Zwischen den Fronten von kaloubet , Rochefort, Aramis und Armand-Jean-du-Plessis
Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 94 BewertungenKapitel Konfrontation
Shamrock blieb noch einige bange Minuten, nachdem Rochefort gegangen war, in dem verlassenen Haus. Ob der Graf noch draußen war und ihn beobachten würde, sobald er das Gehöft verließ? Aber die Zeit drängte. Wenn er seinen Auftrag noch beenden wollte, musste er schleunigst zum Südturm der Festung. Sollte er das wirklich riskieren? Aber auch der Comte hatte so einiges zu verlieren, wenn er blieb, oder? Nachdenklich spielte er mit den Elfenbeinwürfeln in der Hand. Dann war es entschieden. Geduckt und vorsichtig ging es Richtung Festung. Mehrmals blickte sich Seamus um und lauschte in die dunkle Nacht hinein, aber es war nichts Verdächtiges zu sehen oder zu hören.
Endlich war er an der Stelle angekommen, die man ihm genannt hatte. Dort oben war die Schießscharte. Er setzte sich, zog sein weißes Taschentuch hervor und hielt es ausgebreitet in seinen Händen. Mit dem Körper deckte er die der Festung abgewandte Seite ab. Von oben war selbst in einer mondlosen Nacht so ein Stück weißer Stoff sicher gut zu sehen. Es dauerte aber trotzdem aus Shamrocks Sicht eine kleine Ewigkeit, bevor sich etwas tat. Dann jedoch fielen ein paar winzige Kiesel von der Mauer. Er stand auf, blickte nach oben und wich etwas zurück. Und da fiel auch schon ein Stein herab. Das Geräusch des Aufschlags war dumpf, trotzdem zuckte der junge Ire zusammen. Wieder blickte er sich um und lauschte, aber das Glück schien ihm wieder hold zu sein. Rasch ergriff er den Stein, löste das Lederband darum und steckte die Papiere ein.
Ein paar Stunden später betrachtete Shamrock die Papiere, die ihn fast das Leben gekostet hätten, in einem sicheren Versteck. Gründlich waren diese Calvinisten, das musste er zugeben. Fein säuberlich war da aufgezählt, dass es von den ursprünglich 200 Mann Kavallerie und 1000 Mann Infanterie 29 tote und 67 verwundete Kavalleristen und 108 tote und 134 verwundete Infanteristen gäbe. Weitere 82 Mann, darunter 4 Offiziere, vermutete man als gefangen. 31 Engländer hatte man als Gefangene, die höheren Offiziere unter ihnen waren bereits freigelassen worden. 57 Pferde waren getötet oder von den Engländern erbeutet worden. Auch Skizzen des Forts waren vorhanden, und ebenso, wo die Kanonen standen und welches Kaliber sie hatten, war eingezeichnet. Seamus schüttelte verwundert den Kopf – wenn schon Verräter, dann aber gründlich, schien das Motto dieses hugenottischen Unteroffiziers gewesen zu sein. Eine Täuschung schien nicht vorzuliegen, denn sonst wären die Zahlen wohl höher gewesen.
Es war nur wenig Zeit geblieben, um sich frisch zu machen und die Kleidung zu säubern, von Schlaf gar nicht die Rede. Shamrock wollte aber die Papiere so schnell wie möglich loswerden. Für ihn bedeuteten sie nur eine Gefahr, und sobald er sie übergeben hatte, betrachtete er seine Schuld als beglichen und seinen Auftrag für beendet. Und dann weg von hier, es roch schon jetzt bereits überall nach Blut und Tod am Rande des englischen Hauptlagers. Kurz bevor er auf den Lagerposten traf, brach Shamrock einen längeren, sehr dünnen Zweig von einem Busch ab. Diesen knickte er dreimal, ohne den Zweig dabei ganz zu brechen. Dadurch entstand, wenn man es richtig betrachtete, ein großes „W". Das war ein Erkennungszeichen, das der legendäre Großvater des jetzigen englischen Geheimdienstchefs, Francis Walsingham, der Meisterspion Königin Elisabeths I., eingeführt hatte. Es war völlig unauffällig, und neben eingeweihten Agenten kannten es nur die Mitglieder der königlichen Familie und wichtige Minister. Der Posten war unwirsch und unfreundlich, als ihm Shamrock einen gefalteten Brief mit dem darin enthaltenen Stöckchen überreichte und ihn bat, ihn dem Herzog von Buckingham persönlich zu übergeben und dass er auf Antwort warten würde. Man ließ ihn warten. Das hatte er befürchtet, aber daran ließ sich nichts ändern. Auf Nachfrage erfuhr er, der Herzog habe sich entschlossen, ein morgendliches Bad zu nehmen, dann eine ausführliche Morgentoilette, gefolgt von einem ausgiebigen Frühstück, sowie einer wichtigen Anprobe seines Schusters, da eines seiner liebsten Paar Stiefel beim Angriff beschädigt worden war. Seamus kochte innerlich. Am liebsten hätte er die so wichtigen Papiere ins Lagerfeuer geworfen.
Endlich, es war in der Zwischenzeit fast Mittag, kam eine prunkvoll gekleidete Ordonnanz und befahl ihm, ihr zu folgen. Das Kommandozelt glich eher einem glitzernden Bazar, den Seamus nur aus den Beschreibungen des fernen Orients kannte, als einem militärischem Hauptquartier. Überall waren kostbare Teppiche, Seidentücher, vergoldete Kandelaber, ja sogar Ölgemälde mit Portraits von Buckingham. Dazu ein penetranter Geruch nach verschiedenen süßlichen Parfums, der in Seamus eher Brechreiz als Wohlbefinden auslöste. Der Herzog selbst empfing ihn in einem violetten Seidenmorgenmantel, der mit Brüssler Spitze besetzt war. Er thronte auf einem hohen Lehnstuhl aus Ebenholz, nur der riesige Tisch mit einigen Landkarten und Schiffsmodellen und Modellen für Truppen erinnerte daran, dass man sich im englischen Oberkommando eines Kriegszuges befand und nicht im Salon einer teuren Kurtisane.
„Ah, der Spion von Lord Walsingham", wurde er begrüßt, „was habt Ihr zu berichten? Aber nur in aller Kürze. Auf mich warten wichtige Verhandlungen."
Kurz kann er haben, dachte Shamrock bei sich und hielt Buckingham die Papiere hin. Er versuchte, seinen Ärger herunter zu schlucken, dieser arrogante Schnösel hatte ihn als Spion bezeichnet, und das in Anwesenheit der Ordonnanz, zweier Leibwachen und eines Dieners, der dem Herzog gerade Wein nachschenkte. „Mit ergebensten Grüßen von Euren hugenottischen Verbündeten, Eure Lordschaft", waren die einzigen Worte, die er sagte.
Der Oberbefehlshaber der englischen Truppen nahm die Papiere, überflog die Aufstellung kurz und warf auch einen recht kurzen Blick auf die Skizzen. „Die Zahlen können unmöglich stimmen", und zur Ordonanz gewandt: „Bittet den Herzog von Rohan, ob es ihm möglich wäre, mir so bald als möglich seine Aufwartung zu machen und lasst nach dem Chevalier d’Herblay schicken."
*****
"Seine Lordschaft wünscht mich zu sehen?"
Aramis erhob sich von seinem Feldstuhl im Offizierszelt, das er mit Lord Fairchild, einem jungen Leutnant, teilte, und griff mit gezwungenem Lächeln nach Hut und Handschuhen. Zum Teufel, was wollte Buckingham jetzt schon wieder?! Ihm zum wiederholten Male die Ohren vollsingen, welch grandiose Schlacht er doch gegen Toiras` Truppen geschlagen habe, als oberster Befehlshaber der ruhmreichen englischen Flotte? Ihm abermals in den grellsten Farben ausmalen, wie erbärmlich und schlichtweg aussichtslos nun des Herrn Gouverneurs Lage sei? Mon Dieu! Ihm, Aramis, blieb beim Anhören jener triumphierenden Tiraden nichts anderes übrig, als ergeben zu nicken, mit unbewegter Miene und heimlich loderndem Zorn im Herzen - er war immerhin Franzose und noch dazu königlicher Musketier! Genierte sich der Herr Herzog denn gar nicht, vor ihm in höchster Begeisterung über die unmittelbar bevorstehende vernichtende Niederlage der französischen Besatzung zu fantasieren?! Peste! Am liebsten wollte er dieses elende Spiel beenden, seine Karten auf den Tisch werfen und stehenden Fußes zu Toiras zurückkehren! Sollte er sich nicht doch bei Nacht und Nebel davonstehlen, hinüber zum Fort, und dort um Einlass bitten? Doch wer weiß, was dann geschah! Und sich unbemerkt aus dem Feldlager zu schleichen, erwies sich wohl als äußerst schwierig. Zudem gab er damit seinen geheimen Auftrag preis, und der Himmel allein wusste, was daraus wohl erwuchs! Nein, er musste ausharren, bis zum bitteren Ende, ihm blieb schlicht und einfach nichts anderes übrig!
Jene düsteren Gedanken wälzend, folgte der junge Mann dem Offizier zu Buckinghams Prunkzelt, das sich in seiner opulenten Pracht wie ein märchenhaftes Traumgebilde inmitten der schier endlosen Zeltreihen erhob, und als Aramis darauf zustrebte, gewahrte er einen dunkelhaarigen Herrn, begleitet von zwei farbenprächtig livrierten Lakaien, der sich ebenfalls raschen Schrittes dem Zelteingang näherte. Der Duc de Rohan! Parbleu, was hatte Buckingham vor? Wollte er etwa Kriegsrat halten, mit seinem hugenottischen Verbündeten, um die belagerte Festung schnellstmöglich zu Fall zu bringen?
Der Duc de Rohan hielt ebenfalls inne, als er den jungen Musketier gewahrte, und nickte bloß gnädig, als dieser respektvoll seinen Hut zog und sich verneigte. Doch Rohans Gedanken schweiften sofort ab, im Angesicht des imposanten Feldlagers - ja, es war tatsächlich geschehen wie zu erwarten, die englischen Truppen hatten gesiegt! Toiras, sein Feind, war zum Rückzug gezwungen und musste sich nun notgedrungen hinter den Mauern seines Forts verschanzen! Ha, welche Genugtuung! Nun hatte sich das Blatt gewendet, für jenen verwegenen Herrn! Er, der vordem die Hugenotten und damit auch ihn, Rohan, mit Waffengewalt von der Île de Ré vertrieb, war nun von ihnen eingekesselt und zur Kapitulation gezwungen! Jawohl, Toiras` Schmach mit eigenen Augen zu sehen, lohnte allein schon die Überfahrt! Parbleu, wie wollte er, Rohan, triumphieren, wenn die mühsam verteidigte Festung seines Gegners endlich fiel!
Der Herzog lächelte siegesgewiss und reckte seine gedrungene Gestalt, die Wachen am Zelteingang verneigten sich ehrerbietig und wichen zurück, als er, seine beiden pompös bekleideten Lakaien im Schlepptau und in gehörigem Abstand von Aramis gefolgt, in Buckinghams prunkvolle Behausung trat.
„Ah! Monsieur le duc!", rief dieser sofort, im Kreise seiner Offiziere, erhob sich majestätisch, als wäre er der König selbst, und breitete in theatralischer Geste die Arme aus. „Seid willkommen! - Und ebenso Ihr, Monsieur Aramis! Meine Herren, tretet bitte näher, wir haben etwas äußerst Wichtiges zu besprechen! Yes, I say, a matter of vital importance!"
Der junge Musketier verneigte sich schweigend vor seinem Gönner, in tiefer, pflichtschuldiger Reverenz, doch als er sich wieder aufrichtete und seinen Blick über die Schar der anwesenden Offiziere gleiten ließ, war ihm mit einem Mal, als durchzuckte ein Blitz alle seine Glieder. Zum Teufel, sah er recht?! Dort drüben stand doch kein anderer als dieser junge Kerl, jener gewisse Shamrock, wie er sich zu nennen beliebte! Was in aller Welt hatte der in diesem kriegerischen Kreis zu suchen? Aramis spürte, wie sich seine Muskeln spannten, plötzlich war er hellwach, alle seine Sinne geschärft - parbleu, was ging hier vor?
Shamrock wurde innerlich immer grimmiger. Buckingham hatte seinen ganzen Offiziersstab holen lassen. Wollte er all diesen Leuten seine Identität als Agent von Lord Walsingham preisgeben, auch diesem Aramis, der wohl ein französischer Spion war? Zum Glück hatte er vor wenigen Augenblicken wenigstens den kleinen Ast wieder unauffällig an sich nehmen können und ihn zerbrochen. Auch de Rohan konnte ihn noch vor den anderen Anwesenden enttarnen, und es reichte eigentlich schon, dass er anwesend sein musste. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Aber aufgepasst, seine Lordschaft schwadronierte weiter…
„Mylords", erklärte der Herzog mit erhobener Stimme, „I really must say, I`m completely astonished! Ich erhielt soeben eine höchst seltsame, um nicht zu sagen erstaunliche Botschaft, der Überbringer derselben weilt hier in unserer Mitte!" Und damit wandte er sich um und nickte dem jungen Iren gnädig und herablassend zu.
Sofort wandten sich alle Köpfe, die anwesenden Offiziere blickten Shamrock überrascht und stirnrunzelnd ins Gesicht. Devil, was hatten Lord Buckinghams Worte zu bedeuten? Wer zum Teufel war dieser rotlockige Zivilist?! Schon wollte sich Gemurmel erheben, doch der Herzog brachte seine Stabsangehörigen mit brüskem Wink zum Schweigen. Mit schwungvoller Gebärde nahm er das erwähnte Schreiben vom Tisch und präsentierte es seinen Männern. „Man übermittelt uns hiermit genaue Nachricht über die Stärke der französischen Besatzung im Fort Saint Martin! Und diese soll, wie ich mit Erstaunen las, weit geringer sein als - !" Doch weiter kam er nicht, denn im selben Augenblick näherten sich von draußen rasche, sporenklirrende Schritte, das Zelttuch vorm Eingang flog auseinander, und ein junger Mann in Uniform drang brüsk in die militärische Versammlung. „Mylord, meine Herren Offiziere!", stieß er hervor, heiser und sichtlich außer Atem, „ich habe die Ehre, mich zurückzumelden!"
„Goodness gracious! Sergeant Keeley!", riefen die Offiziere wie aus einem Munde, und auch Lord Buckingham starrte dem Neuankömmling verblüfft ins Gesicht, „haben Euch die Franzosen endlich freigelassen? Teufel noch eins! Das wurde auch Zeit!"
„Sergeant, ich beglückwünsche Euch!", fuhr Buckingham, sichtlich ungehalten ob der Störung, mit ärgerlichem Stirnrunzeln fort, „doch ersuche ich die Herren, ihre Freudensbezeugungen gefälligst auf später zu verschieben! Wie ich eben sagte, erhielt ich von jenem jungen Mann hier eine Nachricht unserer hugenottischen Verbündeten über Stärke und Bewaffnung der französischen Besatzung im Fort Saint Martin, doch weichen ihre Angaben beträchtlich davon ab, was Monsieur Aramis mir unlängst berichtet hat. Und nun, Mylords, frage ich mich, wie in aller Welt kommt dies? Will Toiras uns etwa eine Falle stellen, indem er uns heimtückisch falsche Zahlen übermittelt?"
Einen Augenblick lang herrschte konsternierte Stille, dann erhob sich immer lauteres Gemurmel, wie drohendes Donnergrollen - Aramis überlief es kalt, verflucht, er hatte es gewusst! Dieser Shamrock stand in hugenottischem Sold und verrichtete heimliche Dienste für Buckingham! Parbleu, nicht umsonst traf er, Aramis, den jungen Mann in des Herrn Herzogs fürstlichem Palais! Jawohl, Buckingham und Rohan führten diesen Feldzug, und Shamrock war ihr geheimer Mittelsmann! Sacrédieu! Was sagte Buckingham gerade eben? Detaillierte Zahlen?! Somit musste sich unter Toiras` Männern ein Verräter befinden! Wie sonst hätte der junge Engländer an diese ominöse Botschaft kommen können! Verdammt! Er, Aramis, musste nun schleunigst reagieren! „Mylord, Ihr habt recht, diese Angaben müssen falsch sein!", erklärte er mit allem Nachdruck und unter enerviertem Räuspern. „Bitte verzeiht, doch berichtete Euch der Herr Überbringer, wie er an diese Botschaft kam? Der Feind könnte gezielt versuchen, Euch zu täuschen!"
„Nein, das hat er nicht!", gab Buckingham zu, während sich eine steile Falte auf seiner Stirne bildete. Er wandte sich brüsk um, dem jungen Iren zu. „So sagt mir denn", forderte er vehement und mit erhobener Stimme, „wer übergab Euch dieses Schreiben?!"
„Verzeiht mir, Eure Lordschaft, aber es genügt völlig, dass meine Identität in diesem Kreis bekannt ist", ein vielsagender Blick richtete sich in Richtung Aramis, „meine Quelle ist auf jeden Fall wesentlich zuverlässiger als die Angaben eines französischen Musketiers. Ich werde Euch den Namen des Mannes sicher nicht nennen, von dem diese detaillierten Informationen stammen, die ja auch Skizzen der Befestigung und die Ausrichtung und Stärke der Kanonen enthalten. Aber seid versichert, der Herr Herzog von Rohan und auch seine überaus geschätzte Frau Mutter können die Zuverlässigkeit der Quelle bestätigen." Seamus hatte etwas lauter gesprochen als er eigentlich gewollt hatte, aber die Borniertheit von Buckingham ging ihm langsam wirklich auf die Nerven.
„Nun, in diesem Punkt hat der Mann wohl Recht.", erklang die leicht polternde Stimme des angesprochenen Hugenottenführers.
Buckingham zog prompt die stolzen Brauen hoch. „Monsieur le duc, Ihr vertraut somit vollkommen diesen anonymen Informationen?", versetzte er scharf. „Bitte verzeiht, wenn ich nach wie vor Zweifel daran hege! Toiras ist Euer erklärter Gegner, und er scheint mir, Monsieur Aramis` Schilderung zufolge, zudem ein Mann zu sein, der beileibe nicht auf den Kopf gefallen ist! Besteht nicht Gefahr, er könnte versuchen, Euch wie mich mit einer raffinierten Finte zu übertölpeln? Goddam, das sieht mir wahrhaftig nach einer abgefeimten Kriegslist aus! Und daher meine ich, man sollte - !"
„Eure Lordschaft!", unterbrach da eine ärgerliche Stimme Buckinghams enervierten Sermon, und ein älterer Offizier von muskulöser Gestalt und scharfgeschnittenen Zügen wies mit ungeduldiger Geste auf das Schreiben in der Hand des Herzogs. „Bitte verzeiht, doch wir, die Herren Offiziere Eures Stabes, können Eurem eindringlichen Vortrag mitnichten folgen, solange wir über den genauen Inhalt dieser Botschaft nicht informiert sind! Hättet Ihr, Mylord, nun bitte die Güte, uns diesen mitzuteilen, damit wir darüber im Bilde sind?"
Der Herzog warf dem kühnen Sprecher einen wütenden Blick zu – zum Teufel, was erlaubte sich dieser Herr, ihn, Lord Buckingham, High Admiral und obersten Befehlshaber der königlichen Flotte, mitten in seiner Rede zu unterbrechen?! Er fasste den Offizier scharf ins Auge, doch dann besann er sich, zückte mit grimmiger Miene das bewusste Schreiben und begann mit erhobener Stimme, die detaillierten Angaben der Botschaft laut und übertrieben deutlich artikuliert zu deklamieren, als stünde er auf der Bühne eines öffentlichen Theaters. „Nun, meine Herren?", fragte er verächtlich, nachdem er seine Vorlesung beendet hatte, „was meint Ihr dazu? Ich für meinen Teil sage nur: It`s ridiculous! Wäre die französische Besatzung samt ihrer Bewaffnung tatsächlich so schwach, hätte Toiras sich uns bereits längst ergeben!"
„Mylord, Ihr irrt Euch!", fuhr nun Rohan auf, mit zorngeröteter Stirne, „ich darf Euch versichern, diese Botschaft spricht wahr! Parbleu, nicht ihrem Urheber haben wir zu misstrauen! Im Gegenteil, wenn hier einer ein falsches Spiel treibt, dann ist es - !"
„Woher wollt Ihr dies so dermaßen sicher wissen, Monsieur le duc?! Toiras führt Euch wie uns womöglich an der Nase herum und lässt uns ins offene Feuer rennen!", schrie Buckingham erbost zurück, während sich unter seinen Offizieren abermals erregtes Gemurmel erhob. „Sollen wir uns blutige Köpfe holen?! Nein, Monseigneur, ich bin der Oberbefehlshaber hier, und ich allein entscheide, was hiervon zu halten ist! Also befehle ich - !"
Doch da unterbrach ihn abermals eine Stimme, eine jugendliche diesmal, und sprach klar und vernehmlich: „Mylord, bitte verzeiht! Doch der Herr Herzog hat Recht! Ich befand mich bis heute als Kriegsgefangener im Fort Saint Martin, und während dieser Zeit war es mir möglich, die französische Besatzung in Augenschein zu nehmen. Die Angaben dieser Botschaft stimmen mit meinen dortigen Beobachtungen überein, daran besteht für mich nicht der geringste Zweifel."
Buckingham sah dem jungen Sprecher konsterniert ins Gesicht – wie bitte? Was sagte dieser Keeley da?! „Das kann doch nicht - !", stammelte er zutiefst verblüfft, „Monsieur Aramis erklärte doch - ! By all the devils, Sergeant, Ihr redet irre! Die Gefangenschaft hat Euch den Verstand verwirrt!"
„Goddam! Nein, das glaube ich nicht!", rief da jener kühne Stabsoffizier mit lauter Stimme dawider, und seine Waffengefährten sekundierten ihm sofort mit ebenso grimmigen Mienen, „on the contrary, Mylord, die Zeit scheint nun gekommen, die Loyalität Eures französischen Beraters einer genaueren Prüfung zu unterziehen!" Und damit sah er Aramis scharf ins Gesicht.
Dieser erbleichte, ihm war plötzlich, als wanke der Boden unter seinen Füßen, als stünde er auf brechendem Eis über tiefen, reißenden Fluten - verflucht, nimm dich zusammen!, durchzuckte es ihn glühend heiß wie Feuer, los, rede, rette, was zu retten ist! „Monsieur le colonel!", konterte er also mit rauer Stimme, „ich habe meine Angaben nach bestem Wissen gemacht! Wenn ich Unrecht hatte und diese von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichen, so ist dies einem empfindlichen Irrtum meinerseits geschuldet, den ich hiermit zutiefst bedaure! Doch ich hatte keine Gelegenheit, längere Zeit in der Festung zu verweilen und die Stärke ihrer Besatzung genauer zu überprüfen! Ich musste von dem, was ich zu Gesicht bekam, notgedrungen auf das Vorhandene schließen, und da Vorsicht allemal besser ist als Nachsehen, so dachte ich, es wäre sicher angebrachter, die Bewaffnung des Forts und die Zahl seiner Verteidiger nicht zu unterschätzen!"
„Oder Ihr sollt den Angriff im Auftrag der französischen Krone verzögern", grollte Benjamin de Rohan. „Was meint Ihr, Monsieur Shamrock, Ihr solltet doch das Kundschaften übernehmen?"
Der junge Ire seufzte innerlich. Ich hätte die Papiere einfach mit Lord Walsinghams Zeichen abgeben sollen und verschwinden, dachte er bei sich. Laut sagte er: „Französische Truppen sind zweifelsfrei im Anmarsch, aber auf See sind ihnen die Truppen des Herrn Herzogs weitaus überlegen. Ein Sturmangriff auf die Festung ist nicht sehr ratsam, da der massive Fels Kanonenfeuer relativ unwirksam macht. Ob allerdings genügend Zeit bleibt, um die Festung auszuhungern, überlasse ich den Herrn Offizieren und den bewährten Händen Seiner Lordschaft. Ich empfehle aber, die Ziehbrunnen außerhalb der Festung unter Kontrolle zu bringen, da es innerhalb des Forts kaum Wasser gibt. Was jenen Chevalier d’Herblay betrifft, steht mir kein Urteil zu, ich würde aber nicht empfehlen, ihn an einem englischen Kriegsrat teilnehmen zu lassen."
„As you say, Sir!", zischte die Schar der Offiziere einmütig und mit grimmigem Lachen, und ihr Sprecher, jener scharfsichtige Oberst, erhob sogleich laut seine Stimme. „Eure Lordschaft", erklärte er eisern und kalt, an Buckingham gewandt, „die Lage ist ernst, höchste Gefahr im Verzug! Daher verlangen wir, dass Monsieur d`Herblay sofort und stehenden Fußes in sicheren Gewahrsam gebracht wird, bis seine Schuld oder Unschuld einwandfrei geklärt ist!"
„What?!" Dem Herzog stockte der Atem. By all the devils, was hörte er da?! „This is - outrageous!", stammelte er, bleich vor Wut, „Ihr wagt es, hier vor meinem Angesicht zu fordern, ich solle meinen vertrauten Freund verhaften lassen?! Mylords, dies ist ungeheuerlich! Offene Rebellion! Jawohl, Meuterei!"
„Mylord, mitnichten!", fauchte der Colonel sofort dawider, die Zornesröte fuhr ihm auf - war Buckingham denn total blind?! „Niemand ist Eurer Lordschaft und unserem Vaterland ergebener als wir! Und eben darum ersuchen wir Euch untertänigst, doch mit allem Nachdruck, unserer berechtigten Forderung stattzugeben! Sollte sich unser dringender Verdacht hinterher als bloßer Irrtum herausstellen", er grinste Aramis maliziös zu, „werden wir Eurem Herrn Protegé reumütig Abbitte leisten!" Und damit trat er, ohne Buckinghams Antwort abzuwarten, auf den jungen Musketier zu. „Sir, Euren Degen!"
Aramis fühlte kalten Schweiß auf seine Stirne treten - bei allen Göttern! Das war sein Ende! Gegen die Phalanx seiner vereinten Offiziere kam Buckingham niemals an, und wenn er zehnmal Oberbefehlshaber war! Und in der Tat, der Admiral starrte seinem Oberst so dermaßen bleich ins martialische Gesicht, als wäre dieser der Teufel in Person -
„Nein!", krächzte der fassungslose Herzog endlich, nun beinahe bar aller contenance, „meine Herren, Ihr irrt Euch! Ich lasse niemals zu, dass - !"
„Sir, übergebt mir Eure Waffen!", wiederholte der Colonel leise und scharf, zu Aramis gewandt und ohne Buckinghams Worte zu beachten. Der junge Musketier wich unwillkürlich einen Schritt zurück, doch schon traten die Offiziere geschlossen hinter ihn, um ihm jeden Fluchtweg abzuschneiden, und so griff er, wie betäubt, an sein Rapier, zog es mitsamt der Scheide aus dem Bandelier und ebenso den Dolch aus dem Gürtel -
„Wohin nun mit dem Herrn, Mylord?", wandte sich der Oberst an den Herzog, „ihn hier im Lager zu belassen, scheint mir zu riskant! Ich schlage vor, ihn auf einem unserer Schiffe zu internieren! Von dort ist jeder Fluchtversuch mit Sicherheit unmöglich!"
Buckingham blickte dem Colonel starr ins Gesicht, totenbleich und wie vom Donner gerührt - wilder Zorn schoss in ihm hoch, trieb ihm Schweiß auf die Stirne, doch was konnte er tun?! Er brauchte seine Männer, ohne sie kein Sieg, er war auf seine Offiziere angewiesen! Zähneknirschend vor Wut und an allen Gliedern bebend stieß er endlich heiser hervor: „Well, I see! Aber ich befehle Euch, Sir, Monsieur Aramis auf mein Admiralsschiff zu bringen! Er steht nach wie vor unter meinem persönlichen Schutz und ist mit allem Respekt zu behandeln! Habt Ihr verstanden, Colonel?!"
„Mylord, keine Sorge! Dies soll dem Herrn gewährt sein!", konterte der Oberst leise und scharf, während er Keeley, dem jungen Sergeanten, einen knappen, befehlenden Wink gab -