt Ihr nur auf diese Idee?“ Fassungslos schüttelte Pierre den Kopf. Seine Ungläubigkeit schien nicht im mindestens gespielt zu sein, allerdings war Tréville nicht entgangen, dass er bei der Nennung von Fleur kurz zusammengezuckt war, als sei es ein Thema, dass er lieber vermeiden wollte.

„Francis trug ein Schmuckstück bei sich, das offenbar seiner Geliebten gehörte. Und wir haben Grund zur Annahme, dass es sich dabei um Fleurs Kette handelt.“

„Da müsst ihr euch irren. Fleur war bestimmt nicht die Geliebte von Pierre. Das wüsste ich!“, behauptete Pierre und seine Heftigkeit überraschte Tréville.

„Nun, wir fühlen uns in unseren Verdacht bestätigt, da Fleur spurlos verschwunden ist.“

Da schien Pierre noch mehr aufzuregen. Erregt begann er wieder hin – und herzulaufen, wobei er ausladend mit den Händen rumfuchtelte, als sei er ein übereifriger Schauspieler. „Ich versichere Euch, Fleur hat nichts, aber rein gar nichts mit diesen Morden zu tun!“ Speicheltropfen flogen durch die Luft, als Pierre diese Worte hervorstiess und seine blauen Augen hatten sich so verdunkelt, dass sie aussahen wie der Nachthimmel ohne Sterne. Tréville  brauchte kein Genie zu sein, um zu sehen, dass er einen Nerv getroffen hatte. Einen sehr empfindlichen Nerv sogar. Auf jeden Fall schien er Fleur gut zu kennen, sonst würde er nicht so gefühlvoll reagieren. Und genau diese Emotionalität musste er nun ausnutzen.

„Und woher wisst Ihr so genau, dass Fleur es nicht gewesen ist? Vielleicht war es Fleur, die Aramis niedergeschlagen, sein Messer genommen und Francis damit erstochen hat. Vielleicht war es Fleur, die Dupont erwürgt hat. Sie hat es mit einem Seil getan, wisst Ihr? Mit einem ganz schmalen Seil hat sie ihn von hinten erwürgt. Ein grauenhafter Tod, kann ich mir vorstellen. Wenn einem die Luft zum Atmen genommen wird. Vielleicht hat Robert sich noch gewehrt, vielleicht hat er mit den Händen nach hinten gegriffen, im verzweifelten Versuch, seinen Angreifer packen zu können. Und als es ihm nicht gelungen ist, als ihm das Bewusstsein langsam entglitten ist, als ihm klar geworden ist, dass er sterben wird, vielleicht hat er da noch an Euch gedacht, an Eure Liebe und die Zukunft, die ihr nie hattet und nun auch nie haben werdet…"

„Seid still“, Pierre schrie nun, während ihm die Tränen in die Augen stiegen, „seid endlich still!“

Es machte Tréville keinen Spass, den armen Mann so zu quälen. Er war immer schon in der Lage gewesen, in brenzligen Momenten die nötige Härte zu entwickeln, um das Richtige tun zu können. Auch wenn das Richtige schmerzhaft war. Mit Samthandschuhen kam man manchmal einfach nicht mehr weiter. „Robert ist still. Für immer. Denn er ist tot. Genau wie Francis. Ich werde nie mehr hören, wie er im Hof die Rekruten zusammenstaucht, nie mehr sein ausgelassenes Lachen hören, nie mehr hören, wie er mir einen guten Morgen wünscht. Ihr seid nicht der Einzige, der trauert, Monsieur Lefèvre! Francis war mein Musketier und er hatte etwas Besseres verdient, als in einem heruntergekommenen Hinterhof niedergestochen zu werden. Und wenn es Fleur war, die es getan hat, dann werden weder Gott noch Ihr, sie vor meinem Zorn schützen können.“

Auch Tréville war nun laut geworden und Pierre sah ihn mit grossen, weit aufgerissenen Augen an. In seiner Jugend war er so jähzornig gewesen, dass seine Mutter beinahe verzweifelt wäre. Jetzt hatte Tréville sein Temperament gut im Griff.     Wohldosiert eignete es sich allerdings ausgezeichnet um andere einzuschüchtern. Bei Pierre funktionierte es auf jeden Fall. Seine Hysterie nahm jedenfalls schlagartig ab, wie ein Häufchen Elend sank er wieder neben Tréville auf das Bett. „Ich schwöre Euch, Fleur hat es nicht getan. Meine Fleur würde niemals so etwas tun.“

Genau auf ein solches Geständnis hatte Tréville gelauert. „Meine Fleur? Das klingt nach mehr als nur nach einer flüchtigen Bekanntschaft!“

Pierre hatte das Gesicht in den Händen vergraben, als wolle er sich vor der Welt und ihren Grausamkeiten verstecken. Er weinte nicht, er schluchzte nicht, er schwieg einfach, ein stummes Bild der Erschütterung. Tréville liess ihm einen kurzen Moment um sich zu sammeln. „Monsieur Lefèvre, bitte redet mit mir. Ich bin kein politischer Ränkeschmied wie Richelieu, ich will nur den Mörder finden. Wenn Ihr mir sagt, was Ihr wisst, kann ich Euch aus dem Gefängnis holen. Und Fleur vielleicht davor bewahren, wenn sie wirklich nichts damit zu tun hat.“

Pierre liess die Hände sinken und sah ihn an, erst voller Misstrauen, dann jedoch wurde sein Blick weicher. Die  trotzige Mauer bekam Risse. Tréville spürte, dass er auf dem richtigen Weg war. Hier war ein Mann, der verlassen von allen Freunden in einer feindlichen Umgebung gefangen war und der verzweifelt versuchte, seine Geheimnisse festzuklammern. Und er sehnte sich danach, zumindest ein paar seiner Geheimnisse jemanden anzuvertrauen, um sich von dieser Last zu befreien.

„Ihr seid ein guter Mann, Monsieur Tréville. Und ich weiss, Ihr haltet Eure Versprechen. Schwört Ihr mir, dass Ihr das, was ich Euch jetzt sage, nicht dem Kardinal verraten werdet?“

„Das kann ich Euch nur versprechen, wenn Ihr mir versichert, dass Euer Geheimnis nichts beinhaltet, was Frankreich schaden könnte.“

Pierre hob eine Augenbraue. „Das ist seltsam, Hauptmann. Ich dachte, Ihr und der Kardinal seid Euch spinnefeind.“

„Oh, ich kann Euch versichern, wir hassen uns aus tiefstem Herzen. Aber das lässt uns nicht blind sein, für die Vorzüge des anderen. Der Kardinal ist ein furchtbarer Feind, aber der beste Freund, den sich Frankreich nur wünschen kann. Und um ein guter Freund zu sein, muss er alles über das launische, unruhige Land wissen, dass er so sicher steuert.“

Ein Lächeln zuckte um Pierres Mundwinkel. „Die meisten Menschen sind nicht halb so gut wie ihr Ruf. Bei Euch ist es umgekehrt. Euer Ruf wird Euch nicht gerecht. Ihr seid wahrlich grossmütig, wenn Ihr so achtungsvoll von Eurem Todfeind sprechen könnt. Respekt ist selten in diesen Tagen.“

„Ich habe auch Respekt vor den Geheimnissen anderer Menschen. Wenn es nichts ist, was den König und das Land gefährdet, werde ich auch das Eure hüten. Sogar vor den neugierigen Ohren des Kardinal.“

Pierre sah ihn lange an, als wolle er seine Seele ergründen. Dann – und Tréville hätte bei diesem Anblick am liebsten gejubelt – nickte er bedächtig. „Vielleicht ist reden tatsächlich der einzige Weg, Fleur noch einigermassen unbeschadet aus der Sache rauszubringen.“ Wieder ein schwerer Seufzer, dann bedrücktes Schweigen. Der Hang zur Dramatik war trotz Gefängnis offenbar noch intakt.

Als er die dramatische Pause als lang genug befand, sprach er weiter: „Ihr und Eure Musketiere habt natürlich Recht. Fleur ist tatsächlich nicht die, die sie zu sein scheint. Und Ihr habt auch Recht mit Eurer Vermutung, dass wir uns kennen. Fleur und ich sind zusammen aufgewachsen. Wir waren wie Geschwister. Und als ich mein Wirtshaus eröffnete, wurde sie eins meiner Mädchen.“

Tréville brauchte eine Weile bis er den vollen Umfang dieser Worte begriff. „Eines Eurer Mädchen?“

„Eines meiner Freudenmädchen um genau zu sein“, gab Pierre freimütig zu.

Da klappte Tréville die Kinnlade runter. Mit dieser Enthüllung hatte er jetzt nicht gerechnet. Und wie konnte das überhaupt sein? Palastzofen wurden sehr sorgfältig ausgewählt. Immerhin hatten sie Zutritt zu allen Gemächern und kannten meistens auch die Geheimgänge besser als jeder andere Bewohner des Palastes. Auch wenn Zofen keine so hohe Stellung genossen wie die Hofdamen, so wurde doch streng darauf geachtet, dass sie aus rechtschaffenen Familien kamen und einen untadligen Ruf besassen. Beiden Dinge, die auf Fleur wohl alles andere als zutrafen. „Aber wie kam sie dann in den Palast?“

Pierre richtete sich auf, sichtlich stolz. „Ich habe sie dorthin gebracht! Fleur hatte etwas Besseres verdien, als betrunkenen Männern auf dem Schoss rumzurutschen! Inzwischen läuft mein Wirtshaus so gut, dass ich das meinen Mädchen nicht mehr zumuten muss, aber am Anfang gab es bei uns noch kein ‚Nein‘. Aber Fleur ist eine kluge, pfiffige und schöne Frau, die es ebenso versteht leichte Konversation zu machen, wie geistreiche Diskussionen zu führen. Sie gehört nicht in die schmutzigen Gassen von Paris, sie gehört in die edlen Salons der hohen Damen. Und da habe ich…Beziehungen spielen lassen. Ihr eine blütenweisse Vergangenheit verpasst. Noch einmal ein paar Beziehungen spielen lassen. Ihr die Stellung im Palast verschafft.“

„Ihr müsst über ein beeindruckendes Beziehungsgeflecht verfügen“, bemerkte Tréville staunend.

Jetzt trat ein triumphierendes Leuchten in die klaren blauen Augen Pierres. „Mit meinem Wissen kann ich halb Paris erpressen, glaubt mir. Und es gibt viele, die mir einen Gefallen schulden oder mein Schweigen erkaufen wollen.“

Wenn sich Tréville das Gasthaus vors geistige Auge rief, konnte er sich lebhaft vorstellen, dass dort einige Sünden begangen wurden. Vielleicht sollte er in der Garnison auch ein solches Lokal einrichten, um so Erpressungsmaterial gegen seine Feinde sammeln. Porthos würde sicher ein gutes Schankmädchen abgeben. „Gut, Ihr habt Fleur also in den Palast gebracht, wo sie eigentlich nicht hingehört. Aber was hat das mit dem Mord zu tun?“

Pierre verdrehte die Augen. „Das versuche ich Euch ja die ganze Zeit zu erklären: Fleur hat eben nichts mit dem Mord zu tun!“

„Wenn sie nichts mit dem Mord zu tun hat, wieso ist sie dann verschwunden?“

„Weil wir offenbar nicht mehr die einzigen sind, die um unser Geheimnis wissen. Sie kam völlig panisch zu mir gelaufen, das arme Ding und hat mir erklärt, sie müsse unbedingt aus Paris verschwinden, weil jemand dahinter gekommen ist, dass ihre Vorgeschichte erstunken und erlogen ist.“

Tréville fühlte die Enttäuschung wie einen schweren Stein im Magen. Natürlich könnte es sein, dass Pierre log um Fleur zu schützen, aber so recht mochte er nicht daran glauben. Pierre machte auf ihn einen aufrichtigen Eindruck und so recht mochte er sich auch nicht vorstellen, dass dieser Lebemann sich in dunkle Intrigen verwickeln liess. Also schon wieder eine falsche Spur. Genau wie bei Ellen hatten sie ein Rätsel gelöst und wie bei Ellen brachte sie es keinen Schritt weiter.

Dennoch bohrte er weiter nach. „Fleur flüchtet, weil jemand herausgefunden hat, dass ihre Vergangenheit nicht ganz sauber ist?“

„Monsieur Tréville, ich brauch Euch wohl kaum daran zu erinnern, dass am französischen Hof, der Stammbaum alles ist. Und ich brauche Euch auch nicht daran zu erinnern, dass man den Adeligen zwar jede Lügerei vergibt, sich diese Toleranz aber gewiss nicht auf einfache Bedienstete erstreckt. Wenn Fleur auffliegt, wird ihr jedes Verbrechen, dass jemals im Louvre verübt worden ist, angelastet. Einfach, weil es bequem ist, einer ehemaligen Hure die Schuld in die Schuhe zu schieben!“

Wieder war Pierre laut geworden und Tréville hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Schon gut, ich gebe zu, Fleur hatte wahrscheinlich wirklich Grund zu fliehen.“ Zumal Louis manchmal ganz schön hart sein konnte, wenn er seinem Beinamen „Louis der Gerechte“ alle Ehre machen wollte. „Habt Ihr denn eine Ahnung, wer von dem Geheimnis erfahren hat?“

Pierre schüttelte den Kopf. „Da fragt Ihr mich zu viel. Fleur war zu aufgebracht um irgendetwas näher erzählen zu können.“

„Und als Fleur zu Euch kam, habt Ihr ihr zur Flucht verholfen?“

„Ja. Rückblickend betrachtet hätte ich es vielleicht nicht tun sollen. Denn damit habe ich wohl Euren Verdacht noch mehr erhärtet.“ Pierre grinste schief.

Das klang wirklich alles sehr überzeugend und schlüssig. Und es war schwer zu glauben, dass sich hinter diesem  Engelgesicht Hinterlist und Mordgedanken lauerten. Allerdings war Pierre zweifellos ein guter Schauspieler, der immerhin Richelieus Verhörmethoden widerstanden hatte.

„Sagt mir, wo Fleur ist, damit ich mit ihr reden kann und Euer Fehler ist wieder ausgebügelt.“

Die Kornblumenaugen glitten erneut prüfend über Trévilles Gestalt. Wahrscheinlich gehörte das zu Pierres Leben. Den Gesprächspartner abschätzen und abmessen, wissen, ob man sich ihm anvertrauen kann oder ob man die eine Seite seines Charakters sorgfältig verbergen musste. Wenn man so lebte wie Pierre, musste man behutsam vorgehen, wie eine misstrauische Katze auf Samtpfoten. ‚Ich könnte halb Paris erpressen‘ hatte er gesagt und er nutzte dieses Wissen offenbar um sich Vorteile zu verschaffen. Das war mehr als nur gefährlich, wenn man selbst so angreifbar war.

„Ich sage Euch, wo Fleur ist, wenn Ihr mir versprecht, dass Ihr dafür sorgt, dass sie an Hof zurückkehren und ihre Stellung behalten kann.“

„Ihr verlangt ganz schön viele Versprechen von mir, Monsieur Lefèvre.“

 

Ein raubtierhaftes Grinsen. „Ich bin Geschäftsmann.“

 

„Ich verstehe nicht ganz, was daran ein Geschäft sein soll. Wenn ich nicht mit Fleur reden kann, kann ich sie nicht entlasten. Ganz einfach.“

Pierre legte die Fingerspitzen aneinander und spitzte nachdenklich die Lippen. „Dann muss ich mein Angebot wohl erhöhen. Wenn es Euch gelingt, meine Fleur heil aus dieser Sache zu bekommen, erzähle ich Euch, wieso der Kardinal so wütend auf mich ist. Und glaubt mir, diese Geschichte wollt ihr unbedingt hören.“

Dieser Pierre war wirklich ein schlauer Fuchs. Tatsächlich war Tréville brennend an dieser Geschichte interessiert. Sie musste auf jeden Fall hörenswert sein, wenn Richelieu so erpicht darauf war, Pierre einzusperren. „Ich werde mein Möglichstes tun, um Fleurs Ansehen wieder herzustellen“, stimmte er schliesslich zu. Wenn das Mädchen tatsächlich unschuldig war, hatte sie diesen gesellschaftlichen Abstieg ohnehin nicht verdient.

Und so verriet Pierre Tréville endlich das Geheimnis von Fleurs Aufenthaltsort.

 

---

Constance war gerade damit beschäftigt, Stoffbahnen auf dem Tisch auszubreiten, als schweres Poltern auf der Treppe, Porthos‘ Ankommen ankündigte. Das überraschte sie. Bis jetzt hatte Porthos das Krankenzimmer nur verlassen um sein Geschäft zu erledigen oder um möglich schnell etwas zu essen in sich reinzustopfen. Er schien entschlossen zu sein, Aramis keine Sekunde aus den Augen zu lassen, als hätte er Angst, dass sich die Krankheit verschlimmern könnte, sobald er einen Fuss aus dem Zimmer setzte. Und doch war es Porthos, der in den Raum trat und sich mit einem missmutigen Grummeln auf einen Stuhl sinken liess.

„Wie komme ich denn zu dieser Ehre?“, begrüsste ihn Constance, während sie nach der Schere griff.

„Bruder Mathias ist bei ihm. Um ihn zu untersuchen. Und Aramis fand, ich hätte ihn nun schon wahrlich oft genug mit nacktem Oberkörper gesehen.“

Die Tatsache, dass Aramis wieder Schamgefühl entwickelte, war ein gutes Zeichen. Trotzdem sah Porthos mehr als nur angesäuert aus. Aus Erfahrung wusste Constance, dass es besser war, den hitzköpfigen Musketier erst einmal abkühlen zu lassen. Wenn man ihn ausquetschte, wenn es innerlich noch brodelte, bekam man ohnehin nur schnippische Antworten. Also konzentrierte sich Constance wieder auf ihre Stoffe, die sie mit geübter Hand zuschnitt.

„Ich dachte, dein Mann sei der Schneider?“, fragte Porthos nachdem er sie eine Weile schweigend beobachtet hatte.

„Mein Mann ist aber nicht hier. Und weil er trotz seiner Reise nicht auf die Aufträge verzichten wollte, darf ich jetzt die Kleider fertigstellen.“ Sie war überrascht, wie bitter sie klang. Früher war sie zufrieden gewesen mit ihrem Leben. Nicht glücklich, wie hätte sie das sein können mit einem einfältigen Mann an ihrer Seite, den sie nicht liebe und der sie behandelte, als sei sie seine Dienstmagd. Früher hatte es ihr nichts ausgemacht, ihrem Mann bei der Arbeit zu  helfen, im Gegenteil, sie hatte es als willkommene Abwechslung empfunden. Doch dann waren d’Artagnan und seine Freunde in ihrem Leben aufgetaucht und hatten sie daran erinnert, dass das Leben mehr war als muffige Stoffe und griesgrämige Ehemänner.

„Er hat dich nicht verdient, Constance.“

Sie sah überrascht auf. Porthos war immer freundlich zu ihr gewesen, aber er hatte sich noch nie so direkt zu ihrer Ehe geäussert. Als d’Artagnan und sie noch geglaubt hatten, ihre Liebe könne mehr sein als ein schöner Traum, hatten seine drei Freunde einfach so getan, als existiere ihr Ehemann nicht und als sei sie eine ungebundene Frau. Dass der raubeinige Porthos, der in seinem Soldatenleben aufging, Verständnis für ihre Situation aufbrachte, rührte sie.

„Wir bekommen selten das, was wir verdienen.“

Wie aufs Stichwort hörten sie Aramis husten, ein auf schreckliche Art und Weise vertrautes Geräusch. Beide zuckten erschrocken zusammen und lauschten mit angehaltenen Atem bis der Hustenanfall verebbt war. Porthos biss sich auf die Lippen. Das Leiden seines Freundes schien ihm körperliche Schmerzen zu bereiten.

„Der Idiot will, dass ich nach Paris zurückkehre“, platzte er schliesslich heraus.

Constance nahm einfach mal an, dass mit Idiot Aramis gemeint war. „Vielleicht“, sagte sie, so behutsam, als rede sie mit einem kleinen Kind, „vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee.“

Porthos wirkte wie vor den Kopf geschlagen. „Wollt ihr mich etwa loswerden?“

Seit Constance mit d’Artagnan unter einem Dach gelebt hatte, wusste sie sehr genau, wie man mit empfindsamen Männerseelen umging. Und sie wusste auch, dass man sich nicht einschüchtern lassen durfte, egal wie laut sie knurrten. „Porthos, ich kann ja verstehen, dass du bei ihm sein willst. Aber ich verstehe auch, dass er sich Sorgen um d’Artagnan und Athos macht. Und dass er sich wünscht, dass sein Name wieder reingewaschen wird.“

„Verdammt, ihr tut ja gerade so, als seien Athos und d’Artagnan unfähige, kleine Kinder auf die man achtgeben muss!“, schimpfte Porthos.

Constance verkniff sich die Bemerkung, dass sich in ihren Augen alle vier Männer kindisch verhielten. „Darum geht es nicht. Verstehst du nicht: Sosehr Aramis Athos und d’Artagnan liebt, niemanden vertraut er so sehr wie dir. Und an niemanden glaubt er so sehr. Er ist der festen Überzeugung, dass nur du diesen geheimnisvollen Mörder finden kannst! Und abgesehen davon, spürt er doch, dass es dir in den Fingern juckt, dich wieder ins Abenteuer zu stürzen“, fügte sie mit mildem Lächeln hinzu und deutete mit dem Kinn vielsagend auf Porthos‘ wippenden Fuss, ein deutliches Zeichen dafür, dass dem freiheitsdurstigem Mann die Bewegung fehlte.

„Aber ich kann ihn nicht alleine lassen!“, begehrte Porthos auf und fuhr sich verzweifelt it das Hand durch die dicken Locken.

„Du lässt ihn nicht alleine. Bruder Mathias ist hier. Ich bin hier.“

„Er ist noch immer nicht gesund.“

„Wenn du warten willst bis er wieder gesund ist, wirst du noch Wochen an seinem Bett sitzen müssen. Das Schlimmste zumindest ist überstanden. Und wer weiss, vielleicht wird auch seine Genesung schneller voranschreiten, wenn er weiss, dass es einen Ort gibt, wohin er zurückkehren kann.“

Porthos rang mit sich, das konnte Constance an seiner Brust sehen, die sich mit schweren Atemzügen hob. Und sie verstand seine Gewissenskonflikte. Sie würde auch verstehen, wenn er sich entschloss, zu bleiben. Sie wollte einfach, dass er sich Aramis‘ Ansinnen ernsthaft überlegte.

„Und du würdest auf ihn aufpassen?“, fragte er schliesslich und die Angst in seiner Stimme war so greifbar, dass Constance ihn am liebsten tröstend in die Arme genommen hätte.

Stattdessen legte sie ihm sanft die Hand auf den Arm. „Ich lasse ihn nicht gehen, Porthos. Das verspreche ich.“

 

---