Caroline von Eugénie

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Kapitel Constance Bonacieux

Die Zeit verging und nichts änderte sich. Der Tagesablauf war immer derselbe. Ich hörte auch nichts von meinem Vater, was mich auch etwas beunruhigte. Hatte er den Brief erhalten? Ich wusste es nicht. Ich versuchte auch nicht daran zu denken. Es würde schon alles gut gehen. Man kann sich vorstellen wie erleichtert ich war als ich kurz darauf Antwort von meinem Vater bekam. Er bedankte sich für die Warnung. Alle seien wohlauf, und sie hätten bereits Mylady de Winter getroffen. Bedauerlicherweise wisse sie, dass ich noch lebte und wo. Sie habe es von der Mutter Oberin erfahren, als ich noch im Kloster war. Dies war auch der Grund, warum ich das Kloster hatte verlassen müssen. Es war zu gefährlich. Doch damals wollte er mich nicht beunruhigen. Wörtlich schrieb er: „Habe keine Angst. Sie hat versucht d’Artagnan zu töten, sie hat es auch mir angedroht. Doch Hand an die eigene Tochter anlegen, dass würde sie nicht wagen.“ Weiters riet er mir, Pierre nicht zu vertrauen. Leichtsinnig sei es gewesen ihm den Brief mitzugeben. Schließlich stehe er im Dienste des Kardinals. In Zukunft sollte ich mir einen anderen Weg überlegen. Pierre sei in der Gunst des Kardinals gestiegen und nicht mehr nur ein einfacher Laufbursche. Aber verscherzen sollte ich es mir mit ihm auch nicht. Zu guter Letzt enthielt das Schreiben noch einen Satz der mein Herz höher schlagen ließ, er würde bald nach Paris zurückkehren. Doch beunruhigte mich die Nachricht über meine Mutter. Wie skrupellos war sie? Würde sie mich töten oder töten lassen? Sie hatte ihre Beziehungen, sonst hätte sie nie erfahren, dass ich im Kloster war. Hoffentlich würde mein Vater bald kommen. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, ich hatte Angst.
Ich ging meiner Arbeit nach, doch konnte ich an nichts anderes denken als an meinen Vater.
Vor allem aber hatte ich Angst vor meiner Mutter. Sie wusste viel, hatte viele Freunde, stand in der Gunst des Kardinals. Bestimmt wusste sie auch jetzt wo ich war. Inständig hoffte ich, dass mein Vater recht behalten würde.
Am Tag nachdem ich den Brief erhalten hatte, traf ich Pierre wieder. Eigentlich müsste er ja in La Rochelle sein, denn dort war der Kardinal auch. Doch er war hier. Er suchte mich auf. Nur um zu plaudern sagte er. Er erzählte mir vom Krieg, von den Truppen, berichtete mir auch, wie es meinem Vater ging und seinen Freunden. Ich dankte ihm nachdrücklich. Eigentlich hatte ich kaum Zeit und noch weniger Lust mich mit ihm zu unterhalten. Nun erzählte er mir vom Kardinal. Was für ein großherziger, edler Mann er sei. Etwas Merkwürdiges lag in Pierres Augen. Es machte mich unruhig. Alles was er mir hier erzählte, war nicht der Grund warum er hier war. Er begann mir Komplimente zu machen, redete über unsere lange Freundschaft und davon dass wir uns eigentlich schon von Kind an kannten. Pierre redete nun von einem tiefen Gefühl der Zuneigung, dass er mir gegenüber empfand. Fast schon Liebe, meint er. Ich traute meinen Ohren nicht. Bisher mochte ich Pierre ganz gerne, doch was ich nun hörte versetzte mir einen Schlag. Er konnte all das unmöglich ernst meinen. Mein Gefühl befahl mir ihm nicht zu trauen. Und nach noch ein paar unzähligen Komplimenten, gab mir mein Gefühl recht. Denn nun sprach er davon welchen ungeheuren Einfluss der Kardinal hatte, und dass er mir jederzeit eine besser Stellung besorgen könnte. Ganz gewiss wäre es möglich mich als Gesellschafterin unter zu bringen. Ich dankte ihm und teilte ihm mit, dass ich keinen Wert auf die Hilfe des Kardinals legte. Außerdem sei ich glücklich dort wo ich bin. Dies stimmte zwar nicht, aber dass brauchte er nicht zu wissen.
Er war sichtlich verärgert. Anscheinend hatte er mit einem ganz anderen Ausgang des Gesprächs gerechnet. Er begann mir zu drohen. Der Kardinal hat einen langen Arm, sagte er. Ich sollte es mir mit ihm nicht verscherzen. Pierre lief rot an, begann schneller zu atmen und sagte mit einem künstlichen Lächeln, dass er hoffe wir würden trotz allem Freunde bleiben.

Nachdem er gegangne war wurde auch mir Angst und Bang. Bisher hatte ich Pierre nie als Gefahr gesehen. Eher als einen dummen Tölpel, von dem man mit ein paar schönen Worten alles verlangen konnte. Ich würde mich vor ihm in Acht nehmen. Nie wieder ein unbedachtes Wort über meine Lippen kommen lassen in seiner Gegenwart.

Am Nachmittag desselben Tages erhielt ich einen Brief von meinem Vater. Ich sollte zu Madame Bijou gehen und ihr sagen dass irgendeine Tante von mir krank sei und dass ich schnell zu ihr kommen müsse, da sie im sterben liege. Des weitern sollte ich mich reisefertig machen. Er würde mich in den nächsten Tagen abholen.
Sofort ging ich zu Madame Bijou. Zu meinem großen Erstaunen willigte sie ein. Sobald mein Vater eintraf, würde ich gehen dürfen. Ich begann mich reisefertig zu machen und zwei Tage später kam mein Vater. Mein Herz machte einen großen Sprung als ich ihn sah, doch sein Gesicht verriet mir, dass die Lage ernst war. Ich bestürmte ihn mit Fragen, doch er sagte mir ich solle still sein. Wir borgten uns ein Pferd aus dem Stall von Monsieur de Treville und ritten davon. Nach ungefähr einer Stunde und als wir schon weit außerhalb von Paris waren trafen wir auf Aramis, Porthos und d’Artagnan. Alle hatten dieselbe ernste Miene wie mein Vater. Nun konnte ich meine Fragen nicht mehr zurückhalten. Warum waren sie hier? Was hatte das alles zu bedeuten? Warum musste ich Madame Bijou anlügen? Die Geschichte die sie mir nun erzählten verschlug mir den Atem. Mylady de Winter, meine Mutter, sei nach England gereist um den Herzog von Buckingham zu töten. Man habe sie dort ins Gefängnis gesteckt doch sie konnte flüchten. Ein gewisser Fenton, ehemals ergebener Diener des Herzogs, hat das vollendet wozu Mylady nach Englang gefahren war. Sie wisse alles. Wo ich sei und wo Constance sei. Sie wolle sich rächen. D’Artagnan war ihrem Anschlag in La Rochelle entgangen, nun würde sie sich an Constance dafür rächen. Athos hatte sie bestohlen, und er kannte alle ihre Geheimnisse. Gut möglich, dass sie ihr eigenes Kind töten würde um sich an ihm zu rächen. Es wäre zu gefährlich für mich dort zu bleiben wo ich jetzt war, denn im Palast habe der Kardinal viel mehr Spione als man denkt.
Wir ritten also zu Constance nach Bethune um sie in Sicherheit zu bringen. Stundenlang ritten wir. Einmal nur hielten wir an um die Pferde zu tränken. Als wir alle schon fast am Ende unserer Kräfte waren, kamen wir in Bethune an. Constance hatte die letzte Zeit im Kloster verbracht, nur aus Sicherheit nicht im den Schleier zu nehmen, also fingen wir dort an zu suchen. Wir klopften an der Tür und eine Schwester öffnete uns. Sofort fragten wir nach Constance. Sie erklärte uns das selbige vermutlich gerade in der Kirche sei um zu beten. Wir stürmten los, doch fanden wir sie dort nicht vor. Uns wurde Angst und Bang. Was wenn etwas geschehen war? D’Artagnan unterbrach eine Schwester, die in der ersten Bank saß, wüst in ihrem Gebet. Er fragte wo die Zelle von Constance Bonacieux sei. Welch Glück sie wusste es. Er stürmte los. Wir konnten ihm nur atemlos folgen. Wie von einer unsichtbaren Macht angetrieben nahm er drei Stufen auf einmal empor zum ersten Stock. Er rannte als ob der Teufel hinter ihm her war. Kurz verloren wir ihn aus den Augen. Vor allem Porthos war es unmöglich mit ihm mitzuhalten. Nach einigen Momenten fanden wir ihn wieder.
Er saß in einer Zelle über einen leblosen Körper gebeugt. Nun erst erkannte ich, dieser leblose Körper hatte einmal die Seele von Constance Bonacieux beherbergt. D’Artagnan weinte nicht. Er saß stumm da und trauerte einen Moment. Dann schlang er seine Arme um ihren Körper und drückte ihn an sich. Aramis begann ein Gebet zu sprechen, Porthos versuchte d’Artagnan zu trösten, doch in den Augen meines Vater konnte ich eine Mischung aus Wut, Zorn und Verzweiflung sehen, doch vor allem eines Rache. Er war wütend darüber Recht behalten zu haben mit seiner Vorahnung, zornig, dass sie nicht rechtzeitig gekommen waren und verzweifelt litt er mit seinem Freund. Doch deutlich spürte ich, dass all diese Gefühle von dem der Rache verdrängt wurden. Ich hatte Constance nie wirklich kennen gelernt, doch empfand ich eine tiefe Trauer. Ich litt mit d’Artagnan. Er musste sie sehr geliebt haben. Doch noch ein anderes Gefühl beherrschte mich; die Angst. Angst nun auch um mein Leben. Meine Mutter war ein gefährliches Biest, sie konnte töten. Es bereitete ihr offensichtlich keinen Skrupel. Bestimmt, war es ihr auch ein leichtes mich zu töten.
Von dieser Angst beherrscht, bemerkte ich nicht den Mann der soeben ins Zimmer gekommen war. Er deutete auf den leblosen Körper und sagte: Ich habe mich nicht getäuscht. Ihre Spur ist unverkennbar. Nun blickten wir alle auf. Keiner von uns erkannte diesen Herrn. Es war der Schwager von Mylady, Lord de Winter, der Bruder ihres zweiten Mannes. Athos trat auf ihn zu und begrüßte ihn. Er sei auf unserer Seite und wir auf seiner. Wir hatten einen neuen Verbündeten gefunden.