Caroline von Eugénie

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Kapitel Das Kloster

Nachdem mein Vater gegangen war richtete ich mich ein lange im Kloster zu bleiben. Ich verabschiedete mich von Justine, Pierre und Marie und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich würde sie nie mehr wiedersehen. Die ersten Tage waren schrecklich. Alles rund um mich war so ernst. Die Nonnen und auch Mutter Oberin war sehr nett zu mir, doch ich vermisste meinen Vater und meine Freunde und dagegen konnten selbst sie nichts unternehmen. Am Anfang zog ich mich oft sehr zurück und weinte den ganzen Tag. Ich wusste, dass zur selben Zeit Mein Vater mit seinen Freunden die tollsten Abenteuer erlebten, in fremde Gegenden reisten und den König beschützten. Ich wollte das auch tun. Doch konnte ich nichts anderes machen als hier auf ihre Rückkehr zu warten. Warten, warten und nichts anderes als warten. Ich vermisste den Unterricht, ich wollte lernen doch das ging nicht. In das Klosterleben, dass mir bis zu diesem Zeitpunkt zur aus Aramis Schilderungen bekannt war musste ich mich einfügen. Ich konnte es nicht leiden stundenlang auf den Knien herum zu rutschen um zu beten. Doch in den ersten Tagen gab es keine andere Möglichkeit für mich als zu beten. Leider konnte ich auch da nichts Neues lernen, weil ich alle Gebete und Geschichten aus der Bibel schon kannte. Aramis war ein guter Lehrer gewesen. Bald fingen sich die Nonnen und auch die Mutter Oberin an zu wundern woher ich die Bibel so genau kannte. Wahrheitsgemäß antwortete ich: von Aramis. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. Er war ihnen gut bekannt. So Manche stieß einen Seufzer aus und blickt sehnsüchtig in Richtung Himmel.
Irgendwie hatte ich das bestimmte Gefühl, dass ich nicht ohne Grund in diesem Kloster gelandet war. Auch war mir bewusst, dass Aramis seine Finger da mit im Spiel hatte. Er schien mehr in die Geschicke der Zeit und der Menschen eingreifen zu können, als mir je bewusst war. Er war mehr als ein einfacher Musketier, der Priester werden wollte. Doch wer er war, oder warum er all das tat begriff ich nicht. Eines Tages würde ich es erfahren. Doch noch nicht jetzt. Die Zeit war noch nicht reif dafür.
Im Moment gab es andere Dinge für mich zu tun. Nicht viele oder interessante Dinge, aber sie vertrieben die Zeit. Als man feststellte, dass ich nicht sehr gut bewandt war in der Küche, beschloss man mich dahingehend zu unter weisen. Das war viel spannender. So konnte ich nun in der Küche und auch im Garten helfen. Ich lernte vieles über die richtige Zubereitung von Speisen, was man zur Fastenzeit essen dürfe und was nicht, und auch über Heilkräuter. Es war interessant und machte viel Spaß.

Doch meine Zeit im Kloster sollte noch spannender werden als ich es je für möglich gehalten hatte. Nachdem ich einige Wochen dort war machte ich eine sehr nette Bekanntschaft. Nach der Morgenmesse ging ich wie üblich in den Garten um zu helfen. Es war die Zeit der Apfelernte und da ich jung und geschickt war durfte ich auf den Baum klettern und die Äpfel hinunter reichen. Die Sonne schien und ich war sehr übermütig. Immer höher kletterte ich hinauf. Die Schwestern baten mich doch wieder hinunter zu kommen und etwas achtsamer zu sein doch ich hörte nicht. Als ich nach einem besonders großen Apfel griff passierte es; der Ast unter mir brach ab und ich fiel auf den Boden. Sofort wollte ich aufstehen doch ich konnte nicht. Mein Bein war zerschunden. Die Wunde schien nicht tief zu sein, doch ich hatte große Schmerzen. Man hob mich auf und brachte mich zu den heilkundigen Schwestern. Sie legten mich auf ein Bett, reinigten die Wunde, cremten sie mit einer übel riechenden, braunen Salbe ein und verbanden mein Bein. Wenn ich heute daran zurück denke, kann ich immer noch den Gestank dieser Salbe riechen. Doch oft sind die Salben die am übelsten riecht und das Medikament das am bittersten schmeckt, die Besten.

Nachdem sie mich versorgt hatten verließen sie das Zimmer und sagten ich solle schlafen, da dies den Heilungsprozess beschleunigen werde. Doch ich konnte nicht schlafen. Die Salbe linderte zwar die Schmerzen doch sie waren noch stark genug um mich wach zu halten. Also blickte ich mich im Zimmer um. Neben mir lag ein junges Mädchen. Sie sah sehr blass und mager aus. Sie trug das Gewand einer Nonne. Ganz still lag sie da. Ihr flacher, leiser Atem war das einzige Zeichen von Leben, das von ihr ausging. Nach kurzer Zeit hörte ich wie sie anfing zu weinen. Ganz leise, eher wie das Wimmern eines Hundes. Ich blickte zu Ihr rüber doch sie bemerkte mich nicht. Schwester Anna kam ins Zimmer. Ich machte sie darauf aufmerksam, doch sie sagte das sei normal. Schwester Juliette habe versehentlich Tollkirschen gegessen. Ich solle mich nicht weiter darum kümmern und endlich schlafen.
Doch ich konnte nicht. Ihr Wimmern war so herzzerreißend, das ich sie ansprach. Schwester Juliette, rief ich, was ist mit euch? Habt ihr Schmerzen sollt ich die Schwestern holen? Doch sie reagierte nicht. Ich probierte es immer wieder und wieder doch da war keine Antwort. Gequält von meinem und Ihrem Schmerz schlief ich ein. Es war ein unruhiger Schlaf. Ich träumte vom König, von meinem Vater und von einem Gericht zubereitet aus Äpfel und Tollkirschen und von Schwester Juliette die das alles aß.
Kurze Zeit später erwachte ich wieder. Es war nun mitten in der Nacht und ich hörte den Gesang der Nonne aus der Kirche. Auch Juliette war wach. Sie weinte nicht mehr. Ich fragte sie ob alles in Ordnung sei oder ob sie Hilfe bedarf. Sie drehte den Kopf zu mir und sagte: Liebes Kind, mir geht es gut, kümmere dich nicht um mich. Mein Leben ist vorbei.
Aber warum den, ich wollte wissen was mit Ihr nicht stimmte. In Ihrer Stimme klang so große Verzweiflung mit, wie ich es noch nie gehört hatte. Ich blickte ihr tief in ihre Augen. Sie waren groß und schwarz. Seltsam, denn solche Augen hatte ich noch nie gesehen. Hier im Norden wo ich wohnte hatte kaum jemand schwarze Augen. In meiner kindlichen Naivität versuchte ich sie aufzumuntern. Ich erzählte Ihr von mir und wer mein Vater war. Als sie hörte, dass er Musketier war begann sie auf einmal zu erzählen.
Sie war mit der Königin vor ein paar Jahren aus Spanien gekommen. Sie war eine der wenigen deren die Königin vertraute. Sie half Camille de Bois-Tracy ebenfalls eine Vertraute der Königin, die Briefe der Königin unbemerkt nach Spanien und auch nach England zu schicken. Es war gefährlich, doch sie liebte ihre Königin und wollte alles für sie tun.
Doch der König misstraute seiner Frau und schickte alle ihre Vertrauten entweder zurück nach Spanien oder wie sie ins Kloster. Einige Zeit war sie sicher hier gewesen. Niemand hatte sie hier vermutet. Nicht einmal die Königin. Doch irgendwie war man vor ein paar Tagen auf sie aufmerksam geworden. Männer des Kardinals waren bei Mutter Oberin gewesen um herauszufinden ob sie hier war. Sie vermutete dass diese Männer wissen wollten wer Ihnen noch geholfen hatte Briefe nach England zu schicken. Da sie die Namen aber unter keinen Umständen preisgeben wollte, hatte sie Tollkirschen geschluckt um sich damit zu töten. Niemand sollte ihr Geheimnis erfahren. Niemand. Ich musste ihr schwöre nie ein Wort preiszugeben.
Sie wirkte erleichtert, doch ich war betrübt und verwirrt. Dieser König muss wirklich ein Gott sein wenn er dies alles bewirken konnte. Auch der Kardinal musste ein sehr mächtiger Mann sein.
Ich schloss Freundschaft mit Juliette. Sie saß in der Messe neben mir und im Garten verrichteten wir von nun an unsere Arbeiten gemeinsam. Während dieser Zeit brachte sie mir ein paar Worte Spanisch und auch Englisch bei. Sie erzählte mir auch von einem gut aussehenden Musketier in den sie sich verliebt hatte. Sie hatte ihn einige Male bei Madame de Bois-Tracy gesehen. Ein großer, schlanker Musketier der sehr feine Hände hatte. Den ganzen Tag schwärmte sie nur von Ihm. Sie erzählte mir auch viel über die Königin. Es war fast wie der Unterricht meines Vaters, doch erzählte sie mit viel mehr Gefühl und legte nicht so großen Wert darauf, dass ich ihr ununterbrochen zuhörte. Wichtig war für sie nur das sie erzählen konnte.

Ich war nun schon einige Zeit schon im Kloster, als eines Tages, aus heiterem Himmel mein Vater vor mir Stand. Es war Sonntag und er erhielt von Mutter Oberin die Erlaubnis mich in die Messe zu begleiten. Wir gingen in die Kirche, Porthos war auch dabei. Am Ende der Messe geschah etwas Seltsames. Porthos ging zum Weihwasserbecken und eine wunderschöne blonde Frau stand neben ihm und berührte seine Hand. Als ich sie sah, spürte ich plötzlich einen Stich im Herz. Sie hatte blonde Haare wie ich und auch dieselben blauen Augen. Sie sah sehr elegant aus. Ich vermutete, dass sie eine Gräfin oder zumindest Baronin war, denn auf Ihrem Gebetbuch war ein Wappen abgebildet.
Mein Vater schien sie auch bemerkt zu haben. Sie sah kurz zu uns hinüber, erstarrte, doch schüttelte sie gleich wieder den Kopf als wolle sie ihre Gedanken loswerden. Noch am selben Tag bat er die Mutter Oberin mich aus dem Kloster zu entlassen. Zuerst war ich sehr glücklich dies zu hören, doch als ich sah welch ernste Gesichter alle machen bekam ich es mit der Angst zu tun. Was war passiert? Warum durfte ich nicht hier bleiben? Ich wollte mich von Juliette verabschieden doch auch sie war verschwunden. Ich kehrte mit meinem Vater in seine Wohnung zurück. Ich war sehr froh wieder bei ihm zu sein, doch auch sehr beunruhigt. Ich fragte ihn was das alles zu bedeuten habe. Doch gab er mir keine Antwort. Er meinte die Zeit für Erklärungen ist noch nicht reif.