"Die Gräfin de Winter" von Rochefort

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Kapitel Phönix aus der Asche

Anmerkung des Autors: Für dieses letzte Kapitel möchte ich meinen Co-Autoren Armand-Jean-du-Plessis und Charlotte de Winter danken, die es fast zur Gänze verfasst haben!

„Ich denke, wir können Mylady de Winter jetzt zu uns bitten", wandte sich der Kardinal an seinen Stallmeister. „Wie Eure Eminenz wünschen", war die knappe Erwiderung des Comte de Rochefort und schnellen Schrittes verließ er den kleinen Salon. „Wir werden sehen, ob die junge Dame sich einschüchtern lässt oder ob sie den Mut besitzt, der notwendig ist um nützlich zu sein", dachte der Erste Minister von Frankreich bei sich und legte ein paar vorbereitet Papiere auf das Beistelltischchen.

Rochefort war inzwischen wieder im Blauen Salon angelangt und trat auf Mylady zu: „Seine Eminenz würde sich freuen die Bekanntschaft von Mylady zu machen." Charlotte de Winter war eines sofort klar. Trotz des freundlichen und ausgesprochen höflichen Tones der Einladung war dies ein Ersuchen, welches keinerlei Widerspruch duldete. Sie fasste sich ein Herz und legt ihren ganzen Charme in ihre Stimme: „Monsieur, es ist mir eine überaus große Ehre Seine Eminenz kennen lernen zu dürfen. Dies hätte ich gar nicht zu träumen gewagt." Der Charme ihrer Worte schien an dem ganz in schwarz gekleideten Comte abzuperlen wie der Morgentau an einem Blatt. Fast fröstelte es Mylady, als er trocken meinte. „ Nun, dann folgt mir doch bitte."

Sie musste die Augen zusammenkneifen, als sie das Separée betrat. Diese düstere Stimmung hatte sie nicht erwartet. Wären die hellen Möbel nicht gewesen und eine einzelne brennende Kerze, so wäre der Raum wohl als extrem finster zu bezeichnen gewesen. Hinter ihr erklang die Stimme des Comte de Rochefort, der ihr die Türe aufgehalten hatte und sie jetzt auch wieder schloss: „Eure Eminenz, darf ich vorstellen: Lady Charlotte de Winter." Mylady näherte sich anmutig dem Kardinal, ging vor ihm auf die Knie und küsste den Kardinalsring, wie die Etiquette es verlangte. „Bitte setzt Euch doch, meine Liebe, es freut mich Euch kennen zu lernen, ich habe schon einiges von Euch gehört.", meinte Richelieu. Lady de Winter wurde aus den Worten nicht ganz schlau. „Meine Liebe" war eine sehr vertrauliche Formulierung, aber der Tonfall passte nicht dazu, und die Anspielung, dass er schon viel von ihr gehört hätte, war bei einem Mann wie Richelieu fast schon eine Drohung. Ihr wurde langsam doch etwas mulmig. Sie unterdrückte das flaue Gefühl im Magen und elegant ließ sie sich auf dem zweiten Fauteuil nieder. Sie sank sehr tief in die weiche Polsterung ein und der Kardinal überragte sie um mehr als eine Kopfeslänge.

Der Graf von Rochefort war anscheinend an der Tür stehen geblieben, vielleicht um unliebsame Personen, die zufällig den Salon hätten betreten können, abfangen zu können. Mylady konnte aber seinen forschenden Blick in ihrem Rücken spüren und ganz leicht begannen sich ihre Nackenhaare aufzustellen. „Nur ruhig, du hast dir hier in Frankreich nichts zu Schulden kommen lassen, wovon der Kardinal wissen könnte", dachte sie bei sich und versuchte sich ein wenig zu entspannen. Trotzdem, es wollte ihr nicht recht gelingen - also setzte sie die Maske der Unschuld auf – ein Gesichtsausdruck und Pose die sie einerseits lange geübt hatte und anderseits sich fast natürlich in ihr Verhalten schlich, wenn Gefahr drohte.

Richelieus Gesichtsausdruck hingen war nicht zu lesen, er wirkte freundlich, würdevoll, aber auch undurchschaubar. „ Ah, sie macht auf blonder Unschuldsengel, hervorragend, fast jeder Mann würde bei diesem Anblick wohl ins Schmachten kommen.", dachte er bei sich, fast ein wenig amüsiert. „Ich hoffe, Euer Aufenthalt in Paris war bis jetzt von angenehmer Art", eröffnete er die Konversation und betonte das „bis jetzt" doch mit einer gewissen Deutlichkeit.

Charlotte wusste nicht, wie sie diese Anspielungen zu deuten hätte, also setzte sie in ihrer altbewährten Art und Manier mit einem gewissen Anflug von Charme das Gespräch mit dem Kardinal fort, jedoch immer darauf bedacht keinen Fehler zu begehen.
"Eure Eminenz, welche Person wäre nicht von Paris beeindruckt, eingedenk dessen, was diese Stadt zu bieten hat. Natürlich verbrachte ich lange Zeit in England, aber Frankreich und Paris sind unvergleichlich – wer könnte diese Stadt nicht lieben, wo der Tag zur Nacht wird und umgekehrt. Die Kühle Englands mag für uns Damen bezüglich des Teints ihre Vorteile haben, doch Kunst und Kultur sind eindeutig hier beheimatet.Wie ich vernahm, scheint Eurer Eminenz ebenfalls eine gewisse Kunstbeflissenheit zu Eigen zu sein. Die Salons entsprechen meinen Geschmack und ich werde zuvorkommend behandelt, an Einladungen mangelt es mir ebenfalls nicht."
Mit dem gewissen Augenaufschlag gab sie unmissverständlich zu verstehen, dass es ihr vor allem an männlicher Begleitung nicht mangelte.

Rochefort und dem Kardinal dürfte diese Koketterie nicht entgangen sein.

Etwas ungeduldig nahm Mylady einen kleinen Schluck des köstlichen Weines, den man ihr anbot, um ihre Nervosität etwas zu überspielen.

"Das schöne, aber kleine exquisite Palais mit dem Garten, das ich derzeit bewohne, bietet mir darüber hinaus die Rückzugsmöglichkeit, die ich brauche. Mit einem Wort – ich bin rundum zufrieden und vermisse nicht im Geringsten das kühle England. Die Besitzungen dort werde ich, wenn alles geregelt ist, demnächst zum Verkauf anbieten. Zu schwer hängt die Erinnerung an meinen verstorbenen Mann noch daran."


Dabei wurden Myladys schöne Augen leicht wässrig. Sie tupfte sie ganz sacht mit dem Taschentuch ab und für einen Moment glaubte man, sie bedürfe des Trostes um sich auszuweinen. Madonnenhaft geneigt, in Gedanken versunken, versuchte sie die Rolle der Trauernden überzeugend zu spielen. Ein kurzes Zucken ihrer Schulter um ein Schluchzen zu unterdrücken...

Rochefort suchte kurz den Blickkontakt zum Kardinal...ein Gedanke ging beiden durch den Kopf: Raffinesse gepaart mit Schauspielkunst ... welcher Mann würde nach dieser Darbietung nicht der Witwe seine starke Schulter als Stütze anbieten wollen!

Beim letzten Satz bemerkte Mylady kurzzeitig eine Veränderung im Gesicht des Kardinals ... verdammt, hatte sie etwas Falsches gesagt oder geantwortet? Natürlich wollte sie diese leidige Episode ihrer kurzen Ehe in England beiseite schieben und den Besitz aus der Erbschaft so rasch als möglich loswerden. Nichts könnte sie in England halten. Frankreich war ihr Lebenselexier, hier könnte sie sich eine neue Zukunft aufbauen und ein Leben nach ihrer Art führen. Hier würde sie wie ein Phönix aus der Asche steigen und ihre Träume verwirklichen. „Nun", dachte sie, „jetzt wird es sich weisen, was das Schicksal für mich bereithält." Denn nur wegen ihres zarten Augenaufschlags würde der Kardinal sie nicht herbeibestellt haben. Ein mulmiges Gefühl beschlich sie. Einen Herzschlag bereute sie, nicht ihren Instinkt folgend den Salon schon früher verlassen zu haben.
Kühl und gerade sitzend richtete sie gespannt ihre Augen auf den Kardinal. Schon oft hatte sie unliebsame Überraschungen hinnehmen und sich den sogenannten Platz an der Sonne hart erkämpfen müssen...

„Ich bin erfreut zu hören, dass Mylady Frankreich so gut gefällt", erwiderte Richelieu. „Und eine Lady de Winter könnte ein leuchtender Edelstein im Diadem sein, welches die Stadt Paris bisweilen ist." Trotz der schmeichelnden Worte war die Stimme des Kardinals eher nüchtern und sachlich. „Aber der schönste Edelstein kommt nicht zur Geltung, wenn die Fassung nicht hält, was sie verspricht! Und das wäre doch ausgesprochen schade, nicht wahr, meine Liebe? Darum ist es auch bedauerlich, dass der Bruder Eures verstorbenen Gatten einen gewissen Groll gegen Mylady zu hegen scheint. Wie sonst ist es zu erklären, dass er vor kurzem am Höchstgericht in London ein Urteil hat erwirken lassen, dass er allein alle Einkünfte aus den Ländereien Eures verblichenen Gatten verwalten darf und Mylady verbietet, die Besitzungen zu verkaufen, ja selbst zu verpachten? Solch widrige Umstände machen es selbst einer ehrbaren Lady fast unmöglich, den Lebensstil aufrecht zu erhalten, der ihr am Pariser Hof zusteht. Aber – vielleicht besteht ja dennoch die Chance, das Schicksal gnädig zu stimmen…"

Richelieu machte eine deutlich erkennbare Pause in seiner Rede.

Charlotte fühlte sich in diesem Moment, als hätte sie einen Guss Eiswasser abbekommen und sie konnte ein Zittern in ihrer Stimme nicht ganz verbergen: "Wie darf ich dies verstehen? Ein Gerichtsbeschluss, ein Urteil zugunsten meines Schwagers?.... Ich bin ruiniert...", hauchte sie tonlos, die Hand auf den Hals gelegt, bebend. Sie kam sich bloßgestellt vor. Natürlich wusste sie, dass sie nicht die mindeste Chance hatte, gegen dieses Urteil zu berufen. Zu einflussreich war ihr werter Schwager. Und selbst wenn, es würde bei einem solchen Verfahren Jahre dauern bis sie zu ihren Vermögen kam.

„Nun sieht sie tatsächlich aus wie ein Engel, dem man die Flügel gestutzt hat", dachte Rochefort. Man könnte fast so etwas wie Mitleid mit ihr empfinden, wäre da nicht der Verdacht, dass diese Frau so hilflos und unschuldig nicht war, wie sie sich gab. Von wegen Engel... „Diese Frau hat eine erstaunliche Natur", registrierte der Graf im Stillen, „einerseits bebend und Mitleid erregend, doch im nächsten Augenblick schon wieder gefasst und beherrscht.

„Mein Schwager, dieser verfluchte Bastard!", dachte Mylady indessen. Zorn keimte in ihr auf, trotz der scheinbar aussichtslosen Lage. Aber hatte Richelieu nicht von einer Chance gesprochen, das Schicksal gnädig zu stimmen? Nun schien sich alles in ihrem Inneren aufzubäumen. Nein, sie würde nicht aufgeben, niemals! Sie würde kämpfen, vielleicht konnte der Kardinal doch noch eine einstweilige Verfügung bewirken um ihr Vermögen zu sichern. Sein Einfluss war sehr groß, selbst der König, so hatte sie vernommen, würde sich seinen Rat beugen. Atemlos vor Spannung wartete sie, ob Seine Eminenz ihr einen Vorschlag unterbreiten würde.

Kardinal Richelieu musterte einen Augenblick schweigend die vor ihm sitzende blonde Schönheit. Dann lehnte er sich in seinem Fauteuil zurück und verschränkte die Finger in einander. Die Kissen unter und hinter ihm bewirkten, dass es so schien als überrage er Mylady bei weitem und dies verlieh seiner Haltung eine herrschaftliche Note. „Nun, bleiben wir einen Augenblick bei meinem Vergleich mit dem Edelstein. Mir liegt nichts daran, dass die Fassung bricht und der wertvolle Stein auf den schmutzigen Boden fällt. Im Gegenteil, er käme erst richtig zur Geltung, wenn er eine neue, stabilere Fassung erhielte. Aus diesem Grund habe ich alle Eure Verbindlichkeiten bezahlt, auch Euer Personal ist auf Monate hinaus versorgt und Ihr habt in allen wichtigen Geschäften von Paris einen hohen Kreditrahmen. Selbstverständlich geschah dies über verschiedenste Mittelsmänner. Es wäre sogar möglich, dass ich in der Angelegenheit Eures Schwagers meinen Einfluss geltend mache, auch wenn dies einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Solch eine neue, stabile Fassung für ein Juwel, wie Madame es sind, hat aber auch ihren Preis. Gefälligkeiten müssen erwidert werden."

Wieder legte der Kardinal eine rhetorische Pause ein. „Jetzt entscheidet es sich", dachte er im Stillen, „wenn sie sich als billige Mätresse anbietet, werde ich sie als solche fallen lassen. Wenn sie aber trotz meiner Andeutungen Vorsicht und Klugheit walten lässt, dann könnte dies der Beginn einer interessanten Zusammenarbeit sein."

Aufrecht sitzend, in äußerster Anspannung, wippte Mylady unter ihrem Kleid unruhig mit der Fußspitze und sie fühlte den durchdringenden Blick Richelieus auf sich gerichtet. Blässe überzog sie, als sie seine Worte vernahm. Hatte sie richtig verstanden, Kardinal Richelieu kam für ihre sämtlichen Schulden auf? Er hatte ihr Personal vorausbezahlt sowie einen entsprechenden Kreditrahmen für sie einrichten lassen? Eine Ehre, die sie unter anderen Umständen erfreut hätte... Sie musste sich Klarheit darüber verschaffen, worauf dies hinauslaufen sollte!

Mylady schien sich wieder gefasst zu haben, ihr scharfer Verstand und ihr eiserner Überlebenswille ließen sie auch diesmal nicht im Stich.
"Eure Eminenz erscheint mir äußerst großzügig, ich stehe in Eurer Schuld", begann Mylady mit etwas belegter Stimme und senkte den Blick. Dabei betonte sie das letzte Wort "Schuld" ganz bewusst, den darin bestand die Abhängigkeit...
"Ich habe nicht die Wahl, Eurer großzügiges Ansinnen abzulehnen", seufzte Mylady nachdenklich. Sie sprach ruhig, wahrheitsgemäß und überzeugend: "Mein bisheriges Auskommen besteht nicht mehr, ein Damokles Schwert schwebt über mir. Ich bin dem Abgrunde nahe. Mit einem Wort.. ich bin ruiniert! Asche auf mein Haupt. Doch ich würde gerne erfahren, Eure verehrte Eminenz, wie der sogenannte Edelstein in allen Ehren" – Mylady betonte dabei jede Silbe – „zu einer neuen Fassung kommt, damit er wieder in all seinem Glanz erstrahlen möge."
Dann, nun plötzlich wieder mit tränenerstickter Stimme, fügte sie hinzu: "Aber ist er denn nicht bereits zersplittert und erweist sich eigentlich als unbrauchbar"?

Warum hatte sie auch so voreilig England verlassen, schoss es ihr in diesem schicksalhaften Augenblick durch den Kopf. Es war durchaus ihre Schuld, dass sie sich jetzt in dieser Misere befand. „Gefälligkeiten müssen erwidert werden" vernahm sie noch die Worte des Kardinals.
Dies Prinzip war ihr von jeher bekannt. Der Geist mag frei sein, aber davon kann man nicht leben. Mylady graute vor dem Tage, an dem ihr ein gewisser Luxus nicht mehr zur Verfügung stehen würde. Schon als Kind wollte sie hoch hinaus, von Ehrgeiz beseelt, mit berechnender Planung und eiserner Disziplin hatte sie Dank ihrer gewissen Stärken und ihres Aussehens ihre Ziele erreicht. Ein Leitsatz begleitete ihr ganzes bisheriges Dasein: "Wenn mir der Himmel nicht zu Willen ist, dann bewege ich die Hölle."

Komme, was da wolle, sie würde sich dieser Prüfung durch Seine Eminenz unterziehen, wie auch immer die Sache ausgehen würde.

Kardinal Richelieu studierte intensiv jeden Blick, jede Geste und jedes Wort von Lady de Winter. Welch eine prächtige Schauspielkunst, aber auch eine gewisse Ehrlichkeit. Sie hatte ihre Lage sofort richtig erkannt und schien bereit, daran etwas zu ändern, ohne sich vulgär anzubiedern.

„Mit einem zersplitterten, unbrauchbaren Juwel würde ich mich nicht abgeben", war seine trockene Erwiderung. „Aber ein Juwel in besagter neuer Fassung könnte heller erstrahlen als je zuvor, selbst wenn das Licht nur indirekt sein sollte... Um deutlicher zu werden: Ihr habt einen gewissen Eindruck am Pariser Hof hinterlassen. Auch in den Salons und anderen gesellschaftlichen Etablissements verkehrt Ihr bereits mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit. Ein Mann wie ich kann nicht so viel Zeit darauf verwenden, dort ständig präsent zu sein. Zu viele andere, politische Aufgaben nehmen einen Großteil meiner Zeit in Anspruch. Jedoch benötige ich Augen und Ohren in der Hofgesellschaft, da sich viele neue Entwicklungen hier zuerst zeigen. Mylady wird zurzeit noch nicht mit mir in Verbindung gebracht und so soll es vorerst bleiben. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, vieles ist möglich. Überlegt Euch mein Angebot gut, es wird kein zweites Mal unterbreitet werden. Damit Ihr Euch freier entscheiden könnt, so versichere ich Euch, dass Eure aktuellen Schulden beglichen bleiben, egal wie Ihr Euch entscheidet. Nehmt Euch Zeit für Eure Entscheidung, aber nicht zu viel, denn meine Zeit ist, wie gesagt, sehr kostbar. Falls Ihr mein Angebot annehmt, wird der Comte de Rochefort mit Euch die Details besprechen."

Bei den letzten Worten blickte Richelieu zu seinem ganz in Schwarz gekleideten Begleiter, der immer noch wachsam sowohl die Türe zum Salon als auch Charlotte de Winter im Blickfeld hatte. Dieser nickte beinahe unmerklich.

Mylady, nachdenklich, den Blick leicht gesenkt, erwiderte leise und bedächtig, ihre innere Erregung verbergend: "Ein Angebot, das mir viele Türen öffnet...".
Sie würde eine Agentin am Hofe im Dienste des Kardinals sein, eine repräsentative Stellung einnehmen und in gewissem Sinne finanziell unabhängig sein. Nicht im Traum hätte sie diese Schicksalswendung erwartet. Sie kam sich vor als würde sie, eben noch durch zähen, tiefen Morast watend, plötzlich über das herrliche Grün einer Almwiese spazieren. Doch bei all den Vorteilen, die sich aus dieser Verbindung ergaben, durfte man natürlich nie die Risiken außer Acht lassen. Am Hofe, wo es einsamer und auch gefährlicher war als an fast jedem anderen Ort, wo ein Heer von gelenkten Marionetten sein grausames Spiel spielte, wo man nie wusste, ob einem Freund oder Feind gegenüberstand, dort würde ihr Revier sein. Sie würde sich behaupten, davon war sie überzeugt.

Ihr Blick wanderte einen kurzen Moment zu Comte de Rochefort. Er würde ihr wahrscheinlich diese sogenannten Details, die sie als Agentin wissen musste, erläutern. Sie wurde aus seiner Mimik nicht klug, zu verschlossen und mysteriös gab sich der oberste Spion und Stallmeister Seiner Eminenz.

Mylady sprach nun mit fester, klarer Stimme, als sie dem Kardinal ihre Antwort gab: "Eure Eminenz, es bedarf keinerlei weiterer Überlegungen, meine Entscheidung ist gefallen: Es ist mir eine Ehre, Euer Angebot anzunehmen und Euch zu Diensten zu sein"

„Dann ist es beschlossen. Ich hoffe, dass das neue Juwel am königlichen Hof lange erstrahlt und nicht trübe wird." Kardinal Richelieu streckte seinen Arm Mylady entgegen. Diese wusste natürlich, was das zu bedeuten hatte. Sie erhob sich elegant, nur um sofort darauf auf die Knie zu sinken und den Ring des Kardinals zu küssen. Es war ein großer Goldring mit einem funkelten Rubin in der Mitte. Trotz der Größe wirkte der Ring nicht protzig. Das Gold war so geschmiedet, dass es teilweise wie geflochten wirkte und eine sehr stabile Fassung ergab, die den großen Edelstein in der Mitte hielt. Rund um den Rubin war ein Kranz von kleinen, aber leuchtenden Diamanten eingesetzt. Auch sie hielten perfekt durch die Goldverflechtungen, waren sie doch eng mit dem Stein in der Mitte verbunden. Einen winzigen Augenblick zögerte Charlotte de Winter bei diesem Anblick, doch dann küsste sie den Ring graziös. Mehr als die zwei Worte „Eure Eminenz" brachte sie aber nicht heraus.

Der Comte de Rochefort hatte sich in der Zwischenzeit vergewissert, dass sich niemand in der Nähe der Türe zu diesem kleinen Salon befand. „Ich werde wohl das Vergnügen haben, Mylady jetzt öfters zu sehen. Ihr werdet von mir hören." Mit diesen Worten öffnete er die Türe und Charlotte de Winter verließ den Raum. Sie war jetzt wieder ganz in ihrem Element. Wie ein blonder Engel schien sie zurück in die öffentlicheren Räume des Hôtel de Rambouillet zu schweben, nicht ohne dem Comte ein bezauberndes Lächeln zu schenken.